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Veröffentlicht am 27.08.2022

Nähen im Norden

Mörderische Masche
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Henri Ketelsen ist eigentlich Feinmechaniker für Uhren. Doch plötzlich stirbt seine Frau Meike durch einen wilden Stier auf der Weide und er erbt ihren Woll-Laden in der kleinen Ortschaft Bökersbrück. ...

Henri Ketelsen ist eigentlich Feinmechaniker für Uhren. Doch plötzlich stirbt seine Frau Meike durch einen wilden Stier auf der Weide und er erbt ihren Woll-Laden in der kleinen Ortschaft Bökersbrück. Jetzt trauert er also nicht nur um seine Frau, sondern muss sich auch noch mit Häkeln und Stricken, Nähen, Stoffen und Wolle auseinandersetzen. Zum Glück gibt es Edda, die langjährige Angestellte, die ihm mit Rat und Tat zur Seite steht, und er lernt auch die Frauen vom Häkelclub "Die Nadel" kennen, die mega stricken/häkeln können, doch auch andere Fähigkeiten besitzen.

An dieser Stelle würde ich gern etwas in der Art schreiben, dass es sich hier um einen Wohlfühlkrimi handelte, einen sogenannten Cosy Crime. Allerdings wäre das gelogen und es reicht schon, wenn der Verlag keine Ahnung hat, wo er dieses Buch einordnen soll. Von Cosy war ja vielleicht noch was zu spüren, wenn man auf Kleinstadtblabla steht, aber wo sich hier der Krimi versteckt hat, weiß ich am Ende des (Hör)Buchs noch immer nicht. Meike ist tot, ja. Aber da wird scheinbar nicht mal von der Polizei aus ermittelt, was völliger Quatsch ist, denn solche Unfälle werden immer untersucht, noch gibt es irgendwas, das Henri oder der Häkelclub tatsächlich zum Tod der Frau beizusteuern. Am Ende ist man so schlau wie vorher. Das Problem ist, dass entweder die Autorin keine Ahnung hatte, welche Art von Buch sie schreiben möchte oder der Verlag unfähig ist, dieses Buch da einzuordnen, wo es hingehört: zu den Heimatromanen. Hier erfährt der geneigte Leser alles über Wolle, Stricken und Gartenarbeit, kann sich mit den privaten Problemen des Uhrmachers, Wirts und Rinderbaron auseinandersetzen, nur eines wird der geneigte oder nicht geneigte Leser finden: einen Krimi. Und schon gar keine Lösung eines solchen. Dass ich hier trotz Genretäuschung noch zwei Punkte vergebe, ist der genialen Leistung des Sprechers zu verdanken, der wirklich noch das Beste an der Geschichte war.

Veröffentlicht am 27.08.2022

Hexenzeug

Spellbound - Folge 01: Tod eines aufrechten Vampirs
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Emma Hart ist 25 und eine erfolgreiche (!) Anwältin, die auf dem Weg zu einer Klientin ist und sich dabei verfährt. Als sie an einem idyllischen See vorbeikommt, glaubt sie, einen Selbstmörder zu sehen ...

Emma Hart ist 25 und eine erfolgreiche (!) Anwältin, die auf dem Weg zu einer Klientin ist und sich dabei verfährt. Als sie an einem idyllischen See vorbeikommt, glaubt sie, einen Selbstmörder zu sehen und will ihn vom Suizid abhalten. Dabei geht nicht nur ihr Auto baden (im wahrsten Sinne des Wortes), sondern sie ist plötzlich innerhalb einer magischen Gemeinde gefangen, in der es von (gefallenen) Engeln, Vampiren, Hexen und anderen Wesen nur so wimmelt. Sie selbst ist plötzlich eine Hexe und kann Spellbound - so der Name des Ortes - nicht mehr verlassen. Wie praktisch, dass der einzige andere Anwalt soeben ermordet wurde und sie sowohl seine Praxis, sein Haus als auch seinen Kater übernehmen kann/muss.

Eigentlich klingt das gar nicht so verkehrt und man hätte richtig großes Kino draus machen können. Schade nur, dass hier scheinbar jemand in die Fußstapfen von Helen Harper treten wollte, für den diese Schuhgröße mehrere Nummern zu groß waren. Emma erweist sich meistens als eher zickig als witzig, ist mit ihren gerade mal 25 Jahren natürlich schon eine Top-Anwältin, aber scheinbar zu dumm, ihr Handy aufzuladen oder wenigstens eine Handbremse zu betätigen oder wenigstens einen Gang einzulegen, wenn sie schon unbedingt aus dem Auto steigen muss. Sie betrachtet die meisten ihrer neuen Nachbarn ziemlich von oben herab, außer natürlich sämtlichen megaheißen Typen, die natürlich auch sofort megaheiß auf sie sind. Sie tappt ständig im Dunkeln und die Lösung des Falles wird ihr auf einem an den Haaren herbeigezogenen Silbertablett serviert und ist abgesehen davon dermaßen unlogisch, dass man vor Augenrollen zu schielen anfängt. Dazu behauptet sie ständig, dass sie an Angstzuständen leidet, hat aber niemals Angst, vor einfach gar nichts. Nicht mal dann, wenn vernunftbegabte Wesen Angst hätten ohne Zustände. Dass so eine "Schwäche" der ansonsten natürlich makellosen und perfekten Neuhexe angedichtet wurde, ist schon mal ein Schlag ins Gesicht aller Menschen/Hexen/Wesen, die tatsächlich unter Angstzuständen leiden. Alles in allem: ein Schlag ins Wasser, nicht nur fürs Auto. Dafür hat die Sprecherin ihren Job wirklich gut gemacht, keine Kritik an ihr.

