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Veröffentlicht am 23.04.2024

Coming of Age im Ruhrgebiet

Der Markisenmann
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Als die fünfzehnjährige Kim die Sommerferien bei ihrem bis dahin unbekannten Vater verbringen soll, ist sie schwer enttäuscht: Ronald Papen ist ein erfolgloser Markisenverkäufer, von hässlichen noch dazu.
Aus ...

Als die fünfzehnjährige Kim die Sommerferien bei ihrem bis dahin unbekannten Vater verbringen soll, ist sie schwer enttäuscht: Ronald Papen ist ein erfolgloser Markisenverkäufer, von hässlichen noch dazu.
Aus Langeweile begleitet sie ihn auf seinen Touren durchs Ruhrgebiet und damit steigen nicht nur die Verkaufszahlen, sondern auch Vater und Tochter lernen sich kennen.

Das Cover dieses Buches hat schon oft meine Aufmerksamkeit erregt. Nicht, weil es besonders hübsch wäre, sondern weil es einfach nur das Muster der typischen orangen DDR-Markisen zeigt. Und genauso langweilig wie das Cover scheint Protagonist Ronald Papen auf den ersten Blick zu sein: Er wohnt in einer Halle auf einem Fabrikgelände, fährt tagein, tagaus durch das Ruhrgebiet, um Markisen zu verkaufen und hat ein paar schrullige Angewohnheiten.
Aber genauso wie das Buch seine Leser*innen, überrascht Papen seine Tochter mit dem gar nicht so langweiligen Inhalt.

Im Laufe der Geschichte baut sich eine rührselige Beziehung zwischen Vater und Tochter auf, wir erfahren ebenso wie Kim immer mehr über den schweigsamen Markisenmann, am Ende der Ferien sogar das große Familiengeheimnis: den Grund, warum Ronald Papen sich fünfzehn Jahre lang nicht bei seiner Tochter gemeldet hat.

"Der Markisenmann" ist ein Coming-of-Age-Roman der besonderen Art und damit meine ich nicht nur den ungewöhnlichen Schauplatz - das Ruhrgebiet -, sondern vor allem seine Figuren.
Allen voran natürlich Papen selbst mit all seinen seltsamen Angewohnheiten, aber auch sämtliche Nebencharaktere, die auf den ersten Blick eher durchschnittlich wirken, schließt man nach kürzester Zeit ins Herz.
Es entstehen viele kuriose Situationen, auf den Verkaufstouren und nach Feierabend in der Kneipe, die mich oft zum Lachen gebracht haben.
Gleichzeitig schafft es Jan Weiler, mit den kleinsten Alltagssituationen große Gefühle zu erzeugen und erzählt Kims Geschichte so warmherzig, dass ich oft einen Kloß im Hals hatte.

Das Buch kann ich uneingeschränkt empfehlen, es lässt sich leicht lesen und wirkt auf den ersten Blick zwar ganz banal, hat mich aber mit seiner Tiefgründigkeit überrascht. Es ist eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet mitsamt seinen eigenwilligen, aber herzensguten Einwohnern, ein Buch über das Erwachsenwerden und über Schuld und Vergebung.
Für mich ist es auf jeden Fall jetzt schon ein Jahreshighlight.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Sehr oberflächlicher Roman

The Hike
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Der jährliche Kurzurlaub führt die Freundinnen Liz, Joni, Maggie und Helena diesmal nach Norwegen. Eine viertägige Wandertour, um dem Alltag zu entfliehen und den Kopf freizubekommen, scheint genau das ...

Der jährliche Kurzurlaub führt die Freundinnen Liz, Joni, Maggie und Helena diesmal nach Norwegen. Eine viertägige Wandertour, um dem Alltag zu entfliehen und den Kopf freizubekommen, scheint genau das Richtige zu sein. Die Stimmung wird getrübt, als sie vom Verschwinden einer geübten Wanderin auf ihrem Pfad erfahren. Außerdem zieht ein Unwetter auf und die Wildnis scheint nicht die einzige Bedrohung draußen zu sein ...

