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Veröffentlicht am 07.08.2019

Fußball und Zen

Inspektor Takeda und das doppelte Spiel
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Das Warten hat sich gelohnt, der vierte Band von Henrik Siebolds Kriminalromanen um das ungleiche Ermittlerpaar Ken Takeda und Claudia Harms ist erschienen.
Vorweg möchte ich erwähnen, dass die Bände sehr ...

Das Warten hat sich gelohnt, der vierte Band von Henrik Siebolds Kriminalromanen um das ungleiche Ermittlerpaar Ken Takeda und Claudia Harms ist erschienen.
Vorweg möchte ich erwähnen, dass die Bände sehr gut einzeln zu lesen sind, auch ich bin erst später in die Reihe eingestiegen, aber ich bin sicher, wer ein Buch gelesen hat, will sich auch die anderen nicht entgehen lassen.

Inspektor Takeda, für ein Jahr mit einem Austauschprogramm nach Hamburg gekommen, hat sich gut eingelebt. Die Zusammenarbeit mit der recht eigenwilligen Claudia Harms ist gut und beginnt beiden immer mehr Spaß zu machen. Ein gewisses Kribbeln zwischen den beiden so unterschiedlichen Charakteren ist immer deutlicher zu spüren.

Der neueste Mordfall führt Ken Takeda in ein dunkles Gewerbegebiet. Dort findet er einen toten Landsmann, eine Stichwunde im Bauch und eine tödlicher Kopfschuss wirken wie eine Hinrichtung. Entsetzt erkennt Takeda, dass der Tote der beliebte Spieler Ryūtarō Matsumoto des HSV ist. Die Spuren der Tat führen ihn und seine Partner zu einer buddhistischen Sekte und zu einem honorigen Hamburger Geschäftsmann und weisen da nicht einige Ungereimtheiten auf die japanische Yakuza hin?
Weil sich die Ermittlungen in Hamburg immer mehr in einer – auch politisch gewollten – Sackgasse befinden, beschließen Harms und Takeda auf eigene Faust in Japan zu ermitteln. Eine Reise, die beide verändern wird.

Siebolds Kriminalromane bestechen nicht nur den sehr gut aufgebauten Plot, sondern auch durch den Synergieeffekt der beiden Kulturen bei den Ermittlungen. Sehr kenntnisreich berichtet er über japanische und deutsche Eigenheiten, die manchmal recht konträr zueinander stehen. Die Zusammenarbeit von Ken und Claudia wird dadurch bereichert.

Zum ersten Mal verlässt der Krimi Hamburg und ein Teil der Handlung ist in Tokyo angesiedelt, ein farbiger und faszinierender Part, der mir sehr gut gefallen hat. Hier ist Takeda nun auf heimischen Boden und Claudia die exotische Außenseiterin. Die Umkehr der Verhältnisse bringt auch einige sehr witzige Szenen in die ansonsten sehr temporeiche und spannende Handlung. So gibt es sogar einige Actionszenen, die ich eher in einem Hollywoodstreifen erwartet hätte.

Ich mag die farbige Sprache des Autors, der so viel an Wissen und Erklärungen einfließen lässt, ohne dass es aufgesetzt oder als Fremdkörper im Krimi wirkt. Weil die Handlung in diesem Buch auch in die jüngere Vergangenheit zurück reicht, vervollständigt und erklärt ein ausführliches Nachwort den historischen Kontext.

Siebolds kleine Serie um Inspektor Takeda gehört inzwischen zu meinen Lieblingskrimis, auch wenn ich sagen muss, dass mir dieser Band einen Hauch weniger gefiel, als die Vorgänger.

Veröffentlicht am 16.07.2019

Kühe, Kunst und Mörder

Die Kuh kennt keinen Feiertag
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Die Kuh kennt keinen Feiertag und im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass es für Milka keinen Feiertag gibt. Auch wenn an ihrem Geburtstag nur das morgendliche Melken an ihr hängenbleibt und die anderen ...

