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Veröffentlicht am 05.12.2018

Ein radikaler Bericht über das deutsche Schulsystem

Das Problem sind die Lehrer
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Als ich von dem Buch "Das Problem sind die Lehrer" hörte., befürchtete ich zunächst einmal, dass es sich bei den Autoren wieder einmal nur um frustrierte Eltern handelt. Doch nein! Die Autorin Sigrid Wagner ...

Als ich von dem Buch "Das Problem sind die Lehrer" hörte., befürchtete ich zunächst einmal, dass es sich bei den Autoren wieder einmal nur um frustrierte Eltern handelt. Doch nein! Die Autorin Sigrid Wagner war selbst über viele Jahre als Vertretungslehrerin an vielen verschiedenen Schulen tätig. Ihre Eindrücke könnten also einen guten Querschnitt der Situation an deutschen Schulen bieten.

Die Autorin:
Sigrid Wagner (geboren 1955) studierte Lehramt an der Universität Hamburg und unterrichtete bis vor vier Jahren an unterschiedlichen Schulen in den Bundesländern Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zwölf verschiedene Fächer. 2016 schrieb sie einen Artikel im Spiegel mit dem Titel „Der große Frust“ über die pädagogische Situation an deutschen Schulen.

Inhalt:
Das Buch gliedert sich in drei größere Abschnitte: im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer, in der Aus-und Weiterbildung. Die Autorin setzt sich hier mit verschiedenen Themen auseinander. Der Umgang zwischen Schüler und Lehrer, das Notensystem, die Qualität des Unterrichts, der Umgang der Lehrer untereinander, Mobbing, Hierarchien in der Schulen, die Ausbildung zum Pädagogen werden näher beleuchtet und auch ein Blick über den Tellerrand in andere Länder mit anderen Schulsystemen wird gewagt.

Kritik und Fazit:
Die Geschichten und Beispiele, die die Autorin zu bieten hat sind erschreckend und schnell bekommt man den Eindruck, dass Schule schrecklich ist, sowohl für die Schüler als auch für engagierte Lehrer. Während ich den ersten Abschnitt über die Gegebenheiten im Klassenzimmer noch interessant und halbwegs objektiv bewertet empfunden habe, änderte sich das im zweiten Teil „Im Lehrerzimmer“ drastisch. Ich hatte den Eindruck, dass es sich hier weniger um eine Bilanz (wie der Untertitel heißt) handelt, sondern vielmehr um eine Abrechnung. Als die Autorin dann die Lehrer in verschiedenen Kategorien einteilt wurde mir das ganze zu stereotyp und ich verstand den Sinn und Zweck des Ganzen nicht. Sicherlich gibt es einige schlimme Lehrer und das Schulsystem sollte dringend überarbeitet werden, um sicherzustellen, dass Lehrer qualitativ hochwertigen Unterricht abhalten und nicht das gleiche Schema seit Jahrzehnten abspulen ohne noch Interesse an den Schülern zu zeigen. Und es mag auch sein, dass einige gute Lehrer an dem System zerbrechen oder resignieren, aber es gibt auch einige gute Lehrer. Das räumt die Autorin auch ein, aber die Darstellung dieser guten Lehrer und der tollen Unterrichtsmethoden hätte vermutlich mehr Sinn gemacht, als alles Schlechte hervorzuheben.

Was mich dann wirklich gestört hat, war ein Widerspruch in sich. Wo Frau Wagner zunächst darauf hinweist, dass die Notenvergabe willkürlich und häufig nach Sympathie erfolgt und somit den Wissensstand und die Intelligenz des Schülers nicht wirklich widerspiegelt (vgl. Seite 92), schreibt sie wiederum, dass es keinen NC für das Lehramtstudium gibt und unterstellt Absolventen des Gymnasiums mit einer schlechten Note mangelndes Interesse am Fach (vgl. Seite 216).

Alles in allem bot das Buch einen guten Einblick in das aktuelle Schulsystem und seine diversen Probleme. Die Lektüre war für mich irgendwann aber leider einfach nur zermürbend und ich denke dies alles ist mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht wäre ein positiver Umgang mit den diversen Problemen in den Schulen sinnvoller gewesen, als eine Abrechnung mit den negativen Erfahrungen aus Frau Wagners Zeit als Lehrerin.

Veröffentlicht am 17.08.2018

Was tun, wenn ein Denkmal plötzlich den eigenen Schuppen erobert?

Leonie und Ludwig, Band 01
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Ein Denkmal namens Ludwig, welches von seinem Sockel steigt und nach einem schöneren Plätzchen sucht? Dabei bekommt es Hilfe von einem Mädchen namens Leonie, welches das Denkmal aber zumeist für einen ...

