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Veröffentlicht am 08.12.2020

Lagarde wird wieder gebraucht

Der Kommissar und der Teufel von Port Blanc
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Die Autorin Maria Dries lässt ihren Commissaire Philippe Lagarde wieder einmal ermitteln. Die Ausgangslage ist wie immer: ein schwieriger Fall, oft sogar ein Cold Case und die örtliche Polizei braucht ...

Die Autorin Maria Dries lässt ihren Commissaire Philippe Lagarde wieder einmal ermitteln. Die Ausgangslage ist wie immer: ein schwieriger Fall, oft sogar ein Cold Case und die örtliche Polizei braucht eine übergeordnete Unterstützung. Das ist ein ganz geschickter Schachzug der Autorin, so kann Lagarde in jedem Band in einer anderen Gegend ermitteln und das bietet immer wieder neue Schauplätze.

Dieses Mal führt ihn der Job an die Côte du Goëlo. Bei Sanierungsarbeiten in einer alten Abtei wurden Frauenskelette gefunden, 4 Skelette offensichtlich neueren Datums. Ein Medaillon, das bei einer Leiche liegt, führt auf die Spur von vier verschwundenen jungen Frauen, alle leicht geistig behindert und alle lebten im Heim Saint-Andrè.

Das Verschwinden der Frauen hat die Polizei damals nicht sonderlich in Aufregung versetzt, man ging von jungen Ausreißerinnen aus und stellte die Suche rasch ein. Ein wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass alle Opfer in staatlicher Obhut lebten.

Der Krimi ist sehr gradlinig erzählt und chronologisch erzählt. Bis auf zwei kleine Abschnitte, die in die Gedankenwelt des Täters führen, folgt die Handlung allein den Ermittlungen.

Verwunderlich wie leicht Lagarde nach langer Zeit ganz einfach Spuren findet, die den Beamten damals entgingen. Vielleicht kommt deshalb auch keine richtige Spannung auf, es wirkt sehr vorhersehbar und ein geübter Krimileser ist bald schon sehr viel weiter, als der Ermittler.

Die Autorin lässt viel Landschaft in ihre Frankreichkrimis einfließen, das ist eigentlich ganz schön, erinnert aber in der Art der Beschreibung ein wenig an Tourismusbroschüren. Genau wie die Beschreibungen der Mahlzeiten, die Lagarde in diversen Restaurants einnimmt, das geht fast nie ohne Aufzählung des kompletten Tagesmenüs. Maria Dries schreibt sehr routiniert und mir scheint, dass inzwischen – bis auf die wechselnden Einsatzorte – zu wenig neue Ideen Lagardes Abenteuer aufpeppen..

Leichte Krimikost mit Frankreich-Touch.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

Krimi mit Zeitgeschichte

Lügenpfad
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Frank Liebknecht fühlt sich recht wohl in seiner kleiner Polizeiwache in Vielbrunn im Odenwald. Er hat ein Haus gekauft und will sich dort richtig niederlassen. Eher aus Zufall stößt er auf ein Ereignis ...

Frank Liebknecht fühlt sich recht wohl in seiner kleiner Polizeiwache in Vielbrunn im Odenwald. Er hat ein Haus gekauft und will sich dort richtig niederlassen. Eher aus Zufall stößt er auf ein Ereignis aus den 80iger. Damals geriet der Ort im Zuge der RAF Fahndung kurz ins Blickfeld der Polizei. Seit dieser Zeit ist auch eine junge Frau spurlos verschwunden. Er hört sich ein wenig bei den älteren Dorfbewohnern um ahnt nicht, welche Lawine er damit lostritt und wie sehr er persönlich betroffen wird.

Schon im Klappentext erfährt man vom geschichtlichen Hintergrund des Krimis. Es war der „Deutsche Herbst“ – die RAF war aktiv und der Odenwald durch die Nähe zum amerikanischen Militär und ganz besonders zu einem Munitionsdepot interessant. Ich lese sehr gerne Kriminalromane, die einen zeitgeschichtlichen Hintergrund haben. Auch hier wechseln sie die Handlungsstränge ab und allmählich werden die damaligen Ereignisse im Ort deutlicher.

Der Erzählstrang der Gegenwart (hier 2013) ist ebenfalls sehr spannend, aber hier merkte ich, dass mir als Einsteigerin in die Serie etwas fehlte. Die Mitarbeiter des nächstgrößeren Kommissariats, die wohl mit Frank schon lange zusammenarbeiten, blieben mir fremd. Wie war die Vorgeschichte zur Freundschaft mit Marcel? Natürlich konnte ich mir einiges zusammenreimen und für den aktuellen Fall war es auch kein Manko, aber trotzdem fiel mir der Einstieg deshalb ein wenig schwer.