Die Kuh kennt keinen Feiertag und im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass es für Milka keinen Feiertag gibt. Auch wenn an ihrem Geburtstag nur das morgendliche Melken an ihr hängenbleibt und die anderen Pflichten quasi als Geschenk von den Familienmitgliedern übernommen werden.


Eine besondere Überraschung hat sich wohl ihr langjähriger Nachbar Max ausgedacht, er will sie mit einem Ultraleichtflieger besuchen, aber kurz vor dem Ziel stürzt er ab und überlebt das Unglück nicht.
Unglück – das mag Milka gar nicht glauben und mit der ihr eigenen Beharrlichkeit macht sie sich auf Spurensuche. Nicht unbedingt zur Freude ihres Freundes Paul, der der ermittelnde Beamte im Kommissariat ist und anfangs eher zur Unfalltheorie neigt. Milka bohrt tiefer und plötzlich mehren sich die Spuren und Hinweise, dass dieser Absturz gezielt herbeigeführt wurde. Eine der Spuren führt in die Kunstszene, Max hatte in diesem Sektor gearbeitet und Gutachten erstellt. Auch wenn sie sich den Zorn von Paul Eichert zuzieht, den ihre Einmischung zunehmend nervt, lässt Milka nicht locker.


Das Hohenloher Land muss eine Gegend mit viel krimineller Energie sein, die sich glücklicherweise immer in Buchform niederschlägt. Bernd Gunthers ist nun der dritte Autor aus diesem Landstrich, dessen Krimi ich gelesen habe. Das Buch war eine Überraschung für mich. Ich mochte den Plot, der wirklich sehr fein und verzwickt ausgedacht ist und mich lange im Dunkeln ließ. Aber vor allem mochte ich Milka, nicht zart schmelzend wie der Name suggeriert, sondern klug, zupackend und energiegeladen. Sie geht mit Verve und Logik ihren Spuren nach.


Aber auch die Nebenfiguren habe ich gemocht, allen voran Professor Ebert, den ich mir auch in weiteren Büchern wünschen würde.
Die Landschaft ist ebenfalls trefflich in Szene gesetzt. Aber was mir besonders gut gefiel, war der feine Wortwitz. Immer wieder musste ich über einzelne Beschreibungen schmunzeln, z.B. ein Smartphone das mit seinem Logo Bezug auf die Streuobstwiesen nimmt. Auf diese Idee muss man erst mal kommen. Ich mag auch Dialekte sehr gern und hier haben mir die Einsprengsel ebenfalls gut gefallen. Nur manchmal, und das ist Jammern auf hohem Niveau, spürt man in einzelnen Wendungen, dass der Autor bisher nur mit Sachbüchern in Erscheinung getreten ist.


Wenn ein Buch in dieser Gegend spielt, darf auch das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Schließlich hat auch Schwäbisch-Hällische Landschwein einen überragenden Ruf und beschriebenen Leckereien runden das Buch ab.


Milka hat das Zeug zu einer guten Ermittlerin und zusammen mit ihrem KHK Paul ergibt das ein gutes Gespann und freue mich, dass bereits ein zweites Manuskript in Pipeline ist.

Veröffentlicht am 15.07.2019

Ein tolles Buch

Die geheime Mission des Kardinals
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Syrien 2010/2011 – noch herrscht ein brüchiger Frieden im Land, obwohl man spürt, dass es an vielen Ecken schon gärt. Die italienische Botschaft erhält eine sonderbare Lieferung: ein Fass mit Olivenöl, ...

Syrien 2010/2011 – noch herrscht ein brüchiger Frieden im Land, obwohl man spürt, dass es an vielen Ecken schon gärt. Die italienische Botschaft erhält eine sonderbare Lieferung: ein Fass mit Olivenöl, darin eingelegt die Leiche des Kardinals Cornaro. Kommissar Barudi, der kurz vor seiner langersehnten Pensionierung steht, wird mit dem Fall konfrontiert. Er weiß, dass er nur verlieren kann. Politische Verwicklungen sind vorprogrammiert und Recht und Gesetz sind in Syrien schon lange in der Hand des Geheimdienstes und seiner Günstlinge.

