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Veröffentlicht am 21.08.2019

Tanz auf dem Vulkan

Die schwarze Fee
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Berlin in den Zwanzigern. Oft als die goldene Zeit verklärt. Es gab aber nicht nur die Tanzpaläste, die sexuelle Freizügigkeit und die wilden Partys. Eine große russische Exilgemeinde hat sich in der Stadt ...

Berlin in den Zwanzigern. Oft als die goldene Zeit verklärt. Es gab aber nicht nur die Tanzpaläste, die sexuelle Freizügigkeit und die wilden Partys. Eine große russische Exilgemeinde hat sich in der Stadt zusammengefunden, Literaten und Künstler, Wissenschaftler, Adlige und Revolutionäre jeder Couleur. Es gibt den immer stärker spürbaren Antisemitismus und die ersten Anzeichen des kommenden Nationalsozialismus werden deutlich.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Fließt in den teuren Hotels der Champagner und glitzern die Juwelen, leben die Menschen in den Arbeiterbezirken in unglaublichem Elend. Krankheiten und Hunger sind an der Tagesordnung, das Heer der Arbeitslosen wächst.

Ariel Spiro, der noch nicht lange in Berlin lebt, ist weiterhin der Außenseiter. Da hilft ihm der Erfolg als Kommissar bei seinem letzten Fall nicht viel. Im Gegenteil, das hat auch Neid und Eifersucht geweckt. Zwei Tote werden gefunden, keiner kennt sie und keiner vermisst sie. Gestorben auf einem Ausflugsdampfer und in einem Bus, inmitten von Menschen, die nichts gesehen haben.

Dann trifft Ariel wieder auf Nike. Sie haben sich einmal etwas bedeutet, aber nun will Nike Anton vermisst melden. Einen jungen Sozialdemokraten, den sie bei ihrer freiwilligen Arbeit bei der AWO kennengelernt hat. Liebt sie ihn oder ist es nur der sexuelle Reiz? Oder ist es nur Ausflug in der Arbeiterwelt, den Nike in der Kleidung ihres Dienstmädchens inkognito unternimmt, aus hehren Beweggründen, aber immer auch mit der garantierten Rückkehr in den gediegenen Luxus ihrer Bankiersfamilie.

Kerstin Ehmer hat schon mit ihrem ersten Krimi ein erstaunliches Gespür für die Stimmung der Zeit gezeigt. Den historischen Hintergrund fand ich auch in ihrem neuen Buch unglaublich faszinierend dargestellt. Das ist wie eine Geschichtslektion aus erster Hand. Es fließt viel aus der unruhigen Zeit der Weimarer Republik als Handlungshintergrund in das Buch ein. Das macht für mich den Reiz dieses Kriminalromans aus. Ich finde, die Autorin hat den Ton dieser Zeit perfekt getroffen.

Ihre Figuren sind vielschichtig gezeichnet, auch in den abstoßenden Charakteren finden sich noch menschliche Züge. Stark sind auch ihre Frauenfiguren, wie Nike, die selbstbewusste junge Frau, die in ihrem Medizinstudium aufgeht – auch nicht selbstverständlich in der Zeit – und Helene, die starke Frau aus dem Arbeitermilieu, die ihre ganze Kraft einsetzt um ihre Familie zusammenzuhalten.

Ein spannender Kriminalroman mit einem überzeugendend erzählten historischen Hintergrund. Ein Ermittler, Ariel Spiro, vom dem man unbedingt mehr lesen möchte. Das ist mein Fazit für dieses Buch, das ich wirklich empfehlen kann.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Hallig Leben

Frische Brise auf dem Sommerdeich
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Frische Brise auf dem Sommerdeich. Dieser Titel ist ein Versprechen und das Buch hat es für mich eingelöst. Ich fühlte mich mitgenommen auf die Hallig Hooge und ließ mich von Wind, Wellen und Watt verzaubern.
Katja ...

