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Veröffentlicht am 30.10.2023

Ein Blick in eine andere Welt

Um 1500
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Romedio Schmitz-Esser nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Ausgangspunkt für den Blick auf die Zeit um 1500 ist Albrecht Dürer, von dem neben einem reichen Bildnachlass auch schriftliche ...

Romedio Schmitz-Esser nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Ausgangspunkt für den Blick auf die Zeit um 1500 ist Albrecht Dürer, von dem neben einem reichen Bildnachlass auch schriftliche Zeugnisse erhalten sind, die einen direkten und persönlichen Einblick in diese uns so fremde Zeit gewähren. In relativ kurzen Kapiteln werden unzählige Aspekte des damaligen Lebens beleuchtet. Dabei werden nicht nur die politischen, kulturellen und kunstgeschichtlichen Aspekte berücksichtigt, sondern auch ganz alltägliche Dinge: Wie sah der Alltag aus? Die Genderrollen? Der Haushalt? Oder auch wie wurde die Tierwelt wahrgenommen? Dürer hat phantastische Tier- und Pflanzenbilder gemalt, doch wie müssen wir uns die Wahrnehmung der damaligen Menschen wirklich vorstellen? Dabei hat Romedio Schmitzer-Esser gerne eine Überraschung für den Leser in der Hinterhand. Dinge, von denen wir glauben, darüber genau Bescheid zu wissen, stellen sich als tradierte Vorurteile heraus, die teilweise bewusst initiiert wurden. Gerade bei Genderrollen, Ehe- und Dorfleben kann sich der Leser auf einige neue Informationen gefasst machen.

Für mich ein äußerst gelungenes, breit gefächertes Geschichtsbuch, dem eine Verbindung zwischen Dürer Biographie, Kunst und Geschichte glückt. Der Stil ist sachlich, aber lesbar. Der Autor hat bewusst auf einen umfassenden Anmerkungsteil verzichtet und sich nur auf wesentliche Punkte beschränkt. Das Bibliographie-Kapitel lädt zu weiterer Lektüre ein. Da dieses Buch einen sehr umfassenden Blick auf unterschiedlichste Aspekte der Zeit bietet, bleiben manche Informationen rudimentär, teilweise Hypothese. Zu manchen Punkten hätte ich gerne mehr gelesen, bei manchen Stellen hätten schon ein/ zwei Sätze mehr genügt, um die Information abzurunden. Zwar wird jedes Kapitel mit einem Dürer-Bild eingeleitet, das auch Ausgangspunkt für das behandelte Thema wird, es werden aber auch immer wieder weitere Bilder erwähnt, die hier nicht abgedruckt sind. Das ist etwas schade, da sie zur Erläuterung weiterer Aspekte herangezogen werden und dem Leser nicht vor Augen sind. Da es sich hier allerdings weder um einen Kunstband noch eine Dürer-Biographie im engeren Sinn handelt, mussten hier wohl Abstriche gemacht werden.

Trotz dieses Kritikpunktes finde ich das Buch großartig! Zum interessanten Thema und Inhalt kommt eine hochwertige Ausstattung. Wertiges Papier und das große Format setzen die in Farbe abgedruckten Kunstwerke Dürers sehr schön in Szene. Ein Lesebändchen rundet dieses tolle Buch ab.

Dieses Buch bietet einen umfassenden Einblick in die Zeit um 1500, das Leben Dürers als Künstler und Privatmensch und führt in das Werk des Künstlergenies ein. Ein tolles Buch!

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Ein rasantes Crossover

TARZAN IN PELLUCIDAR
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Im letzten Band ist Tanar zwar den Korsaren entkommen, aber David Innes, der Kaiser von Pellucidar, ist weiterhin in den Fängen der Piraten. Jason Gridley bricht von der Erdoberfläche zu einer einzigartigen ...

Im letzten Band ist Tanar zwar den Korsaren entkommen, aber David Innes, der Kaiser von Pellucidar, ist weiterhin in den Fängen der Piraten. Jason Gridley bricht von der Erdoberfläche zu einer einzigartigen Rettungsmission auf. Dafür hat er sich die beste Unterstützung gesichert, die er nur bekommen konnte: Tarzan, den Affenmenschen. Wenn sich einer mit undurchdringlichen Urwäldern und wilden Bestien auskennt, dann dieser. Selbst Tarzans Instinkte und Erfahrungen werden in der Urwelt Pellucidar an ihre Grenzen gefordert. Schon lange bevor die Rettungsmission ihr Ziel erreicht wird sie voneinander getrennt und das, was sie vermeiden wollten ist Realität: Bevor sie an David Innes auch nur denken können, müssen sie alleine die Gefahren Pellucidars überstehen.

