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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2017

In den Cevennen

In tiefen Schluchten
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Tori Godon lebt seit einiger Zeit im Vivarais. Ihr verstorbener Mann, Nachfahre der dort verfolgten Hugenotten, wollte seine Familiengeschichte erforschen. Aber nun bleibt sie Witwe allein zurück. Als ...

Tori Godon lebt seit einiger Zeit im Vivarais. Ihr verstorbener Mann, Nachfahre der dort verfolgten Hugenotten, wollte seine Familiengeschichte erforschen. Aber nun bleibt sie Witwe allein zurück. Als sie erfährt, dass ein junger holländischer Höhlenforscher verschwunden ist, reagiert sie beunruhigt, auch etwas verständnislos, da die Vermieterin keine Anstalten macht, den Vermissten zu melden. Dann stirbt der alte Didier, der ihr am Vorabend noch mit vielen geheimnisvollen Andeutungen von den alten Höhlen in der Umgebung erzählte, unter ungeklärten Umständen. Aber niemand scheint ein Interesse daran zu haben, die Vorfälle zu untersuchen. Das macht Tori skeptisch und sie beginnt auf eigene Faust ein bisschen zu „schnüffeln“.

Wunderschöne, sehr ausführliche Landschaftsbeschreibungen dominieren das Buch. Da ich die Gegend kenne, hat mich das nicht mal gestört, denn es erweckte lebhafte Erinnerungen und Bilder bei mir. Aber allmählich vermisste ich doch die Krimihandlung. Bis weit über die Hälfte des Krimis passierte nichts. Dann kommt allmählich doch etwas Tempo ins Buch, aber die Entwicklung stellte sich mir nicht immer logisch dar.

Die Figuren sind nett entwickelt, Tori ist eine sympathische Frau, die als Hauptfigur den Roman trägt. Die Idee, die Hugenottenverfolgung mit der Resistance zu verbinden finde ich gelungen, aber das allein reicht halt nicht, einen Krimi über Mittelmaß hinaus zu heben. Ich finde, die Autorin hat schon öfters den Beweis erbracht, dass sie spannende und subtile Krimis schreiben kann, bei ihrem neuen Buch habe ich davon nicht so viel gespürt. Es bleibt eine unterhaltsame, ein bisschen abenteuerliche Urlaubsgeschichte, ganz besonders geeignet für LeserInnen, die Frankreich lieben und in diese schöne Landschaft eintauchen möchten.

Veröffentlicht am 14.06.2017

Die sieben Plagen in St. Margarethen

Dem Kroisleitner sein Vater
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Der Krimi beginnt sehr turbulent. Die Vorstellung der Personen erinnerten mich stark an die guten alten Rowohlt Krimis, bei denen die Charaktere mit geheimnisvollen Sätzen eingeführt werden. Die drei Erzählstränge ...

Der Krimi beginnt sehr turbulent. Die Vorstellung der Personen erinnerten mich stark an die guten alten Rowohlt Krimis, bei denen die Charaktere mit geheimnisvollen Sätzen eingeführt werden. Die drei Erzählstränge führen von Londons Welt der Popmusik, ins hektische Berlin zu einem Ermittler, der vom Verfolger zum Verfolgten wird und ins beschauliche St. Margarethen in der Steiermark, wo Intrigen und Geheimnisse das Dorf seit 70 Jahren im Griff haben und spalten.
Die Erzählweise ist bisweilen hektisch und - wie ich finde - etwas gewollt kryptisch, einschließlich allerlei apokalyptischer Plagen die das Dorf heimsuchen. Die Sprache ist lakonisch und passt ganz gut zu den Figuren, ob typisch berlinerisch oder steirisch. Der Krimi versucht ganz anders zu sein, als die typischen Regionalkrimis, manchmal denke ich, der Autor hat da ganz bewusst das Genre auf die Spitze getrieben.
Ich habe den Krimi, wenn man die Geschichte so einordnen will, gern gelesen und mich stellenweise auch prächtig amüsiert. Mit den Figuren ist dem Autor ein Reigen kauziger, mal mehr oder weniger liebenswerter oder gar verabscheuungswürdiger Charaktere gelungen. Ganz zum Schluss, wenn Frassek über das Erlebte und Überlebte sinniert, kommt ihm ein Hollywoodfilm oder gar eine Oper in den Sinn, die einer aufschreiben sollte. Eine komische Oper könnte ganz gut passen, mit überzeichneten Helden und Heldinnen die ihre Soloparts haben, Gefahren überstehen und Geheimnisse lösen müssen und einem großen Finale zum Schluss.
Kein Allerweltskrimi, aber wer sich darauf einlassen möchte, kann sich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Turbulente Adaption

Vermählung
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Wer Stolz und Vorurteil von Jane Austen kennt, wird sich in „Vermählung“ sofort zurechtfinden. Die Autorin hat nicht nur die Namen übernommen, auch die Charaktere der Familie Bennet und aller Nebenfiguren ...

