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Veröffentlicht am 29.06.2023

Als Schriftsteller ist Boris Johnson wirklich großartig!

72 Jungfrauen
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Ob Boris Johnson den Spagat zwischen Literatur und Politik gelingt, wie manchen Rezensenten es hier schreiben, darf bezweifelt werden.

Was letzteres betrifft, so wird er vielfach als Trottel angesehen, ...

Ob Boris Johnson den Spagat zwischen Literatur und Politik gelingt, wie manchen Rezensenten es hier schreiben, darf bezweifelt werden.

Was letzteres betrifft, so wird er vielfach als Trottel angesehen, der mit Fake-News das Vereinigte Königreich ruiniert und nebenbei fast die gesamte Europäische Gemeinschaft.

Das Erstere stimmt auf jeden Fall: Mit "72 Jungfrauen" hat der in New York mit türkischem Urgroßvater geborenen Brite Alexander Boris de Pfeffel Johnson ein Meisterwerk der Literatur hingelegt, spannend und unterhaltsam, ein mit großartigem Sinn für Humor und Satire geschriebener Thriller.

Manche sagen, mit diesem Roman hätte er insgeheim das Drehbuch für seinen eigenen Aufstieg ins höchste Amt des United Kingdom geschrieben. Dies mag bezweifelt werden.

Doch eines spürt man bei der Lektüre dieses Thriller deutlich: Der Mann hat ein Gespür für das Menschlich-Allzumenschliche der ganz normalen Leute, seien sie nun Polizisten oder Geheimdienstmitarbeiter seines eigenen Landes oder Islamisten aus Fernost, die gekommen sind, um als Selbstmordattentäter einerseits möglichst viel Ungläubige in den Tod zu reißen. und andererseits durch ihren "Heldentod" das zu erreichen, was im Grunde ihr Herzenswunsch ist: mit 72 Jungfrauen an der Seite ins jenseitige Sexparadies einzutauchen.

(Der Rezensent verzichtet, auf die in der Presse skandalisierten Ausschweifungen des Thrillerautors in dessen Etablissement Downing Street No. 10 einzugehen.)



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Veröffentlicht am 29.06.2023

Ein Psychothriller, der uns zu Mittätern macht.

EVIL
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Im Corona-Lockdown vor einem Jahr unterstütze ich meine lokale Buchhandlung, die auch ein Antiquariat beinhaltet, indem ich für 20 Euro Thriller bestellte. Die Auswahl überließ ich der Buchhändlerin. Neben ...

Im Corona-Lockdown vor einem Jahr unterstütze ich meine lokale Buchhandlung, die auch ein Antiquariat beinhaltet, indem ich für 20 Euro Thriller bestellte. Die Auswahl überließ ich der Buchhändlerin. Neben einigen belanglosen Krimis des üblichen Handwerks war EVIL unter der Auswahl.

Das Vorwort von Stephen King ist absolut lesenswert, denn es führt nicht nur in die Geschichte ein, sondern beschreibt Werk und Leben des relativ unbekannten US-amerikanischen Autors Jack Ketchum.

Stephen King ist, wie man aus Interviews, YouTube-Filmen und vor allem seiner großartigen Schriftsteller-Autobiografie "Das Leben und das Schreiben " weiß, trotz seines grandiosen Bestseller-Erfolgs ein bescheidener Mann geblieben, der angehende Schriftsteller-Kollegen nicht wegbeißt, sondern sie fördert und ihnen Mut macht. Im Vorwort zu EVIL stellt er vollkommen uneitel fest, dass schriftstellerischer Erfolg letztendlich Glückssache ist und dass es viele großartige Autoren gibt, die unerkannt bleiben und niemals zum Ruhm und Erfolg kommen.

Jack Ketchums Roman ist aus der Perspektive eines Heranwachsenen geschrieben, der Stück für Stück zum Mitwisser und gewissermaßen auch Mittäter in einem grausamen Missbrauchs-Drama wird. Wir können nicht anders, als uns mit dem jugendlichen Helden zu identifizieren und in seiner Haus in das grausame Verbrechen hineingezogen zu werden.

Der grandiose Suspense, mit dem Jack Ketchum die Handlung vorantreibt, zwingt uns Leser, Seite um Seite zu verschlingen, obwohl wir zunehmend angeekelt sind vom Voyeurismus des Helden, der zugleich auch unser eigener Voyeurismus ist. Quasi angeekelt von uns als Leser können wir das Buch nicht aus der Hand legen.

