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Veröffentlicht am 12.10.2020

Mal was ganz anderes

Fremdes Licht
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Wir begeben uns mit der Protagonistin Elaine Duval auf ein frostiges, melancholisches und philosophisches Abenteuer, wenn wir mit der Lektüre beginnen!

Ein Kometeneinschlag im 24. Jahrhundert zerstörte ...

Wir begeben uns mit der Protagonistin Elaine Duval auf ein frostiges, melancholisches und philosophisches Abenteuer, wenn wir mit der Lektüre beginnen!

Ein Kometeneinschlag im 24. Jahrhundert zerstörte die Erde und Elaine Duval, die in Grönland aufwuchs und deren Großvater einst bei den Inuit lebte, ihr von deren Weisheit und Tradition erzählte und sie unbewusst und indirekt lehrte, in Kälte, Eis und Schnee zu überleben, scheint die Katastrophe als einzige davongekommen und übrig zu sein.

Wie gut, dass die Genforscherin nun, nach dem schockierenden Erwachen, eine Idee davon hat, wie sie an einem so rauen, trostlosen, unbehaglichen und einsamen Ort zurechtkommen kann.

Während Elaine sich auf ihrem beschwerlichen Weg durch diese fremdartige Welt befindet, um sie zu erkunden, lernen wir sie und ihre Vergangenheit kennen.
Wir tauchen in ihre Gedanken- und Gefühlswelt ein und vor unserem geistigen Auge erwachen eine Frau und ihre Kindheit in all ihren Facetten zum Leben.
Und eines Tages entdeckt Elaine Inuit-Zeichen. Was bedeutet das? Täuscht sie sich?

Neben diesem Erzählstrang gibt es noch einen weiteren, der im 19. Jahrhundert spielt und in dem ein Forscher über sein Tagebuch und die Vorfahrin Uki während der Weltausstellung in Chicago zu Wort kommen.

Der Roman, der ganz grob gesagt ein Mix aus Abenteuerroman, Science Fiction, Sachbuch, Biographie und kleiner Ausflug in die Esoterik ist, liest sich flüssig und ist in einer bildhaften und eingängigen Sprache geschrieben.

Inhaltlich und sprachlich hat mich der Roman „Fremdes Licht“ von Michael Stavarič überzeugt und gefesselt.

Er erzählt lebendig und intensiv auf für mich neuartige Weise völlig unaufgeregt und unspektakulär eine wahrlich phantastische Geschichte, in der es um basale Dinge des Lebens und um das Menschsein an sich geht.

Man muss sich vorbehaltlos auf ihn einlassen, um ihn zu genießen und Alltagsverstand und Alltagsgeschwindigkeit manchmal beiseite schieben.

Ich empfehle den geheimnisvollen und faszinierenden Roman, der Zeiten und Orte auf überraschende Art und brillante Weise verknüpft und durch den ich Vieles über die interessante Kultur und Lebensweise der Inuit lernte, sehr gerne weiter, denn er bescherte mir einige außergewöhnliche, vergnügliche und interessante Lesestunden.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Tolle Auswahl israelischer Klassiker…

Kochen wie in Israel
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Ich habe schon des Öfteren israelisch in Restaurants gegessen, bisher aber nie den Mut aufgebracht, selbst israelisch zu kochen.
Als ich diesem Kochbuch, dessen farbenfrohes Cover mich sofort angesprochen ...

Ich habe schon des Öfteren israelisch in Restaurants gegessen, bisher aber nie den Mut aufgebracht, selbst israelisch zu kochen.
Als ich diesem Kochbuch, dessen farbenfrohes Cover mich sofort angesprochen hat, begegnet bin, habe ich sofort beherzt zugeschlagen.
Und es hat sich gelohnt!

Als ich beim Aufblättern auf das Vorwort des Autors Stav Cohen gestoßen bin, hat mich sofort angesprochen, dass er ein Plädoyer für hochwertige und frische Zutaten hält und Gewürzen einen ganz besonderen Stellenwert einräumt.
Dass er sich, seine Familie und die israelische Küche kurz vorgestellt hat, hat mir gefallen.

In der folgenden Bucket-List und im Länder-Quickie erfährt man kurz und knapp einige nützliche und interessante Dinge über Israel.

Äußerst interessant ist die folgende Auflistung der „Helden der israelischen Küche“... gemeint sind die 5 wichtigsten Zutaten wie Kreuzkümmel, Datteln, Granatapfel, Kichererbsen und Tahin.

