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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.02.2023

Gelungene Fortsetzung rund um einen Polit-Skandal

Die letzte Lügnerin
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In einem geleakten Video ist zu sehen, wie Bausenator Möller zwielichtige Immobiliengeschäfte abwickelt. Die Veröffentlichung bedeutet das Ende seiner politischen Karriere. Als kurz darauf der Tontechniker ...

In einem geleakten Video ist zu sehen, wie Bausenator Möller zwielichtige Immobiliengeschäfte abwickelt. Die Veröffentlichung bedeutet das Ende seiner politischen Karriere. Als kurz darauf der Tontechniker des Videos ermordet aufgefunden wird, deutet alles auf Möller als Täter hin.
Während Strafverteidiger Rocco Eberhardt von Möllers Unschuld überzeugt ist, zieht sich die Schlinge um seinen Hals immer enger, denn es tauchen mehr und mehr Beweise auf ...

Dies ist der dritte Band der Reihe Schwiekers und Tsokos' rund um Strafverteidiger Rocco Eberhardt und Rechtsmediziner Justus Jarmer.
Man kann ihn unabhängig von den ersten beiden Teilen lesen, wobei die Vorgänger auch sehr empfehlenswert sind.

Wie schon in den vorangegangenen Büchern wird die Geschichte wieder in kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Ich persönlich mag das sehr gerne, da die Geschichte so schnell an Fahrt aufnimmt.
Was neu ist, sind die Zeitsprünge: Die Erzählung wechselt zwischen dem Tatzeitraum und der Gerichtsverhandlung vier Monate später. Durch diese Sprünge entsteht eine enorme Spannung, die auf den letzten 100 Seiten kaum noch auszuhalten ist.
So kommt das Buch im Gegensatz zu anderen Thrillern auch gut ohne reißerische Floskeln und Beschreibungen aus, generell wird sehr nüchtern geschrieben, was ich als absolut stimmig zu den beiden Protagonisten empfinde.

Inhaltlich dreht sich alles um die Wohnungspolitik in Berlin, ein sehr wichtiges Thema, welches eher selten in Büchern aufgegriffen wird.
Die Problematik wird jedoch so verständlich beschrieben, dass der Handlung auch gefolgt werden kann, wenn man sich politisch nicht gut auskennt.
Dennoch ist das Buch natürlich nichts für diejenigen, die sich durch Politik schnell gelangweilt fühlen; aber dass es darum geht, macht der Klappentext schon deutlich.

Da dies ein Justizkrimi ist, spielt sich der Hauptteil der Handlung im Gerichtssaal ab. Hier erfahren die LeserInnen auch erst von den Ermittlungsergebnissen usw.
Ich fand die Szenen rund um den Prozess besonders gelungen und die Einblicke in einen solchen sehr interessant.

Für mich persönlich war der dritte Band des Autorenduos genauso spannend und gut gelungen wie seine Vorgänger und ich hoffe auf noch viele weitere Fälle rund um Eberhardt und Jarmer.

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Veröffentlicht am 24.01.2023

Gelungene Neuerzählung des bekannten Mythos

STONE BLIND – Der Blick der Medusa
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"Du bist derjenige, der denkt, dass alles, was nicht so aussieht wie du, ein Monster sein muss."

Medusa wächst behütet bei ihren beiden Schwestern, den Gorgonen, auf, bis sie den Zorn Athenes zu spüren ...

"Du bist derjenige, der denkt, dass alles, was nicht so aussieht wie du, ein Monster sein muss."

Medusa wächst behütet bei ihren beiden Schwestern, den Gorgonen, auf, bis sie den Zorn Athenes zu spüren bekommt und verflucht wird. Von nun an muss sie ein Leben als Monster führen, während Perseus sich auf den Weg macht, um ihren Kopf als Trophäe zu erlangen.

Natalie Haynes lässt den altbekannten Mythos neu aufleben und schafft es dabei, Medusa in ein anderes Licht zu rücken und zum Nachdenken anzuregen.

Sie hat einen wunderbar klugen, flüssigen und ganz und gar nicht gestellten Schreibstil; besonders gefallen hat mir der ganz leicht eingestreute Humor in manchen Passagen.

Erzählt wird die Geschichte in jedem Kapitel aus der Sicht einer anderen Person und so laufen verschiedene Handlungsstränge parallel ab, die aber alle miteinander verbunden sind.
Man kommt mit den vielen Namen/ Perspektiven überhaupt nicht durcheinander, im Gegenteil: Haynes schafft es, jeder Figur so einen lebendigen und einzigartigen Charakter einzuhauchen, dass man auch als Mythologie-Neuling nicht den Überblick verliert (und für den Fall der Fälle gibt es hinten im Buch ein Personenregister) und das empfinde ich persönlich als absolut herausragende Leistung.

