Der Handlung fehlt es an Dramatik
Brockesstraße BeletageDer Roman "Brockesstraße Beletage" enttäuscht leider: Aus eigenen Familien-Erlebnissen als Flüchtling in Hamburg weiß ich, dass es nach Kriegsende zwischen einheimischen Städtern und bei ihnen zwangseingewiesenen ...
Der Roman "Brockesstraße Beletage" enttäuscht leider: Aus eigenen Familien-Erlebnissen als Flüchtling in Hamburg weiß ich, dass es nach Kriegsende zwischen einheimischen Städtern und bei ihnen zwangseingewiesenen Flüchtlingen sehr oft zu Spannungen kam, die Flüchtlinge aus dem fernen Osten, die den Westdeutschen fast wie Ausländer erschienen, nicht akzeptiert, sondern nur ungern geduldet waren. Doch in Anette Dresslers Roman ist davon kaum etwas zu spüren. Der Roman plätschert in seiner Handlung und im notgedrungenen Zusammenleben der ostpreußischen Lehrerswitwe Frieda aus gutbürgerlichem Beamtenhaushalt, gebildet und alles Französische liebend, sowie der ungebildeten Kurzwarenhändlerswitwe und Analphabetin Alma, in der Beletage des ihrer Schwiegermutter gehörenden Hauses als Mieterin geduldet, nur so dahin. Szenen wiederholen sich - wie Friedas trance-artigen Tagträume am Lübecker Bahnhof. Langatmig werden auch ihre Spaziergänge von einer Straße in die nächste geschildert - ein Mittel der Lübecker Autorin, ihre Heimatstadt zur Zeit der Währungsreform zu beschreiben. Wer nicht aus Lübeck stammt oder diese Hansestadt nicht kennt, dem wird der Roman nicht viel geben können, da der Handlung allein jegliche Dramatik fehlt. Von den "Konflikten, die durch die auseinanderklaffenden Lebenswelten der beiden Frauen entstehen", wie der Verlag das Buch anpreist und damit bestimmte Erwartungen beim Leser weckt, ist kaum zu erfahren. So muss man sich fast zwingen, nach Schluss eines Kapitels weiterzulesen. Hätte die Autorin aus ihrer Geschichte keinen 325-seitigen Roman gemacht, sondern alles zu einer maximal 100-seitigen Kurzgeschichte komprimiert, hätte "Brockesstraße Beletage" vielleicht auch für Nicht-Lübecker interessant werden können. So aber zieht sich die Handlung leider allzu sehr ..... Man spürt das persönliche Interesse der Autorin an ihrer Heimatstadt, weniger ihr literarisches Interesse, daraus eine für andere lesenswerte Geschichte zu machen.😢