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Veröffentlicht am 16.06.2019

Intelligenter Lesespaß mit britischem Humor

Ein perfider Plan
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REZENSION – Eine ungewöhnliche und intelligente Detektivgeschichte mit typisch britischem Humor und ironischen Spitzen gegen die Welt der Film- und Literaturschaffenden, dabei völlig unblutig, nach klassischem ...

REZENSION – Eine ungewöhnliche und intelligente Detektivgeschichte mit typisch britischem Humor und ironischen Spitzen gegen die Welt der Film- und Literaturschaffenden, dabei völlig unblutig, nach klassischem Muster erzählt, aber in unserer Zeit spielend, hat uns Englands Bestseller-Autor Anthony Horowitz (64) mit seinem neuen Roman „Ein perfider Plan – Hawthorne ermittelt“ beschert. Dazu muss man wissen, dass Horowitz als einer der produktivsten und erfolgreichsten Schriftsteller Großbritanniens vor Jahren von den Erben Conan Doyles offiziell beauftragt wurde, neue Geschichten um Sherlock Holmes zu schreiben (2011: „Das Geheimnis des weißen Bandes“; 2014: „Der Fall Moriarty“). Eine moderne Holmes-Watson-Variante ist nun dieser erste Band seiner neuen Reihe „Hawthorne ermittelt“.
Ungewöhnlich und deshalb für heutige Leser interessanter ist die Tatsache, dass Anthony Horowitz – der Jugend bekannt durch seine Alex-Rider-Abenteuer, den Erwachsenen durch neue James-Bond-Romane oder Drehbücher zu Agatha Christies Poirot-Verfilmungen und die beliebte TV-Serie „Inspector Barnaby“ – sich hier selbst als modernes Watson-Double und Erzähler in die Handlung einbringt, um gemeinsam mit seinem fiktiven Protagonisten, dem Privatermittler Daniel Hawthorne, Mordfälle aufzuklären. Horowitz gibt eingangs vor, diesen bei der Kriminalpolizei suspendierten und heute bei Filmproduktionen als Berater mitwirkenden Hawthorne bei Arbeiten am Filmset zu „Foyle's War“ kennengelernt zu haben – einer britischen TV-Serie nach Horowitz-Drehbüchern, die es tatsächlich gibt. So baut der Autor ständig Reales um seine Person, seine Arbeit und seine Werke in die fiktive Handlung ein, wodurch „Ein perfider Plan“ fast real und glaubhaft wirkt.
Worum geht es? Kaum, dass die wohlhabende und allein lebende Diana Cowper in einem Londoner Bestattungsunternehmen den genauen Ablauf ihrer eigenen Beerdigung festgelegt hat, wird sie zuhause erdrosselt aufgefunden. Während der zuständige Chief Inspector Meadows noch von einem Zufallsmord durch Einbrecher ausgeht, ermittelt Ex-Polizist Hawthorne im Auftrag eines hochrangigen Auftraggebers bei der Polizei den tatsächlichen Sachverhalt. Hawthorne wiederum beauftragt Bestseller-Autor Anthony Horowitz, ihn bei der Aufklärung des Falles zu begleiten und ein Buch darüber zu schreiben. Horowitz zögert, da sein Verlag gerade auf ein ganz anderes Buch von ihm wartet. Zudem ist ihm Hawthorne unsympathisch: „Er hatte die Geschmeidigkeit einer Raubkatze … und in seinen weichen braunen Augen lag eine Boshaftigkeit, die mich herauszufordern und zu bedrohen schien“. Doch dann verfällt er doch der Intelligenz dieses Detektivs, der für seine hohe Aufklärungsquote berühmt ist.
Ganz nach Art von Holmes und Watson machen sich nun der Schriftsteller und sein fiktiver Protagonist an die Aufklärung des Mordfalles. Doch im Verhältnis beider gibt es einen gewaltigen Unterschied zu Holmes und Watson. Während Watson seinen Meisterdetektiv bewundert, lehnt Horowitz seinen Helden ab. „Wenn ich mich hingesetzt hätte, um einen fiktiven Kriminalroman zu schreiben, hätte ich bestimmt keinen Protagonisten wie Hawthorne als Helden gewählt.“ Es bleibt bei einem unpersönlichen, für Horowitz fast erniedrigenden Arbeitsverhältnis, was den doch so berühmten Autor kränkt: „Ich hatte zugelassen, dass ich zum stummen Partner, einer Randfigur in meinem eigenen Buch wurde. … Das durfte nicht länger so bleiben! Viel zu lange war ich hinter ihm hergedackelt.“
„Ein perfider Plan“ ist ein wunderbares Buch für alle Freunde klassisch erzählter Detektivgeschichten, britisch-humorvoll geschrieben, ein im besten Sinne intelligenter Unterhaltungsroman. Auf eine baldige Fortsetzung dürfen wir uns sicher freuen, denn der zweite Fall erschien bereits 2018 in England mit dem Titel „The Sentence Is Death“.