Ein Denkmal namens Ludwig, welches von seinem Sockel steigt und nach einem schöneren Plätzchen sucht? Dabei bekommt es Hilfe von einem Mädchen namens Leonie, welches das Denkmal aber zumeist für einen Jungen hält, schließlich trägt das Kind Hosen! Die Ausgangssituation versprach eine turbulente Geschichte mit Witz und Spannung. Doch Ludwig, das Denkmal, entpuppt sich als nicht gerade liebenswürdig und die Spannung blieb etwas auf der Strecke.

Clare Elsom ist eine britische Illustratorin. Sie lebt in London und arbeitet für verschiedenste Verlage. "Leonie und Ludwig" ist ihr erstes Buch, welches sie als Autorin sowie als Illustratorin herausbrachte. Ihre Charaktere sind stets frech und selbstbewusst.

Leonie wollte eigentlich nur etwas Zeit mit ihrem Opa im Park verbringen. Doch da sieht sie mit an, wie ein Denkmal namens Ludwig von seinem Sockel steigt, weil es die Nase voll hat von den Tauben, die ihn beschmutzen. Außerdem ist herumstehen langweilig und absolut nichts für einen Seemann, der zu Lebzeiten eine Eroberung nach der anderen gemacht hat. Also macht sich Ludwig auf den Weg, um einen neuen Standort zu finden. Natürlich bietet sich hier der Sockel seines Erzfeindes Silberpo an, dessen Nachfahre der Bürgermeister der Stadt ist. Lena versucht Ludwig andere Orte schmackhaft zu machen und hat dabei alle Hände voll zu tun.

Der Schreibstil ist spritzig und die Illustrationen sind passend und voller Witz. Zu Beginn werden die Protagonisten durch Illustrationen vorgestellt, sodass man beim Lesen immer wieder mal hinblättern kann, falls man sich nicht ganz sicher ist. Auch ein Schaubild der Stadt ist zu finden, sodass man immer weiß, wo sich Ludwig und Leonie gerade herumtreiben. Das Buch ist mit seinen vielen Bildern und der größeren Schrift ziemlich schnell vorgelesen.
Allerdings wurde uns Ludwig einfach nicht sympathisch und auch die Protagonistin Leonie ist eher genervt von ihm, und froh als er wieder auf seinen Sockel zurückkehrt. Der Satz auf dem Einband „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber diese Freundschaft nicht!“ passt hier so gar nicht.
Auch die Spannung bleibt eher aus, da werden große und spannende Ereignisse eingeläutet, bevor es aber spannend werden kann, besinnt sich Ludwig eines besseren.
Lediglich der Opa trägt seinen Nutzen aus Ludwigs Eroberungstour, denn er bekommt einen super aufgemotzten Schuppen mit Balkon, Kanonenrohren und Anlegesteg.
Typische Stereotypen wie die Familie Silberpo, die absolut nicht liebenswert ist und noch dazu das Bürgermeisteramt besetzt, werden angeführt aber nicht weiter im Detail verarbeitet.

Alles in allem handelt es sich um ein eher unaufgeregtes Kinderbuch mit einem nicht ganz so liebenswürdigen dabei aber größenwahnsinnigen Kapitän Ludwig und einem genervten Mädchen, welches lieber Ruhe haben will, als auf Abenteuerreise mit einem Denkmal zu gehen. Der Funken konnte leider nicht wirklich überspringen.
Die Illustrationen hingegen sind treffend und voller Witz, und auch Ludwigs Wörterbuch im Anhang ist eine super Idee, um eventuelle Wortlücken der kleinen Leser auf humorvolle Weise zu füllen.

Veröffentlicht am 25.05.2018

Ein zunächst gefühlsbetonter, später skurriler Roman.

Fische
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Der Klappentext von "Fische" klang vielversprechend, was hat es mit Lucy auf sich, die sich in einem Meermann verliebt und ihr Leben überdenkt? Dieses Buch beschäftigt sich mit den Themen Liebe, Leben, ...

Der Klappentext von "Fische" klang vielversprechend, was hat es mit Lucy auf sich, die sich in einem Meermann verliebt und ihr Leben überdenkt? Dieses Buch beschäftigt sich mit den Themen Liebe, Leben, Arbeit, Freundschaft und diversen psychischen Störungen. Offen und ohne Umschweife berichtet Melissa Broder von Lucys Welt, die mit einem Mal aus den Fugen geraten ist. Das Buch begann vielversprechend, nahm aber eine Wendung, auf die ich mich nicht richtig einlassen konnte.

Melissa Broder ist eine amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Sie schreibt für die Zeitschrift ELLE und für Lena Dunhams „Lenny Letter“. Es erschien bereits ein Essayband mit dem Titel "So Sad Today". Bei "Fische" handelt es sich um ihren Debütroman.