Nützlich sind die kurzen Infos und Tipps zu den einzelnen Gerichten.

Die farbenfrohen Fotos sind appetitanregend und machen große Lust auf‘s Kochen ... und Essen

Was ich unbedingt betonen möchte, ist, dass der Autor eine wunderbare und abwechslungsreiche Auswahl getroffen hat!

Der Hobbykoch findet absolute Klassiker wie Hummus, Falafel, Shawarma, Shakshuka, Mejadra, Sabich und vieles mehr.

Ich habe diese Gerichte alle nachgekocht und mein Mann und ich waren begeistert.

Die Zubereitung ist mit etwas Aufwand verbunden, denn es ist eine ganz andere Art des Kochens. Auch das Besorgen der benötigten Lebensmittel geht nicht so ruckzuck, wie wenn man Gulasch mit Spätzle macht.
Aber in gut sortierten Supermärkten und türkischen Lebensmittelläden wird man gut fündig und so Manches findet man online.

Ganz besonders angesprochen haben mich die Fischgerichte und die vegetarischen Gerichte.
Der Makrele in Zitronensauce kann man einfach nicht widerstehen und die Zucchini-Pashtida ist köstlich.
Zu den gerösteten Möhren mit Avocadomus kann man nur sagen „interessante Kombi und soooo lecker!“

Labaneh mit Feigen und Halva ist eine göttliche Nachspeise und auch das Himbeer-Rosen-Sorbet ist eine Sünde wert.

Ich denke, meine Begeisterung ist unschwer zu übersehen.
Wer Lust auf andersartige und köstliche kulinarische Genüsse hat, der wende sich der israelischen Küche und diesem Kochbuch zu.


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Veröffentlicht am 11.10.2020

Abwechslungsreich und lecker...

Kochen wie in Indien
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An diesem Kochbuch bin ich nicht vorbeigekommen. Die indische Küche interessiert mich brennend und die beiden Autoren kannte ich schon von ihrem YouTube Channel „Lucky Recipes“, dem ich schon seit längerem ...

An diesem Kochbuch bin ich nicht vorbeigekommen. Die indische Küche interessiert mich brennend und die beiden Autoren kannte ich schon von ihrem YouTube Channel „Lucky Recipes“, dem ich schon seit längerem sehr gerne folge.

Das Buch beginnt bereits mit einer sympathischen Vorstellung der beiden Autoren Robi Banerjee und Indrani Roychoudhury.

Die folgende Indien-Bucket-List führt kurz und knackig auf, was man in Indien tun sollte und was nicht und auch das Länderquickie gibt einen kleinen aber feinen Einblick ins Land.
Im Verlauf erfährt man immer wieder etwas über die indische (Ess-)Kultur und jedes Rezept wird mit einer kurzen und interessanten Information zum Gericht eingeleitet.

Die farbenfrohen Fotos sind appetitanregend und machen große Lust auf‘s Kochen ... und Essen

Ganz besonders angesprochen haben mich die vielen abwechslungsreichen und z. T originellen vegetarischen Rezepte.

Was äußerst aufschlussreich für Anfänger in der indischen Küche ist, ist die Erklärung der Top-5-Zutaten zu Beginn, die die Autoren „die Helden der indischen Küche“ nennen.

Ich habe schon einige der Gerichte ausprobiert und manche davon sind in unseren Lieblingsrezepte-Ordner gewandert.

Das Nacho Chaat z. B. ist dermaßen farbenfroh und saftig! Mal was ganz anderes.

Das Mango-Chutney ist zwar etwas aufwendig in der Zubereitung, aber es lohnt sich! Ich habe es meiner Familie zu dem Lamm Kathi Kabab gereicht und alle waren begeistert.

Mein persönlicher Favorit ist Paneer mit Ingwer und Kokos.
Diese Kombination ist nicht nur originell, sondern sehr lecker!
Vor unserem Indienurlaub kannte ich diesen indischen Frischkäse nicht. Seither bin ich begeistert von diesem Kuhmilch-Produkt, das gerne als Einlage in Currys verwendet wird.

Ich möchte dieses Kochbuch v. a. allen interessierten „Neulingen“ empfehlen.
Es gibt einen wunderbaren Einblick und Überblick und man findet sehr viele typische und recht einfach nachzukochende Gerichte darin.
Die Zutaten bekommt man problemlos im indischen Lebensmittelladen.


