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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.06.2022

Es war einmal und war nicht ….

Fischers Frau
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erzählt ein unbekannter Erzähler von Mia Sund, die einen bislang unbekannten und ganz besonderen Fischerteppich zu begutachten hat. Der Teppich ist mit einem Frauennamen signiert. Die Spur führt sie nach ...

erzählt ein unbekannter Erzähler von Mia Sund, die einen bislang unbekannten und ganz besonderen Fischerteppich zu begutachten hat. Der Teppich ist mit einem Frauennamen signiert. Die Spur führt sie nach Zagreb, wo sie Milan kennenlernt, der gerade dabei ist, eine alte Teppichwerkstatt aufzulösen und der in sehr bescheidenen Verhältnissen lebt.
Da Mia nichts Weiteres über die Teppichweberin herausfindet, erfindet sie deren Leben. Als besondere Kennzeichen verleiht sie ihr Bescheidenheit und die Gabe zu erzählen.
Der Leser erfährt also nicht deren „wahre“ Geschichte, sondern so, wie sie hätte sein können… Es war einmal und war nicht….
Der Roman ist sehr schön erzählt, zuweilen vielleicht im ersten Teil mit Längen. Mich hat die Verbindung von Realem (die Fischerteppiche) mit dem Märchenhaften überzeugt.

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Ausbruch aus dem Korsett

Ein unendlich kurzer Sommer
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„Ein unendlich kurzer Sommer“- dieser Titel lässt aufhorchen: unendlich kurz? Ist das nicht ein Widerspruch?
Auf einem heruntergekommenen Campingplatz ohne Besucher treffen drei Menschen zusammen, ...

„Ein unendlich kurzer Sommer“- dieser Titel lässt aufhorchen: unendlich kurz? Ist das nicht ein Widerspruch?
Auf einem heruntergekommenen Campingplatz ohne Besucher treffen drei Menschen zusammen, die alle in einer Lebenskrise stecken.
Gustav, der Campingplatzbesitzer hatte vor über dreißig Jahren ein Liebeserlebnis, dessen Ende ihm immer noch zu schaffen macht. Zudem weiß er, dass er nur noch eine begrenzte Zeit zu leben hat, was er aber niemanden mitteilt. Er ist ein ausgesprochener Eigenbrödler.
Lale, die ihren Bruder verloren hat und aus der sie erdrückenden Beziehung zu ihrem Ehemann fliehen will. Für sie nutzt die Verfasserin als zentrale Metapher des „Korsetts“, das sie einschnürt und doch zusammenhält.
Christophe, der gerade seine Mutter bestattet hat und in ihrem Nachlass einen Brief von ihr an Gustav findet, den sie nie abgeschickt hat und aus dem hervorgeht, dass Gustav der biologische Vater von Christophe ist. Christophe glaubt nicht daran, jemals eine dauerhafte Beziehung eingehen zu können.
Der Roman erzählt nun in unaufgeregter, ruhiger Weise, wie diese drei Personen zueinanderfinden. Zuweilen hat der Roman dadurch Längen und gerät auch in die Nähe, kitschig zu werden. Trotzdem gelingt es der Autorin, die drei Hauptpersonen nachvollziehbar darzustellen und so die Identifikation der Leserschaft zu wecken.
Schwach dagegen ist die Darstellung des Ehemanns von Lale. Völlig unvorstellbar, warum Lale mit ihm verheiratet ist und warum sie überlegt, zu ihm zurückzukehren.
Das Ende des Romans - immer ein schwieriger Punkt - ist vorhersehbar, aber trotzdem akzeptabel.
Insgesamt ein Roman, den ich trotz gewisser Schwächen gerne gelesen habe.
Zurück zum Titel: Den scheinbaren Widerspruch muss jede(r) LeserIn für sich entscheiden.

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Veröffentlicht am 13.05.2022

Neuveröffentlichung

Meine kleine Welt
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In dem Buch sind 66 kurze Geschichten zusammengestellt, die zum großen Teil schon früher publiziert worden sind, und zwar als regelmäßige Kolumne in der Tageszeitung „Augsburger Allgemeine“. Es handelt ...

In dem Buch sind 66 kurze Geschichten zusammengestellt, die zum großen Teil schon früher publiziert worden sind, und zwar als regelmäßige Kolumne in der Tageszeitung „Augsburger Allgemeine“. Es handelt sich also, und das nicht abwertend gemeint, um Gelegenheitsarbeiten.

Thema der Geschichten ist der „absurde“ Alltag einer Familie, bestehend aus der Vater Hermann, dem Alter Ego von Ewald Arenz, seiner Frau Juliane und den Kindern Otto (4), Phyllis (13) und Theo (18). Allein schon das Alter der Kinder deutet auf die Konflikte hin. Die zum Teil ungewöhnlichen und oft humorvollen Konfliktlösungen sind bestimmt von dem Bestreben der Eltern, die Kinder zu selbstbewussten, sich selbst bestimmenden Menschen zu erziehen, was allerdings nicht immer gelingt.

