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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.11.2018

Wahrheit Stück für Stück

Zerrissene Wahrheit
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Margret Lückner ist eine „typische“ Bibliothekarin. Sie stirbt bei einem Auto-Unfall, da ihre Bremsen versagen. Die Spurensicherung deckt schnell auf: es war Mord! Und hier beginnt die Ermittlungsarbeit ...

Margret Lückner ist eine „typische“ Bibliothekarin. Sie stirbt bei einem Auto-Unfall, da ihre Bremsen versagen. Die Spurensicherung deckt schnell auf: es war Mord! Und hier beginnt die Ermittlungsarbeit des Teams um Kommissar Domeyer beim Bielefelder KK11. Motive und potentielle Täter bieten sich zu Beginn der Ermittlungen regelrecht an. Ungeachtet dessen ermittelt das KK11 ergebnisoffen und kommt einer Begebenheit auf die Spur, welche Jahrzehnte zurück liegt…

Dieses Buch nimmt mich schnell für sich ein. Die Protagonisten wirken erfrischend „normal“ und sind nicht überzeichnet. Auf der einen Seite habe ich die Ermittlergruppe, deren Teammitglieder mir auch einen Einblick in das jeweilige Privatleben gewähren. Dadurch entsteht neben der zielgerichteten täglichen Arbeit ein sympathisches Netz aus Verflechtungen, fast wie im „normalen Leben“. Andererseits begleitet der Roman Karen, eine Jugendfreundin von Margret. Unmittelbar vor ihrem Tod hat Margret einen Brief an Karen verfasst und ein Foto beigefügt. Dieser Brief ist scheinbar verloren gegangen, so dass für Karen ebenfalls eine Spurensuche beginnt, die sie siebenundzwanzig Jahre zurück in die gemeinsame Vergangenheit führt.

Heike Rommel hat mit ihrem vierten Fall für das KK11 um Kommissar Domeyer einen soliden Kriminalroman geschaffen. Es gelingt ihr schnell, mich für den Fall und die jeweiligen Biographien zu begeistern und tatkräftig mit zu ermitteln. Dass ich dabei mehrmals den „Fall gelöst habe“, indem ich diverse Täter überführen konnte, sei nur nebenbei erwähnt; die Autorin hat mich ganz ordentlich an der Nase herumgeführt…

„Zerrissene Wahrheit“ war für mich ein uneingeschränkter kriminalistischer Lesegenuss. Dass ich die vorausgegangenen drei Fälle nicht kenne, stellte gar kein Problem dar. Es gibt ordentliche Ermittlungsarbeit, wie sie m. E. täglich in Kommissariaten stattfinden könnte. Und doch ergibt sich Richtung Finale eine Spannungskurve, die das Lesetempo anheizt und mich letztlich zufrieden das Buch schließen lässt. Und es scheint mir so, als wäre am Schluss ein kleiner Fingerzeig auf eine Fortsetzung der Reihe…


Heike Rommel, Zerrissene Wahrheit, eBook, Kriminalroman, KBV Verlags- und Medien GmbH, 9,99 €, 400 Seiten, Erscheinungstermin 29.10.2018

Veröffentlicht am 10.11.2018

Gnadenlose Jagd

Flucht in die Schären
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Nora Linde ist Chefanklägerin der Stockholmer Behörde für Wirtschaftskriminalität. In ihrem aktuellen Fall hat sie Andreis Kovač zunächst wegen Steuerhinterziehung angeklagt; für die weiteren Delikte wie ...

Nora Linde ist Chefanklägerin der Stockholmer Behörde für Wirtschaftskriminalität. In ihrem aktuellen Fall hat sie Andreis Kovač zunächst wegen Steuerhinterziehung angeklagt; für die weiteren Delikte wie Drogenhandel und Geldwäsche reichen die Beweise einfach nicht aus. Nachdem Kovač seine Frau fast totgeprügelt hat, weitet Nora ihre Ermittlungen aus. Wenn Mina gegen ihren Mann aussagen würde, könnte das Verfahren auf mehre Anklagepunkte aufgebaut werden und Kovač für viele Jahre hinter Schloss und Riegel wandern.

Unerwartet wird ein Mordopfer aufgefunden und die Spuren scheinen ebenfalls auf Kovač als Täter hinzudeuten. Diese Ermittlung obliegt Kriminalkommissar Thomas Andreasson, der ohnehin aufgrund der häuslichen Gewalt im Hause Kovač mit Nora in Kontakt steht.