Veröffentlicht am 21.08.2022

Gut & Böse

The School for Good and Evil, Band 1: Es kann nur eine geben. Filmausgabe zur Netflix-Verfilmung
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In dem kleinen Dorf Gavaldon werden alle vier Jahre zwei Kinder gestohlen, ein "gutes" und ein "böses". Was auch immer die Dorfbewohner unternehmen, wie sehr sie ihre Kinder auch verstecken oder bewachen, ...

In dem kleinen Dorf Gavaldon werden alle vier Jahre zwei Kinder gestohlen, ein "gutes" und ein "böses". Was auch immer die Dorfbewohner unternehmen, wie sehr sie ihre Kinder auch verstecken oder bewachen, es passiert, und niemand sieht, wie genau. Die wunderschöne Sophie jedoch möchte entführt werden, denn sie ist überzeugt davon, dass sie ihrem Traumprinzen begegnen wird, genauso wie sie sicher ist, dass ihre abgrundtief hässliche Freundin Agatha entführt wird, um eine böse Hexe zu werden.

Sie hat auch Recht, beide Mädchen werden gekidnappt, doch dann ist auch schon Schluss mit Sophies Tagträumereien. Denn statt dass sie die schöne, gute Prinzessin mit einem Happy End wird, ist es Agatha, die in der Schule der Guten abgeliefert wird, während hingegen sie in die Schule der Bösen kommt. Es scheint, jemand schaut nicht nur auf das Äußere eines Menschen, sondern auch auf den Charakter.

Eigentlich ist das eine tolle Voraussetzung für eine mitreißende Märchenumsetzung, doch genau daran hapert's gewaltig. Am mitreißend. Tatsächlich scheint sich der Autor an richtigen Märchen zu orientieren, die ja auch eher nach dem Schema ablaufen: erst passierte das, dann das und dann das, einfach so runtererzählt, ohne dass irgendwie Spannung aufgebaut wurde. Nach dem ersten, netten, wenn auch vorhersehbaren Twist mit Sophie passierte nichts mehr, das überraschen konnte und weder Schreibstil noch die Personen konnten großartig überzeugen. Der Schluss hat mich ratlos zurückgelassen, bis ich gesehen habe, dass es einen zweiten Teil geben wird. Also dann, aber eher ohne mich. Ciao, Sophie und Agatha.

Veröffentlicht am 04.08.2022

Giftmischerin

Die versteckte Apotheke
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London 1791: Es gibt eine verborgene Apotheke, heißt es. In denen wird Frauen geholfen, die Probleme mit Männern haben. Gewalttätige Ehemänner, Brüder, Arbeitgeber - die dann plötzlich und unerwartet sterben. ...

London 1791: Es gibt eine verborgene Apotheke, heißt es. In denen wird Frauen geholfen, die Probleme mit Männern haben. Gewalttätige Ehemänner, Brüder, Arbeitgeber - die dann plötzlich und unerwartet sterben. Die Apothekerin Nella mischt ihnen Gift zusammen, für jeden Anlass das richtige. Sie tut das nur für Frauen, denn auch sie wurde einst von einem Mann betrogen und hintergangen. Eines Tages betritt die zwölfjährige Eliza ihr geheimes Hinterzimmer, im Auftrag ihrer Herrin, die ihren Mann tot sehen möchte. Durch unvorhergesehene Ereignisse wird plötzlich aus der Rächerin der Frauen die Gejagte der Männer.

London, Gegenwart: Die frisch aus Ohio eingetroffene Caroline will ihren untreuen Mann vergessen und die Stadt genießen. Bei einer Mudlarkingtour findet sie ein altes Fläschchen und kommt einem 200 Jahre altem Geheimnis auf die Spur.

