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Veröffentlicht am 09.10.2017

Steinböck und Frau Merkel - unschlagbar

Teufelskatz
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Als Franz Gruber tot in seiner Wohnung aufgefunden wird, ist nur einem sehr aufmerksamen Spusi-Mitarbeiter zu verdanken, dass ein Mord erkannt wird. Gruber hatte von einem sehr vermögenden Onkel eine üppige ...

Als Franz Gruber tot in seiner Wohnung aufgefunden wird, ist nur einem sehr aufmerksamen Spusi-Mitarbeiter zu verdanken, dass ein Mord erkannt wird. Gruber hatte von einem sehr vermögenden Onkel eine üppige Erbschaft zu erwarten und da auch Grubers Mutter erst kürzlich einen sehr seltsamen tödlichen Unfall hatte, ist Kommissar Steinböcks Aufmerksamkeit geweckt. Doch dann findet sich ein Brief in der Wohnung, ein sterbender Priester wollte nicht mit der Last einer Beichte vor seinen Schöpfer treten und bat Gruber, selbst ein ehemaliger Priester, um Rat. Es handelt sich um Kindesmissbrauch in einem Klosterinternat, einem toten Pater und einen toten Schüler.
Diese zweite Spur führt Steinböck bis ins erzbischöfliche Ordinariat, wo er auf eine Mauer des Schweigens stößt.
Steinböck ist ein kauziger, aber aufrechter Beamter. Mit seinem Team, zwei originell gezeichneten Mitarbeitern und seinem Spiritus Rector, der Katze Frau Merkel, macht er sich auf die Suche.
Frau Merkel ist eine ganz besondere Katze, wie alle Vertreter ihrer Rasse. Sie hält Zwiesprache mit Steinböck, der aber immer ganz unbesonnen laut auf ihre Eingebungen antwortet. Kein Wunder, dass ihm dieser Umstand einen Termin beim Psychologen beschert.
Kaspar Panizza hat seinen zweiten Krimi um Steinböck und sein außergewöhnliches Team vorgelegt und was mir dabei ganz besonders gefällt, ist die leichte Hand mit der er schwere Themen angeht. Dabei gleitet die Geschichte nie in Klamauk und unpassende Komik ab, trotz des witzigen und hintergründigen Humors, der den Roman beherrscht. Er nimmt sich dem Thema Kindesmissbrauch mit Respekt und klarer Haltung an. Steinböck und seine Kollegen dürfen kauzig sein, Frau Merkel darf die Ermittlungen mal anschubsen und für Chaos sorgen. So wird ihre Bekanntschaft mit den Anhängern der „Pastafaris“ auch zu einer Erweiterung von Steinböcks Weltbild sorgen.
Ein paar urige Münchner Typen, die mit ihrem Dialekt noch für eine regionale Färbung sorgen, runden den gelungenen Krimi ab.
Es ist mein zweites Buch des Autors und ich finde es noch besser als den Vorgängerband. Man muss den ersten Band „Saukatz“ nicht kennen, um sich sofort in der Geschichte auszukennen, aber ich könnte mir vorstellen, dass man gleich den Ursprung der sonderbaren Freundschaft zwischen Steinböck und seiner Katze kennenlernen möchte.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Gelungen

Mausetot im Mausoleum
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Loretta Luchs zieht Leichen an! Dann kann sie der Versuchung nicht widerstehen, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Oft unterstützt von ihren loyalen Ruhrpott-Freunden. Nur Pascal, ihr Partner, kann ...