Wer Stolz und Vorurteil von Jane Austen kennt, wird sich in „Vermählung“ sofort zurechtfinden. Die Autorin hat nicht nur die Namen übernommen, auch die Charaktere der Familie Bennet und aller Nebenfiguren finden sich eins zu eins wieder. Natürlich sind wir inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen und so ist die stille Jane Yogalehrerin und Liz verdient ihr Geld als Journalistin. Während Kitty und Lydia albern ihren Hobbys nachgehen und es sich im Hotel Eltern gemütlich gemacht haben. Aber was heißt schon gemütlich: Mr Bennet ist ziemlich faul und desinteressiert, macht sich nur ab und an mit zynisch-resignierten Sprüchen bemerkbar und Mrs Bennet pflegt ihr Image als Charity-Lady, wobei sie nur ein Interesse kennt, nämlich ihre eigene Person. Kein Wunder, dass das Haus immer mehr verfällt und verwahrlost. Auch Cousin Willy hat eine passende Wandlung zum Computer Nerd mit Inselbegabung erfahren.
Nach dem Herzinfarkt des Vaters kommen auch Jane und Liz wieder ins Elternhaus zurück, nur um zu merken, dass die Dinge noch schlimmer stehen, als gedacht. Da Mr Bennet eine Krankenversicherung als überflüssig betrachtete, sind ihm die Schulden nun über den Kopf gewachsen und es bleibt nichts als eine reiche Heirat für die Töchter.
Die Autorin hat eine Menge gelungener Einfälle, so ersetzt sie den schwatzhaften englischen Landadel durch das nicht minder neugierige Publikum einer Reality-Soap in der Mr. Bingley den Bachelor gibt. Sein TV Erfolg wird von Schwester Caroline gemanagt, die Jane nicht an der Seite ihres Bruders sehen will. Liz muss sich mit dem arroganten Darcy herumschlagen, der eine Kapazität in der Neurochirurgie ist. Das alles ist ganz unterhaltsam und einige Ideen sind auch sehr gelungen. Allerdings fehlte mir der feine Witz, den Jane Austen so vortrefflich beherrschte. Hier ist alles etwas gröber aufgetragen, ganz besonders die Dialoge – gerade zwischen Kitty und Lydia sind deutlich derber. Das Buch hatte für meinen Geschmack auch deutliche Längen, etwas straffer und pointierter hätte es mir besser gefallen. Aber trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und gerade durch den Zeitenwechsel amüsiert.
Es ist ein Zeichen für einen Klassiker, dass er für jede Generation wieder neu entdeckt werden kann und dass er viele Interpretationen aushält. Umso mehr strahlt das Original und wenn die Leserinnen von „Vermählung“ später zu Jane Austen greifen, verspreche ich ihnen ein besonderes Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 15.05.2017

Urlaubskrimi mit viel Lokalkolorit

Der Kommissar und die Morde von Verdon
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Philippe Lagarde, der seinen Ruhestand im malerischen Städtchen Barfleur in der Normandie genießt, muss statt in den geplanten Kurzurlaub, zu einer Besetzung nach Südfrankreich fahren. Der Ehemann von ...

