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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.10.2016

Ein Leben, gefangen in Ziellosigkeit

Der Hydrograf
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Es ist sicher der diesjährigen Buchmesse mit den Gastländern Niederlande/Flandern zu verdanken, dass der Roman von Allard Schröder, „Der Hydrograf“ 14 Jahre nach seinem Erscheinen nun auch auf Deutsch ...

Es ist sicher der diesjährigen Buchmesse mit den Gastländern Niederlande/Flandern zu verdanken, dass der Roman von Allard Schröder, „Der Hydrograf“ 14 Jahre nach seinem Erscheinen nun auch auf Deutsch vorliegt.
Der nicht sehr umfangreiche Roman beschreibt das Leben des pommerschen Landadligen Franz, Graf von Karsch-Kurwitz, der sich am Vorabend des 1. Weltkriegs auf eine lange Seereise begibt. Er steuert auf dem Viermaster „Posen“ Valparaiso an. Er will hydrografische Forschungen betreiben und das Meer beobachten. Ist diese Reise eine Flucht vor der Leere seines Lebens? Als in Lissabon eine schöne und geheimnisvolle Frau - Asta Maris - an Bord kommt, scheint sein Interesse eine andere Wendung zu nehmen. Außer Franz und Asta Maris reisen noch der Kaufmann Moser und der Lehrer Ernst Todtleben auf dem Frachtschiff. Gespräche und Betrachtungen, aber vor allem eine zunehmende Leere und Interesselosigkeit prägen Franz‘ Tage. Ist diese Reise eine Flucht vor der Inhalts- und Ziellosigkeit seines Lebens?
Der Roman hat mich erstaunt, lässt mich aber auch ratlos zurück. Die Handlung ist marginal und die Protagonisten, allen voran Franz, bleiben mir blass und uninteressant. Die Schönheit der Sprache, die im Gegensatz zur unbedeutenden Handlung steht, hat mich in Bann gezogen. Es ist große Kunst, wenn ein Autor aus einigen belanglosen Figuren und Handlungen einen so großartigen Roman entstehen lässt.
Mit dem gelungenen Cover rundet der Verlag dieses kleine Kunstwerk ab.

Veröffentlicht am 07.10.2016

Für Krimifreunde

Büchermorde – Mordsbücher
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Über die Faszination des Krimis und die Geschichte der berühmten Detektive ist schon einiges geschrieben worden. Seit Jahrzehnten ist der Kriminalroman eine „sichere Bank“ für Verleger und Autoren.
Thomas ...

Über die Faszination des Krimis und die Geschichte der berühmten Detektive ist schon einiges geschrieben worden. Seit Jahrzehnten ist der Kriminalroman eine „sichere Bank“ für Verleger und Autoren.
Thomas Kniesche hat nun eine ganz besondere Beziehung zum Thema gemacht: Mord und Buch!


Das ist eine manchmal kurzweilige und immer interessante Lektüre. Das Buch als Waffe, Buchhandlung und Bibliothek als Tatort und nicht zu vergessen, Bibliothekare, Bibliomane und Bibliophile als Täter, sind ein immer wiederkehrendes Thema im Genre. In den einzelnen Kapiteln werden die Klassiker vorgestellt. Dazu erfährt man vieles aus der Geschichte und der Frühzeit des Kriminalromans, vergessene Autoren werden zitiert und das Genre beleuchtet.
Das kleine Buch ist eine gelungene Zusammenstellung, ein richtiges Kopfkissenbuch für Krimi- und Bücherfreunde. Die Ausstattung ist sehr liebevoll mit Blick fürs Detail gestaltet.


Und die Leser, die sich jetzt noch eingehender mit der Materie beschäftigen wollen, finden ein ausführliches Literaturverzeichnis.

Veröffentlicht am 03.10.2016

Warmherzig und optimistisch

Meine Schwester, die Hummelkönigin
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Ally hat vor 10 Jahren überstürzt Mutter und Schwester verlassen und sich in L.A. ein neues Leben aufgebaut. Sie fühlte sich erdrückt von der Familienkonstellation. Schwester Emma ist ein „besonderes“ ...

Ally hat vor 10 Jahren überstürzt Mutter und Schwester verlassen und sich in L.A. ein neues Leben aufgebaut. Sie fühlte sich erdrückt von der Familienkonstellation. Schwester Emma ist ein „besonderes“ Mädchen, so wird euphemistisch ihre Einschränkung beschrieben, die autistische Züge trägt. Die Geborgenheit der kleinen Gemeinde von Bear Isle in Maine ist für Ally nur noch Einengung gewesen.
Nun führt sie der Unfalltod der Mutter unfreiwillig auf die Insel zurück. Die Schwester ist ihr fremd, sie fühlt sich einsam, überfordert und schuldbewusst. Es scheint, dass ihr ganzes Leben in Windeseile zerbricht.
Wäre da nicht der besondere Zauber von Bear Isle….
Dieser Roman ist wie ein Märchen, berührend und warmherzig geschrieben. Von der ersten Seite an weiß man, dass alles gut wird und mit „und wenn sie nicht gestorben sind..“ endet. Für einige Lesestunden konnte ich mich in dieser Geschichte verlieren aber erst als ich Nachdenken über Logik und Realismus ausschaltete. Aber Autoren dürfen ihre eigene Realität erschaffen und wenn dabei so eine zauberhafte Geschichte entsteht, ist es ein Gewinn für Leser.
Ich habe mich bestens unterhalten und bin in die wunderbare Geschichte eingetaucht. Dazu haben sicher auch die schönen Naturbeschreibungen beigetragen, die Bear Isle zum Sehnsuchtsort in einer heilen Welt werden lassen.

