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Veröffentlicht am 14.02.2018

Hat mich nicht ganz überzeugt

Der Letzte von uns
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Dresden 1945: die Stadt versinkt im Bombenhagel. Inmitten dieses Infernos wird eine hochschwangere, schwerverletzte Frau aus den Trümmern gezogen. Sie bringt in ihren letzten Lebensminuten einen Jungen ...

Dresden 1945: die Stadt versinkt im Bombenhagel. Inmitten dieses Infernos wird eine hochschwangere, schwerverletzte Frau aus den Trümmern gezogen. Sie bringt in ihren letzten Lebensminuten einen Jungen zur Welt. „Der Letzte von uns“ sind ihre Worte und den Namen Werner Zilch kann sie noch nennen, dazu die Bitte ihre Schwägerin Martha zu finden und ihr das Kind zu übergeben.
Ein Vierteljahrhundert später in New York, Werner Zilch ist bei Adoptiveltern groß geworden, er kennt seine Familie nicht. Ein gut aussehender Mann, der bei Frauen „nichts anbrennen“ lässt. Auch geschäftlich befindet er sich auf der Erfolgsspur, als er Rebecca kennenlernt, eine kapriziöse junge Frau aus reichem Haus. Die beiden verlieben sich leidenschaftlich, aber Rebecca und ihre Familie hüten ein Geheimnis.
Im Wechsel der zwei Zeitebenen erzählt die Autorin eine Familiengeschichte mit gut gehüteten Geheimnissen, dramatische Ereignisse der Kriegszeit und Verbrechen der Nazizeit. Dabei haben mich anfangs die Ereignisse aus der Geschichte wesentlich mehr angesprochen, als die New Yorker Zeit. Ich fand aber beide Zeitebenen gut recherchiert und die Atmosphäre gut getroffen. Dagegen konnte mich die Liebesgeschichte nicht richtig berühren, erst im letzten Teil, wenn die Geschehnisse aus der Vergangenheit unmittelbar das Leben Werner Zilchs berühren und dramatisch verändern, war ich gefesselt.
Der Schreibstil der Autorin gefiel mir ganz gut, eine klare, bildhafte und detailreiche Sprache, die ich gern gelesen habe. Bei den Figuren haben mich auch eher die Charaktere aus der Vergangenheit angesprochen. Deshalb bin ich auch bei der Gesamtbewertung des Romans etwas gespalten.
Ein starker Beginn und ein starkes und dramatisches Ende, der Mittelteil fiel für mich dagegen etwas ab. Insgesamt lohnen sich aber die Geduld und das Durchhalten.

Veröffentlicht am 13.02.2018

Vater und Tochter

Ach, Papa
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Mareike Nieberding ist Journalistin, die sich an eine liebevolle und warmherzige Vater-Tochter-Beziehung erinnert. Er war ihr Ratgeber, Stütze und Vertrauter, aber irgendwann ist ihrer Meinung nach etwas ...

Mareike Nieberding ist Journalistin, die sich an eine liebevolle und warmherzige Vater-Tochter-Beziehung erinnert. Er war ihr Ratgeber, Stütze und Vertrauter, aber irgendwann ist ihrer Meinung nach etwas in der Beziehung verloren gegangen. Mit der räumlichen Ferne – die Tochter geht zum Studium in die Hauptstadt – beginnt auch eine persönliche Ferne. Man redet zwar noch, durchaus freundlich, aber man sagt sich nichts mehr. Sicher auch aus beruflicher Neugier beginnt sich die Tochter die Frage zu stellen, wann sie die Nähe verloren hat und wie sie sie wieder herstellen kann. Eine gemeinsame Reise soll darüber Aufschluss geben.

Ich bewundere den Mut und die Offenheit mit der Mareike Nieberding ihre Familiengeschichte teilt und auch ihr eigenes Leben schildert. Ebenso bewundere ich den Vater, der sich so bereitwillig darauf einlässt. Das spricht schon von einem vorhandenen Urvertrauen. Ich selbst gehöre einer ganz anderen Generation an und vielleicht ist das der Grund, warum ich mich immer wieder fragte „was will sie denn, sie hat doch ein tolles Verhältnis zu ihrem Vater“. Tatsächlich fand ich Mareikes Problem eher als Luxusproblem und ich hätte nicht von Entfremdung gesprochen.