EVIL beruht auf wahren Tatsachen. Das Böse tritt hier nicht in Form irgendeines dieser perversen männlichen Triebtäter auf, die heutzutage fast zum Standard von Thriller sind, sondern in Gestalt einer überforderten Mutter, die aus übersteigertem Kontrollzwang heraus immer grausamer wird. Aufgrund der großartigen Charakterzeichnung jenseits aller Schwarz-Weiß-Malerei können und müssen wir Leser uns auch mit ihr identifizieren.

Der Roman basiert auf wahren Begebenheiten, die geschilderten Grausamkeiten haben sich tatsächlich ereignet. Die Kunst Jack Ketchums besteht darin, dass er nicht von einer höheren Warte herab voller Verachtung auf die Handelnden schaut, sonder sich mitten unter sie begibt. So gelingt es ihm, seinen Lesern zu vermitteln, dass in jedem von uns ein potentieller Täter bzw zumindest teilnahmsloser Beobachter von Verbrechen steckt, dass wir alle zu derartigem fähig sind.

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Eine erstaunlich uneitle Schriftstellerbiografie

Das Leben und das Schreiben
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Ewig im Erinnerung geblieben ist mir der rostige Nagel in der Dachboden-Stube, an den Stephen King, ein ewig und drei Tage erfolgloser Schriftsteller die Absagen von Literaturagenten spießte. Es war ein ...

Ewig im Erinnerung geblieben ist mir der rostige Nagel in der Dachboden-Stube, an den Stephen King, ein ewig und drei Tage erfolgloser Schriftsteller die Absagen von Literaturagenten spießte. Es war ein großer Nagel, der viele Schreiben aufnehmen musste.

Heutzutage trudeln E-Mail-Absagen im Stil von "Vielen Dank für Ihr Schreiben und die Vorstellung Ihres Buchprojekts, das wir mit viel Interesse geprüft haben. Im Rahmen der Tätigkeit unserer Agentur sehen wir aber leider keine Möglichkeit der erfolgreichen Vertretung für Ihr Werk." ein, bei mir und vielen anderen deutschsprachigen , die sich um eine Literaturagentur bemühen - wobei es hierzulande kaum Literaturagenten gibt, die ansprechbar sind. Zu sehr ist die deutsche Verlagsbranche durch Fusionen konzentriert, setzt man gerade in Corona-Zeiten auf bewährte Stammautoren und Übersetzungen von Erfolgsliteratur aus dem viel größeren englischsprachigen Buchmarkt.

Vollkommen uneitel und ehrlich beschreibt Stephen King dann jene Zeit, nachdem sich ein Literaturagent seiner erbarmt hatte und gleich noch Kontakte zur Filmbranche vermittelte, woraufhin die Tantiemen nur so sprudelten. Die Folge: ein Abgleiten in Alkohol und Kokain und andere Drogen, um das fieberhafte Schreiben zu unterstützen, bis hin zum körperlichen und psychischen Absturz.

Bei den anonymen Alkoholikern ist Stephen King seitdem gut aufgehoben - nicht nur, um seine Sucht unter Kontrolle zu halten, sondern auch als Inspirationsquelle für die schrägen Typen am Rande der Gesellschaft, die er in seinen Romanen. Der grandiose Anfang von "Mr. Mercedes", in dem eine Ansammlung von Obdachlosen im kalten Morgengrauen stundenlang vor einer Suppenküche warte, nur um dass von einem Mercedesfahrer brutal überrollt zu werden. sei hier als Beispiel genannt.

So offen, wie Stephen King bei der Schilderung seiner eignen Biografie ist, so sehr misstraue ich seinen geschilderten literarischen Techniken. Er gilt als einer der wenigen Protagonisten des so genannten "entdeckenden Schreibens", einer Technik, bei welcher der Autor kaum weiß, was als nächstes in seinem Roman passiert, und sich ganz dem Schreibfluss hingibt.

Dies mag auf jene seiner voluminösen Werke zutreffen, die er als etablierter Erfolgsschriftsteller verfasste, oft weit über Tausend Seiten dick, weitschweifig und stellenweise langweilig. Da hatte er schon eine Fangemeinde - auch aufgrund der erfolgreichen Romanverfilmungen - die alles und jedes verschlingen, was der Bestsellerautor auf den markt wirft.

