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Veröffentlicht am 05.08.2017

Wie man sich einen reichen Junggesellen angelt

Stolz und Vorurteil
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Die Familie Bennett gehört zum (relativ) armen Landadel mit (relativ) wenig Einfluss. Leider existieren nur fünf Töchter - leider deshalb, weil zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts jeder Besitz ...

Die Familie Bennett gehört zum (relativ) armen Landadel mit (relativ) wenig Einfluss. Leider existieren nur fünf Töchter - leider deshalb, weil zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts jeder Besitz an einen männlichen Erben fällt. Da können Töchter noch so schön, gebildet und wohlerzogen sein, sie können sich nur auf einen Bruchteil des Erbes verlassen. Deshalb ist es für Mrs Bennett des Wichtigste auf der Welt, dass sie ihre Töchter so "gewinnbringend" wie möglich an reiche, wenn möglich adlige Junggesellen verheiratet. Schwierig, da das alle Mütter versuchen und vor allem, weil die Standesunterschiede jede Rolle spielen, es sei denn, man stünde bereits so hoch, dass man das ignorieren kann. Als ein junger, reicher Herr namens Bingley in der Nachbarschaft einzieht, der gleich ein Auge auf Jane, die älteste Tochter, wirft, scheint Anlass zur Hoffnung zu bestehen. Doch sein noch reicherer Freund Darcy tut scheinbar alles, um diese Verbindung zu verhindern, und sein Standesdünkel verdirbt noch einiges andere. Elizabeth, zweitälteste Tochter der Bennetts, und Darcy müssen sich oft aneinander reiben, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.

Dieses Buch von Jane Austen hat mir besser gefallen als Verstand und Gefühl - vielleicht, weil Letzteres dieses Mal nicht so übertrieben war. Austen hat wohl eine Vorliebe dafür, zwei Schwestern des Landadels zu beleuchten, hier hat für mich einfach der Charakter der beiden besser gepasst. Wo Marianne einfach nur ein nerviges Gör war, war Elizabeth mutig, schlagfertig und gewitzt - dass diese Frau einen Mann erobert, kann ich mir weitaus besser vorstellen. Jane hatte mir ein wenig zu viel Ähnlichkeit zu Elinor, wobei die ja nicht unsympathisch ist. Vielleicht sollte man die Bücher nicht zu sehr vergleichen, aber es drängt sich auf, wenn man sie hintereinander ließt. Interessant sind auch die immerwährenden Verwicklungen und Intrigen, die geschmiedet werden, aber auch da lassen sich große Ähnlichkeiten und Parallelen ziehen. Für mich ist Stolz und Vorurteil daher einfach nur eine bessere Version von Verstand und Gefühl, nur mit größerem Lesegenuss und witzigeren/sympathischeren ProtagonistInnen.

Veröffentlicht am 30.07.2017

Warum Theseus ein Held und Idiot war

Der magische Faden
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Markus (13), Lukas (11) und Jannie (8) leben seit dem Verschwinden ihres Vaters allein mit ihrer Mutter. Ihr Vater war Archäologe und vor seinem Verschwinden in Griechenland. Fünf Jahre lang haben sie ...

Markus (13), Lukas (11) und Jannie (8) leben seit dem Verschwinden ihres Vaters allein mit ihrer Mutter. Ihr Vater war Archäologe und vor seinem Verschwinden in Griechenland. Fünf Jahre lang haben sie nichts mehr von ihm gehört - und plötzlich kommt ein Päckchen von ihm. In ihm befindet sich ein schwarzer Faden, zu einem Wollknäuel zusammengerollt. Als Markus ihn berührt, passiert etwas Seltsames, unter anderem leuchtet ihr Haus eine ganze Nacht lang blau. Markus, seine Geschwister und das neue Mädchen aus seiner Klasse, Aster, kommen einer Riesensache auf die Spur, und das Labyrinth des Minotaurus ist nur eines davon.