Frische Brise auf dem Sommerdeich. Dieser Titel ist ein Versprechen und das Buch hat es für mich eingelöst. Ich fühlte mich mitgenommen auf die Hallig Hooge und ließ mich von Wind, Wellen und Watt verzaubern.
Katja Just lebt nun seit fast zwei Jahrzehnten auf der Hallig und hat diese Welt zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht. Sie erzählt von diesem ganz besonderen Leben, abhängig von Gezeiten und Wetter und immer eine ganz besondere Herausforderung. Die meisten Leser werden eine Hallig - wenn überhaupt - nur von kurzen Ausflügen oder Urlaubstagen kennen. Das ist dann sicher eine erholsame Erfahrung, die sogar die Sehnsucht weckt so zu leben. Aber es ist eben nicht nur alles Sonnenschein. Das Leben in einer kleinen, fast abgeschlossenen Gemeinschaft ist nicht immer einfach. Was tun, wenn man eilig einen Arzt oder Tierarzt braucht, wenn ein Sturm oder sogar Sturmflut droht. Das Leben inmitten des Wattenmeers ist etwas Besonderes und man muss schon in sich selbst ruhen, um damit klar zu kommen.
In kurzen Episoden und Anekdoten lässt Katja Just die Leser an ihrem Leben teilhaben. Sie berichtet von alten Traditionen, gewachsenen Strukturen und besonderen Aufgaben. Mit ihrer Hingabe an die neue Heimat hat sie sich auch neuen Herausforderungen gestellt und übernimmt seit einiger Zeit als Bürgermeisterin der kleinen Gemeinschaft Verantwortung.
Die Liebe zur Natur, zu diesem ganz besonderen Flecken Erde, dessen Reiz man manchmal erst auf den zweiten Blick sieht, spricht aus jeder Seite. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und mitgenommen gefühlt. Ich werde in Zukunft Halligen aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Als bedrohte Landschaft, für die es sich lohnt, sich einzusetzen.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Aurora

Bis ihr sie findet
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Eine eingeschworene, ein wenig elitäre Gruppe von Jugendlichen zeltet in einem Waldstück. Es soll ein Wochenende mit Alkohol, ein wenig Dope und viel Spaß werden. Aurora, die jüngere Schwester von Topaz, ...

Eine eingeschworene, ein wenig elitäre Gruppe von Jugendlichen zeltet in einem Waldstück. Es soll ein Wochenende mit Alkohol, ein wenig Dope und viel Spaß werden. Aurora, die jüngere Schwester von Topaz, darf dabei sein, ist allerdings schon allein durch ihr Alter von 14 Jahren ein wenig im Abseits.

Am nächsten Morgen ist Aurora verschwunden, die breit angelegte Suche der Polizei bleibt ergebnislos. DCI Jonah Sheen war als ganz junger Polizist an der Suche beteiligt. Nun, dreißig Jahre später werden die Überreste einer Toten gefunden, Sheen weiß sofort, dass kann nur Aurora sein.

Über all die Jahre haben die sechs Freunde Kontakt gehalten, der Fund erschüttert sie schwer. Denn schon bald scheint klar, Aurora wurde getötet und es kann eigentlich nur jemand aus der Clique gewesen sein.

Das Krimidebüt von Gytha Lodge greift zum Stilmittel zweier Handlungsstränge, den Ermittlungen in der Gegenwart und den unmittelbaren Geschehnissen von damals. Allmählich wird der Leser immer vertrauter mit dem verhängnisvollen Zeltabenteuer und immer augenscheinlicher wird es auch, dass keiner der Jugendlichen damals ganz ehrlich war. Jeder verbirgt ein Geheimnis. Für Sheen wird die Ermittlung ebenfalls zu einer – nicht immer guten – Konfrontation mit der Vergangenheit.

Das Buch ist ein Kriminalroman ganz nach meinem Geschmack. Die Handlung ist komplex, genau wie die Figuren der sechs Freunde. Ihre spätere Entwicklung schien sich schon in der Jugendzeit anzudeuten und ihre Charaktere sind vielschichtig angelegt. Mit jeder weiteren Rückblende steigert sich die Spannung und machte für mich auch die Faszination aus. Bald kommen die ersten Risse in der Fassade von Wohlanständigkeit und Freundschaft zum Vorschein. Misstrauen untereinander macht sich breit. Um keinen Preis soll das Geheimnis von damals gelüftet werden. Das ist sehr subtil und fesselnd erzählt. Die Ermittlungen und Verhöre laden zum Miträtseln ein und ich hatte eigentlich bei jeder Figur das Gefühl, sie könnte schuldig sein. Ganz nah kam mir die Person der jungen Aurora, das ungelenke, schüchterne Mädchen beginnt grade aus ihrem Kokon zu schlüpfen und zu einer Schönheit zu werden. Für Topaz, die immer im Mittelpunkt von Bewunderung und Begehren steht, eine ungeliebte Konkurrenz.

Dieser Krimi braucht keine blutigen Morde um Spannung zu erzeugen, die mich keine Seite mehr losgelassen hat. Die Autorin muss ich mir merken, denn sie hat genau meinen Nerv getroffen.

Veröffentlicht am 13.08.2019

Ein Reisebuch der Extraklasse

Schwarzes Meer
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Das Schwarze Meer – eine Region am Rande Europas. Von uns oft nur wahrgenommen, wenn der Krim-Konflikt die Nachrichten beherrscht.

Die Autorin Caroline Eden nimmt die Leser mit auf eine Reise zu den Küsten ...

Das Schwarze Meer – eine Region am Rande Europas. Von uns oft nur wahrgenommen, wenn der Krim-Konflikt die Nachrichten beherrscht.