Das Buch besteht im Wesentlichen aus zwei Haupthandlungssträngen: der aktuellen Ermittlungsarbeit von Linde einerseits und parallel zur gesamten Handlung einen Rückblick in Andreis‘ Kindheit in Bosnien andererseits. Natürlich gibt es auch Nebenschauplätze, welche die Lebensumstände der Protagonisten beleuchten und mir insbesondere die Ermittler näherbringen. Viveca Sten gelingt es schnell, mich für das Buch zu interessieren und begeistert den Handlungsfortgang zu verfolgen. Ich empfinde über weite Strecken die Drohung nahenden Unheils, welche sich in der stark anziehenden Spannung zum Ende des Buches entlädt.

Das dominierende Thema in diesem Thriller ist häusliche Gewalt. Die Hintergründe zu diesem nicht einfachen Thema erscheinen mir gut recherchiert und die Verhaltensmuster eines Opfers realistisch dargestellt. Der biographische Rückblick in Andreis‘ Vergangenheit basiert m. E. ebenfalls auf fundierten Nachforschungen und stellt schonungslos die Umstände für die Menschen dar.

Bei „Flucht in die Schären“ handelt es sich um den neunten Band der Thriller-Serie um Thomas Andreasson. Die Unkenntnis der voraus gegangen Bücher hat mir keinen Nachteil hinsichtlich Verstehens und Genuss der Handlung erbracht.

Für mich ist dieses Buch ein solider Thriller, der insbesondere im Finale rasant und fast atemlos voranschreitet.


Viveca Sten, Flucht in die Schären, eBook, Thriller, Kiepenheuer und Witsch Verlag, 9,99 €, 464 Seiten, Erscheinungstermin 08.11.2018

Veröffentlicht am 02.11.2018

Der Baum des Lebens

Der Apfelbaum
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Christian Berkel kenne ich bislang nur als Schauspieler. „Der Apfelbaum“ ist sein Debütroman. In Gesprächen mit seiner mittlerweile dementen Mutter begibt Berkel sich auf eine Zeitreise auf den Spuren ...

Christian Berkel kenne ich bislang nur als Schauspieler. „Der Apfelbaum“ ist sein Debütroman. In Gesprächen mit seiner mittlerweile dementen Mutter begibt Berkel sich auf eine Zeitreise auf den Spuren seiner Herkunft. Durch umfangreiche Recherchen und Reisen, teilweise gemeinsam mit seiner Mutter, kann er Lücken schließen und sich in gewissem Rahmen ein eigenes Bild machen.

Seine Eltern, Sala und Otto, deren Stand unterschiedlicher kaum sein könnte, lernen sich 1932 mit 13 bzw. 17 Jahren kennen und verlieben sich sofort ineinander. Was man gemeinhin als „kleine Schwärmerei“ mit dem Tenor „daraus wird ja ohnehin nichts“ abtun würde, überdauert exorbitant schwere Zeiten und unfassbar langes Getrenntsein.

Ich darf die Herkunftsfamilie von Christian Berkel begleiten auf ihrem schweren Weg in der Zeitspanne von 1932 bis 1954. Insbesondere die umständehalber getrennten Lebenswege in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg machen mich demütig und haben mich fragen lassen, wieviel ein Mensch (er-)tragen kann, ohne zu brechen. Umso mehr freue ich mich über die besseren Zeiten, wenn auch nicht alle Pläne mit Erfolg gekrönt werden.

Diese biographisch begründete, ungeachtet dessen fiktive Erzählung hat sich mir nicht leicht geöffnet, teilweise war ich mir nicht sicher, ob ich in der Vergangenheit oder der Gegenwart unterwegs bin. Diese leichte Verwirrtheit hat sich im Fortschritt der Handlung gelegt. Nach diesen kurzen Einstiegsschwierigkeiten hat das Buch mich für sich eingenommen, die Protagonisten sind mir ans Herz gewachsen und ich bin froh, dass ich diese Menschen ein Stück weit kennenlernen durfte!

Für mich ein wertvolles Zeitzeugnis und lesenswertes Buch!


Christian Berkel, Der Apfelbaum, gebundene Ausgabe, Literatur, Ullstein Verlag, 22,00 €, 416 Seiten, Erscheinungstermin 12.10.2018

Veröffentlicht am 24.10.2018

Kalter Plan des Jägers

Hasenjagd
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„Joona Linna sitzt bereits seit zwei Jahren im Hochsicherheitstrakt der JVA Kulma ein, als er zu einem Treffen mit dem schwedischen Premierminister gebeten wird. Die Regierung benötigt dringend seine Hilfe. ...