Arenz bezeichnet seine Geschichten als “Glossen“. Die Kennzeichnung trifft nur für einen Teil der Erzählungen zu. Einige sind recht gut gelungen, z.B. der Seitenhieb auf bestimmte Richtungen der modernen Kunst oder die Problematik der zoologischen Gärten.

Bei einer Reihe von Geschichten vermag die Pointe nicht recht zu überzeugen. Hier wäre eine Überarbeitung der ja doch schon älteren Erzählungen sinnvoll gewesen.

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Veröffentlicht am 14.04.2022

Held wider Willen?

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Held wider Willen?
"Glücklich das Land, das Helden hat!", ruft Andrea, Schüler von Galileo Galilei, in dem gleichnamigen Schauspiel von Bertolt Brecht aus.
"Glücklich das Land, das keine Helden nötig ...


Held wider Willen?
"Glücklich das Land, das Helden hat!", ruft Andrea, Schüler von Galileo Galilei, in dem gleichnamigen Schauspiel von Bertolt Brecht aus.
"Glücklich das Land, das keine Helden nötig hat!", erwidert Galilei.
Damit ist das Thema von Maxim Leos neuem Roman "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" umrissen: Braucht das Land Helden, und wenn ja, welche?
Die Geschichte beginnt im Jahr 1983. Michael Hartung arbeitet bei der Reichsbahn in Ostberlin. Bei der Wartung einer Weiche bricht er versehentlich einen Sicherheitsbolzen ab, verschiebt die Reparatur aber zunächst einmal und geht nach Hause. Die Weiche ist damit blockiert und lässt sich nicht mehr verstellen. Es ist allerdings eine ganz besondere Weiche: Sie öffnet den Weg für die Fahrt nach West-Berlin (in der Tat gehörte das S-Bahn-System von ganz Berlin zur Ostberliner Reichsbahn - Zügen in West-Berlin, die repariert werden mussten, wurden über den Bahnhof Friedrichstraße nach Ost-Berlin geleitet und wieder zurück). Und tatsächlich fährt - so die Fiktion - am Abend eine S-Bahn mit 127 Passagieren nach West-Berlin. 127 Passagieren begehen also unfreiwillig Republikflucht. Die Mehrheit kehrt wieder freiwillig nach Ost-Berlin zurück, einige aber bleiben im Westen.
Michael Hartung wird von der Stasi verhaftet und mehrere Tage verhört, dann aber wieder freigelassen weil deutlich wurde, dass er sich nicht als Fluchthelfer betätigt hat. Seinen Job verliert er, weil ein neues Weichensystem eingeführt und er somit überflüssig wird. Wegrationalisiert wird er dann auch in den folgenden Jahren in verschiedenen anderen Berufen, bis er sich im Jahr 2017 eine Videothek aufschwätzen lässt, die zunächst gut läuft, jetzt aber auch vor dem Aus statt, da Streaming-Dienste sie überflüssig machen.
Michael Hartung ist also der geborene Looser.
Dieses Schicksal droht auch dem Journalisten Axel Landmann. Das Magazin mit dem sprechenden Namen "Fakt", für das er arbeitet, verliert ständig Leser, Arbeitsplätze sind massiv bedroht, wenn nicht ein Sensationscoup gelingt. Da stößt Landmann auf die Stasi-Akte von Michael Hartung und wittert die Chance für eine Story: Einfacher Arbeiter ermöglicht selbstlos 127 Menschen die Flucht aus der Diktatur der DDR.
Landmann besucht Hartung, der zunächst abstreitet, willentlich als Fluchthelfer agiert zu haben. Dann aber lässt er sich von Landmann mittels eines für ihn hohen Geldbetrages überreden, die Ereignisse so darzustellen, dass er die Weiche absichtlich blockiert hat, um die S-Bahn in den Westen zu leiten.
Ab hier nimmt die Geschichte Fahrt auf: Landmann baut systematisch Hartung zu einem Medien- und Politik-Star auf: Alle Zeitungen berichten über ihn, er wird in Talkshows eingeladen, der Bundespräsident empfängt ihn und schlägt ihn vor, die Gedenkrede im Bundestag zum 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls zu halten. Und mit jeder Frage, die ihm gestellt wird, verstrickt sich Michael Hartung in das Netz seiner Lügen.
Es wird deutlich: Der Roman ist eine Satire. Er nimmt den Medienbetrieb, den politischen Betrieb, die Jubiläumsfeier zum Gedenken an den Mauerfall, in die Jahre gekommene Bürgerrechtler und selbst die Stasi aufs Korn. Maxim Leo tut das sachkundig und gekonnt, immerhin ist er selbst Journalist. Und er tut das auf sehr amüsante Weise, sodass seine Satire zwar nicht sehr bissig ist, aber äußerst unterhaltsam.
Köstlich die Parodie der Talk-Show, in der neben Hartung auch Katharina Witt auftritt mit ihrer "Prinzessinnen-Frisur", eine subtile Anspielung auf ihr unrühmliches Verhalten während der DDR-Diktatur. Amüsant auch die Selbstironie: Landmann schreibt ein Buch über das Leben von Michael Hartung und hofft, mit seinem Buch in die Bestsellerlisten zu kommen. Und auch Los schreibt ein Buch über Hartung....
Anrührend gestaltet ist die Begegnung von Hartung mit Michail Gorbatschow. Dieser legt seine riesigen Hände auf die Unterarme von Hartung und begrüßt ihn mit den Worten "Dobryy den',Gospodin Hartung".
Allerdings gibt es einen zweiten Handlungsstrang, der sich der Satire entzieht: Hartung lernt eine Frau kennen und lieben, die als 14-Jährige mit ihren Eltern in der S-Bahn gesessen hat und deren Eltern entschieden haben, im Westen zu bleiben. Auf sehr ernsthafte Weise geht es hier um traumatische Erlebnisse der Vergangenheit, um Vertrauensverlust und den Versuch, Vertrauen wiederzugewinnen.
Maxim Los gelingt es, die Figuren lebensnah und für die Leserin/den Leser völlig nachvollziehbar zu gestalten. Der Erzähler kann in das Innere der Personen blicken, gibt aber nicht zu viel vor, sodass genügend Spielraum für die Leserin/den Leser bleibt, sich selbst in die Figuren einzuführen. Die Sprache des Romans ist frei von Pathos und präzise in den Beschreibungen von Figuren und Örtlichkeiten.
Und der Roman bietet Stoff, sich über eine Reihe von Problemen Gedanken zu machen: Wie funktioniert unsere Medienlandschaft? Wie gehen wir mit dem Gedenken an den Fall der Diktatur in der DDR um, wie mit den "Helden" der Bürgerrechtsbewegung? Wie hoch ist der Stellenwert der Wahrheit? Kann man verspieltes Vertrauen wiedergewinnen?
Das alles macht den Roman sehr lesenswert bzw. auch hörenswert: Eingesprochen von dem großartigen Schauspieler Peter Kurth bietet er sieben Stunden wahren Hörgenuss. Kurth liest mit viel Understatement und erweckt doch die Figuren zum Leben.