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Veröffentlicht am 10.10.2020

Das Neue Testament aus Frauensicht...

Das Buch Ana
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Die Liebesgeschichte von Ana und Jesus und eine Geschichte über Emanzipation und Selbstbestimmung.

Dieser Roman war ein „Muss“, nachdem ich bereits „Die Bienenhüterin“ und „Die Erfindung der Flügel“ ...

Die Liebesgeschichte von Ana und Jesus und eine Geschichte über Emanzipation und Selbstbestimmung.

Dieser Roman war ein „Muss“, nachdem ich bereits „Die Bienenhüterin“ und „Die Erfindung der Flügel“ mit Begeisterung gelesen habe und weil mich die Idee dahinter sofort reizte:
Jesus war verheiratet, aber nicht, wie schon an anderen Stellen durchgespielt, mit Maria Magdalena sondern mit der fiktiven Frau Ana, die noch dazu die Schwester von Judas ist.
Gleichzeitig muss ich einräumen, dass ich etwas skeptisch war wegen meiner Befürchtung, eine verklärte, abgedroschene oder gar missionarische Bibel-Geschichte lesen zu müssen. Aber weit gefehlt!

Wir begeben uns auf eine Zeitreise zurück ins Jahr 16 nach Christus und landen im von Römern besetzten Galiläa.

Hier wächst die schlaue, wissensdurstige und aufgeweckte Ana mit ihrem Bruder Judas in einer wohlhabenden und einflussreichen jüdischen Familie auf.
Ihr Vater ist ein Schriftgelehrter und der oberste Berater des Herrschers Herodes Antipas.
Ana lernt dank ihres Vaters, gegen den Widerstand ihrer Mutter und obwohl es Frauen in der damaligen Zeit eigentlich verboten war, lesen und schreiben.
Sie studiert die Thora und interessiert sich besonders für die darin vorkommenden Frauen Eva, Sarah, Rebecca, Rachel und Ruth. Voller Enthusiasmus und Leidenschaft schreibt sie deren Geschichten auf Papyrusrollen nieder.

Mit 14 Jahren soll das freiheitsliebende Mädchen mit dem älteren kleinwüchsigen Witwer Nathaniel verheiratet werden, wogegen sie sich erfolglos wehrt.

Es ist selbstredend und nachvollziehbar, dass sie nicht im Geringsten begeistert davon ist, diesen Mann mit dem verbitterten Gesichtsausdruck zu heiraten.

Fasziniert ist sie allerdings von dem warmherzigen und einfühlsamen Jesus von Nazareth, den sie recht zeitgleich auf dem Markt trifft und der ihre Verzweiflung erkennt.
Glücklichen Zufällen ist es zu verdanken, dass Jesus und Ana schließlich ein Paar werden.

Der wunderbare Erzähl- und bildgewaltige Schreibstil von Sue Monk Kidd vermochte mich erneut zu fesseln.
Sie erschafft authentische Charaktere und vermittelt ein glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit.
Sie hat, so wirkt es, genau recherchiert und hält sich an die historischen Gegebenheiten wie Kleidungsstil und religiöse Bräuche. Alles könnte genau so gewesen sein.

Sie baut historische Personen wie Herodes Antipas und Judas sowie weitere fiktive Figuren wie Anas Tante Yaltha, eine gebildete, alleinstehende Frau und ihre Freundin Tabitha in die Geschichte ein, wodurch sie noch interessanter und abwechslungsreicher wird.

Die Autorin erzählt im Grunde eine bekannte Geschichte, aber dadurch, dass sie sie aus Frauensicht erzählt und mit fiktivem Material anreichert, wirkt sie neuartig und ist überhaupt nicht langweilig oder abgedroschen.

Außerdem und darüber hinaus gibt die Autorin in dem Roman denjenigen Frauen eine Stimme, die sich gegen das Althergebrachte, gegen fragwürdige Konventionen und gegen eine männerdominierte Welt wehren und für ihre Selbstbestimmung eintreten, was der Geschichte etwas Zeitloses und Modernes gibt.

Ich empfehle diese faszinierende, berührende und fesselnde Lektüre gerne weiter!
Es ist originell und spannend, das Neue Testament aus Sicht einer klugen, gebildeten und kritischen Frau kennenzulernen.

Um Gefallen an dem Roman zu finden muss man meines Erachtens übrigens weder religiös, noch bibelfest oder gläubig sein.

