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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.01.2022

Traurig, berührend und wunderschön geschrieben

Erschütterung
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Mit „Erschütterung“ ist dem US-amerikanischer Autoren Percival Everett eine schriftstellerische Meisterleistung gelungen, die mich gefesselt und berührt hat.

Der Afroamerikaner Zach Wells lebt in Kalifornien ...

Mit „Erschütterung“ ist dem US-amerikanischer Autoren Percival Everett eine schriftstellerische Meisterleistung gelungen, die mich gefesselt und berührt hat.

Der Afroamerikaner Zach Wells lebt in Kalifornien in Altadena. Er ist verheiratet, hat eine Tochter – Sarah - und ist Paläontologe. Obwohl die Ehe mit seiner Frau Meg nicht mehr das ist, was sie mal war, führt er trotzdem ein gutes und gesichertes Leben. Als es bei Sarah zu einigen unerklärlichen Zwischenfällen kommt, konsultieren sie einen Arzt, der die niederschmetternden Diagnose des Batten-Syndroms stellt. Das bedeutet, dass Sarah innerhalb kurzer Zeit erblinden wird und unter epileptischen Anfällen leidet. Zach ist erschüttert und sucht Abstand in der Wüste New Mexikos. In einer ersteigerten gebrauchten Jacke, findet er einen Zettel mit einem Hilferuf. Dieser lenkt sein Leben wieder in eine ganz andere Richtung.

Der Roman ist aus der Ich- Perspektive von Zach geschrieben. Seine Gedanke sind klar und nachvollziehbar. Die Liebe zu seiner Tochter, die Verzweiflung über die Diagnose und den Drang der Situation zu entfliehen und sich auf etwas anderes zu fokussieren wirken authentisch.

In diesem Roman geht es aber nicht nur um Zach, ein einschneidendes, lebensveränderndes Erlebnis und die damit verbundene Beziehung zu seiner Tochter, sondern auch um aktuelle gesellschaftliche Themen wie Rassismus und Sklavenarbeit.

Percival Everett stellt die Gefühlswelt seines Protagonisten auf eine einzigartige, intensive Art und Weise da, die mich total gefesselt hat. Dazu hat er seine Schauplätze in New Mexiko so detailliert und lebendig beschrieben, dass ich sie direkt vor Augen hatte.

Der Titel könnte nicht treffender sein und ich bin schon jetzt gespannt auf das nächste Werk von Percival Everett.

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Veröffentlicht am 11.01.2022

Tragisch & herzzerreißend

Der fürsorgliche Mr. Cave
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"Der fürsorgliche Mr Cave" ist ein tragisches Buch des britischen Autors Matt Haig, das mich immer wieder zu Tränen gerührt hat.

Terence Cave muss mit ansehen, wie sein 15-jähriger Sohn Reuben bei einem ...

"Der fürsorgliche Mr Cave" ist ein tragisches Buch des britischen Autors Matt Haig, das mich immer wieder zu Tränen gerührt hat.

Terence Cave muss mit ansehen, wie sein 15-jähriger Sohn Reuben bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt. Dies ist nicht der erste Schicksalsschlag, den Terence hinnehmen muss. Seine Frau ist bei einem Überfall gestorben und seine Mutter beging Suizid. Somit ist ihm lediglich Bryony - die Zwillingsschwester von Reuben - geblieben. Terence tut alles um sie zu beschützen und schießt dabei weit über das Ziel hinaus.

Der Roman ist aus der Perspektive von Terence geschrieben. Sein Schmerz, seine Angst, seine Verzweiflung sind so gut beschrieben, dass sie spürbar werden und mir beim Lesen die Luft wegblieb. Er weiß nicht, was er machen soll, um seine Tochter zu beschützen und tut dadurch alles, was ein Vater nicht tun sollte. Es ist das Handeln eines verzweifelten Vaters, eines Menschen, der am Boden zerstört ist. Dabei ist es erschreckend, wie irrational das Verhalten durch seine Angst und seine Trauer wird. Einerseits ist dies total absurd und gleichzeitig wieder absolut nachvollziehbar.

"Der Schmerz eines Kindes ist der Schmerz der Eltern."

Dieser Satz ist mehr als einmal zu lesen und jeder, der Kinder hat, weiß wie wahr er ist und wie unerträglich die Schmerzen der eigenen Kinder sind.

Mich hat dieser Roman zutiefst berührt und emotional getroffen. Matt Haig beschreibt die Gefühle von Terence so authentisch und obwohl ich als Leser die Realität der Situationen immer wieder vor Mr. Cave erkennen konnte, sind seine verzweifelten Handlungen nachvollziehbar und erscheinen regelrecht unvermeidlich.