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Veröffentlicht am 14.04.2022

Thematisch sehr vielfältig

Der Markisenmann
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Der neue Roman von Jan Weiler „Der Markisenmann“ zeigt eine erstaunlich vielfältige Thematik : Es geht um die Annäherung der fünfzehnjährigen Kim an ihren bislang unbekannten leiblichen Vater, es geht ...

Der neue Roman von Jan Weiler „Der Markisenmann“ zeigt eine erstaunlich vielfältige Thematik : Es geht um die Annäherung der fünfzehnjährigen Kim an ihren bislang unbekannten leiblichen Vater, es geht um Freundschaft, Verrat, Schuld, Umgang mit der Schuld und um Vergebung der Schuld. Weiterhin gibt der Roman einen humorvollen Einblick in das Leben in einem Industriehinterhof in Duisburg am Rhein-Herne-Kanal. Die Bewohner werden mit viel Sympathie dargestellt.

Diese thematische Vielfalt macht den Roman sehr lesenswert. Besonders spannend aber ist, dass die Protagonisten keine Ideal-Figuren sind mit vorbildlichem Verhalten. Jede der Hauptfiguren hat sich auf unterschiedliche Weise schuldig gemacht, und ihre jeweilige Art und Weise, mit dieser Schuld umzugehen, findet nicht unbedingt die Zustimmung aller Leser. Auch das Ende wird nicht jeden überzeugen. Für mich ist das kein Manko. Als Leser habe ich die Möglichkeit, mir Alternativen auszudenken. Ob die dann wirklich überzeugender sind, sei dahingestellt.

Gestört hat mich etwas die Erzählkonstruktion des Romans: Kim erzählt die Handlung aus einer zeitlichen Distanz von 17 Jahren. Sie nutzt diese zeitliche Distanz aber nicht dazu, ihre Handlungsweise zu reflektieren. Deutlich wird das schon im Prolog, in dem Kim von ihrer Schuld erzählt, aber eben ganz aus der Sicht der Fünfzehnjährigen. Aber auch im abschließenden zweiten Teil des Romans, der 17 Jahre später spielt, denkt sie nicht über ihre damalige Handlungsweise nach. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich.

Trotzdem bereitet die Lektüre viel Vergnügen und bietet zusätzlich die Gelegenheit, über menschliches Fehlverhalten nachzudenken.

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