Veröffentlicht am 22.04.2024

Kein Vergleich mit "Die Firma"

Die Entführung
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REZENSION – Wir erinnern uns: Nach seinem Romandebüt „Die Jury“ aus dem Jahr 1989 gelang dem amerikanischen Schriftsteller John Grisham (69) zwei Jahre später mit seinem Thriller „Die Firma“, erfolgreich ...

REZENSION – Wir erinnern uns: Nach seinem Romandebüt „Die Jury“ aus dem Jahr 1989 gelang dem amerikanischen Schriftsteller John Grisham (69) zwei Jahre später mit seinem Thriller „Die Firma“, erfolgreich verfilmt 1993 mit Tom Cruise, bereits der internationale Durchbruch und machte ihn zum Bestseller-Autor, so dass er noch im selben Jahr seinen Beruf als Rechtsanwalt aufgeben konnte. Fast im Jahresrhythmus veröffentlichte er daraufhin weitere Justizthriller, mit denen er eine Gesamtauflage von 275 Millionen Exemplaren erreichte, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden. Im Februar erschien nun beim Heyne Verlag Grishams neuer Roman „Die Entführung“, der sowohl im englischsprachigen Markt als auch bei uns als „große Fortsetzung des Weltbestsellers »Die Firma«“ angekündigt wurde und 15 Jahre später spielt.
Der Rechtsanwalt Mitch McDeere, der seine damalige Anwaltsfirma - lediglich eine Fassade und Geldwaschanlage für die Mafia - hatte auffliegen lassen, ist nach Jahren der Flucht inzwischen Partner bei der weltweit größten Anwaltskanzlei in Manhattan mit Filialen in vielen Ländern. Glaubte sich der junge Familienvater nach so langer Zeit in Sicherheit, werden er und seine Frau erneut Zielscheibe des Verbrechens: Mitch übernimmt das Mandat eines großen türkischen Unternehmens, dem die libysche Regierung unter Diktator Muammar al-Gaddafi nach dem Bau einer Autobahnbrücke in der Wüste vier Millionen Dollar schuldig bleibt. Um sich vom Bauprojekt ein genaues Bild zu verschaffen, reist er mit der in der Londoner Filiale angestellten Rechtsanwältin Giovanna, Tochter des römischen Filialleiters Luca, nach Libyen. Nach einer Lebensmittelvergiftung kommt Mitch ins Krankenhaus, weshalb Giovanna allein, allerdings mit bewaffneter Begleitung, zur Brücke fährt. Auf dem Weg dorthin werden die Begleiter von Terroristen getötet und Giovanna entführt. Die anonym bleibenden Entführer fordern von der Anwaltskanzlei hundert Millionen Dollar Lösegeld.
So weit, so gut. Doch warum dieser neue Band unbedingt als Fortsetzung zum Bestseller „Die Firma“ angenommen werden soll, wissen wohl nur der Autor und seine Verlage. Denn außer einigen für die Handlung des aktuellen Romans völlig unwichtigen Bezügen zum einstigen Bestseller hat „Die Entführung“ überhaupt nichts mit diesem zu tun. Lediglich die Protagonisten Mitch McDeere und seine Ehefrau treten hier erneut auf. Doch da die Handlung des neuen Romans im Kern absolut nichts mit der des alten zu tun hat, auch die Charaktere der Protagonisten in keiner Weise weiter ausgeprägt werden, darf man „Die Entführung“ getrost als eigenständigen Roman und die Verlagsaussage „große Fortsetzung“ als reine Werbung ansehen. Hoffte man vielleicht, damit an den früheren Erfolg der 1990er Jahre anknüpfen zu können, dürfte sich dieser „Trick“ bei den Lesern eher negativ auswirken, da man bei einem Vergleich unweigerlich vom Ergebnis enttäuscht sein muss.
„Die Entführung“ ist kein von Grisham gewohnter Justizthriller, da es hier nicht um juristische Tricks zur Lösung eines Rechtsstreits geht. Andererseits ist der Roman aber auch kein echter Politthriller, da die politisch-globalen Zusammenhänge, die sich bezüglich des Gaddafi-Regimes, der labilen Situation in Libyen und - daraus folgend - der politischen Abhängigkeiten und Konfliktsituation westlicher Länder, im Roman nur oberflächlich angerissen werden. Es bleibt somit ein reiner Spannungsroman, der durch einige brutale Szenen angereichert ist. Doch selbst die Spannung bleibt teilweise auf der Strecke, der Roman wirkt gelegentlich langatmig und die Handlung löst sich durch ihr völlig überraschungsfreies Ende letztlich in Wohlgefallen auf. Grisham hätte seinen Roman besser um 150 Seiten zu einer Erzählung kürzen sollen. Der einstige Welterfolg seiner „Firma“ dürfte ihm bei der „Entführung“ sicherlich versagt bleiben.

