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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.01.2024

Zu stoisch

Das späte Leben
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Von Platon ist der Satz überliefert: Philosophieren heißt sterben lernen. Dem Menschen ist eigen, dass er sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst ist. Allerdings weiß er in der Regel den größten Teil ...


Von Platon ist der Satz überliefert: Philosophieren heißt sterben lernen. Dem Menschen ist eigen, dass er sich seiner eigenen Sterblichkeit bewusst ist. Allerdings weiß er in der Regel den größten Teil seines Lebens nicht, wann ihn der Tod ereilen wird. In der Bibel heißt es dazu: Denn ihr kennt weder Tag noch Stunde. Und das ist in der Regel auch gut so.
Anders ist die Situation, wenn wir von einem Arzt eine Diagnose gestellt bekommen, nach der das Ende des Lebens relativ präzise absehbar ist. Und dies ist die Ausgangssituation des neuen Romans von Bernhard Schlink: Martin, der Protagonist des Romans, ein emeritierter Professor des Rechts, erfährt, dass er wegen Bauchspeicheldrüsenkrebses nur noch zwölf Wochen zu leben hat. Martin ist mit einer wesentlich jüngeren Frau verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn. Wie soll er auf diese Nachricht reagieren?
Martin entwickelt eine absolut stoische Haltung zu dem Wissen um den Zeitpunkt und die Art seines Todes. Weniger im Sinne von Epikur, der eine Auseinandersetzung mit dem Tod ablehnt („Er geht uns nichts an.“), sondern eher im Sinne Senecas, der eine ruhige, gelassene, rationale Haltung zum Tod empfiehlt. Und genau diese Haltung nimmt Martin ein. Er malt sich ganz rational aus, wie sein körperlicher Zerfallsprozess mit den Schmerzen verlaufen wird und trifft entsprechende Vorsorgemaßnahme (Platz in einem Hospiz). Er lässt kaum eine Gefühlsregung zu. Auch nicht gegenüber dem Abschiednehmen von seinem Sohn und seiner Frau. Er will seinem Sohn etwas hinterlassen und legt mit ihm einen Kompost an (wie sinnträchtig!) und schreibt ihm Briefe, die er später lesen soll, in denen er eine eher triviale Lebensphilosophie darlegt.
Die Entdeckung, dass seine Frau ihn schon seit längerem betrügt, wirft ihn auch nicht aus der Bahn. Er weiß nun, dass es für seine Frau ein Weiterleben nach seinem Tod geben wird.
Kurz vor Ende seines Lebens unternimmt er noch eine Reise mit Frau und Sohn an die Ostsee, damit endet der Roman. Der Sterbeprozess selbst wird nicht mehr dargestellt.
Entsprechend Martins Grundeinstellung ist die Sprache des Romans schlicht und rational. Von dem Verlauf der Krankheit erfährt der Leser, dass Martin Schmerzen hat und dass er häufig müde ist..
All dies macht den Protagonisten und damit den Roman eher uninteressant. Es gibt keine komplexe Gefühlswelt, mit der sich Martin auseinandersetzen müsste. Es geschieht nicht Unvorhersehbares, die Nebenfiguren bleiben blass, die Dialoge mit ihnen sind eher hölzern.
Beim Lesen war mir, als müsste ich Martin einmal kräftig schütteln und ihm zurufen: „Nun lass doch einmal deine Trauer raus, deine Ängste, deinen Zorn“ -aber vermutlich wäre das auch wirkungslos an ihm abgeprallt.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.11.2023

Kann man vom Leben schreiben?

Eigentum
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Normalerweise äußere ich mich in einer Rezension nicht über die Umschlaggestaltung eines Buches. Schließlich kaufe ich ein Buch nicht zur Dekoration meines Buchregals. In diesem Fall aber lohnt ...