Barudi lässt sich allerdings nicht schrecken. Schon bald entdeckt er besondere Zeichen am Leichnam des Kirchenmannes: Goldmünzen unter den geschlossenen Augen und den Kardinalsring am falschen Finge. Bald steht im der italienische Beamte Mancini zur Seite – der Fall hat schließlich eine internationale Bedeutung.

Rafik Schami hat in diesem wunderschönen Roman den Hintergrund einer Kriminalhandlung gewählt um ein farbiges und realistisches Bild von Damaskus kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs zu zeichnen. Kenntnisreich, wie ich finde und sehr persönlich. Das Alltagsleben in Damaskus ist farbig und exotisch und doch spürt man, dass überall die Staatsmacht und die Geheimdienste lauern. Trotzdem pulsiert die Stadt, man trifft sich in Kaffeehäusern und kleinen Lokalen, der Duft von Kaffee und Kardamom und Gewürzen wird lebendig.

Wie immer spürt man den geborenen Erzähler Schami, er schweift ab, fügt kleine Episoden und Exkursionen zu allen möglichen Themen zu und doch haben all diese Abschweifungen eine Bedeutung für die Geschichte. Wir erfahren viel über Barudis Ehe, sein Leben, die Hoffnungen und Enttäuschungen die es ihm gebracht hat. Daraus resultiert eine Altersweisheit und Gelassenheit die sämtliche Widrigkeiten im korrupten Polizeiapparat an ihm abprallen lassen. Ich habe den Mann sofort ins Herz geschlossen.

Der Roman bietet Schami die Möglichkeit viel über die verschiedenen Religionen Syriens in die Handlung einfließen zu lassen. Das fand ich sehr interessant und füllte auch einige meiner Wissenslücken.
Dazu kommt Schamis Sprache, die mich immer wieder aufs Neue bezaubert, ich habe mich einfach von der Geschichte einfangen lassen und die Zeit über der Lektüre vergessen. Ich meine fast, jeder neue Roman von ihm übertrifft seine vorherigen Bücher.

Veröffentlicht am 27.06.2019

Das Leben - eine Reise

Eine Odyssee
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„Mein Vater, ein Epos und ich“ – das ist der Untertitel des Buches von Daniel Mendelsohn und er umreißt genau den Inhalt dieses Romans, der Familiengeschichte und Sachbuch zugleich ist.
Dan ist Altphilologe ...

„Mein Vater, ein Epos und ich“ – das ist der Untertitel des Buches von Daniel Mendelsohn und er umreißt genau den Inhalt dieses Romans, der Familiengeschichte und Sachbuch zugleich ist.
Dan ist Altphilologe und lehrt an der Universität, sein Vater Jay ist pensionierter Professor der Mathematik, ihr Verhältnis ist durchaus harmonisch, aber auch distanziert – was vielleicht auch eine Frage der Generation ist. Der Ankündigung Jays, an seinem Seminar über die Odyssee teilzunehmen, sieht Dan mit gemischten Gefühlen entgegen: was werden seine Studenten davon halten und wie wird es sich für ihn anfühlen, vor seinem immer kritischen Vater zu dozieren?
Wobei Dans anfängliche Befürchtungen sich bald zerstreuen. Seine Studenten mögen den alten Herrn und seine respektlosen Bemerkungen. Für ihn ist nämlich Odysseus nicht der Held, sondern eher ein Versager, der immer dann, wenn es hart auf hart kommt, auf göttliche Intervention setzen kann.
Der Leser erhält, genau wie die Studenten, eine wunderbare und kenntnisreiche Einführung in das antike Epos. Dan seziert die Verse, weist auf den Aufbau und die Entstehung hin, erklärt Homers Erzählweise und den Hintergrund und zog mich damit sofort in Bann. Gleichzeitig werden die Parallelen zwischen Dans Erleben des Vaters mit der des Telemachos zum abwesenden Odysseus klar. Je weiter das Seminar fortschreitet, umso intensiver wird das Vater – Sohn Verhältnis. Dan lernt ganz unbekannte Seiten an ihm kennen und eine Vertrautheit stellt sich ein, die er so nicht kannte. Wie hat das Leben seinen Vater geprägt, wie ist er mit der Kriegszeit umgegangen, was bedeutet seine Ehe für ihn?
Während der Semesterferien unternehmen Vater und Sohn eine Mittelmeerkreuzfahrt zu den Schauplätzen des Epos. Das wird ein Höhepunkt in ihrer Beziehung, auch wenn das Ziel Ithaka nicht erreicht wird.
Ich habe jede Seite des Buches genossen und manche Abschnitte immer wieder gelesen, weil sie mich berührt haben und zum Nachdenken anregten. Mendelsohn Schreibstil hat mir sehr gefallen und mit welcher Leichtigkeit er den schwierigen Originaltext erklärt, lässt vermuten, dass er auch ein ganz besonderer Lehrer ist, der seine Studenten begeistern kann.
Ich kannte die Odyssee als Prosanacherzählung und nach diesem Buch habe ich den Wunsch, mit ausführlicher damit zu beschäftigen.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Istrien

