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Veröffentlicht am 26.12.2018

Der Geschmack von Marzipan

Das Café der kleinen Kostbarkeiten
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5 Jahre ist es her, dass Luise ihren Mann verlor. Ein Schlaganfall traf ihn und sie musste hilflos zusehen, wie die ärztliche Hilfe zu spät kam. In ihrer Trauer wurde sie von ihrem Sohn und seiner Familie ...

5 Jahre ist es her, dass Luise ihren Mann verlor. Ein Schlaganfall traf ihn und sie musste hilflos zusehen, wie die ärztliche Hilfe zu spät kam. In ihrer Trauer wurde sie von ihrem Sohn und seiner Familie aufgefangen, aber die anfängliche Fürsorge hat sich inzwischen zu einem subtilen Verlust über ihr eigenes Leben entwickelt. Einen Wunsch trägt sie schon lange mit sich: Luise und ihr Mann wollten einmal die Weihnachtstage in Lübeck verbringen, wo sie zusammen einmal einen wunderschönen Tag verbrachten. Diesen Wunsch durchzusetzen erweist sich als schwierig, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter wollen sie nicht allein reisen lassen.

Aber Luise setzt sich mit einigen Ausflüchten durch und so steht sie nun im winterlichen Lübeck und sucht die Orte auf, die sie zusammen mit ihrem Mann schon einmal erlebt hat. Ihr Weg führt sie auch in das hübsche kleine Café des passionierten Bäckers Ludwig Johannsen. Backen ist auch für Luise eine Leidenschaft und sie findet eine verwandte Seele. Sie lebt auf und es scheint, dass die Weihnachtszeit ihren Zauber auch Luise und Ludwig nicht verfehlt.

Aber die Realität in Form von Sohn Jochen holt sie ein. Er will seine Mutter zurückholen, vor unüberlegten Entscheidungen schützen und ein neues Glück für sie scheint ihm ein Verrat an der Familie zu sein.

Natürlich darf es in dieser zauberhaften kleinen Geschichte ein Happy End geben. Es ist schließlich Weihnachten, da sind die Herzen offen für kleine Wunder. Es liegt sicher auch daran, dass ich diese Geschichte am Weihnachtstag gelesen habe und sie hat meine Stimmung getroffen. Es ist herzerwärmend erzählt, ein klein wenig sentimental, aber mit liebevoller Zeichnung der Figuren. Man wünscht Luise und Ludwig dieses Glück, vereint mit ihrer Leidenschaft für’s Backen und dem kleinen, romantischen Café in Lübecks Altstadt. Der Geschmack von Marzipan lag mir beim Lesen auf der Zunge.

Im Anhang gibt es sogar Luises und Ludwigs Rezepte für Weihnachtsgebäck, die zum Ausprobieren verführen.

Veröffentlicht am 18.12.2018

Wo ist Cluny Browns Platz?

Die Abenteuer der Cluny Brown
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Ein rechtschaffender Klempner, der seine Gewerkschaft hinter sich wusste, konnte einem Herzog ins Auge sehen, und ein Müllkutscher, der seine Gewerkschaft hinter sich wusste, konnte einem Handwerker ins ...

Ein rechtschaffender Klempner, der seine Gewerkschaft hinter sich wusste, konnte einem Herzog ins Auge sehen, und ein Müllkutscher, der seine Gewerkschaft hinter sich wusste, konnte einem Handwerker ins Auge sehen. Herzöge hatten freilich gar keine Gewerkschaft und Mr. Porritt fand, dass sie nicht sonderlich selbstbewusst in Erscheinung traten.


Cluny Brown lebt als Waise bei Onkel und Tante. Sie ein frisches, nicht sonderlich hübsches Mädchen, das mit Neugierde in Zukunft schaut und auch die Grenzen ihrer kleinen Welt durchbrechen möchte, Das bereitet ihrem Onkel Sorgen: „Zu wissen wo man seinen Platz hatte war für Arnold Porritt die Grundlage für jegliches zivilisierte, vernünftige Leben. Wenn man sich an seine Klasse hielt, konnte man nichts falsch machen.“

Dazu gehört eben nicht, dass man ins Ritz geht um Tee zu trinken, nur um einmal zu erleben, wie sich das anfühlt. Deshalb wird Cluny auf’s Land geschickt um in einem Herrenhaus als Dienstmädchen zu arbeiten. Aber auch die Welt der Herrenhäuser ist in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus dem Tritt geraten. Es gibt nicht mehr die Dienstboten, die sich mit kargem Lohn und einem Kämmerchen begnügen, weil das ihre Welt ist und sie nichts anderes mehr kennen.

In Friars Carmel hält man die guten alten Zeiten hoch, was sich in Europa tut, nimmt man nicht wahr und dass Sohn Andrew einen Hausgast mitbringt, der als kritischer Schriftsteller Polen und später Deutschland verlassen musste, ist eher ein exotischer Umstand und eine willkommene Bereicherung des etwas öden Landlebens.

Cluny Brown und der Pole Belinski sind also die Außenseiter auf Friars Carmel, wenn in verschiedenen Bereichen des Landsitzes.