Das, was ich im letzten Band vermisst habe, die Rettung von David Innes, ist endlich Thema dieses Buches. Zumindest zum Teil. Sie ist Anlass für ein neues Abenteuer in Pellucidar, aber in der Hauptsache dreht es sich darum wie die unterschiedlichen Völker dieser Urwelt leben, sich bekriegen und es doch nur ein wenig Umdenken von allen Seiten erfordert, um das Leben aller besser zu machen. Ich habe lange befürchtet, dass das Hauptthema des Buches das den Augen verloren wird. So spannend auch die Abenteuer sind und so interessant gerade auch Tarzans Rolle ist, an all den genretypischen Aneinanderreihungen von Abenteuern und dem irgendwann etwas nervtötenden Aneinander-Vorbeirennen der Charaktere, wollte ich doch irgendwann mal zum Punkt kommen. Da zeigte sich dann wie alles zusammenspielt und plötzlich ergaben die Einzelabenteuer einen Sinn. Es lohnt sich durchzuhalten! Der Schluss selbst ließ mich etwas zwiegespalten zurück. Einerseits gab es Gänsehautszenen andererseits war es dann doch etwas unspektakulär.

Gute 4 Sterne für dieses spannende Crossover-Abenteuer, das trotz aller genretypischen Schwächen bestens unterhält.

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Nicht immer ganz nachvollziehbar

Villette
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Als Lucy Snowe allein und mittellos dasteht, nimmt sie all ihren Mut zusammen und versucht ihr Glück in Frankreich, da ihr in England kaum berufliche Chancen gegeben sind. Eher durch Zufall als durch Verdienst ...

Als Lucy Snowe allein und mittellos dasteht, nimmt sie all ihren Mut zusammen und versucht ihr Glück in Frankreich, da ihr in England kaum berufliche Chancen gegeben sind. Eher durch Zufall als durch Verdienst findet sie eine Anstellung im Pensionat der Madame Beck, wo sie von der Kinderfrau schnell zur Lehrerin aufsteigt. Dabei spielt Bildung kaum eine Rolle. Die Hauptsache ist, es sich nicht mit den Familien der höheren Töchter zu verderben. Trotz der bedrückenden Atmosphäre der Schule, in der jeder jedem misstraut und nachspioniert, richtet sich Lucy, die vom Leben gar nicht erwartet begünstigt zu werden, gut ein und findet Zufriedenheit und ein berufliches Auskommen. Da begegnet sie den Bekannten aus Kindheitstagen wieder und sie beginnt zu hoffen, dass das Leben für sie vielleicht doch mehr als Arbeit bereithält. Doch hat dieses bescheidene Quäntchen Glück wirklich eine Chance gegen Neid, Missgunst und naive Herzlosigkeit der Umwelt?

Als großer Fan der Brontë-Schwestern habe ich mich begeistert auf dieses Buch gestürzt und bleibe nun etwas verwirrt und ratlos zurück. Eigentlich fand ich es streckenweise grauenhaft. Diese bedrückende Atmosphäre der Missgunst, des Neides, der Perspektivlosigkeit hat mich fertig gemacht. Alle spionieren einander nach. Private Habseligkeiten werden völlig ungeniert durchstöbert, entwendet, „bereinigt“ von selbsternannten Sittenwächtern, die ausschließlich auf ihr eigenes Wohlergehen fixiert sind. Lucy wird auf jedem Gang verfolgt, jedes Wort eifrig geprüft, jedes Schriftstück gewendet und jede noch so kleine Veränderung niedergemacht. Mit Madame Beck arrangiert man sich, genau wie Lucy, irgendwann, aber dieser widerliche kleine Professor, der Lucy noch die kleinste Freude missgönnt, ihr jede Schleife, von denen sie nun wahrlich kaum welche trägt, als eitle, protzige Spielerei herunterreißt, und sie wegen jeder Kleinigkeit, die nichts mit dem Fegen von Staub zu tun hat, geradezu fertig macht, hat mich krank gemacht! Sehr viel später wird geradezu halbherzig versucht diesen Charakter etwas zu rehabilitieren, aber für mich ist das nicht gelungen. Die gesamte Charakterentwicklung und die Entwicklung der Geschichte konnte ich nicht nachvollziehen.