Der Leser wird in einigen Kapiteln persönlich angesprochen, was aber nicht merkwürdig wirkt, sondern ganz und gar in die Geschichte passt.
Das gesamte Buch ist derart kurzweilig und rasant erzählt, dass kein Platz für Längen entstanden ist.

Die Charaktere sind so außergewöhnlich gut gezeichnet, dass man Gefühle und Meinung zu jedem entwickelt und einem die Geschehnisse sehr nahegehen und doch zum Nachdenken anregen:
Wer entscheidet eigentlich, wer oder was ein Monster ist? Und sollte man sich nicht öfter mal in andere Lebewesen hineinversetzen, bevor man urteilt?

Für mich persönlich ist es die beste Neuerzählung eines griechischen Mythos, die ich bisher gelesen habe.
Kluger Schreibstil, lebendige Charaktere und der nötige Tiefgang; ich empfehle das Buch jedem, der in die griechische Sagenwelt einsteigen möchte, aber auch für Kenner bietet es sicherlich noch einiges.
Haynes hat mich mit diesem Werk absolut überzeugt.

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Veröffentlicht am 07.01.2023

Generationen des Schweigens

Saubere Zeiten
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"Mein Vater hatte mir nie etwas erzählt von sich. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass mein Vater mit mir spricht."

Jakob Aubers Großvater war ein Tüftler. Sein revolutionäres Waschmittel ...

"Mein Vater hatte mir nie etwas erzählt von sich. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass mein Vater mit mir spricht."

Jakob Aubers Großvater war ein Tüftler. Sein revolutionäres Waschmittel machte ihn reich und berühmt, bis es plötzlich bergab ging mit der Firma Auber.
Als auch Jakobs Vater im Sterben liegt, erfährt dieser endlich durch Tonbänder und Tagebucheinträge, was damals gesehenen ist und verfolgt die Spuren seiner Familie bis nach Brasilien.

Andreas Wunn ist mit seinem Debütroman "Saubere Zeiten" eine wunderbarere Generationengeschichte gelungen.
Mit einer einfachen, klaren Sprache hält er den Leser auf Distanz und erzeugt trotzdem tiefe Gefühle, genauso wie es auch in der Familie Auber üblich war. Er erzählt die Geschichte dreier Generationen von Vätern, die über nichts gesprochen, alles Wichtige mit sich selbst ausgemacht haben.

Erzählt wird wechselnd aus der Sicht von Jakob, seinem Vater und Großvater, dabei ist jedoch immer sofort klar, um wen es geht und es entsteht keinerlei Verwirrung. Die einzelnen, kurzen Erinnerungen setzen sich in Laufe des Buches nach und nach wie Puzzleteile zu einem Ganzen zusammen und offenbaren die Vergangenheit der Familie Auber.

Für mich ist dies eins der besten Bücher, die ich seit Langem gelesen habe. Die Geschichte, die Gefühle, die nicht ausgesprochen werden, die damit einhergehende Einsamkeit der Figuren - das alles hat mich sehr berührt und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.
Absolute Leseempfehlung meinerseits.

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Veröffentlicht am 08.12.2022

Fesselnder Thriller mit überraschenden Wendungen

NIGHT – Nacht der Angst
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"Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Sie ist nicht sein Typ. Charlie hingegen ist sein Typ, sehr sogar. Was ein Problem ist."

Charlies beste Freundin Maddy wird auf dem Universitätsgelände ermordet. ...

"Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Sie ist nicht sein Typ. Charlie hingegen ist sein Typ, sehr sogar. Was ein Problem ist."

Charlies beste Freundin Maddy wird auf dem Universitätsgelände ermordet. Um das traumatische Umfeld zu verlassen, beschließt sie, nach Hause zu fahren und trifft auf Josh, der in dieselbe Richtung muss und ihr anbietet, sie mitzunehmen.
Auf der Fahrt schleicht sich ihr immer mehr der Verdacht ein, Josh könne der Campus-Killer sein, der immer noch frei herumläuft. Kann sie ihren Gedanken trauen?
Je weiter die beiden fahren, desto sicherer wird sich Charlie: Nur einer von den beiden kann die Nacht überleben.