Ein spannendes und lesenswertes Vergnügen!

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Veröffentlicht am 10.10.2020

Ein Highlight!

Ein Tag wird kommen
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Eine außergewöhnliche Äbtissin und verwickelte familiäre Beziehungen vor dem Hintergrund politischer und historischer Geschehnisse.

Italien, Marken, Anfang 20. Jahrhundert.

Im Prolog werden wir mit einer ...

Eine außergewöhnliche Äbtissin und verwickelte familiäre Beziehungen vor dem Hintergrund politischer und historischer Geschehnisse.

Italien, Marken, Anfang 20. Jahrhundert.

Im Prolog werden wir mit einer drastischen Szene konfrontiert:
Die beiden Söhne des Bäckers Luigi befinden sich im Wald, der die Stadtmauer von Serra de Conti, einer kleinen italienischen Gemeinde in den Hügeln der Marken, umgibt.
Der schmächtige und in sich gekehrte Nicola, der am liebsten unsichtbar wäre, schießt auf seinen älteren rebellischen Bruder, den Draufgänger Lupo, der eine unbändige Wut auf die Mächtigen und die Kirche hat.

Nach diesem Schock geht es zwar etwas ruhiger, aber dennoch alles andere als idyllisch und harmonisch weiter.
Wir lernen die Eltern der Brüder, den mürrischen und jähzornigen, zeitweise brutalen Bäcker Luigi und seine fast blinde Frau Violante kennen, die, was ihre Nachkommenschaft betrifft, kein besonderes Glück haben.
Entweder die Kinder sterben, werden erschossen oder geraten auf Abwege, so dass nur noch eine Klosterunterbringung in Frage kommt, um weiteren Entgleisungen zuvorzukommen.

Ihre in ihren Augen missratene und verrückte 13-jährige Tochter Nella gaben sie ins örtliche Kloster, denn sie war „eine Freundin des Teufels und nur Gott kann sie heilen“ (S. 120), ihr Sohn Antonio wurde erschossen, weil er einen Apfel stehlen wollte.
Übrig waren Adelaide, das schwerkranke Mädchen, das bald sterben musste, der ältere, aufgeweckte, schlagfertige und aufmüpfige Lupo und der jüngere, extrem schüchterne, schwächliche, aber schlaue Nicola, den die Eltern als lästig und unnütz empfanden, weil er lieber „komische Dinge lernte wie Buchstaben oder Worte“ anstatt „die Hosen anzuziehen, um zur Arbeit zu gehen“ (S. 11).

Wie gut, dass Nicola einen Beschützer und Wohltäter hat, an dem er ausgesprochen hängt:
Sein Bruder Lupo.
Aber diese symbiotische Beziehung hat zwei Seiten:
Sie spendet einerseits Sicherheit und Geborgenheit und verhindert andererseits eine freie Entfaltung und raubt die Luft zum Atmen.

Eines Tages findet der Junge Lupo einen verletzten Wolfswelpen am Fluss. Er verarztet ihn, pflegt ihn gesund und nennt ihn Cane.
Von diesem Augenblick an hat er einen treuen Freund, der ihm nicht mehr von der Seite weicht.

Nicola weiß um seine Andersartigkeit und wünscht sich sehnlich, so zu sein wie die Anderen. Da sich dieser Wunsch nicht erfüllt, weil er nicht aus seiner Haut schlüpfen kann, hält er sich schließlich selbst für einen Nichtsnutz, mit dem etwas nicht stimmt.
Er wird nicht selten belächelt oder ignoriert.
Er ist sonderbar, ein Außenseiter und froh um Cane, der mit der Zeit sein einziger Freund wird.

Dann werden wir überrascht, denn die Kamera schwenkt plötzlich nach Nordafrika, genauer: in den Sudan und dort ins Nuba-Gebirge.

Die 8-jährige widerspenstige und wilde Zari und ihr kleiner Bruder, die Kinder des Dorfoberhaupts Akil werden beim Spielen im Garten gestört und von unbekannten und vermummten arabischen Reitern entführt.

Die Geschwister werden getrennt.
Zari ist plötzlich eine Gefangene in den Fängen von Sklavenhändlern, landet in Kairo, 3000 km von ihrem zu Hause entfernt und wird auf einem ägyptischen Markt wie Vieh zum Kauf angeboten.