Auch brauchte ich einige Zeit bis ich mich mit dem Erzählton der Autorin anfreunden konnte. Viele Andeutungen, viel zwischen den Zeilen und alles ein wenig stockend erzählt, das ergab für mich gefühlte Längen im Text. Da das Thema mich sehr interessierte und auf mich auch einen sehr gut recherchierten Eindruck machte, konnte mich der Krimi im Großen und Ganzen doch überzeugen.

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Veröffentlicht am 27.10.2020

Wendepunkt

Das Buch eines Sommers
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Nicolas hat seinen Onkel immer bewundert. Er hat ihn und seine Probleme ernst genommen, gleichberechtigt behandelt, so ganz anders als sein Vater. Onkel Valentin war Schriftsteller, ein philosophischer ...

Nicolas hat seinen Onkel immer bewundert. Er hat ihn und seine Probleme ernst genommen, gleichberechtigt behandelt, so ganz anders als sein Vater. Onkel Valentin war Schriftsteller, ein philosophischer Lebenskünstler und die Zeit, die Nicolas mit ihm verbrachte, hat ihn geprägt. Auch er wollte Schriftsteller werden, doch kam über einen ersten Versuch nicht hinaus. Sein Vater begann zu kränkeln und so schien es für Nicolas klar zu sein, dass er in seine beruflichen Fußstapfen tritt und das Pharmaunternehmen übernehmen wird.

Er wird erfolgreicher als es sein Vater je war und hat über all dem seinen Onkel vergessen, auch geht er völlig in seiner Firma auf, vernachlässigt seine Familie und merkt nicht, dass er das wurde, was er an seinem Vater ablehnte.

Doch dann stirbt Valentin und Nicolas fährt nur widerwillig mit seiner Familie zur Beisetzung und um seine Erbe anzutreten. Zu groß ist der augenblickliche Stress in der Firma, die an einem wirtschaftlichen Scheideweg steht um den Kopf frei zu bekommen.

Doch dann wird alles ganz anders.

Ein wunderschön gestaltetes Buch, fein im Format und in der Ausstattung. Edles Leinen kommt unter dem typischen Diogenes Umschlag zum Vorschein.

Die Geschichte ist leicht und angenehm geschrieben, Merksätze und Aussprüche erinnern zwar an typische Kalendersprüche, aber das ist per se ja nichts Schlechtes. Bas Kast hüllt den Leser in die wärmende Decke seines kleinen Romans und verbreitet Wohlfühlatmosphäre. Die Konflikte und Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf, wenn nur die positive Einstellung stimmt. Als wachrüttelnde Lebensphilosophie (Klappentext), habe ich das allerdings nicht empfunden, dazu fehlt es an Tiefe und an Aussagen, die nachwirken. So bleiben auch die Charaktere ziemlich an der Oberfläche, ob Valentin oder Nicolas oder seine Frau, sie erschienen mir als Figuren zu blass.

Aber es ist für mich gute Unterhaltung für einige angenehme Lesestunden gewesen, nicht mehr und nicht weniger.

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Veröffentlicht am 24.10.2020

Mord im Urlaub

Lotte mischt mit
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Sigi Siebert, ein Essener Kriminalkommissar gönnt sich mit seiner Frau Lotte eine Urlaubswoche in Werder an der Havel. Fahrradtouren, Sightseeing und natürlich Treffen mit der Tochter, die in Berlin Kunstgeschichte ...

Sigi Siebert, ein Essener Kriminalkommissar gönnt sich mit seiner Frau Lotte eine Urlaubswoche in Werder an der Havel. Fahrradtouren, Sightseeing und natürlich Treffen mit der Tochter, die in Berlin Kunstgeschichte studiert, stehen auf dem Plan. Sigi möchte schließlich wissen, wie seine Tochter sich macht, wenn er schon für das Studium löhnen muss. Gleich am ersten Abend machen die Sieberts die Bekanntschaft mit einem anderen Urlauberpaar, auch aus Essen, wie der Zufall es will. Die Frauen verstehen sich ganz prächtig und so werden gleich gemeinsame Aktivitäten geplant.

Doch dazu kommt es nicht, am nächsten Tag sind die Sieberts unterwegs, als sie in einer Villengegend Schüsse hören und Lotte beobachtete eine schwarz gekleidete Person, die an einer Villa geklingelt hat, genau das Haus, in dem Siebert nach den Schüssen zwei tote Frauen entdeckte. Die Potsdamer Kripo ermittelt und Lotte ist sich – fast – sicher, in der Person ihre Urlaubsbekanntschaft erkannt zu haben.

Als die Spuren nach Essen weisen, wird auch Sieberts Dienststelle mit einbezogen.

Der Krimi gefiel mir ganz gut, ein spannender Plot mit einem gut dargestellten Hintergrund, der in die deutsch-deutsche Vergangenheit führt. Allerdings kam ich mit einem Kunstgriff des Autors nicht ganz zurecht.