Jedoch wird Stephen King so nicht angefangen haben. Er studierte Literatur, war Englischlehrer, ist seit seinen jungen Jahren mit einer Literatin verheiratet, die seine beste Kritikerin ist und seine Werke stets wachsam begleitete. Doch was er in "Das Leben und das Schreiben" vollkommen verschweigt (anders kann ich es nicht ausdrücken) ist das überaus notwendige Überarbeiten.

Von Hemingway ist der Spruch "Die erste Entwurf ist immer Mist!" überliefert. Die große Frage, sie sich bei Stephen Kings Roman stellt: Wie hat der Bestsellerautor seine eigenen Werke überarbeitet,welche Techniken hat er dabei angewendet, welche Lektoren unterstützten ihn dabei?

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Veröffentlicht am 29.06.2023

spannend bis zur letzten Sekunde

Der Schakal
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Frederick Forsyth ist ein Meister des dokufiktionalen Erzählens. Als ehemaliger Geheimagent im Auftrag des Britischen Geheimdienstes reiste er während des Kalten Kriegs hinter den Eisernen Vorhang, auch ...

Frederick Forsyth ist ein Meister des dokufiktionalen Erzählens. Als ehemaliger Geheimagent im Auftrag des Britischen Geheimdienstes reiste er während des Kalten Kriegs hinter den Eisernen Vorhang, auch in die DDR. Er weiß also, wovon er schreibt. Und seine langjährige journalistische Tätigkeit gab ihm das Handwerkszeug, um historische Dokumentation und fiktionale Fantasien spannend an die Leser zu bringen.

Wer heutzutage seine Bücher liest, den wird eventuell wegen die Langatmigkeit seines Erzählstils etwas auf die Nerven gehen. Man möge jedoch bedenken, dass es Anfang der 70-er Jahre, als der Roman erschien, weder Internet noch Smartphone gab und die Menschen es noch gewohnt waren, mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit an eine Welt einzutauchen, die ein Schriftsteller auf vielen Hundert Seiten Papier entworfen hat.

Auch all denen, welche die Verfilmungen des Roman von 1973 und 1997 schon gesehen haben, sei das Buch wärmsten empfohlen, wobei sich die erste Verfilmung enger an der Romanvorlage orientiert und wärmstend zu empfehlen sei.

Nach der "Biafra Story", einem in Nigeria spielenden Sachbuch, schrieb Frederick Forsyth mit "Der Schakal" seinen ersten Thriller. Es gab große Bedenken seiten der Literaturagenten und Verleger, weil es hier - vermutlich erstmals in der Literaturgeschichte - um das Attentat auf eines während der Romanentstehung noch lebenden Politikers ging. Charles de Gaulle starb im November 1970. Erst ein halbes Jahr nach dessen Tod wurde Forsyths erster Thriller veröffentlicht - ein Weltbestseller.


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Veröffentlicht am 29.06.2023

Der tiefe Sturz eines Selfmade-Man

Ein ganzer Kerl
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Tom Wolfes Thriller beginnt mit der Beschreibung des muskulären Rückens unseres Helden, "A Man in Full" der Buchtitel der US-amerikanischen Erstausgabe.

Wenn ein Thriller so beginnt, dann es eigentlich ...

Tom Wolfes Thriller beginnt mit der Beschreibung des muskulären Rückens unseres Helden, "A Man in Full" der Buchtitel der US-amerikanischen Erstausgabe.

Wenn ein Thriller so beginnt, dann es eigentlich bergab gehen mit dem Helden. Doch wie tief hinab, das versetzt dem Leser in erstaunen. Und so beginnt man, mit diesem neureichen Ekel von Menschen mitzuleiden und mit ihm zu hoffen, dass ihm all jene schmutzigen Tricks, die ihm einst zu Reichtum verholfen haben, auch in der Hölle einer brutalen Gefängniswelt helfen.

Es war Tom Wolfes zweiter Roman nach seinem Weltbestseller "Fegefeuer der Eitelkeiten" und er nahm in seinem Leben viel Prise entgegen. Seine politische Haltung kann im besten Sinne als linksliberal gekennzeichnet werden. Er war und blieb ein Aufklärer, der seine Finger auf die Wunden der Gesellschaft legte - stets unterhaltsam, nie Mitleid heischend und gerade deshalb so beliebt.

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