...und keiner der potentiellen Käufer ahnt auch nur im Geringsten, dass er gerade die künftige resolute, gerechte und äußerst geschätzte Äbtissin Suor Clara von Serra de’ Conti, dem Ort an dem die oben erwähnte Familie lebt, begutachtet.

Abwechselnd begleiten wir im weiteren Verlauf Lupo, der sich Protesten, Streiks und Kundgebungen anschließt und zum feurigen Anhänger und Aktivisten der anarchistischen Bewegung wird und die Nonnen im Kloster von Serra de‘ Conti, wo Suor Clara, die eiserne Lady des Klosters, die heranwachsende Nella, ein aufgewecktes und ehrgeiziges Mädchen, mit strenger Hand unter ihre Fittiche nimmt und bändigt.

Wir lesen und erfahren vom Macht- und Bedeutungsverlust des Klosters und der Nonnen, von den unfairen Pachtverträgen, unter denen die Pächter zu leiden haben und gegen die sich die Anarchisten auflehnen,

Wir lernen alle Figuren sehr genau kennen, weil Giulia Caminito sie uns in all ihrer Komplexität und Unterschiedlichkeit zeigt.
Es sind Menschen mit Ecken und Kanten, die sympathische und weniger einnehmende Seiten haben.

Nicht nur die Menschen, sondern auch die Handlungsorte und Szenen werden lebendig und die Landschaften erscheinen vor dem geistigen Auge.

Giulia Caminito stellt uns auch Großvater Giuseppe, den „alten Anarchisten aus Serra“ (S. 153) vor. Er ist der Vater des Bäckers Luigi, der ein besonders inniges Verhältnis zu seiner Enkelin Nella hatte und in dessen Fußstapfen Lupo trat.

Mehr will ich vom Inhalt nicht verraten, um niemandes Lesevergnügen zu mindern.

Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt.
Mehrere Stränge laufen nebeneinander her, werden fallen gelassen und wieder aufgegriffen.
Das macht die Lektüre zu Beginn etwas mühsam, aber man gewöhnt sich recht schnell daran und sogar mehr als das:
Meine Neugierde wuchs durch die wechselnden Kameraeinstellungen beständig und ich flog regelrecht durch das Buch.
Das Bild wurde immer klarer.

Es war interessant, mich mit der Geschichte Italiens Anfang des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen, etwas über das problematische
Pachtsystem, die Besitzverhältnisse und die anarchistische Bewegung, die vom ersten Weltkrieg unterbrochen wurde, zu erfahren.
Sozusagen hautnah mitzuerleben, wie der eine Alptraum, der Krieg, gerade mal vorbei ist und der nächste, die spanische Grippe, schon anklopft und weitere Leben fordert, war bewegend und erschütternd.

In die mir fremde Welt des Klosterlebens einzutauchen, etwas darüber zu erfahren, wie die Nonnen ihren Alltag verbrachten und welche Sorgen sie hatten, war für mich neu und spannend.

Zwischen den beiden Buchdeckeln sind so viele erstaunliche und erschütternde Geheimnisse versteckt, die zu ergründen es sich lohnt!
Man stößt auf Überraschungen und Wendungen, die man nie vermutet und mit denen man nie gerechnet hätte.
Von Anfang an ist die Geschichte spannend und es ist umso erfreulicher, dass sie im Verlauf und gegen Ende noch weiter an Fahrt aufnimmt.

„Ein Tag wird kommen“ ist ein brillantes und bravouröses, dramatisches und erschütterndes Werk, das feinfühlig, fesselnd und schonungslos in durchgängig schöner und flüssig zu lesender sowie teilweise poetischer Sprache erzählt wird.

Reale Orte, politische Hintergründe und historische Tatsachen und Geschehnisse bilden den Rahmen für diese brillant erzählte Geschichte, die gleichermaßen Familiengeschichte wie Entwicklungs- und historischer Roman ist und in der auch reale Personen der damaligen Zeit, wie beispielsweise Errico Malatesta und Benito Mussolini erwähnt werden und eine (Neben-)Rolle spielen.

Die 1988 in Rom geborene Giulia Caminito hat mir mit ihrem starken, wort- und bildgewaltigen Roman, der mit seiner Pandemie und seinen Protesten durchaus Parallelen zur Gegenwart aufweist, ein Highlight beschert.

Dies ist der erste Roman von der Autorin, der ins Deutsche übersetzt wurde.
Ich freue mich schon auf Weitere.

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