Der Roman ist als rückblickende Erinnerung angelegt. Sigi, inzwischen längst Pensionär, trifft sich gelegentlich mit Freund Ecki in einer typischen Ruhrpott-Eckkneipe. Da wird bei Pilsken und Samtkragen über die Vergangenheit schwadroniert und Sigi erzählt von seinen Fällen. Nun auch vom Werder-Fall. Immer wieder wird der Handlungsstrang Krimi unterbrochen und ein Zwischenspiel in der Kneipe folgt, wo die Striche auf dem Deckel immer mehr werden und Eckis Fragen die Erinnerung von Sigi beflügelt. Diese Zwischenspiele nahmen mir viel von der Spannung und vom Tempo des eigentlichen Falls.

Bei den Ermittlungen in Essen arbeitete Sigi auch mit einer tüchtigen Kollegin zusammen, die wegen ihrer roten Haare und kleiner Statur von allen im Team „Möhrchen“ genannt wird. Ein netter Spitzname. Aber dass Sigi von ihr meist als der „kleinen Roten“ spricht, störte mich. Da wird eine weibliche Kollegin mehr oder weniger unterschwellig als nicht ganz vollwertig angesehen. Dass „Möhrchen“ auch ständig mit der Kaffeekanne bereit steht, passt dann auch ins Klischee.

Die Auflösung des Falles hat mir gut gefallen, auch die Ermittlungsarbeit mit der oft mühevollen Kleinarbeit ist interessant erzählt und zeigt den Polizeialltag. Ebenfalls gut gemacht waren die Kapitel, die in die Vergangenheit führten und eine Ahnung von Motiv und Täter vermitteln.

Ein solider Krimi, der Ruhrpott- und Havelland-Atmosphäre gut unter einen Hut bringt.

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Veröffentlicht am 19.10.2020

Potential ist da

Das Flüstern der Bäume
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Viele Besprechungen und Hinweise haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ein schöner Umschlag mit einem frühen amerikanischen Landschaftsbild, die gediegene Ausstattung mit Lesebändchen waren ein ...

Viele Besprechungen und Hinweise haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ein schöner Umschlag mit einem frühen amerikanischen Landschaftsbild, die gediegene Ausstattung mit Lesebändchen waren ein vielversprechender Auftakt.

Auf den ersten Seiten sehen wir den Schnitt einer Baumscheibe mit Jahresringen von 2038 bis 1908 und genau in dieser Zeitspanne umfasst die Geschichte der Familie Greenwood. 2038 hat sich die Welt gewandelt, Trockenheit und die „große Welke“ haben die Erde ausgelaugt. Riesige Staubwolken liegen schwer in der Luft, es scheint kaum noch menschenwürdiges Leben möglich. Jacinda Greenwood lebt als Rangerin in einer der wenigen Oasen, in denen es noch Primärwälder gibt. Die sind allerdings denen vorbehalten, die sich den Luxus eines kurzen Aufenthalts dort leisten können. Dieses bedrohliche Bild unserer nahen Zukunft bleibt haften. Auf vielen verschlungenen Umwegen gelangt ein Tagebuch ihrer Großmutter in ihren Besitz und sie erfährt zum ersten Mal etwas über ihre Familiengeschichte.

Wie bei den Jahresringen der Baumscheibe geht die Geschichte der Greenwoods bis 1908 zurück, als zwei Jungs ein Eisenbahnunglück überleben. Von der Gemeinde der Einfachheit halber zu Brüdern erklärt, werden sie einer Witwe gegen eine kleine Aufwandsentschädigung übergeben und hausen allein in einer baufälligen Holzhütte im Wald. Damit wird der Grundstein für die besondere Beziehung der Greenwoods, diesen Namen haben sie sich später selber gegeben, zu Wald und Bäumen gelegt. Ihr Leben wird in einzelnen Dekaden beleuchtet, bis sich der Kreis wieder bei Jacinda schließt.

Diese Geschichte ist fast ausufernd geschildert, es gibt kaum eine Tragödie die die Greenwoods nicht trifft. Egal in welcher Generation, das Schicksal meint es nicht gut ihnen. Der Autor hat eine überbordende Fantasie und es hat mir meist Spaß gemacht, mich darauf einzulassen. Allerdings wäre vielleicht in diesem Buch weniger mehr gewesen. Denn zu oft müssen hanebüchene Zufälle den Handlungsfaden weiterspinnen. Der Autor fabuliert gerne, ich mag das und ihm gelingen wunderschöne Sätze und Abschnitte. Dann gibt es wieder Sprachbilder, die gründlich misslungen sind – auch hier wäre manchmal weniger mehr gewesen.

Auch wenn – vielleicht durch die vielen Vorschusslorbeeren – meine Erwartungshaltung höher war, habe ich mich gut unterhalten und ich denke, der Autor hat Potential. Es ist erst sein zweiter Roman und ich bin auf seine Entwicklung gespannt.

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