Ziemlich cool fand ich, dass Markus, seine Geschwister und auch Aster keine supercoolen Kids waren. Jeder von denen hatte authentische Züge, die auch jeden von uns in dem Alter ziemlich genervt hätten/haben. Markus neigt dazu, loszuheulen, sein Bruder prügelt erst und fragt später, und die kleine Schwester ist hochintelligent, spricht aber nicht. Und Aster hat auch eigene Probleme, die man höchstens seinen Feinden wünscht. Dass darin dann auch noch ganz nebenbei ein paar interessante griechische Mythologien zur Sprache gebracht werden und dass Freundschaft einen hohen Stellenwert einnimmt, macht das Ganze spannender. Manche Ausdrücke oder Sachen haben mich ein wenig genervt, dürften auf Kinder aber wahrscheinlich lustig wirken, ansonsten ist das ein kurzweiliger Spaß auch für Leute, die vielleicht nicht gern dicke Wälzer lesen, sich aber gern gut unterhalten lassen wollen.

Veröffentlicht am 28.07.2017

Ein nicht ganz gewöhnlicher Mörder

Das Eulenhaus
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Ins Eulenhaus zu Lady Angkatell kommen sie gern: ihre Cousinen und Cousins, Neffen, Nichten, Verwandte. Sie ist zwar äußerst skurril, die gute Lady, aber so charmant, dass man ihr auch die taktlosesten ...

Ins Eulenhaus zu Lady Angkatell kommen sie gern: ihre Cousinen und Cousins, Neffen, Nichten, Verwandte. Sie ist zwar äußerst skurril, die gute Lady, aber so charmant, dass man ihr auch die taktlosesten Bemerkungen mit einem Lächeln verzeiht. Aber dieses Mal hat sie wohl nicht nur den Takt, sondern auch den Sinn für die richtige Mischung ihrer Gäste verloren, denn wie sonst ist es zu erklären, dass ausgerechnet der beliebte Dr. Christow ermordet wird? Wobei die Tat klar zu sein scheint - man hat seine etwas unscheinbare, naive und in Denkprozessen etwas langsame Frau mit einem Revolver in der Hand über den sterbenden Mann gefunden. Einfach aufzuklären, denkt Inspector Grange, doch dann ist da noch Hercule Poirot, und er weiß eines: Wenn alles aussieht wie bei einem Theaterstück inszeniert, so ist es das in der Regel auch.

Immer, wenn ich ein Buch von Agatha Christie lese, bin ich überrascht, wie modern mir diese vorkommen. Gut, niemand zieht ein Smartphone aus der Tasche und macht ein Selfie von sich und der Leiche, aber die Handlungen und Taten könnte man problemlos in die heutige Zeit übertragen. Und das ist auch die große Stärke der Autorin, denke ich. Sie schafft Protagonisten, die einen hautnah heranlassen, ob man sie jetzt mag oder nicht. Das Eulenhaus oder The Hollow, wie es eigentlich heißt, ist nicht einmal eines ihrer besten Bücher, und doch blitzt allein im Aufbau und Logik dieses Falles eine Genialität auf, von denen viele heutige Krimiautoren nur träumen können. Während ich bei den meisten Krimis sehr schnell auf Mörder und Motiv komme, so bin ich mir bei A. C. bestenfalls "sicher", auf der richtigen Spur zu sein. Und deshalb verzeihe ich ihr auch gern die gelegentlichen Längen, zu denen sie sich hinreißen lässt und werde immer wieder zu einem ihrer Bücher greifen.

Veröffentlicht am 24.07.2017

Die Eitelkeit des Teufels

Der Nebelmann
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Ein Mädchen verschwindet in einem abgelegenen Bergdorf in Italien. Anna Lou ist sechzehn, ein schwieriges Alter, aber sie stammt aus einer hochreligiösen Familie und hat mit Jungen nichts am Hut. Nach ...

Ein Mädchen verschwindet in einem abgelegenen Bergdorf in Italien. Anna Lou ist sechzehn, ein schwieriges Alter, aber sie stammt aus einer hochreligiösen Familie und hat mit Jungen nichts am Hut. Nach zwei Tagen trifft der römische Sonderermittler Vogel ein, und er glaubt nicht daran, dass das Mädchen getürmt ist; er ist überzeugt davon, dass ein Verbrechen vorliegt. Doch es finden sich weder Spuren noch Zeugen, zumal die Hälfte der Bewohner dieser religiösen Bruderschaft angehören, die das ganze Dorf kontrollieren. Vogel weiß sich nicht anders zu helfen, als eine groß angelegte Medienshow aus dem Verschwinden des Mädchens zu inszenieren, und er nimmt es auch in Kauf, dass eine Hexenjagd auf Unschuldige passiert. Zweiundsechzig Tage nach dem Verschwinden von Anna Lou wird Vogel plötzlich völlig verwirrt und blutverschmiert aufgefunden, und er hat dem zu Rate gezogenen Psychologen einiges, zum Teil Unfassbares, zu erzählen ...