Matt Haig hat mich mit diesem tragischen, erschütternden und eindringlichen Leseerlebnis mitgenommen und ein wenig verstört zurückgelassen. Aber genau deswegen kann ich diesen intensiven Roman empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Ein Stück deutsche Zeitgeschichte

Unser kostbares Leben
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„Unser kostbares Leben“ ist ein autobiografischer Roman, der einen interessanten Rückblick auf die 1970-er Jahre in Deutschland wirft.

Die Autorin Katharina Fuchs hat Rechtswissenschaften studiert und ...

„Unser kostbares Leben“ ist ein autobiografischer Roman, der einen interessanten Rückblick auf die 1970-er Jahre in Deutschland wirft.

Die Autorin Katharina Fuchs hat Rechtswissenschaften studiert und lebt mit ihrer Familie im Taunus. Vor diesem Werk hat sie schon zwei Bücher veröffentlicht, in denen sie sich auf das Leben ihrer Großmütter bzw. ihrer Mutter und deren Schwester bezieht. Hier schreibt sie nun über ihre eigenen Erlebnisse.

Der intensive Schreibstil der Autorin hat mich direkt in die 1970er Jahre zurückversetzt. Durch viele Details wird der Zeitgeist lebendig und die damaligen Bilder wurden vor meinen Augen regelrecht sichtbar. Die Erinnerungen an die politische Situation, das sich langsam entwickelnde Umweltbewusstsein und Protestmärsche werden anhand der Geschichte der drei Protagonistinnen Minka, Caro und Claire authentisch geschildert. Die aufgegriffenen gesellschaftlichen Themen - wie Versuche an Tieren und Heimkindern mit Psychopharmaka - sind erschreckend und perfekt mit der Handlung verwoben. Ebenso stimmig ist die politische Situation beschrieben, über die immer wieder ganz nebenbei Fakten einfließen. Man merkt, dass Katharina Fuchs sehr ausgiebig recherchiert hat und Tatsachen werden durch das Leben der einzelnen Charaktere mit der Handlung verflochten. Diese sind sehr unterschiedlich. So lebt z.B. Minka in einer Kommune, tritt in die gerade entstehende Partei der Grünen ein und Caro wird Journalistin.

Mich hat dieser Roman sehr gut unterhalten. Diese Mischung aus Emotionen, Fakten politischer bzw. gesellschaftlicher Ereignisse, das Familienleben in den 1970-er Jahren sind hier so lebendig und intensiv beschrieben, wie ich es selten zuvor erlebt habe und wodurch ich beim Lesen fast das Gefühl hatte, ein Teil der Geschichte zu sein. Deswegen gebe ich eine klare Leseempfehlung für alle, die gerne mehr über vergangene Zeiten erfahren möchten und Familiengeschichten mögen.

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Veröffentlicht am 03.01.2022

Über die Macht der Sprache

Die Schule der Redner
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„Die Schule der Redner“ ist ein großartiger historischer Roman und das Debüt des Autors Johann Seeger, der auch Trainer in der Welt der Rhetorik ist. Genau dieses Wissen bringt er in seinem Roman ein, ...

„Die Schule der Redner“ ist ein großartiger historischer Roman und das Debüt des Autors Johann Seeger, der auch Trainer in der Welt der Rhetorik ist. Genau dieses Wissen bringt er in seinem Roman ein, wodurch nicht nur ein spannendes, sondern auch ein lehrreiches Leseerlebnis entsteht.

Die Handlung beginnt im Winter 1246 in Habsburg. Leon, der Neffe des Fürsten Rudolf von Habsburg soll ein geheimnisvolles Buch in die Schule für Redekunst in der Nähe von St.Gallen in Sicherheit bringen. Die Reise gestaltet sich als gefährlich. Vor Ort angekommen wird er als Schüler aufgenommen, aber auch dort sind weder er noch seine Mitschüler sicher. Das Buch soll dem, der es versteht zu großer Macht verhelfen, aber worum handelt es sich bei der Schrift ?

Johann Seeger versteht es seine Leser zu fesseln. Die Atmosphäre der Zeit kam direkt bei mir an. Die Ereignisse überschlagen sich regelrecht und ließen mir keine Zeit zum Luft holen. Je mehr ich erfahren habe, desto mehr Fragezeichen türmten sich in meinem Kopf, aber diese wurden zum Ende hin alle gelungen aufgelöst.

Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen und passt in das Mittelalter. Das Mittelalter bringt auch einige Grausamkeiten mit sich und entsprechend gibt es einige blutrünstige Stellen, die nichts für zarte Gemüter sind. Die Handlung ist aber nicht nur mitreißend und spannend, sondern auch lehrreich. Ich habe einiges an interessanten Fakten aus dem Bereich der Rhetorik für mich mitnehmen können.

Die Anzahl der Charaktere ist hoch, aber es gibt vorab ein hilfreiches Personenverzeichnis mit einer Übersicht über die fiktiven und historischen Personen, so dass man beim Lesen jederzeit die Möglichkeit hätte nachzuschauen. Da der Autor aber seine Charaktere äußerst facettenreich und detailliert beschreibt, bleibt es aber auch so leicht den Überblick zu behalten. Die Handlungsorte werden ebenfalls sehr detailliert beschrieben, so dass ich stets eine gute Vorstellung der örtlichen Gegebenheiten hatte.

Mit einem kurzen Epilog und seinem Nachwort rundet der Autor sein Buch gelungen ab. Für mich war dieser historische Roman mit seinen Lehrstunden über die Kunst der Rhetorik ein echtes Lesehighlight und ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Band.

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Veröffentlicht am 03.01.2022

Gelungener Reihenauftakt einer tollen Familiengeschichte

Der Friesenhof
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Nachdem ich „Die Speicherstadt-Saga“ - in der es um den Kaffeehandel ging - der in Oldenburg lebenden Autorin Fenja Lüders mit Begeisterung gelesen habe, war ich sehr gespannt auf ihre neue Reihe. Dieses ...

Nachdem ich „Die Speicherstadt-Saga“ - in der es um den Kaffeehandel ging - der in Oldenburg lebenden Autorin Fenja Lüders mit Begeisterung gelesen habe, war ich sehr gespannt auf ihre neue Reihe. Dieses Mal geht es um Tee und „Der Friesenhof: Auf neuen Wegen“ ist der erste Band ihrer Teehändler-Saga.

Die Handlung beginnt 1949 in Ostfriesland. Nach dem plötzlichen Tod von Onno de Fries sieht es finanziell für seine Familie und den Friesenhof nicht gut aus. Es ist zu befürchten, dass seine Frau Henrike einen Teil des Familienhofes verkaufen muss, da ihre älteste Tochter Helga – angestachelt durch ihren Mann Günther - auf die Auszahlung des Erbes pocht. Aber Henrike und ihre anderen beiden Töchter Hanna und Gesa hängen an dem Hof und wollen ihn nicht verlassen. Während Hanna emsig am Hof hilft, sucht Gesa eine Stelle in der Stadt, um etwas hinzuzuverdienen. Glücklicherweise findet sie Arbeit als Packerin in dem Teehandel Kruse & Sohn.

Fenja Lüders Schreibstil ist toll, sie hat mich direkt in das Ostfriesland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mitgenommen. Die Atmosphäre der Zeit und die Spuren, die der zurückliegende Krieg bei der Bevölkerung hinterlassen hat, kamen direkt bei mir an. Ebenso gut konnte ich die bedrückende Atmosphäre auf dem Hof der Familie so kurz nach Onnos Tod regelrecht spüren.

Die beiden Schwester Hanna und Gesa sind sehr unterschiedlich. Gesa ist viel impulsiver und sagt was sie denkt, während Hanna deutlich zurückhaltender ist und einen guten Draht zu den Tieren am Hof hat. Ihre ältere Schwester Helga ist wieder ganz anders und hat sich ihrem Mann Günther, der so gar keine Sympathiepunkte bei mir sammeln konnte, untergeordnet. Auch die übrigen Charaktere, wie der polnische Knecht Tomek, Tanti – die jüngere Schwester von Henrikes Mutter – Keno, der Sohn des Teehändlers, für den Gesa arbeitet, und die anderen Personen werden sehr gut dargestellt, so dass ich schnell eine gute Vorstellung von ihnen bekommen konnte. Dabei hat mir besonders Tanti gut gefallen, der alten Dame ist nichts entgangen und sie hatte immer die richtigen Worte parat.

Mir hat das Buch insgesamt unglaublich gut gefallen. Es ist ein großartiger Reihenauftakt, der die Atmosphäre Ostfrieslands und den Zeitgeist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und den Zusammenhalt innerhalb einer Familie richtig gut wiedergibt. Leider bleibt am Ende vieles offen, weswegen ich am liebsten direkt weiterlesen würde.

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