Philippe Lagarde, der seinen Ruhestand im malerischen Städtchen Barfleur in der Normandie genießt, muss statt in den geplanten Kurzurlaub, zu einer Besetzung nach Südfrankreich fahren. Der Ehemann von Hélène, der Freundin seiner Lebensgefährtin Odette ist bei einem Unfall am Verdon in die Tiefe gestürzt. Der örtliche Polizeichef geht von einem Suizid aus und schließt überraschend schnell die Akte.
Es bleibt nicht bei diesem einen Unfall, auch der Bürgermeister stürzt bei einem Spaziergang in die Tiefe. Auch wenn er nicht mehr aktiv ist, ein Fall mit so vielen Ungereimtheiten weckt den Spürhund in Lagarde. Da trifft es sich gut, dass sich in der Gegend zufällig drei Ex-Kollegen niedergelassen haben, die mit ihm die polizeiliche Eliteausbildung machten. Die besten Voraussetzungen also um sich umzuhören und zu ermitteln.
Mit „Der Kommissar und die Morde von Verdon“ liegt bereits der 6. Band der sympathischen und völlig unabhängig zu lesenden Reihe vor und das Muster ist altbekannt. Die Landschaftsbeschreibungen lesen sich malerisch wie aus dem Touristenprospekt, wecken Reiselust und machen Appetit. Denn natürlich dürfen auch bei den Ermittlungen die Restaurantbesuche mit ausführlichen Menüschilderungen nicht fehlen. Es gibt eine ganze von Zufällen, die nicht unbedingt realistisch sind, aber Lagardes Ermittlungen vorantreiben. Natürlich ist einer seiner Kumpels ein Internet-Crack, der sich mühelos in jedes beliebige Netzwerk hackt und ihn mit Informationen versorgt. Auch wenn der örtliche Polizeichef cholerisch mauert, so erliegt seine Sekretärin dem Charme des anderen Freundes und damit stehen ihnen auch alle Dokumente der Ermittlung zur Verfügung.
Der Krimi liest sich locker, die Spannung hält sich aber in wohldosierten Grenzen. Er ist ein typischer Urlaubskrimi mit viel Lokalkolorit und netten Beschreibungen, unterhaltsam und amüsant zu lesen ohne dass man allzu viel Aufmerksamkeit braucht. Eben das richtige Buch für das Reisegepäck.

Veröffentlicht am 12.05.2017

Psycho ohne Thriller

Wenn das Eis bricht
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Im Haus des Unternehmers Jesper Orre wird eine enthauptete Frauenleiche gefunden, den Kopf auffällig neben dem Körper drapiert. Eine schockierende Inszenierung, die die Kriminalisten an einen ganz ähnlichen, ...

Im Haus des Unternehmers Jesper Orre wird eine enthauptete Frauenleiche gefunden, den Kopf auffällig neben dem Körper drapiert. Eine schockierende Inszenierung, die die Kriminalisten an einen ganz ähnlichen, nie aufgeklärten Fall von vor 10 Jahren erinnert. Aus diesem Grund wird Hanne Lagerlind eingeschaltet, eine Psychologin, die damals mit den Ermittlungen befasst war.

Der Roman wird in der Hauptsache aus drei ganz persönlichen Perspektiven erzählt. Wir hören von Emma, einer jungen, sehr unglücklichen Frau, die mit Jesper ein geheim gehaltenes Verhältnis hatte und vom ihm ausgenutzt und schwanger sitzen gelassen wurde. Emma arbeitete bis zur ihrer Entlassung in Jespers Konzern. Ihre Geschichte setzt 2 Monate vor dem Fund der Leiche ein.

Peter Lindgren, einer der Kriminalisten, war im ersten Fall sehr in Hanne verliebt. Sie wollte ihren Mann verlassen und mit Peter ein neues Leben beginnen. Aber Peter, der durch ein Jugenderlebnis traumatisiert ist, ist völlig bindungsunfähig und macht im letzten Augenblick einen Rückzieher und verletzt die sensible Hanne damit sehr.

Hanne weiß seit einiger Zeit von ihrer beginnenden Demenz und die ersten Anzeichen stürzen sie in eine tiefe Lebenskrise. Dazu fühlt sie sich immer mehr von ihrem Mann eingeengt und demoralisiert. Auch sie hat die damalige Beziehung zu Peter noch nicht verkraftet und fürchtet und freut sich zugleich vor der Zusammenarbeit.

Diese unterschiedlichen Persönlichkeiten, ihre Beziehungen untereinander und ihre Sicht auf den Fall machen einen Großteil der Spannung aus. Die reine Ermittlungsarbeit scheint dabei fast ins Hintertreffen zu geraten. Aber es scheint nur so. Der Untertitel „Psychothriller“ hat mich anfangs verwirrt. Titel und Beschreibung im Klappentext lassen falsche Erwartungen entstehen. Das Buch ist kein landläufiger Thriller, die Spannung entwickelt sich sehr subtil aus dem Beziehungsgeflecht, den familiären und persönlichen Hintergründen und steigert sich mit jedem weiteren Detail, das sich aus den Rückblenden ergibt.

Ich konnte mich gut auf die Erzählweise einlassen, die Wechsel der Perspektiven brachten mir die Personen nahe und mir gefiel der Kunstgriff der Autorin, das Motiv lange in der Schwebe zu lassen. Auch die spröde, fast unterkühlte Sprache passt gut zu diesem Psychokrimi aus Skandinavien, was sicher auch der Übersetzerin Gabriele Haefs zu verdanken ist.

Lange musste ich über die Bedeutung des Titels rätseln, der einem Innuit Sprichwort entlehnt ist, aber je mehr ich las, umso passender schien er mir.