Was mir dieses aber Buch gegeben hat, war der Denkanstoß mich mit meinem eigenen Vater und seiner Vergangenheit zu beschäftigen, so intensiv, wie ich es vielleicht noch nie gemacht habe. Immer wieder musste ich beim Lesen innehalten und erinnerte mich zurück. Ganz unabhängig von der eigentlichen Intention der Autorin, habe ich es als Beispiel gelesen, wie viel einfacher es seit 3-4 Jahrzehnten für Väter ist, Gefühle zuzulassen, als es für Vater der früheren Zeiten war.
Eine wirkliche interessante journalistisch geprägte Aufarbeitung.

Veröffentlicht am 21.01.2018

Tod in Ruinen

Tausend Teufel
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Der zweite Band um Goldammers Ermittler Max Heller führt wieder ins zerbombte Dresden. Nachkriegswinter 1947: Die Macht der russischen Besatzer scheint allumfassend, die Bevölkerung hungert und friert ...

Der zweite Band um Goldammers Ermittler Max Heller führt wieder ins zerbombte Dresden. Nachkriegswinter 1947: Die Macht der russischen Besatzer scheint allumfassend, die Bevölkerung hungert und friert und kämpft ums Überleben. Da findet Heller einen bestialisch ermordeten Mann und in der Nähe der Leiche einen Rucksack mit einem abgetrennten Männerkopf. Ermittlungen gestalten sich als schwierig, die Toten waren wohl Russen und die Militärs wollen keine Einmischung von außen.
Max Heller geht aufrecht und gradlinig wie eh und eh durch’s Leben. So wenig wie er während des Nationalsozialismus Parteimitglied war, so wenig möchte er nun der SED beitreten. Das Elend um ihn herum macht ihm zu schaffen, für einen Kanten Brot ist fast jeder bereit sich zu verkaufen. Aber er sieht auch mit Schrecken, wie schnell sich die Menschen von einer Ideologie zu nächsten wenden. Fassungslos macht ihn das Schicksal der elternlosen Kinder, die in den Ruinen leben und die völlig allein gelassen ums Überleben kämpfen.
Ich habe den ersten Band sehr gut gefunden, beim zweiten Band fehlte mir die Weiterentwicklung. Die Schilderung des Elends der Nachkriegszeit mit Hunger und Kälte nimmt breiten Raum ein, was nicht verkehrt ist, denn es wirkt sehr gut recherchiert und real. Schwarzhändler, Korruption, alte Nazis und Wendehälse bestimmen das Bild. Max Heller wird als Figur dargestellt, der über allem steht, der sogar eine Tasse Bohnenkaffee ablehnt, weil er sich nicht verkaufen möchte. Dafür kümmert er sich selbstlos um Alte und elternlose Kinder, selbst wenn es die Ration seiner Familie schmälert. Er wird als Lichtgestalt zwischen all dem Bösen inszeniert, das war mir mit zu wenig Zwischentönen dargestellt.
Der Kriminalfall wirkt etwas kompliziert konstruiert, manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass er hinter der Milieu- und Zeitschilderung zurückstehen sollte.
Für das Verständnis ist es hilfreich, den ersten Band zu kennen. Man wird allerdings dann auch das Gefühl haben, dass der Krimi wie ein zweiter Aufguss wirkt.

Veröffentlicht am 20.01.2018

Olgas Entscheidung

Olga
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Olga weiß schon sehr früh, was sie im Leben erreichen möchte, egal welche Schwierigkeiten das Schicksal ihr auch beschert. Früh zur Waise geworden, lebt sie bei einer gefühlskalten Großmutter, die dem ...

Olga weiß schon sehr früh, was sie im Leben erreichen möchte, egal welche Schwierigkeiten das Schicksal ihr auch beschert. Früh zur Waise geworden, lebt sie bei einer gefühlskalten Großmutter, die dem Kind keine Zuneigung zeigen kann. Mit unglaublicher Energie und Willenskraft gelingt ihr trotz vieler Widerstände die Ausbildung zur Lehrerin.