Auch die Protagonistin Lucy selbst hat mich etwas zwiespältig zurückgelassen. Von Anfang an wirkt sie sehr statisch. Vieles lässt sie mit einem geradezu unverständlichen Phlegma über sich ergehen. Sie stellt sich absichtlich in den Schatten des Lebens, um zu sagen, dass das Leben nichts anderes für sie vorsieht. Dabei ist sie bei weitem weder depressiv, noch untätig oder resigniert. Im Gegenteil. Mit einer geradezu heiteren Gelassenheit durchschaut sie viel, nimmt das Leben wie es kommt und wird mit allen Herausforderungen fertig. Eine trotz aller Statik sehr starke Frauenfigur, deren Lebensziel niemals in der standesgemäßen Heirat liegt, sondern immer im Berufsleben.

Was mich wirklich durch das Buch getragen hat, ist das unvergleichliche Flair und der tolle Stil Charlotte Brontës. Ein schöner Einblick in die Welt des 18. Jahrhunderts. Neben aller düsteren, bedrückenden Atmosphäre, ist auch immer noch der Witz zu sehen, der gerade dadurch, dass sich Lucy durch nichts beirren lässt, deutlich wird. Lucy und der Leser haben den größten Teil des Romans dieselbe Position: Sie stehen außerhalb der Geschichte, nehmen sie distanziert und objektiv war- wenn man Lucy auch manchmal schütteln möchte, damit sie endlich Teil des Geschehens wird.

Ein ganz besonderer Reiz liegt in dem Mystery-Element, das dem Roman einen eigenen Reiz gibt.
Mein größter Kritikpunkt ist, dass ich den Schluss des Romans nicht nachvollziehen konnte. Selbst im Vergleich mit den anderen Geschichten der Brontë-Schwestern kann ich mir überhaupt nicht erklären was dieser Schluss aussagen soll. Ich konnte nur den Kopf schütteln.

Die Insel-Ausgabe bietet neben dem ungekürzten Text auch einen Anmerkungsteil, der vor allem, die zahlreichen französischen Passagen übersetzt und das Textverständnis fördert. Leider gibt es kein Nachwort, das in irgendeiner Form Hintergrundinformationen oder Interpretationsansätze liefern könnte.

Im Großen und Ganzen ein gutes Buch, mit dem fesselnden Stil der Brontës, das in seinen kritisierten Aspekten sicherlich eines näheren interpretatorischen Blicks wert ist. 4 Sterne bleiben es trotzdem, weil hier viel mehr erzählt wird als das trübseliger Leben einer vom Leben stiefmütterlich sitzen gelassenen. Man sieht mehrere Lebensentwürfe vorüberziehen, mit denen die vom Glück begünstigt wurden, ihr Glück erkämpft oder auch erzwungen haben. Gerade darin findet sich wieder die ruhige Heiterkeit und Faszination, die für mich von den Werken der Brontë-Schwestern ausgeht.

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Korsaren greifen an

TANAR VON PELLUCIDAR
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Das junge Kaiserreich von David Innes hat sich kaum etabliert, da kommen überraschende Meldungen von Piratenüberfällen herein. Eine große Korsaren-Flotte greift das Reich an und verlangt Tribut von Kaiser ...

Das junge Kaiserreich von David Innes hat sich kaum etabliert, da kommen überraschende Meldungen von Piratenüberfällen herein. Eine große Korsaren-Flotte greift das Reich an und verlangt Tribut von Kaiser David I. Woher kommen sie? Bevor David Innes und Abner Perry in der steinzeitlichen Welt Pellucidar auftauchten, hatten deren Einwohner doch weder von der Kunst des Schiffsbaus noch von Schießpulver eine Ahnung. Wer sind dann die geheimnisvollen Korsaren? David bricht selbst mit einer Mannschaft auf als sein Bote Tanar von den Korsaren gefangen genommen wird. Während der Kaiser unterwegs ist, sieht sich Tanar den grausamen Korsaren und unberechenbaren Stürmen des Meeres ausgeliefert – und der schönen Korsarentochter Stellara, die ihm einfach nicht aus dem Kopf geht.