Margery Sharp war englische Erfolgsautorin, ihre Bücher wurden viel gelesen und auch verfilmt. Sie zeichnet ein farbiges Bild der englischen – immer klassenbewussten – Gesellschaft der Jahre zwischen den Kriegen und danach. Dabei bröckelt diese Ordnung schon längst und Sharp dokumentiert das feinsinnig und immer mit ironischem Unterton. Sie ist eine genaue Beobachterin und das spürt man an ihren Protagonisten. Das macht ihre Bücher auch heute wieder lesbar, besonders da der Eisele Verlag ihnen eine neue Übersetzung gönnt.

Die Erfolgsserie „Downton Abbey“ hat viel Interesse an dieser Zeit und diesem Gesellschafts- und Lebenskreis geweckt. „Die Abenteuer der Cluny Brown“ passt dazu.

Veröffentlicht am 12.12.2018

Unruhiger Herbst

Herbststurm
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1922 geht es den Leuten in München schlecht, die Inflation galoppiert und es gärt in der Bevölkerung. Die Kriegsfolgen sind überall spürbar und an der Dolchstoßlegende wird eifrig gestrickt.
Rechtsanwalt ...

1922 geht es den Leuten in München schlecht, die Inflation galoppiert und es gärt in der Bevölkerung. Die Kriegsfolgen sind überall spürbar und an der Dolchstoßlegende wird eifrig gestrickt.
Rechtsanwalt Leitner ist ganz froh eine Mandantin gefunden zu haben, die den Vorschuss in Devisen bezahlt, denn seine Rechnungen sind ein paar Tage später nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Da macht es auch nichts, dass die Suche nach einer verschwundenen Tochter nicht in sein Ressort fällt. Aber durch seine Freundschaft mit Kommissär Reitmeyer erhofft er sich Informationen und Hilfe bei der Suche nach der Exilrussin Anna Kusnezowa .
Doch Reitmeyer hat andere Sorgen, zwei unklare Todesfälle, Personalnot und ein Präsidium, das sich schon sehr stark nach rechts orientiert, erschweren seinen Arbeitsalltag. Die Toten gehörtem einem Freicorps an, wie sie sich nach dem Ende des 1. Weltkriegs überall gebildet haben. Ehemalige Offiziere und Soldaten, die sich mit dem verlorenen Krieg nicht abfinden wollen und einer Republik abweisend gegenüberstehen. Für sie sind die „Linken“ an allem Schuld und sie ziehen auf der Suche nach Verrätern durch München.
Doch bald kreuzen sich die beiden Fälle, Annas Name taucht im Zusammenhang mit den Toten auf und Reitmeyer spürt eine Mauer des Schweigens. Auch sein junger, sehr eifriger Mitarbeiter Rattler ist involviert. Bei der Suche lernt er die schöne Larissa kennen, eine Exilrussin, die sich mit Sprachunterricht über Wasser hält. Ihre eifrigen Nachfragen und ihr starkes Interesse an seiner Arbeit schmeicheln ihm und bald ist er über beide Ohren vernarrt.
Die Stärke dieses Kriminalromans ist die genaue und sehr lebendige Schilderung dieser unruhigen Jahre. Hier spürte ich viel Detailwissen und Kenntnis der historischen Zusammenhänge. Das hat mich fasziniert und den Wunsch geweckt mehr über diese Zeit zu erfahren. Wie früh schon die Saat der rechten Gruppierungen aufgeht, hatte ich nicht so im Gedächtnis. Monarchisten, Revanchisten, Zaristen, Rechtsbündler – alle Gruppen versuchen ihren Einfluss zu wahren. Die politische Führung agiert ziemlich machtlos, denn der Justizapparat und die Kriminalpolizei scheinen schon früh Position bezogen zu haben.
Bei all diesen politischen Verwicklungen kam mir der Krimi ein wenig zu kurz. Es war schon spannend Reitmeyer auf der Suche nach den Mördern und den Drahtziehern zu begleiten, aber es brauchte schon meine ganze Konzentration in dieser Gemengelage nicht die Übersicht zu verlieren. Sehr gut hat mir die niveauvolle Sprache gefallen, keine Selbstverständlichkeit mehr bei vielen Kriminalromanen.
Wenn auch ein – zwei Fragen für mich nicht beantwortet waren, kann ich dieses Roman geschichtsinteressierten Lesern sehr empfehlen.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Abfahrtslauf

Eiskalte Spiele
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Der gefeierte Skirennläufer Marc Gassmann hat Probleme sich für eine weitere Saison zu motivieren. Sein Privatleben leidet unter der unklaren Beziehung mit der Polizistin Andrea und ihm fehlt der Wille ...