50 Dinge, die man in Istrien getan haben muss
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Die Covergestaltung zeigt schon, dass das Buch kein Reiseführer im herkömmlichen Sinn sein will. Kartoniert und mit einem farbigen Streifen, der die Anmutung eines Gummibands hat, wie man ihn bei Tage-und ...

Die Covergestaltung zeigt schon, dass das Buch kein Reiseführer im herkömmlichen Sinn sein will. Kartoniert und mit einem farbigen Streifen, der die Anmutung eines Gummibands hat, wie man ihn bei Tage-und Notizbüchern kennt, wirkt es wirklich wie die Notizen einer gut informierten Reisenden, die sie gerne weitergibt.


Und genau das macht das Buch aus. Silvia Trippolt-Maderbacher kennt und liebt den Landstrich und zählt nicht einfach nur Sehenswürdigkeiten auf. Sie hat die Dinge aufgespürt, die man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt und der bekannte Spruch „Man sieht nur, was man weiß“ wird bestätigt.
Mir war zum Beispiel gar nicht bewusst, das Istrien eine alte, geschichtsträchtige mediterrane Kulturlandschaft mitten im Herzen Europas ist. Römische und osmanische Einflüsse, die Venezianer und die Habsburger haben auch mitgemischt und alle haben ihre Spuren hinterlassen.


Eine Region, die man mit Fug und Recht als „ Genussregion“ bezeichnen kann. Dafür sorgen viele junge und engagierte Winzer und Olivenbauer, die alte Küche wird neu interpretiert und am liebsten würde ich mich sofort irgendwo am Wasser in einem Restaurant niederlassen.


Die Auswahl der 50 Orte ist ganz subjektiv und jeder Ort hat etwas ganz Besonderes, eine kleine geschichtliche Anekdote oder eine besondere Spezialität, oder …..
Jeder kann sich herauspicken, was für ihn bei seiner nächsten Istrienreise zu seinem Lieblingsort werden kann.


Ein handliches Format, eine überreiche Bebilderung (die meisten Fotos stammen wohl von der Autorin) und nützliche Abschnitte, farbig unterlegt und mit Info betitelt, sind echter Mehrwert. Bei den Infos finden sich nützliche Adressen, Tipps für kleine Ausflüge und Zwischenstopps, immer mal wieder ein Restauranttipp und vieles mehr.


Mich hat dieses Buch bei der Ferienplanung inspiriert und um auf den Beginn meiner Rezension zurückzukommen: ein echtes Gummiband hätte ich gut gefunden, denn dann finden auch persönliche Notizzettel, Eintrittskarten oder ähnliches einen Halt.