Die Autorin Caroline Eden nimmt die Leser mit auf eine Reise zu den Küsten des Schwarzes Meers und es gelingt ihr, aus dem Leser schon nach wenigen Seiten einen Mitreisenden zu machen. Sie beschreibt Städte, wie Odessa, Constanta und Trabzon und lässt ihre Geschichte wieder aufleben, erzählt von der bunten Bevölkerungsmischung die mit ihren Bräuchen und Traditionen die Orte geformt haben.

Vieles davon findet sich in den Speisen wieder, traditionelle Rezepte, aber auch ganz neue Interpretationen mit den Köstlichkeiten, die das Meer und das Land bieten. Ich war sehr neugierig auf diese Küche mit ihren Anklängen an jiddische und mediterrane Kochkunst und habe inzwischen schon zwei – drei Gerichte nachgekocht. Auch wenn die Gemüse hier sicher nicht so schmecken, wie frisch und reif von einem rumänischen oder bulgarischen Feld, war ich begeistert. Die Rezepte sind schön erklärt und gut nachzukochen. Abgerundet wird das noch durch Fotos, die schon beim Betrachten das Wasser im Mund zusammen laufen lässt.

Aber es ist nicht nur die Küche der Schwarzmeerregion, die der Autorin am Herzen liegt. Auch die Menschen und ihre Geschichten interessieren sie. So sucht sie das Gespräch und berichtet von Begegnungen. Immer wieder erzählt sie wunderschöne Anekdoten aus der Vergangenheit, lässt alte Größe und Bedeutung lebendig werden.

Für mich ist ein Reisebuch gelungen, wenn ich das Gefühl habe dort zu sein. Wenn ich beim Lesen die Farbe und Gerüche fühle, mit allen Sinnen in das Buch eintauchen kann. Das ist mir hier gelungen.
Sicher liegt es auch an der wunderschönen und wertigen Ausstattung. Ein von Wellen inspiriertes Titelbild mit edler Silberprägung und ein auffälliger Farbschnitt in schwarz sind echte Hingucker. Dazu kommen noch die reichhaltige Bebilderung und das edle Papier.

Ein reiches Quellenverzeichnis und viele Literaturhinweise runden das Buch ab und geben dem interessierten Leser noch viele Anregungen mit.

Mein Fazit ist kurz: Extraklasse !


Veröffentlicht am 08.08.2019

Für mich eine Entdeckung

Fünf Lieben lang
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Paul ist 12 Jahre alt, als er zum ersten Mal das Begehren spürt. Auf einer italienischen Ferieninsel beginnt er für Nanni, einen Schreiner der für seine Eltern arbeitet, zu schwärmen. Er weiß das Gefühl ...

Paul ist 12 Jahre alt, als er zum ersten Mal das Begehren spürt. Auf einer italienischen Ferieninsel beginnt er für Nanni, einen Schreiner der für seine Eltern arbeitet, zu schwärmen. Er weiß das Gefühl noch nicht zu benennen, erst sehr viel später wird er erkennen, dass er zum ersten Mal liebte.

Paul wird ein erfolgreicher Mann, der sein Leben lang die Liebe sucht. Er findet sie bei Männern und Frauen. Und doch scheint er unfähig, eine Beziehung zu halten. Wichtig ist ihm das Erobern, das Umkreisen, das vorsichtige Herantasten. Dann zeigt er sich in all seiner Verletzlichkeit und er entblößt sein Innerstes.
Die Sprache dieses Romans ist großartig. Was für ein Stilgefühl! Leichtigkeit und Melancholie haben sich dabei zu einer Einheit verbunden. Pauls Gefühle - Herzschmerz, Sehnen, Unsicherheit - beschreibt der Autor so unmittelbar und echt, dass ich sie zu spüren begann. Seine Liebesgeschichten vibrieren vor Sinnlichkeit.

Während Paul von Nanni zu Chloé, zu Manfred, zu Claire und all den anderen Figuren findet, die in wenigen Sätzen und Handlungen erstaunlich präzise portraitiert werden, blieb mir Paul immer etwas geheimnisvoll. Trotz seiner ständigen Untreue, auch seiner Wankelmütigkeit, war er verletzlich und immer auf der Suche nach der wahren Liebe, die er wohl nie finden wird, oder besser, sie nie erkennen wird. Denn kaum hat er sich verliebt, beginnt er zu analysieren, jeden Satz und jede Bemerkung zu hinterfragen und verliert dabei den Menschen aus den Augen.

Ich kannte den Autor nicht, der wohl schon mit seinem ersten Roman einen großen Erfolg erzielte. Wie schön, dass ich ihn mit diesem Rezensionsexemplar kennenlernen durfte.