Loretta Luchs zieht Leichen an! Dann kann sie der Versuchung nicht widerstehen, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Oft unterstützt von ihren loyalen Ruhrpott-Freunden. Nur Pascal, ihr Partner, kann damit nicht umgehen und ist ausgezogen. Die Leere, die er hinterlässt, versuchen ihre Freunde zu füllen und schenken ihr eine tolle Kamera für ein neues Hobby. Doch just diese Kamera bringt sie schon wieder in Bredouille und sogar in große Gefahr. Aber Loretta ist wie immer schlagfertig – in jedem Sinn des Wortes – und meistert jede Situation.
Für die Loretta-Luchs-Krimis gibt es eine eigene Sparte: Krimödien. Eigenwillige Figuren, Situationskomik und immer auch ein wenig echter Ruhrpott-Slang machen den Charme der Bücher aus.
In diesem, nun schon 9. Band geht es etwas ernster zu. Das macht den Krimi spannender als seine Vorgänger und für mich ist immer noch genügend Humor dabei. Auch wenn die alte Truppe, den Stammlesern lieb und vertraut, nur noch kleinere Auftritte haben, Frank vom Büdchen ist immer für einen treffenden Spruch gut.
Loretta hat sich in den Jahren etwas entwickelt, nicht mehr ganz so schusselig, aber immer noch für spontane Aktionen zu haben und weiterhin loyale Mitarbeiterin von Dennis Sex-Hotline. Aber auch die neuen Protagonisten sind gut portraitiert und bringen Spannung in die Handlung. Die Autorin denkt aber auch an die Erstleser. Man braucht keine Vorkenntnis der früheren Fälle um einzusteigen und sich gut zu unterhalten. Die eine oder andere Anspielung auf frühere Ereignisse freuen mich als treue Leserin, sind aber kein Hindernis für Neulinge. Ich meine sogar, dass für Neueinsteiger dieser Band besonders geeignet ist.
Mir hat das Buch ausgezeichnet gefallen, gerade weil es dieses Mal mehr Krimi als Slapstick geworden ist. Dabei habe ich mich köstlich amüsiert und bin nun auch in der Blumensprache bewandert. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich Loretta weiter entwickelt.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Eine Frau - ein Dorf - ein Leben

Kirchberg
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Kirchberg, ein Dorf in Schwaben. Dort ist Hanna bei den Großeltern aufgewachsen, sie war ein ungewolltes Kind und die Mutter war ihr nur von wenigen Besuchen und kostspieligen, meist unnützen Geschenken ...

Kirchberg, ein Dorf in Schwaben. Dort ist Hanna bei den Großeltern aufgewachsen, sie war ein ungewolltes Kind und die Mutter war ihr nur von wenigen Besuchen und kostspieligen, meist unnützen Geschenken in Erinnerung. Ihre Kindheit war liebevoll, trotzdem – Hanna verlässt mit knapp Zwanzig ihre Heimat. Nun, wiederum knapp zwanzig Jahre später kehrt sie zurück.

Sie, die mit Worten arbeitete, kurz vor ihrer Habilitation stand, verliert durch einen Schlaganfall nach einer Kopf-OP ihre Sprache. Sie findet die Worte nicht mehr, sie sieht die Dinge und vermag sie nicht zu benennen. Sie flüchtet in das Haus ihrer Großeltern, igelt sich ein. Aber sie bleibt nicht unbemerkt, die Nachbarin kommt, sie wird umsorgt, auch ein Jugendfreund kommt zu ihr. Jetzt, wo Hanna ihrer Sprache beraubt ist, scheint sie zum ersten Mal Worte zu finden, für ihr Leben, ihre Leidenschaft und lebenslange, unerfüllte Liebe und die ewige Frage nach dem unbekannten Vater. Doch sie bleiben in ihrem Kopf.

Der Roman ist nicht nur die Lebensgeschichte einer Frau mit geplatzten Hoffnungen und Lebensträumen, er ist auch eine Beschreibung eines Dorfes. Von der Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart. Vom lebendigen Dorf mit Gasthaus, Kirche und Schule bis zur Ansiedlung von Häusern ohne gemeinschaftliches Leben. Es ist auch die Geschichte von Großvater Erich, der als Vertriebener kam und in Kirchberg eine neue Heimat und eine Liebe fand und doch immer ein Außenseiter blieb. Vielleicht erklärt sich deshalb, das er es sich eine Generation später zur Aufgabe macht, der italienischen Einwandererfamilie Bracaglia zu helfen, heimisch zu werden. Der „Italienerbub“ Patrizio wird Hannas Freund, aber wird er auch mehr?

Der Roman spielt in einer eng umgrenzten Welt und in einem eng umgrenzten Zeitraum. Die Sprache ist manchmal fast kühl und unbeteiligt, berichtend und nie wertend, aber dabei, vielleicht auch durch die Einflechtung mancher schwäbischen Ausdrücke, fast liebevoll. Die Figur Hanna ist mir nahegekommen, auch die anderen Figuren fand ich präzise und lebensecht charakterisiert. Der melancholische Grundton hat lange bei mir nachgehallt.

Verena Boos hat ein Buch geschrieben, das sicher nicht den Mainstream bedient, dem ich aber viele Leser wünsche.

Veröffentlicht am 25.09.2017

Alte Spuren

Nachts am Brenner
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Kommissar Grauner aus Südtirol wird zu einem Mordfall am Brenner gerufen. Wer hatte einen solchen Hass, dass er den greisen Mann so schrecklich zugerichtet hat. Bei den Ermittlungen stößt Grauner auf die ...