„Joona Linna sitzt bereits seit zwei Jahren im Hochsicherheitstrakt der JVA Kulma ein, als er zu einem Treffen mit dem schwedischen Premierminister gebeten wird. Die Regierung benötigt dringend seine Hilfe. In einem wohlhabenden Stockholmer Viertel ist ein Mann bestialisch ermordet worden, vermutlich ein terroristischer Anschlag. Die Tat wird geheim gehalten. Kurz darauf geschieht ein weiterer Mord, nach ähnlich brutalem Muster: Beiden Opfern wurde vor ihrem quälend langsamen Tod ein Kinderlied vorgespielt…“ – Zitat Buchrücken

Unerwartet kommt es für Joona Linna zu einer Entlassung aus dem Vollzug sowie einer relativen Zusammenarbeit mit seiner Kollegin Saga Bauer. Relativ, da er versucht, den Mord aufzuklären, während sie in Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz aufgrund der Brisanz des Falles versucht, nichts nach Außen dringen zu lassen. Linna gelingt es dank seiner Akribie und Hartnäckigkeit kleinste Puzzleteilchen zusammenzufügen. Schnell wird klar, dass er es hier mit einem Serienmörder zu tun hat, welcher auf eine hervorragende Ausbildung im Töten zurückgreifen kann. Langsam lichtet sich der Schleier und offenbart einen Blick in die Vergangenheit, welche die Motivation des „Spree Killers“ zu erklären scheint.

Dem Autorenduo hinter dem Pseudonym Lars Kepler ist ein solider Schweden-Krimi gelungen, den ich sehr gerne gelesen habe. Die Protagonisten sind mir sympathisch und ich mag es, sie auf ihrem Weg zu begleiten. Die Handlung baut nach und nach Spannung auf und mündet in einem Herzschlagfinale.

Bei „Hasenjagd“ handelt es sich um den sechsten Fall um das Ermittlerteam Linna / Bauer. Die Unkenntnis der Vorgängerbände stellte keinerlei Nachteil hinsichtlich des Verstehens und Lesegenusses dar.

Wer nordische Kriminalromane mag, muss „Hasenjagd“ lesen!


Lars Kepler, Hasenjagd, Taschenbuch, Krimi, Bastei Lübbe Verlag, 11,00 €, 672 Seiten, Erscheinungstermin 26.10.2018

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Veröffentlicht am 14.10.2018

Erinnerungen an einen Winter

Ein Winter in Paris
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Victor ist für zwei Jahre nach Nanterre gezogen, um an einem renommierten Pariser Lycée die zweijährigen Vorbereitungsklassen zu absolvieren. Aufgrund seiner Herkunft ist er ein Exot, dem niemand wirkliche ...

Victor ist für zwei Jahre nach Nanterre gezogen, um an einem renommierten Pariser Lycée die zweijährigen Vorbereitungsklassen zu absolvieren. Aufgrund seiner Herkunft ist er ein Exot, dem niemand wirkliche Chancen einräumt, den Lycée, noch den abschließenden Concours – die Aufnahmeprüfung an einer Grand École - zu bestehen. Zu Beginn des zweiten Jahres lernt Victor einen neuen Studenten, Mathieu, flüchtig kennen. Als Mathieu sich kurz darauf das Leben nimmt, verändert sich völlig unerwartet das ganze Leben für Victor…

Victor, der bis dato ein „unsichtbares“ Leben für alle um sich herum in Paris geführt hat, wird durch den gewaltsamen Tod von Mathieu plötzlich „sichtbar“ und findet sich inmitten des Interesses / der Neugierde seiner Mitmenschen wieder, da Victor der einzige Freund von Mathieu gewesen zu sein scheint. Durch Schweigen und Unterlassung vermeidet er, die Tatsachen ins rechte Licht zu rücken und sonnt sich etwas in der Aufmerksamkeit. So wird Victor’s Leben komplett auf den Kopf gestellt, bevor er sich seiner selbst und seiner Gefühle hinsichtlich des Selbstmords klar werden kann.

Im Verhalten gegenüber Mathieu’s Vater lerne ich eine andere Seite von Victor kennen. Nach und nach erhalten das Lycée und die Zukunftsplanung eine andere Wertigkeit für Victor. Victor muss erwachsen werden und sich ebenso verhalten.

In „Ein Winter in Paris“ reist der erwachsene Victor zurück in das Jahr 1984. Eine Reise, die ich gerne begleite, welche mich mit ihren sanften Tönen und ihrer Einfühlsamkeit anrührt und für Victor einnimmt. Obwohl ich nicht mit allen Schritten von Victor übereinstimme und mir nicht alle Beweggründe offengelegt werden. Aber hier setzt J.-P. Blondel vielleicht auch ein wenig auf die Einfühlsamkeit / Phantasie seiner Leser.


Jean-Philippe Blondel, Ein Winter in Paris, gebundene Ausgabe, Literatur, Deuticke Verlag, 19,00 €, 192 Seiten, Erscheinungstermin 24.09.2018