Das klingt doch alles eigentlich richtig mega, oder? Was soll da schon schiefgehen? Kleiner Spoiler: alles. Es fängt schon damit an, dass Caroline einfach eine extrem nervige Protagonistin ist, die mir quasi vom ersten Auftritt an so sehr auf den Zeiger ging, dass ich sie in die Themse schubsen wollte. Eine Frau, die nur am Selbstbemitleiden war und ohne Mann aufgeschmissen. Und sie war einfach nur dumm. Schon allein, wie sie die Apotheke aufgespürt hat, war einfach nur an den Haaren herbeigezogen.

Anfangs mochte ich den Vergangenheitsstrang eigentlich noch ganz gern. Nicht, dass ich gutheißen konnte, was Nella da trieb, da sie ja nie einen Beweis dafür hatte, was ihr erzählt wurde, aber trotzdem war es interessant. Aber dann begann so viel unlogischer Schwachsinn, dass einem schwindlig werden konnte. O-Ton Nella: Ich schütze die Frauen, die die Männer umbringen, indem ich ... sie in einem Buch vermerke? Mit Namen, Anschrift und allen Daten, die zur Überführung nützlich sind? Das war das erste Mal, dass ich mir nur an den Kopf fassen/wahlweise meinen Kopf gegen etwas Hartes rammen wollte.

Dann wollte uns die Autorin weismachen, dass ein zwölfjähriges Bauernmädchen nicht weiß, was die Periode ist? Da kam ich mir ja gar nicht verar...t vor. Dann begann das Victim-Shaming. Nella sagt zu Eliza, es ist egal, in welches Fläschchen sie das Gift abfüllt. Dann ist es plötzlich ein Fläschchen, mit dem man das Gift zur Apotheke zurückverfolgen kann, aber plötzlich ist Eliza diejenige, die einen Fehler gemacht hat? Sind hier alle verrückt geworden? Wenn Nella zu dumm ist, nur ungekennzeichnete Gefäße zu verwenden, dann soll sie doch bitte nicht dem Mädchen die Schuld geben.

Es gab da so den einen oder anderen Bock, der in dieser Hinsicht geschossen wurde. Ich fand auch das Lektorat relativ mies. Die Charaktere - allen voran Caroline - benahmen sich immer furchtbar theatralisch. Da wurde bei wirklich alltäglichen Dingen nach Luft geschnappt, die Augen aufgerissen, die Hand an die bebende Brust gepresst, dass man als geneigter Leser nur noch Abstand von dieser hysterischen Frau halten wollte. Außerdem kamen so Sachen vor wie "Ich wurde weiß wie die Wand". Oh, ja. Klar. Das sieht man ja so gut als Erzähler. Wahrscheinlich narzisstisch veranlagt, sodass sie dauernd einen Spiegel vor ihr Gesicht hält. Wie man sehen kann, hat mich dieses Buch also nur marginal beeindruckt, und eine Empfehlung kann ich echt nicht aussprechen.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Der Anwalt im Café

Das unglaubliche Leben des Wallace Price
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Wallace Price ist ein erfolgreicher, harter, unversöhnlicher Anwalt. Er hat eine große Firma mit Partnern aufgebaut und sein Ruf ist so rühmlich wie berüchtigt. Leider kann er seinem 120-Stunden-Job pro ...

Wallace Price ist ein erfolgreicher, harter, unversöhnlicher Anwalt. Er hat eine große Firma mit Partnern aufgebaut und sein Ruf ist so rühmlich wie berüchtigt. Leider kann er seinem 120-Stunden-Job pro Woche nicht mehr nachgehen, weil ihm etwas Unangenehmes dazwischenkommt: Er stirbt. Mit einem Mal findet sich Wallace in einer Art Zwischenwelt wieder, in einem Café zusammen mit einem weiblichen Sensenmann (Sensenfrau?), einem Geisterhund, einem Geisteropa und dem Wächter Hugo. Dort verbringt er seine Tage mit wasauchimmer warumauchimmer und langweilt die Leser nach kurzer Zeit selbst zu Tode. Nur dass wir Leser leider keine leckeren Törtchen von Hugo bekommen.

Wie man hier merkt, bin ich alles andere als begeistert von der Geschichte und obwohl sie wieder genauso gut vorgelesen wurde wie Mr Parnassus, hat es nicht gereicht, um mich zu überzeugen, mir auch noch den Rest anzuhören. Bei der Hälfte habe ich abgebrochen, weil einfach überhaupt nichts passiert ist bzw sich alles ständig wiederholt hat. Das ist einfach enttäuschend, weil es nämlich richtig gut und witzig angefangen hat und ich direkt ein paarmal schmunzeln konnte. Doch sobald Wallace in dem Café eintrifft, ist Ende mit Witz und Charme, stattdessen bekommt man ständig altbackene Glückskekssprüche zu hören. Ja, das war bei Parnassus auch schon so, aber da haben die Kinder Esprit reingebracht, es war erträglich. Hier war es das für mich nicht mehr, sodass ich beschlossen habe, Mister Klune und ich werden wohl nicht mehr zusammenkommen und gehen zukünftig getrennter Wege.