Veröffentlicht am 30.09.2016

Anders als ich erwartet habe

Jenseits des Weges
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Liz hat bisher einige Umwege in ihrem Leben genommen. Sie gibt sich die Schuld am Unfalltod ihres Mannes Gabriel und in ihrer neuen Beziehung mit Dante fehlt es an Vertrauen und Offenheit. Mit einer langen ...

Liz hat bisher einige Umwege in ihrem Leben genommen. Sie gibt sich die Schuld am Unfalltod ihres Mannes Gabriel und in ihrer neuen Beziehung mit Dante fehlt es an Vertrauen und Offenheit. Mit einer langen Wanderung auf dem harten und berühmten John-Muir-Trail hofft sie zu sich selbst zu finden, alte Verletzungen zu überwinden und ihren Lebensweg klarer sehen zu können. Deshalb ist sie anfangs überhaupt nicht glücklich, dass sich Dante nun kurzentschlossen anschließt
Der Weg wird Liz und Dante viel abverlangen, nicht nur an körperlichen Strapazen, sondern auch an emotionalen Erschütterungen und Gefahren. Der Weg entwickelt sich fast zu einem Horror Trip, denn schon nach einigen Tagen machen sie unliebsame Bekanntschaft mit zwei Mitwanderern, deren Motive sehr undurchsichtig sind. Aber die Gefahren, denen Liz und Dante ausgesetzt sind, werden ihre Beziehung auf den Prüfstand stellen.
Das Titelbild, das übrigens sehr gelungen ist und die Einsamkeit und innere Einkehr der Hauptperson abbildet und der Klappentext haben mich ein anderes Buch erwarten lassen. Ab der Mitte des Buches nehmen nach und nach Spannung und Bedrohung überhand und aus einer Selbstfindungsgeschichte wird mehr ein Spannungsroman.
Trotz meiner enttäuschten Anfangserwartung habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, es liest sich leicht und spannend wie ein Krimi. Aber die Hauptthemen: der Trail und seine grandiose Landschaft, die innere Einkehr und Aussöhnung von Liz mit ihrem Leben standen ganz im Schatten der realen Gefahren, die ihnen begegnen.
Deshalb blieben mir auch die Hauptpersonen immer etwas fremd, durch die Rückblenden konnte ich die Persönlichkeit von Liz noch eher verstehen als den Charakter von Dante, der mir blass und eindimensional erschien.
Eine schöne Idee wäre es gewesen in der Klappenbroschur eine Landkarte des Trails abzubilden, das hätte mir den Weg und seine Stationen noch näher gebracht.

Veröffentlicht am 29.09.2016

Opfer und Täter

Wintertod
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Eisige Winterluft liegt über Berlin und eisig ist auch der Empfang, den der frisch versetzte Kommissar Arne Larsen von seiner Kollegin auf der Dienststelle erfährt.
Auf einem alten aufgelassenen Friedhof ...

Eisige Winterluft liegt über Berlin und eisig ist auch der Empfang, den der frisch versetzte Kommissar Arne Larsen von seiner Kollegin auf der Dienststelle erfährt.
Auf einem alten aufgelassenen Friedhof wird eine Leiche gefunden, offensichtlich sorgsam in ein Leichentuch gebettet und vergraben. Bald darauf findet Arne, den sein „Bauchgefühl“ noch mal zum Fundort führt, noch eine weitere Tote in der Nähe, ein kleines Mädchen. Verwunderlich, dass das der Spurensicherung entgangen ist.
Eine Berliner Schule, übles Mobbing ist an der Tagesordnung. Doch das Kollegium schaut gerne weg, der Ruf der Schule soll nicht leiden. Lediglich Lea Zeisberg, eine Lehrerin, der nach einem „Vorfall“ einige Monate ausgefallen ist, will mehr wissen. Warum fehlen Merle und Kolja so oft in der Schule, warum gibt es kaum Atteste und was bedeutet der Hilferuf in einem Heft von Merle? Da sie niemand anhört, will sie auf eigene Faust mehr über die Familie Großmann erfahren.
Berlin, Waldsiedlung, 80iger Jahre: was geht in dieser hermetisch abgeschlossenen Wohnsiedlung der DDR Bonzen vor sich, Martin lebt dort mit seinem strengen Stiefvater und der kranken Mutter. Martin eifert seinem Stiefvater nach, er ist sein Vorbild an Stärke, Mut und Macht.
Düster, kalt, bedrückend – das ist der Grundton dieses Kriminalromans. Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, Repressionen, Mobbing, Ausgrenzung, alles was zur allgegenwärtigen, alltäglichen Erfahrung der Polizei gehört, wird thematisiert. Es gibt viele Handlungsstränge und Zeitebenen, die auf sehr geschickte und anspruchsvolle Weise verknüpft werden. Dabei kommt der Roman ganz ohne explizite Gewaltszenen aus, sehr viel subtiler geht der Autor vor. Er lässt allein durch seine Sprache die Geschichte im Kopf der Leser entstehen, was oft viel eindrücklicher ist, als eine Beschreibung.
Mir persönlich war das etwas zu viel an Düsternis und Hoffnungslosigkeit, es fehlte mir ein positives Gegengewicht. Die Konstruktion der Geschichte war mir auch zu verwinkelt, manche gewichtig dargestellte Szenen verlieren sich im Lauf der Geschichte, aber alle Handlungsstränge verknüpfen sich am Ende zu einer schlüssigen Lösung.
Ich war von diesem Roman fasziniert und wurde komplett in den Sog der Handlung gezogen. Die beschriebenen Szenen lösten bei mir ein sehr lebhaftes Kopfkino aus, das Buch hat mich noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Ein wirklich bemerkenswerter Krimi.