Normalerweise äußere ich mich in einer Rezension nicht über die Umschlaggestaltung eines Buches. Schließlich kaufe ich ein Buch nicht zur Dekoration meines Buchregals. In diesem Fall aber lohnt sich ein Blick auf den Umschlag und den Buchdeckel. Auf dem Umschlag findet man in Form eines Exlibris den Hinweis: „Eigentum von Wolf Haas“. Klar ist, dass damit nicht gemeint ist, dass das Buch Wolf Haas gehört. Was ist dann gemeint? Inhaltlich geht es in dem Buch um die Mutter des Ich-Erzählers, die, 95jährig und dement im Sterben liegt und schließlich auch stirbt. Der Ich-Erzähler nimmt den Sterbeprozess zum Anlass, vom Leben seiner Mutter zu erzählen. Und er tut dies auf sehr subjektive Weise, so wie er seine Mutter erlebt und in Erinnerung hat. Insofern ist der Inhalt des Buchs „sein Eigentum“. Auf dem Buchrücken steht noch einmal dieser Hinweis auf das Eigentum. Auf dem Buchdeckel ist ein Handy abgedruckt. Und mit einem Handy beginnt und endet die Erzählung.
Bei der Erzählung des Lebens wechseln sich zwei Perspektiven ab: die des Ich-Erzählers, die den größeren Raum einnimmt, und die der Mutter, die wörtlich zitiert wird, auch mit ihrem dialektalen Einschlag. Die Konfrontation dieser beiden Sichtweisen ist interessant.
Leitmotiv der Erzählung ist der im Leben vergebliche Versuch der Mutter, eine eigene Wohnung zu erwerben. Dies gelingt ihr erst nach ihrem Tod: das Grab als ihre Wohnung.
Das Leben der Mutter des Ich-Erzählers ist beispielhaft für viele Menschen, die sich durch das Leben kämpfen mussten, ohne ihre Träume erfüllen zu können. Ungewöhnlich ist die Erzählweise von Haas, der von sentimental bis komisch viele Stimmungsregister ziehen kann.
Der Ich-Erzähler hat den Auftrag bekommen, an einer Uni eine Poetik-Vorlesung zu halten, also Aufschluss zu geben über die Entstehung seiner Werke. Im Verlaufe der Erzählung denkt er immer wieder darüber nach, was er genau in dieser Vorlesung thematisieren sollte, ohne zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen. Allein der Titel der Vorlesung steht: In Parallelität zu der oft dem Schriftsteller gestellten Frage „Kann man vom Schreiben lesen?“ betitelt er seine Vorlesung: „Kann man vom Leben schreiben?“ Ja, man kann, so,lautet meine Antwort als Leser. Wolf Haas zeigt es, indem er vom Leben seiner Mutter erzählt.

Veröffentlicht am 06.10.2023

Durchaus aktuell

Als wir an Wunder glaubten
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Es gibt viele Romane, die die unmittelbare Nachkriegszeit zum Thema haben. Helga Bürster gelingt es in ihrem Roman „Als wir an Wunder glaubten“ einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Sie lässt die ...

Es gibt viele Romane, die die unmittelbare Nachkriegszeit zum Thema haben. Helga Bürster gelingt es in ihrem Roman „Als wir an Wunder glaubten“ einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Sie lässt die Handlung 1949 in Unnendorf spielen, einem fiktiven Ort in einer Moorgegend in Norddeutschland. Und entsprechend dieser Landschaft spielen Aberglaube und vermeintliche Wunderheilung eine zentrale Rolle. Deutlich wird die Naivität, mit der Menschen sich in der Krisensituation der Nachkriegszeit Opfer suchen, denen sie die Schuld an ihrer Krise zuschieben können. Ebenso deutlich wird die Rücksichtslosigkeit, mit der Menschen diese Naivität zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.
Thematisiert wird aber auch der Einbruch der Moderne in das eher mittelalterlich anmutende Unnenbach: Das Moor wird trockengelegt, da es vermeintlich ökonomisch ohne Wert ist. Und die einstige Hausiererin gründet ein Versandhaus für Dessous und Sexspielzeuge.
Die Figuren des Romans sind nachvollziehbar gestaltet, wenn auch zum Teil etwas eindimensional: der Böse ist durch und durch böse ohne jegliche Schattierung.
Einige Rezensenten haben den Titel kritisiert mit dem Hinweis, es gebe einen Unterschied zwischen Aberglaube und Wunder. In der Tat nimmt der Titel die Perspektive derjenigen auf, die an Übersinnliches glauben. Mich irritiert der Titel auch, da es ja auch um Hexenglauben und Hexenverfolgung geht und damit kann ich den Begriff „Wunder“ nicht in Verbindung bringen.
Die stärksten Passagen in dem Roman sind für mich die Kapitel, die aus Sicht des Kriegsversehrten Otto/Josef erzählen. Diese Passagen habe ich als wirklich anrührend empfunden.
Die Thematik des Romans ist im Übrigen hochaktuell, haben wir doch erlebt, wie in der jüngsten Krisenzeit, der Corona-Krise, Verschwörungstheorien massenweise im Internet verbreitet wurden.

Veröffentlicht am 30.09.2023

Anrührend, aber letztlich nicht überzeugend

Aenne und ihre Brüder
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Reinhold Beckmann hat einen anrührenden Roman über die Jugend seiner Mutter und deren vier Brüder geschrieben, die alle vier im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind.
Beckmann hat sich viel vorgenommen. ...