"Ein meisterhaft konstruierter Spannungsroman vor Norwegens wilder Natur" heißt es in der Beschreibung.
Leider kann ich nur in einem Punkt zustimmen: konstuiert.
Aber nicht meisterhaft. Die ganze Story ist extrem klischeehaft und vorhersehbar, an vielen Stellen unrealistisch. Es hat sich beim Lesen oft angefühlt als schaute man einen Horrorfilm, in dem sich die Protagonisten aufteilen, alle alleine durch den Wald laufen und man als Zuschauerin einfach nur genervt von deren unüberlegtem Handeln ist.
Mal abgesehen vom seltsamen Verhalten in Gefahrensituationen (keine der vier erwachsenen Frauen kommt auf die Idee, die Hüttentür hinter sich abzuschließen, wenn sie sich verfolgt und bedroht fühlen. Echt jetzt?) habe ich mich gefragt, warum die Freundinnen jedes Mal stehen bleiben müssen, wenn sie sich streiten (was sehr oft passiert), statt weiterzuwandern.
Apropos Gespräche: Selbst die Dialoge wirken absolut gekünstelt und gestellt.
Die Figuren sind sehr oberflächlich und einseitig beschrieben, keine einzige hatte etwas Tiefe und somit konnte ich auch zu keiner eine Verbindung aufbauen.
Spannung kommt aufgrund der sehr vorhersehbaren Handlung meiner Meinung nach auch nicht wirklich auf.

Lediglich der Schreibstil war flüssig und gut zu lesen, aber auch nicht besonders ansprechend.

Wer eher leichte Lektüre und weniger blutige Thriller mag, dazu gern etwas Drama hat, wird vielleicht mehr Freude an diesem Buch haben.
Von mir gibt es leider nur 2/5 Sterne.

Übersetzt von Urban Hofstetter

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Authentisches Portrait

Mit den Jahren
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In ihrem Roman "Mit den Jahren" entführt uns Janna Steenfatt nach Leipzig und stellt drei Personen in ihren Vierzigern vor: Jette, die gerade aus Hamburg hergezogen ist; glückliche Single und gewollt kinderlos.
Lukas ...

In ihrem Roman "Mit den Jahren" entführt uns Janna Steenfatt nach Leipzig und stellt drei Personen in ihren Vierzigern vor: Jette, die gerade aus Hamburg hergezogen ist; glückliche Single und gewollt kinderlos.
Lukas und Eva, seit zwanzig Jahren ein Paar, zwei kleine Kinder, eine Eigentumswohnung.
Als die drei durch verschiedene Zufälle aufeinandertreffen, stellt sich jede einzelne die Frage, ob sie mit ihrem Leben glücklich und mit der Wahl ihres Lebensentwurfes zufrieden ist.

Der Roman hat nicht wirklich viel Handlung, es geht vielmehr darum, diese drei Protagonistinnen zu porträtieren - und das ist der Autorin außerordentlich gut gelungen.
Mir sind selten so authentische und gut gezeichnete Romanfiguren begegnet, ich konnte mich zwischendurch immer wieder mit jeder einzelnen identifizieren und ihre Gedanken nachvollziehen.
Die Geschichte kommt mit wenigen Dialogen aus, dafür mit umso mehr Gedanken. Hauptsächlich mit der Frage "Was wäre, wenn ...?" und "Was fehlt mir, um glücklich zu sein?"
Ich denke, jede
r hat sich schon einmal mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht ein anderer Lebensentwurf besser wäre, eine andere Entscheidung einen glücklicher gemacht hätte usw. und ich mochte es sehr, den drei Figuren auf ihren jeweiligen Wegen zu der Beantwortung dieser zu folgen.
Zu guter Letzt muss ich den herausragenden und für mich sehr ansprechenden Schreibstil erwähnen: schnörkellos und doch so schön mit einer sehr gezielten, treffsicheren Wortwahl.

Insgesamt überzeugt dieser Roman also durch seine Figuren, den Schreibstil und das Grundthema, die Handlung hingegen fand ich gerade am Anfang und Ende nur mittelmäßig.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Facettenreicher Roman

Das Diamantenmädchen
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Berlin in den 1920ern: Diamantenschleifer Paul van der Laan erhält von der deutschen Regierung einen Geheimauftrag. Fast zeitgleich wird die Leiche eines Schwarzen zusammen mit einem Rohdiamanten aufgefunden.
Die ...