Schon als Kind freundet sie sich mit den Geschwistern vom Gutshof an, obwohl Viktoria die Standesunterschiede sehr betont, aber mit Herbert verbindet sie bald mehr. Ihre Liebe überdauert die Kinder- und Jugendzeit und findet doch nie eine echte Erfüllung, denn Herbert kann und will sich nicht über die elterliche Ablehnung dieser Verbindung hinwegsetzen. Auch Pommern ist ihm zu eng, er sucht das Abenteuer, die Weite, die Entdeckung der Welt. Wenn Herbert auf Schwierigkeiten stößt, dann flieht er, denn anders kann ich seine Reisen nicht interpretieren. Er liebt Olga, aber es macht ihm auch nichts aus, monate- ja jahrelang fernzubleiben und seine Liebe aus der Ferne zu leben. Ein interessantes Zitat auch auf Seite 80: „Nichts was er geben konnte, versagte er ihr. Was sie vermisste, war er zu geben nicht fähig.“

Schon nach einigen Seiten fällt der Ton des Erzählens auf. Eine unaufgeregte, zurückhaltende Stimme aus dem Hintergrund, die Olga und Herberts Geschichte erzählt. Das liest sich leicht, aber manchmal auch zu beschaulich und fast eintönig. Erst im zweiten Teil bekommt der Erzähler Kontur. Es ist Ferdinand, ein stiller Pastorenjunge, der mit der alten Olga, die inzwischen nach zwei Kriegen und Vertreibung im Westen der jungen Republik lebt, Freundschaft schließt.

Der dritte Teil des Romans gibt dann auch Olga eine Stimme, Briefe die sie an ihre Liebe Herbert schreibt. Mir gefällt die Hauptfigur, eine starke Frau, lebensklug und intelligent, die sich nie von äußeren Umständen beeindrucken lässt und in ihren Lebensentscheidungen erstaunlich souverän ist.

Ich habe das Buch von Bernhard Schlink gern gelesen, aber es fehlte mir das gewisse Etwas. Ich möchte es nicht auf fehlende Spannung oder Dramatik reduzieren, aber der Ton des Romans war mir - wie schon gesagt - zu beschaulich.

Veröffentlicht am 14.01.2018

Tod im Paradies

Mord im Paradies
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Der Autor des Krimis geht den umgekehrten Weg. Nachdem die BBC Serie „Death in Paradise“ nach seinen Drehbüchern ein großer Erfolg wurde, liegt jetzt ein Roman um Richard Poole und seine Mannschaft Camille, ...

Der Autor des Krimis geht den umgekehrten Weg. Nachdem die BBC Serie „Death in Paradise“ nach seinen Drehbüchern ein großer Erfolg wurde, liegt jetzt ein Roman um Richard Poole und seine Mannschaft Camille, Dwayne und Fidel vor.
Richard Poole ein stocksteifer Brite wie aus dem Bilderbuch ist auf die Karibikinsel Ste Marie versetzt worden, er leitet die dortige Polizeidienststelle. Eine Qual für ihn, das lockere Karibikflair versetzt ihn in Panik, seine dunklen Wollanzüge bereiten ihm in der Hitze Höllenqualen und Sand findet er geradezu widerwärtig. Seiner Behausung, einer malerische Hütte unter Palmen kann er auch nichts abgewinnen.
Der Guru Aslan und seine Frau leiten ein sehr erfolgreiches Luxusresort, sein früheres Leben hat er abgestreift wie eine trockene Haut. Doch nun liegt er erstochen in einem Teehaus. 5 Gäste waren zu einer Sunrise-Zeremonie zusammengekommen. Der Raum war abgeschlossen, niemand konnte hinein und niemand hinaus und alle Teilnehmer waren tief in ihrer Meditation versunken, haben nichts gesehen und gehört.
Hier prallen zwei Welten aufeinander, karibisches Inselflair und ein überkorrekter, von allerhand Marotten geplagter Engländer, der nur seinen messerscharfen Verstand benutzt.
So ist dieses „Closed Room Mystery“ auch konstruiert: ein elegantes und intelligentes Puzzle mit vielen Teilen, die einfach kein Ganzes ergeben wollen. Poole braucht seine ganze Kombinationsgabe um Licht ins Dunkel zu bringen.
Ich habe die zwei Staffeln mit DI Poole als Ermittler ausgesprochen gern gesehen und entsprechend neugierig war ich auf die Buchform. Es hat mir gut gefallen, vielleicht weil ich durch die Verfilmung sofort die Protagonisten sehr plastisch vor Augen hatte. Pooles Spleens wirken beschrieben teilweise noch komischer als in der Verfilmung. Aber in einem wirkt das Buch etwas behäbiger: wenn Poole alle Indizien und Spuren auf seinem Whiteboard betrachtet und hin und her wendet und immer wieder den Fall rekonstruiert, bedeutet das für den Leser auch immer wieder die Beschreibung der gleichen Szene. Ich fand das schade, es hat das Tempo des Krimis etwas reduziert. Aber das gehört eben auch zum Karibik-Feeling.
Ich freue mich jedenfalls auf neue Fälle mit DI Poole.