Was als abenteuerliche Rettungsmission durch David beginnt verlagert seinen Fokus schnell auf Tanar, der sich aus allen möglichen Notlagen selbst heraushelfen muss. Mal spannend, mal ein bisschen flach, selbst für das Genre des Kolportageromans, entwickelt sich schnell zu einer Art Brautwerbungsgeschichte mit allen möglichen und unmöglichen Verwicklungen. Irgendwann wird das viele Hin und Her und die immer weniger gut motivierten Eifersuchtsszenen etwas lächerlich, die permanenten Entführungen etwas nervig, aber trotz allem folgt man doch gebannt Tanars Abenteuern. Die Brautwerbung wird für den Leser schnell Nebensache. Interessant sind die Gesellschaftsentwürfe mit den vielen Formen wie Beziehungen zwischen Partner aussehen sollten, könnten oder gerade nicht sein dürfen. Alles ist eng mit dem Ideal verbunden, das wohl schließlich im Kaiserreich verwirklicht sein soll, vorgebildet in der Beziehung von Kaiser David zu Dian. Nicht aus den Augen verlieren sollte man bei Tanars Privatgeschichte die so unauffällig ins Abseits verschobene Nebenhandlung: die Korsaren. Hier scheint das eigentlich Interessante zu passieren, das für den weiteren Verlauf der Pellucidarromane entscheidend werden wird.

Während die Haupthandlung um Tanar irgendwann für den Leser etwas an Reiz verliert, da die Werbungs-, Eifersuchts- und Entführungsszenen sich ziemlich aneinanderreihen, gewinnen die Nebenhandlungen zunehmend an Spannung und lassen den Leser schließlich mit einem gemeinen Cliffhanger hängen, wenn die Geschichte Tanars auserzählt ist. Ein solider Abenteuerroman im typischen Kolportagestil und einem überraschend neuen Fokus, weg von David und den neuen Strukturen Pellucidars.

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Veröffentlicht am 19.03.2023

Schöner zweiter Band

Love Songs in London – Here comes my Sun
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Jamie ist fertig mit den Männern. Als sie ihren Freund, der ihr gerade erst einen Heiratsantrag gemacht hatte, mit einer anderen im Bett erwischt, zieht sie einen klaren Schlussstrich. Doch für ihren Liebeskummer ...

Jamie ist fertig mit den Männern. Als sie ihren Freund, der ihr gerade erst einen Heiratsantrag gemacht hatte, mit einer anderen im Bett erwischt, zieht sie einen klaren Schlussstrich. Doch für ihren Liebeskummer bleibt ihr wenig Zeit, denn ausgerechnet jetzt erhält sie bei ihrem Praktikumsplatz bei einem renommierten Londoner Magazin ihren ersten eigenen Auftrag: ein Artikel über die großen Liebesgeschichten in London. Dabei soll sie mit Ryan zusammenarbeiten, einem äußerst talentierten und attraktiven jungen Mann, der bekannt für seine One-Night-Stands ist. Nun hat weder Jamie Interesse an einer Romanze noch Ryan, der sehr abweisend und merkwürdig ist. Wie sollen zwei Menschen, die von der Liebe nichts mehr wissen wollen über die großen Liebesgeschichten Londons schreiben können?

Nachdem mich der erste Band der Reihe so begeistert hat musste ich auch zum zweiten greifen. Für mich kam dieses Buch nicht an die Qualität des ersten ran.
Die Charaktere konnten mich nicht so packen wie es im ersten Band der Fall war. Jamie ist durchaus sympathisch, witzig und in ihrem Aufbau konsequent, aber Ryan war mir ein bisschen zu übertrieben ausgestaltet. Er verhält sich sehr sprunghaft selbst wenn man schließlich seinen äußerst melodramatischen Hintergrund kennt. Er hat seine Momente bleibt sonst aber unfertig. Außerdem fand ich es übertrieben wie er beschrieben wurde. Spätestens bei der zwanzigsten Wiederholung hat auch der Leser mit Kurzzeitgedächtnis begriffen, dass er wahnsinnig gut aussieht und Jamies Hormone auf ihn reagieren. Man neigt schließlich dazu diese Passagen zu überspringen, was ich nicht gerne mache.

So viel zu meinen Kritikpunkten. Das Buch ist trotzdem ein schönes Lesevergnügen. Es erzählt eine süße, unterhaltsame Frühlingsgeschichte mit sympathischen Charakteren, Witz und einer guten Portion Romantik. Mag es am Ende mir auch etwas zu melodramatisch gewesen sein, es hinterlässt trotzdem einen guten Eindruck. Die Verbindung zum ersten Buch ist locker eingeflochten. Man trifft bekannte Charaktere wieder, freut sich über neue Szenen; dennoch kann das Buch auch unabhängig vom ersten Band gelesen werden. Die Verbindung zum dritten Buch habe ich schon entdeckt und bin schon sehr neugierig auf die Umsetzung.

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