Veröffentlicht am 20.03.2024

Entspannende Feierabend-Lektüre

Allmen und Herr Weynfeldt
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REZENSION – Mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ erschien im März beim Diogenes Verlag bereits der siebte Band der beliebten Krimireihe des Schweizer Schriftstellers Martin Suter (76), die 2011 mit „Allmen ...

REZENSION – Mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ erschien im März beim Diogenes Verlag bereits der siebte Band der beliebten Krimireihe des Schweizer Schriftstellers Martin Suter (76), die 2011 mit „Allmen und die Libellen“ begann und deren erste drei Bände mit Heino Ferch für das Fernsehen verfilmt wurden.
Schon der Name Johann Friedrich von Allmen, mit dem sich der über 40-jährige Hans Fritz von Allmen gern vorstellt, um dann in gespielter Bescheidenheit anzufügen „Allmen reicht“, zeigt das Motiv „Mehr Schein als Sein“ des kunstverständigen und belesenen Hochstaplers, der seiner Umwelt den längst verlorenen Reichtum weiterhin erfolgreich vorgaukelt. Trotz Zwangsverkaufs seiner Villa lässt er sich in deren Gartenhaus mit umgebautem Treibhaus unverändert von dem ihm ergebenen Diener Carlos und dessen Ehefrau Maria als Haushälterin umsorgen. „Reichtum misst man nicht daran, wie viel Geld man hat, sondern daran, wie viel Geld man ausgibt“, ist Allmens Motto. Zur notwendigen Auffrischung der Haushaltskasse übernimmt Allmen – „Ich bin kein Detektiv. Ich bin eher ein Künstler.“ – mit seiner Firma Allmen International Inquiries hin und wieder lukrative Aufträge zur Auffindung gestohlener Kunstobjekte. Gleichberechtigter Partner ist Carlos, der seinem auf zu großem Fuß lebenden Patron immer mal ein paar Geldscheine „zur Festigung seiner Kreditwürdigkeit“ zustecken muss. Doch letztlich ist Maria als Finanzchefin des Unternehmens diejenige Person dieses ungewöhnlichen Trios, die sämtliche Fäden in der Hand hält und als einzige zur rechten Zeit die richtige Idee hat.
Eines Abends trifft Allmen in einer Bar einen kultivierten Herrn ähnlichen Alters – den Kunstsachverständigen und Sammler Adrian Weynfeldt. Als dieser Tage später bemerkt, dass in seiner Wohnung ein Bild fehlt, beauftragt er Allmen mit der Suche. Anfangs schließt Weynfeldt seinen engeren Bekanntenkreis, mit dem er sich statt wie üblich im Restaurant nur wenige Tage zuvor erstmals in seiner Wohnung im Obergeschoss eines Bankhauses getroffen hat, als Tatverdächtige grundsätzlich aus. Bevor die Kunstbuchhändlerin Karin Winter, die diesem Kreis angehört, Allmen etwas Wichtiges mitteilen kann, kommt sie bei einem Treppensturz zu Tode. Jetzt sind alle verdächtig. Allmen hat seinen ersten Mordfall.
Im neuen Krimi lässt Suter die Figur des Adrian Weynfeldt wieder aufleben, Hauptfigur aus dessen bereits 2008, also noch vor dem Allmen-Krimis veröffentlichten und 2010 verfilmten Roman „Der letzte Weynfeldt“. Amüsant zu lesen ist nun das Zusammenspiel dieser beiden Protagonisten – Weynfeldt tatsächlich reich, Allmen nur scheinbar. Um dieses „Spiel“, das Allmen einiges abverlangt, geht es eigentlich im Roman, während die Suche nach dem Gemälde zur Rahmenhandlung verblasst.
Dennoch kann der neue Band nicht so recht überzeugen: Wieder und wieder erfahren wir von den Eigenarten des scheinreichen Lebemannes, die doch inzwischen bestens bekannt sind. Es fehlt das Neue, das Überraschende. Mag auch das Auftreten der früheren Romanfigur Adrian Weynfeldt im Allmen-Krimi vielleicht überraschen, ist aber auch über diese Figur in „Der letzte Weynfeldt“ schon alles gesagt, so dass es im neuen Allmen-Band, in dem Suter sogar Weynfeldts Freundin Lorena und den mittellosen Kunstsammler Rolf Strasser erneut auftreten lässt, bei bereits Bekanntem bleibt.
Bei Suter nichts Neues? „Allmen und Herr Weynfeldt“ ist wie die früheren Bände mit leichter Hand locker geschrieben, doch intellektuell nicht gerade überfordernd. Der Roman genügt als entspannende Feierabend-Lektüre. Man muss also schon ein bedingungsloser Fan des Autors und seiner Krimis sein, um dem siebten Band etwas Besonderes abgewinnen zu können.