Berlin in den 1920ern: Diamantenschleifer Paul van der Laan erhält von der deutschen Regierung einen Geheimauftrag. Fast zeitgleich wird die Leiche eines Schwarzen zusammen mit einem Rohdiamanten aufgefunden.
Die Verbindung zwischen den beiden Ereignissen scheint das Diamantenmädchen Lili Kornfeld zu sein.

"Das Diamantenmädchen" lässt sich nur schwer einem Genre zuordnen: Es umfasst Elemente einer Liebesgeschichte, eines historischen Romanes und natürlich eines Krimis.
Ewald Arenz verbindet diese drei Gattungen wunderbar zu einer vielschichtigen Geschichte. Er entführt seine Leser*innen mit Leichtigkeit in das betriebsame und glanzvolle Berlin der 1920er Jahre, schafft vollends ohne Kitsch große Gefühle und lässt einen ganz nebenbei die spannende Suche nach einem Mörder begleiten.
Eine große Rolle spielt außerdem der erste Weltkrieg mit seinen (emotionalen) Folgen für die Soldaten an der Front. Und ganz unterschwellig werden einem noch Informationen über Diamanten vermittelt, ohne dabei zu sehr ins Fachliche abzuschweifen.

Meiner Meinung nach ist Ewald Arenz ein Meister der Stimmungen: Wie er es schafft, einen die Geschichte geradezu miterleben zu lassen, ist unvergleichlich.
Seine Charaktere haben Tiefe und sind lebendig, was unter anderem daran liegt, dass der Autor mit Rückblicken arbeitet und ihnen so eine Vergangenheit gibt. Die Szenen aus der Kindheit von Lili, Paul und Wilhelm fand ich besonders berührend.

Ich könnte noch ewig von diesem facettenreichen Roman weiterschwärmen, stattdessen gebe ich einfach eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Warmherziges Abenteuer

Dalee
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Kurz nach Indiens Unabhängigkeit gehen der junge Bellini und seine Familie ein Wagnis ein: sie reisen auf die fremden Andamaneninseln. Mit auf dem Dampfer ist ihr Arbeitselefant Dalee.
Ein reicher Unternehmer ...

Kurz nach Indiens Unabhängigkeit gehen der junge Bellini und seine Familie ein Wagnis ein: sie reisen auf die fremden Andamaneninseln. Mit auf dem Dampfer ist ihr Arbeitselefant Dalee.
Ein reicher Unternehmer hat ihnen hier einen Neuanfang versprochen. Doch schnell wird klar, dass er seinen Worten nicht standhalten kann.
Außerdem soll Bellini mit seinem zwölften Geburtstag das altehrwürdige Handwerk des Mahuts, des Elefantenführers, erlernen. Dabei gibt es ein Problem: Dalee ist bereits uralt, beginnt zu vergessen und stellt durch seine Launenhaftigkeit eine Gefahr dar.

Dennis Gastmanns "Dalee" ist eine Geschichte, die so viel thematisiert: Neuanfänge, Erwachsenwerden, Abschiede. Im Mittelpunkt steht aber ganz klar eines: Die berührende, warmherzige Freundschaft zwischen Mensch und Elefant.
Ich bin Bellini gerne auf dem Abenteuer seines Lebens gefolgt und durch den zauberhaften Schreibstil Gastmanns war es, als würde ich diese fremde Welt selbst mit Kinderaugen entdecken.
Das Erzähltempo des Buches ist sehr ruhig, weswegen es für einige wohl langweilig sein könnte, für mich hat genau das nur zu seinem Zauber beigetragen.
Ich mochte es sehr, wie Gastmann Wissen über Elefanten, fremde Länder und Kulturen, sowie Historik - denn die Handlung ist an reale Ereignisse angelehnt - mit einer so feinfühligen und tiefsinnigen Geschichte vermittelt.
Auch der Schreibstil selbst ist sehr ansprechend, als wäre jedes Wort einzeln abgewägt worden.

"Dalee" bekommt von mir ⭐️5/5⭐️ und eine Leseempfehlung für all diejenigen, die auch ruhigere Geschichten mögen.

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