Riley Sager ist mit "Night" ein unfassbar spannender Thriller gelungen. Er spielt hauptsächlich im Auto, was ich als Schauplatz für dieses Genre sehr außergewöhnlich und interessant finde.
Wir erfahren im ersten Teil viel über Charlie und ihre Vergangenheit. Sie hat zwischendurch "Aussetzer", die sie als Filme im Kopf beschreibt und schnell verschwimmen die Realität und ihre Gedankenwelt. Ebenso wie sie selbst fragt man sich auch als Leser, was nun wirklich passiert ist und was nicht. Riley konfrontiert einen direkt mit jenen Ängsten, die wohl jeder kennt, der schon einmal bei einem Fremden mitgefahren ist.
Nach der "Kennenlernphase" der beiden Reisenden nimmt die Geschichte schnell an Fahrt auf und mir fiel es schwer, das Buch überhaupt noch aus der Hand zu legen.

Die Protagonistin setzt sich im Laufe der Handlung immer wieder mit ihren Schuldgefühlen für den Tod ihrer besten Freundin auseinander, die Schlüsse die sie daraus zieht und die Entwicklung, die sich durchmacht, sind sehr schön gelungen und gestalten einen großen Wendepunkt in der Geschichte.
Wenn auch die Angst im Vordergrund steht, behandelt der Thriller ebenso die Themen Schuld, Rache und Vergebung.

Zwischendurch bekommt man den Eindruck, die Handlung sei gerade sehr klischeehaft, doch der Autor schafft es, alles mit völlig überraschenden Wendungen zu erklären und zum Schluss ist nichts mehr, wie es am Anfang schien.
Gerade das Ende empfand ich als sehr besonders und gut gelungen, es wird dem Buch definitiv gerecht.

Absolute Leseempfehlung an alle Thriller-Fans!


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Veröffentlicht am 05.11.2022

Typischer Sträter-Humor gepaart mit ernsten Themen

Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen
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"Sie und ich, du und ich, wir werden nie perfekt sein, also sollten wir alles daran setzen, uns locker zu machen. So ist der Mensch. Ich vor allem. [...] Es hört nie auf. Und das ist gut. Sich zum Deppen ...

"Sie und ich, du und ich, wir werden nie perfekt sein, also sollten wir alles daran setzen, uns locker zu machen. So ist der Mensch. Ich vor allem. [...] Es hört nie auf. Und das ist gut. Sich zum Deppen zu machen, ist gut für die Seele."

Endlich! Torsten Sträters neuestes Buch "Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen" ist erschienen und beinhaltet die besten Geschichten der letzten drei Jahre.
Es ist aufgeteilt in neun Kapitel, welche übersichtlich im Inhaltsverzeichnis gegliedert sind ("Was [im Buch] drinsteht? Steht drin."), sodass man sich auch ohne Lesezeichen mühelos zurechtfindet - falls das Buch denn aus der Hand gelegt werden kann.

Im ersten Teil "Stories" lesen wir im altbekannten Sträter-Stil Alltagssituationen, die durch Abschweifungen ins Absurde geführt werden und deren Pointe wie gewohnt immer wieder überraschend kommt. Absolutes Highlight war für mich definitiv die zweite Geschichte "Zucker", eine Anspielung auf Stephen Kings "Shining".

In den weiteren Kapiteln widmet sich Sträter ernsteren Themen, nähert sich diesen aber stets humorvoll.
Natürlich dreht sich viel um Corona, auch mit der Politik wird sich kritisch befasst, aber zur Sprache kommen auch Probleme, die darüber hinaus nicht vergessen werden dürfen. Der Autor richtet sich dabei mit einem Appell an den Leser, man solle beim eigenen Verhalten anfangen, etwas zu verändern, ohne dass einem jedoch das Gefühl vermittelt wird, belehrt zu werden.

Sehr persönlich und nahbar wird es im Kapitel über Sträters Depressionen.
Außerdem widmet er sich dubiosen Formulierungen und Redewendungen der deutschen Sprache, gibt Filmtipps und schreibt über die Spielzeuge seiner Kindheit.

Der Autor hat einen geschickten Mix aus lockeren und ernsten Themen gewählt, wobei alle Geschichten kurzweilig und unterhaltsam, teilweise auch sehr berührend sind. Sie bringen einen sowohl zum Lachen, als auch zum Nachdenken und bieten somit beste Unterhaltung.

Ich empfehle das Buch allen Sträter-Fans, Freunden von Wort- und Sprachspielen, sowie jenen, die satirische Kurzgeschichten mögen und mal wieder ein paar herzhafte Lacher brauchen.

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