Veröffentlicht am 28.01.2024

Ditfurth konnte es schon besser

Tag des Triumphs
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REZENSION - Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift? Dieser Leitgedanke gilt nach Band 1 („Tanz mit dem Tod“, 2022) auch für „Tag des Triumphs“ von Christian ...

REZENSION - Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift? Dieser Leitgedanke gilt nach Band 1 („Tanz mit dem Tod“, 2022) auch für „Tag des Triumphs“ von Christian v. Ditfurth (70), den zweiten, im November beim C. Bertelsmann Verlag erschienenen Roman um den jungen Kriminalpolizisten Karl Raben in den Jahren ab 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Dieser Band schließt unmittelbar an die früheren Geschehnisse in Berlin an, in deren Verlauf sich Raben bei der gerade gegründeten Geheimen Staatspolizei unter Reinhard Heydrich verpflichtet hatte, um jene SA-Männer jagen zu können, die Kurt Esser, den Redakteur eines KPD-Blattes, ermordet hatten. Damit hatte sich Raben freiwillig in die Hand Heydrichs begeben, zumal dieser - frei nach dem Hermann Göring zugeschriebenen Zitat „Wer Jude ist, bestimme ich“ - zum Schutz seines von ihm hochgelobten Kriminalbeamten dessen jüdischer Ehefrau Lena und ihrer Mutter Elisabeth einen Arier-Ausweis ausgestellt hatte.
In „Tag des Triumphs“ wird Raben im Jahr 1935 von Heydrich beauftragt, den Mörder der Edel-Prostituierten „Aphrodite“ zu finden, weshalb er für die Zeit seiner Ermittlungen in die vom legendären „Buddha“ Ernst Gennat geführte Mordkommission zurückversetzt wird. Chauffeur der eleganten Prostituierten war SA-Mann Werner Ehrig, der damals ebenfalls zu den Mördern Essers gehörte. Jetzt will Raben nicht nur Aphrodites Mörder finden, zu deren Freiern wohl sogar Heydrich gehört zu haben scheint, sondern gleichzeitig auch Ehrig und seine Kumpane zur Strecke bringen, die wiederum Raben nach dem Leben trachten. Zwischendurch trifft sich Raben auch noch unter einem Vorwand heimlich in Prag mit einem emigrierten KPD-Führer und bringt außerdem den kommunistischen Ex-Politiker Hans Kippenberger im Gestapo-Dienstwagen über die deutsche Grenze nach Holland. Jeden Tag muss Raben aber fürchten, dass sein doppeltes Spiel, seine Aktivität gegen das NS-Regime, auffliegt.
„Jetzt kommt der Mord an Bock dazu. Leichen über Leichen, Spionage, Anschläge auf uns. Ich blick nicht mehr durch“, wird im Roman gesagt. Dieses Gefühl muss unweigerlich auch beim Leser dieses Romans bei der Vielzahl der verschiedenen Handlungsstränge aufkommen. Außerdem fragt man sich beim Lesen der weit über 500 Seiten, um was es sich bei diesem Roman eigentlich handelt: Ist es ein historischer Roman? Oder schlicht ein Kriminalroman vor historischer Kulisse? Oder nichts von beidem, sondern doch eher eine Satire? Für einen echten historischen Roman fehlt dem Buch die für die Schreckensherrschaft der Nazis