Vorneweg: Lest NICHT den Klappentext. Der ist nicht nur verwirrend, sondern auch irreführend und spoilernd. Kein Plan, was sich der Verlag dabei gedacht hat. Ansonsten ist das Buch durchaus lesenswert, zeigt es doch auf beklemmende Weise, wie sehr sich jeder Einzelne von uns doch manipulieren lässt, durch Medien vor den Karren von karrieregeilen Oportunisten spannen lässt. Im Laufe der Handlung schafft es der Autor, mehrmals falsche Spuren zu legen, auch wenn man sich zumindest einen Teil des Geschehens schon ziemlich zeitig denken lässt. Was fast noch schlimmer ist als das Verschwinden des Mädchens ist eigentlich die ganze Inszenierung drumherum - man fragt sich, wer ist hier eigentlich Täter, wer Opfer? Das eigentliche Opfer, Anna Lou, spielt irgendwann fast keine Rolle mehr, weil sich jeder nur zu gern aufhetzen und von den Medien Müll erzählen lässt. Ein faszinierendes Spiel um Wahrnehmung und Wirklichkeit, das noch gute Zeit im Gedächtnis bleiben wird.

Veröffentlicht am 23.07.2017

Die magischen Zwanziger

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind: Das Originaldrehbuch
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Wir schreiben das Jahr 1926, und ein linkischer, junger Mann steigt in New York von Bord eines Überseedampfers. Er trägt einen abgewetzten Koffer mit sich, ansonsten nur ein scheues Lächeln und einen blau-gelben ...

Wir schreiben das Jahr 1926, und ein linkischer, junger Mann steigt in New York von Bord eines Überseedampfers. Er trägt einen abgewetzten Koffer mit sich, ansonsten nur ein scheues Lächeln und einen blau-gelben Schal, den Kenner sofort als hufflepuffisch identifizieren. Solche Kenner gibt es unter den No-Maj vom Zoll nicht, deshalb darf er problemlos die Stadt betreten. Doch so problemlos geht es dann nicht weiter. Aus dem Koffer des Mannes namens Newt Scamander entkommen magische Tiere - und ausgerechnet Tina Goldstein vom Macusa erwischt ihn dabei: Ein Verbrechen, denn das Einführen magischer Tiere ist in den USA verboten. Doch es gibt Schlimmeres als Newts entkommene Tierwesen, und die beiden müssen sich zusammenraufen, um einer drohenden Gefahr ähnlich Voldemorts zu begegnen.

Wo fange ich dieses Mal an? Vielleicht mit einem ungewöhnlichen Tipp: Es ist bestimmt besser, wenn man ausnahmsweise zuerst den Film gesehen hat. Bei mir war das der Fall, deshalb hatte ich großes Kopfkino beim Lesen. Ob das für Nichtkenner des Films zutrifft, kann ich echt nicht beurteilen. Gerade bei den genialen Tierwesen, die sich J. K. ausgedacht hat, kann man sich noch einmal die Filmszenen vergegenwärtigen. Sonst würde ich sagen, muss man sich rein darauf konzentrieren, sich von der super Besetzung des Buches mitnehmen zu lassen. Fast noch mehr als bei den Harry-Potter-Büchern, vielleicht, weil es doch schon sehr erwachsen ist, gibt es hier tolle Protagonisten, die einfach nur in seine "Sammlung der beliebtesten Protagonisten und wo sie zu finden sind" aufnehmen möchte. Zwischen Newt, Jacob, Queenie und Tina besteht eine so krass gute Chemie, dass man sie nur ungern wieder ziehen lässt. Um ehrlich zu sein, hegte ich auch gewisse Sympathien für Grindelwald, weil ich seiner Meinung eigentlich zustimmen muss, mir gefällt nur einfach seine Art der Umsetzung nicht. Trotz all dieser tollen Features muss ich im Endeffekt einen Punkt abziehen - schon aus Prinzip. Warum muss man uns das Drehbuch vor die Nase halten und nicht ein richtig cooles echtes Buch, das man viel, viel lieber wieder- und wieder- und wiederlesen möchte?