Der gefeierte Skirennläufer Marc Gassmann hat Probleme sich für eine weitere Saison zu motivieren. Sein Privatleben leidet unter der unklaren Beziehung mit der Polizistin Andrea und ihm fehlt der Wille sich weiter im Training zu schinden. Dann scheint es eine Selbstmordwelle unter Wintersport-Trainern zu geben, oder waren es doch Morde? Auch Hans Bischoff, Gassmanns früherer Trainer bekommt einen Drohbrief.
Deshalb beschließ Gassmann bei den Winterspielen in Südkorea teilzunehmen und auf diese Weise für Bischoffs Sicherheit zu sorgen. Begleitet wird er von Andrea, die mit Rückendeckung der Kantonspolizei mitreist.
Mein erster „Ski-Krimi“, ich kannte die ersten beiden Bücher nicht, aber ich hatte wenig Schwierigkeiten mich gleich in die Handlung einzufinden. Zwischen dem aktuellen Fall gibt es immer wieder kursiv eingeschobene Kapitel, die Gedanken des Täters zeigen, der sich für vergangenes Leid an den Trainern rächen will. Das steigert die Spannung des Krimis sehr, denn ich bin damit den Ermittlern fast immer einen Schritt voraus.
Ganz besonders haben mir die Rennszenen gefallen, da kam fast atemlose Spannung auf. Die Fokussierung der Rennläufer am Starthäuschen, die Atmosphäre im Skizirkus, beim Training und zuletzt bei Olympia, das ist so authentisch erzählt, dass ich fast Gänsehaut bekam. Diese Szenen haben mir auch am besten gefallen.
Sehr interessant ist das Hintergrundthema, es geht um Doping. Allgegenwärtig im Sport, ist es wohl auch nicht mehr aus dem Wintersport wegzudenken. Die aktuellen Fälle und Diskussionen um „Staatsdoping“ machen das deutlich. Mir gefiel es gut, wie dieses Thema in den Kriminalroman einfloss und zum Nachdenken anregte.
Ein wenig Probleme machten mir der Charaktere der Andrea. Als Polizistin zielstrebig und reflektiert, im Privatleben unentschlossen und zickig. Will sie nun Marc oder will sie nicht. Sie weiß es wohl selber nicht und das On/Off nervte nicht nur Marc Gassmann. Auch ein – zwei Zufälle, die den Polizisten das Leben schwer machten, schienen mir sehr stark konstruiert.
Die Spannung steigert sich bis zum wirklich überraschenden Finale ständig. Bei der Auflösung war ich baff, absolut logisch und doch für mich überraschend, wurde der Fall gelöst.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Tom und Ani

Unter uns nur Wolken
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Tom ist verzweifelt, schon wieder hat sein Großvater zwei Bewerberinnen vergrault. Aber er braucht dringend Betreuung und Tom ist neben seinem Beruf völlig damit überfordert. Sein Großvater hat Alzheimer ...

Tom ist verzweifelt, schon wieder hat sein Großvater zwei Bewerberinnen vergrault. Aber er braucht dringend Betreuung und Tom ist neben seinem Beruf völlig damit überfordert. Sein Großvater hat Alzheimer und in seinen hellen Phasen ist er mürrisch und unausstehlich. Keine Pflegerin hält es lange bei ihm aus.

Ani ist wütend und enttäuscht, sie hat ihren Freund Noah mit ihrer besten Freundin erwischt. Der Betrug trifft sie völlig unvorbereitet und ohne Geld oder Gepäck flieht sie aus der gemeinsamen Wohnung. Sie sucht auf einer Parkbank nach einer preiswerten Pension, als sie das Gespräch zweier junger Frauen hört, die sie als Betreuerin eines alten Mannes beworben hatten. Die Wohnung ist gigantisch, hört sie, aber der alte Herr ist ein Horror. Das ist ihre Chance, für einige Tage wird sie es wohl schaffen und fragt die Beiden nach der Adresse.

Obwohl sie keine Vorkenntnisse hat, bekommt sie den Job und ein Krieg beginnt. Florian, der alte Herr, vergeudet keine Minute um sie zu quälen. Dazwischen spürt Ani aber auch die Verzweiflung des alten Mannes, der sich seines Zustandes an guten Tagen sehr bewusst ist. Aber allmählich schafft sie es, eine kleine Vertrauensbasis zu entwickeln und Tom, der sehr an seinem Großvater hängt, beginnt Ani fast gegen ihren Willen auch zu faszinieren.

Aus den vielen, fast perfiden Streichen, die Florian seiner Betreuerin spielt, ergeben sich komische, aber auch traurige Szenen. Trotzdem nähern sie sich immer mehr an. Das erzählt das Autorenduo, das unter dem Pseudonym Anna Pfeffer schreibt, in einer sehr liebevollen und humorvollen Weise. Es macht richtig Spaß den Roman zu lesen.

Immer abwechselnd wird die Geschichte aus Anis und Toms Sicht erzählt und die Gedankengänge und Gefühle der Beiden kommen immer mehr in den Vordergrund. Aber es gibt auch - Großvater Florian sorgt schon dafür - eine Menge Missverständnisse, die zu meinem Vergnügen sehr bissig ausgetragen werden. Nicht immer fand ich die Alzheimer Erkrankung richtig dargestellt, aber das fällt bei einem Unterhaltungsroman nicht sehr ins Gewicht. Eine liebevolle Geschichte, trotz des ernsten Themas mit einem gelungenen Happy End.