nötige Seriösität, auch wenn die wichtigsten historischen Fakten schlüssig in die Handlung eingearbeitet sind. Doch auch ein typischer Kriminalroman ist „Tag des Triumphs“ nicht, da die detektivische Ermittlungsarbeit im Fall „Aphrodite“ im Laufe der Handlung, abgelenkt durch die Nebenschauplätze (Ehrig, Prag, Kippenberger) ins Nebensächliche abgleitet, zumal die wichtigsten Beweisstücke und Indizien in diesem Fall sogar den Zufallsfunden der als Kriminaljournalistin tätigen Ehefrau Lena Raben zu verdanken sind.
Als Satire könnte man den Roman hinnehmen, was einerseits am stark überzeichneten Superman-Charakter Rabens festzumachen ist, dem alles zu gelingen scheint und der ohne Rücksicht auf das eigene Leben und das seiner Angehörigen seinen Weg geht, wie Ehefau Lena feststellt: „Es war nicht leicht, mit einem Mann zusammenzuleben, der einen Gerechtigkeitssinn hatte, der ihn ins Grab bringen würde. … Er hatte doch recht, aber diese Rechthaberei war Wahnsinn.“ Für eine Satire sprechen auch die Pauschalierungen, mit denen Ditfurth arbeitet: „Ich ekle mich vor diesen aufgeblasenen Fettsäcken mit Tonnen von Lametta auf der Brust. Gauleitern und sonstigen Funktionären. Eitel und dumm.“ Auch die wohl als Ironie oder Sarkasmus gemeinte Plattitüde macht es nicht besser, wenn wir Gestapo-Chef Heydrich im Gespräch folgen und dabei wissen, wie viele Menschen in Dachau und späteren Kzs tatsächlich zu Tode gekommen sind und ermordet wurden: „...., das ist ein Kamerad, den wir schützen, verstanden?“ - „Schutzhaft?“ - „Eben nicht. Schützen, also das Gegenteil.“ Macht man damit Witze?
Vollends enttäuschend wird es, wenn man offensichtliche Fehler feststellen muss, die vom Lektorat hätten vermieden werden können: Statt Lena wird Rabens Ehefrau einmal Lina genannt (Seite 280); so heißt aber Heydrichs Ehefrau. An anderer Stelle wird es noch unsinniger: Blockwart Hansen hatte den von SA-Mann Ehrig vor Rabens Haustür abgelegten Schweinskopf bereits beim Schlachthof entsorgt, bevor Raben ihn hatte sehen können (Seite 226). Dennoch heißt es fünf Seiten weiter (231): „Seit er den Schweinekopf gesehen hatte, wuchs eine Idee, ….“.
Alles in allem mag Ditfurths neuer Roman „Tag des Triumphs“ vielleicht zur reinen Unterhaltung genügen. Vergleicht man das Buch aber mit früheren Werken des Autors – allen voran die wirklich ausgezeichneten Gegenwartskrimis um den Berliner Kommissar Eugen de Bodt - und legt man bei dieser Reihe um Karl Raben denselben Anspruch zugrunde, muss zumindest dieser zweite Band enttäuschen.

Veröffentlicht am 30.06.2023

Historisch interessant, doch es fehlt an Spannung

Das Nordseekind
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REZENSION – Nachdem die ersten vier Krimis des Schriftstellers und Journalisten Tilman Spreckelsen (56) um den jungen Anwalt, Dichter und nun auch Ermittler Theodor Storm (1817-1888), deren erster Band ...