Reinhold Beckmann hat einen anrührenden Roman über die Jugend seiner Mutter und deren vier Brüder geschrieben, die alle vier im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind.
Beckmann hat sich viel vorgenommen. Auf der einen Seite stellt er die Geschichte des Nationalsozialismus von ca. 1930 bis 1945 dar, auf der anderen Seite schildert er das einfache Leben in seinem ländlich geprägten Heimatdorf. Ich glaube, sein Vorhaben war es, den Einfluss der „ großen“ Politik auf das Leben der einfachen Leute zu verdeutlichen. Und nicht zuletzt will er das Schicksal der vier jungen Soldaten anhand der vielen Feldpostbriefe aufarbeiten, die seine Mutter aufbewahrt hat.
Ich glaube, dass Vorhaben ist nicht so gelungen, wie Beckmann es sich am Beginn des Schreibprozesses vorgestellt haben mag. Die Feldpostbriefe sind, was das Kriegsgeschehen angeht, sehr unergiebig. Dafür mag zum einen die Zensur verantwortlich sein. Zum anderen könnte auch sein, dass die Brüder ihrer Schwester, an die die Briefe gerichtet sind, die genaue Beschreibung des Kriegselends ersparen wollten. Natürlich zeugen sie aber von der Sehnsucht, nach Hause zu dürfen, in die Heimat. Aber sie machen doch nicht recht deutlich, was es hieß, im zweiten Weltkrieg in Russland kämpfen zu müssen.
Das Dorf Wellingholzhausen, in dem seine Mutter und seine Onkel aufgewachsen sind, ist in vielerlei Hinsicht eine Enklave. Es gibt keine Juden, also haben die Nürnberger Gesetze und die Judenverfolgung keine praktischen Auswirkungen. Sie werden folglich auch kaum erwähnt. Die Reichsprogomnacht erleben die Dörfler nur als weit entfernten Feuerschein aus der Richtung von Osnabrück wahr.
Die Menschen sind auch nicht sehr politisch. Ihre Haltung gegenüber Hitler und seinem Regime ist nicht von Widerstand geprägt. Folglich kommt auch das Unterdrückungssystem der Nazis mit der totalen Überwachung durch die Gestapo nicht zur Sprache (ich erinnere mich nicht, dass der Begriff Gestapo überhaupt fällt). Überzeugte, ausgesprochene Nazis sind eher rar. Die Konsequenz ist, dass der unmenschliche Unrechtsstaat der Nazis letztlich nur angedeutet wird.
Reinhold Beckmann schreibt in einem sehr einfach gehaltenen Sprachstil. Der einfache Hauptsatz überwiegt als Satzkonstruktion. Nur in seltenen Fällen umfasst ein Satz einmal mehr als zwei Zeilen. Das erleichtert auf der einen Seite die Lektüre, führt auf der anderen Seite aber auch zur Simplifizierung.
Viel Mühe hat sich Beckmann damit gegeben, den Weg der vier Brüder als Soldaten im zweiten Weltkrieg zu rekonstruieren. Und anhand offizieller Aufzeichnungen kann auch etwas von der Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Krieges deutlich werden.
Beckmann vermeidet es, Fragen zu stellen. Inwieweit waren seine Onkel in die Kriegsereignissen involviert: Haben sie Menschen erschossen? Haben sie sich an der Verbrechen der Wehrmacht beteiligt? Beckmann vermeidet die Fragen, da damit die Onkel aus der Opferrolle, in der Beckmann sie sieht, herausfallen würden.
Überhaupt neigt Beckmann dazu, sich auf die Seiten der Deutschen zu stellen. So wird etwa die Stadt Duisburg von den Bombern der Alliierten „heimgesucht“, wie eine Plage.
Allen Bedenken zum Trotz ist das Buch lesenswert: Als Beispiel für die extreme Schwierigkeit von jungen Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und als leicht zu lesende Geschichte der politischen Ereignisse zur Zeit des Nationalsozialismus.
Als Schullektüre aber mag ich den Roman nicht empfehlen, sowie andere Rezensenten dies tun.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Vielfältige Thematik

Dschomba
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Thematisch ist der Debutroman „Dschomba“ von Katrin Reschka recht vielfältig. Der hintere Buchklappentext fasst diese Vielfältigkeit gut zusammen: „Über das Beheimatetsein in der Fremde, das ...

Thematisch ist der Debutroman „Dschomba“ von Katrin Reschka recht vielfältig. Der hintere Buchklappentext fasst diese Vielfältigkeit gut zusammen: „Über das Beheimatetsein in der Fremde, das Ausloten der eigenen Herkunft und ein wenig über das Leben als Wirtstochter“. Man kann das noch ergänzen: Es geht um Ausgrenzung, um Freundschaft und um die Aufarbeitung unangenehmer geschichtlicher Ereignisse.
In vielen Rezensionen wird der eigentümliche Sprachstil der Autorin angesprochen: z.T. unvollständige Sätze, die den grammatischen Regeln widersprechen. Mir ist die Funktion dieses Sprachstils nicht deutlich geworden. Der Roman nimmt überwiegend die Perspektive eines jungen Mädchens ein, aber es keine kindliche Sprache. Wer eigentlich erzählt, bleibt unklar. Möglicherweise ist es die Autorin selbst! aber spricht sie so - kaum vorstellbar. Meinen Lesefluss hat der Sprachstil gestört.

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