Kommissar Grauner aus Südtirol wird zu einem Mordfall am Brenner gerufen. Wer hatte einen solchen Hass, dass er den greisen Mann so schrecklich zugerichtet hat. Bei den Ermittlungen stößt Grauner auf die Visitenkarte eines Peter Geislers und von dem Augenblick an bekommt der Fall eine neue Dimension. Als vor Jahrzehnten Grauners Eltern ermordet wurden, wollte ein Zeuge Peter Geisler gesehen haben, der war aber zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Wo kommen nun diese Karte und diese Spur her?
Der dritte Südtirol-Krimi von Lenz Koppelstätter ist ernster als seine Vorgänger. Grauner will allein dieser Spur nachgehen, daher fehlen die amüsanten Kabbeleien mit seinem Mitarbeiter Saltapepe, die aus dem Kulturclash Neapel-Südtirol entstehen. Wie immer spielt auch die Historie eine Rolle beim Plot. In einer von der Geschichte so gebeutelten Region wie Südtirol, bietet sich das auch geradezu an. Und so taucht Grauner immer tiefer in Nachkriegszeit ein, als der Brenner Drehkreuz von Schmuggel, Schiebereien und heimlichen Grenzübertritten war.
Aber auch die aktuellen Ermittlungen treten nicht auf der Stelle und auch hier bleiben die Themen gleich. Lediglich das Schmuggelgut ändert sich. Zwar spielt Südtirol und die Berglandschaft eine Rolle in diesem Krimi, sie tritt aber zurück hinter den anderen Themen, den Leser erwartet also nicht unbedingt ein Urlaubskrimi.
Ich habe mit Spannung auf den neuen Krimi des Autors gewartet und wurde nicht enttäuscht. Wie immer ist dieser Fall abgeschlossen und man braucht keine Vorkenntnisse um das Buch zu genießen. Sehr geschickt hat Koppelstätter einen kleinen Cliffhanger auf den letzten Seiten eingebaut, so dass die Erwartung auf Band 4 hoch bleibt.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Amüsant, spannend und "very british"

Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
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Carola Dunn entführt die Leser mit „Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“ ins England des Jahres 1923. Es sind die Goldenen Zwanziger, auch wenn viele Familien noch mit den Nachwirkungen des 1. Weltkriegs ...

Carola Dunn entführt die Leser mit „Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“ ins England des Jahres 1923. Es sind die Goldenen Zwanziger, auch wenn viele Familien noch mit den Nachwirkungen des 1. Weltkriegs kämpfen, Erben sind gefallen, Vermögen sind geschmolzen und auch beim konservativen Landadel ändern sich die Zeiten. Daisy Dalrymple muss nach dem Tod des Vaters auf Luxus verzichten. Sie nimmt ihr Leben in die Hand und möchte als Journalistin arbeiten. Ein Artikel über ein malerisches Herrenhaus, Wentwater Court soll ihr den Einstieg ermöglichen. Dank ihrer Abstammung verfügt man über genügend gemeinsame Bekannte und Daisy wird wie ein Gast herzlich empfangen. Das Wochenende bleibt nicht ungetrübt, ein Hausgast liegt ermordet auf dem zugefrorenen Teich, die junge zweite Frau des Adligen scheint einiges zu verschweigen und der älteste Sohn des Grafen hat auch keine blütenreine Weste.
Dank Daisys unbestechlichem Blick und ihren Verbindungen kann sie dem netten Inspector Fletcher hilfreich zur Seite stehen.

Wer englisches Landleben mag und sich bei „Downton Abbey“ gut unterhielt, wird auch mit diesem Cosy Krimi seine Freunde haben. Unterhaltsam und stilsicher geschrieben, lässt er charmant eine untergegangene Ära aufleben. Die Figuren sind allesamt mit einem Augenzwinkern charakterisiert, ob zarte junge Damen oder flegelhafte Erben und Lebemänner. Die praktische Daisy, die schon ganz der Moderne des 20. Jahrhunderts angehört, selbst ihre Fotos entwickelt und keine Berührungsängste mit dem Inspector hat, obwohl er nicht ihrer Gesellschaftsschicht angehört, ist eine liebenswerte Hauptfigur. Die Leserinnen und Leser werden ihr sicher gern noch auf weiteren Abenteuern folgen.

Wenn man sich dann zur Lektüre noch einen schönen Earl Grey und ein feines Gurkensandwich gönnt, steht einem gelungenen Lesenachmittag nichts mehr im Weg.