REZENSION – Nachdem die ersten vier Krimis des Schriftstellers und Journalisten Tilman Spreckelsen (56) um den jungen Anwalt, Dichter und nun auch Ermittler Theodor Storm (1817-1888), deren erster Band „Das Nordseegrab“ (2014) mit dem Theodor-Storm-Preis ausgezeichnet wurde, als Taschenbuchreihe im Fischer Verlag veröffentlicht wurden, erschien Spreckelsens fünfter Storm-Krimi „Das Nordseekind“ nun im April beim Aufbau Verlag. Doch trotz dieses überraschenden Verlagswechsels unterscheidet sich der neue Krimi in keiner Weise von den früheren: Die Handlung bezieht sich wie gewohnt auf wahre Begebenheiten rund um Husum und das damals zu Dänemark gehörende Herzogtum Schleswig, die Storm auch selbst später in seinen Novellen verarbeitete. So liest man über die Ereignisse um das „Nordseekind“ im Jahr 1845 auch in Storms erst zwölf Jahre später veröffentlichter Novelle „Auf dem Staatshof“ (1857).
Im „Nordseekind“ bekommt der erst 28-jährige Anwalt Theodor Storm, der sich weniger für die Juristerei als viel mehr für Dichtung und Chorgesang interessiert – zwei Jahre zuvor hatte er mit dem „Singverein“ den ersten gemischten Chor für Frauen- und Männerstimmen in Husum gegründet –, in seiner Kanzlei unangemeldeten Besuch einer Frau. Diese behauptet, Erbin eines Vermögens auf der Nordseehalbinsel Eiderstedt zu sein. Sie sei nach der Ermordung ihrer Eltern als dreijähriges Kind entführt und so um ihr rechtmäßiges Erbe gebracht worden, das sie sich nun mit Storms Hilfe zurückholen wolle. Ihr plötzliches Auftreten sorgt in Husum für Aufsehen und bei den jetzigen Eigentümern des Familienbesitzes für Aufregung. Doch trotz der dringlichen Forderung, sich ihres Falles anzunehmen, lehnt Storm zunächst ab, da er sich von der aufdringlichen und unglaubwürdig erscheinenden Frau nur belästigt fühlt. Als es allerdings zu ersten Morden kommt, die mit der Geschichte der Frau in direktem Zusammenhang zu stehen scheinen, nimmt Storm, unterstützt von seinem Schreiber Peter Söt, die Ermittlungen auf.
In die Kriminalhandlung des Jahres 1845 ist als Hintergrundgeschichte die Sage um die Wogenmänner aus dem 14. Jahrhundert eingebunden: Damals hatten sich viele durch Sturmfluten heimat- und brotlos gewordene Fischer und Bauern zu einer ihre Umwelt terrorisierenden Räuberbande auf der Halbinsel Eiderstedt zusammengerottet. Durch Raubzüge und Überfälle auf kleine Gehöfte und Enterung kleiner Handelsschiffe verbreiteten sie Angst und Schrecken, entführten Mädchen und Frauen. Vergewaltigungen, Mord und Totschlag waren in der Region an der Tagesordnung.
Dies alles – die Geschichte der Wogenmänner wie auch die Lebenssituation in und um Husum zur Mitte des 19. Jahrhundert – ist, von Spreckelsen bis ins Kleinste recherchiert, sehr lebendig und eindrucksvoll beschrieben. Allerdings hat er sich als Autor bewusst dichterischer Freiheiten bedient, um aus den historischen Fakten einen unterhaltsamen Roman machen zu können. Entsprechend hat er auch die historisch nachweisbaren Personen in seinem Sinn charakterlich verfremdet. Als Beispiel sei hier Storms damalige Verlobte und spätere Ehefrau, seine Cousine Constanze Esmarch (1825-1865), erwähnt: Während die wahre Constanze sich zeitgemäß ihrem Ehemann unterordnete, ist sie bei Spreckelsen die Aktivere von beiden, die Storm so manches Mal antreibt und zur Aufklärung seiner Fälle beiträgt. Storms historisch realen Kanzleischreiber Peter Söt macht Spreckelsen – als literarische Anleihe bei Conan Doyles Ermittler Sherlock Holmes und Dr. Watson – in seinem Roman zu dessen Ermittlungshelfer und Erzähler.
„Das Nordseekind“ überzeugt mehr durch die authentische Beschreibung der historischen Kulisse und weniger durch Spannung. So manches Mal dümpelt die Handlung vor sich hin wie ein kleiner Kutter im Husumer Hafen. Wer Action sucht, liegt hier also falsch. Wer sich aber für Husum, die „graue Stadt am Meer“, und das alte Herzogtum Schleswig interessiert, dem wird der Krimi sicher gefallen. Anschließend ist man versucht, sich die Novelle „Auf dem Staatshof“ vorzunehmen, in der Theodor Storm den Verfall dieses historischen Anwesens und das kurze Leben der letzten Erbin schildert.