Lucys Leben ist das reinste Chaos. Sie schreibt seit einer Ewigkeit an ihrer Doktorarbeit. Dabei kommt sie aber nicht voran, da sie sich in einer These verrannt hat, die sich nicht belegen lässt. Nebenher arbeitet sie als Bibliothekarin, doch ihre Mittel drohen gestrichen zu werden. Dann trennt Lucy sich versehentlich von ihrem Freund und bringt sich fast um. Daraufhin nimmt ihre Schwester sie zu sich nach Venice Beach, hier setzt die Handlung ein. Sie soll sich um den heiß geliebten Hund kümmern, da die Schwester für längere Zeit verreist ist. Am Stand lernt Lucy eines Tages Theo kennen, einen Meermann, der ihr den Kopf verdreht.

Die Geschichte begann vielversprechend. Sehr gefühlsbetont erzählt die Autorin die Geschichte von Lucy. Dabei gibt es auch einige witzige Episoden mit den Frauen ihrer Selbsthilfegruppe. Etwas unappetitlich wird es immer wieder bei ihren Versuchen, sich mit anderen Männern zu trösten.
Als Lucy Theo trifft, führen die beiden zu Beginn spannende und tiefgründige Gespräche. Irgend wann begibt sich die Beziehung der beiden aber lediglich auf die sexuellen Ebene und ich verlor leider das Interesse an Lucy und ihrer Geschichte. Außerdem wurde mir Lucy im Verlauf der Erzählung zunehmend unsympathisch.
Dass Theo tatsächlich ein Meermann ist, wie im Klappentext erwähnt, überraschte mich. Ich dachte eine ganze Weile, dass es sich hierbei lediglich um eine interessante Metapher handelt. Ab diesem Moment stieg ich gedanklich aus der Geschichte eher aus. Die Versuche der beiden, sich zum Haus der Schwester zu begeben, um ungestört sein zu können, waren mir zu skurril und unglaubwürdig. Vielleicht handelt es sich bei Theo doch nur um eine Wahnvorstellung oder eine Metapher der Selbstmordversuche Lucys?

Die Sprache ist leicht verständlich und rutscht hin und wieder ins vulgäre ab. Die Geschichte an sich ist gut und flüssig erzählt, man bleibt dran, auch wenn man der Gedankenwelt Lucys vielleicht nicht immer folgen kann. Ich war nicht gelangweilt, aber wirklich mitgerissen hat mich die Story nicht.

Alles in allem versprach das Buch sehr viel, wurde mir aber zu skurril und unglaubwürdig. Da es gleichzeitig aber gut geschrieben ist, hat es sicherlich seine Zielgruppe, der ich aber eher nicht angehöre.

Veröffentlicht am 06.04.2018

Leider zu viele verschiedene Perspektiven.

Marie
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Nachdem ich bereits Steven Uhlys Roman "Glückskind" gelesen habe und er seither zu meinen Lieblingsbüchern zählt, war ich sehr gespannt auf den Nachfolger. Was ist aus all den Figuren des ersten Teils ...

Nachdem ich bereits Steven Uhlys Roman "Glückskind" gelesen habe und er seither zu meinen Lieblingsbüchern zählt, war ich sehr gespannt auf den Nachfolger. Was ist aus all den Figuren des ersten Teils geworden? Haben sie sich ein glückliches Leben aufbauen können, ihren Frieden gefunden? Oftmals birgt eine Fortsetzung auch ihre Tücken und nicht immer ist diese so mitreißend, wie der erste Teil. So erging es mit leider auch ein wenig mit "Marie". Der Ansatz ist gut, aber der Autor wollte zu viel auf einmal mitteilen.

Steven Uhly (geboren 1964 in Köln) studierte Literatur. Er übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Spanischen, Portugiesischen und Englischen. Inzwischen lebt er mit seiner Familie in München.

Der zwölfjährige Frido erzählt seiner kleinen Schwester Chiara beim Zubettgehen die Geschichte eines alten Mannes, der ein Baby stiehlt. Chiaras Mutter ist alles andere als begeistert, ist regelrecht schockiert darüber und schlägt Chiara. Die Familie befindet sich von diesem Moment an in einem Abwärtsstrudel. Die Mutter, Veronika Kelber, ist alleinerziehend und scheitert daran, all ihren drei Kindern wahre Gefühle entgegen zu bringen. Die Vergangenheit holt sie ein und lässt sie nicht mehr los, sodass Veronika an einem Punkt angelangt, der ihr das Leben kosten könnte.

Schon in "Glückskind" ist die Sprache der Situation angepasst und wenig ausschweifend, manchmal recht simpel. Dies verstärkte sich nun in "Marie" noch weiter, machte es mir dabei schwer, mich hineinzufinden und daran zu gewöhnen.
Die Wiedergabe der Gedanken der einzelnen Protagonisten war beispielsweise nicht, wie sonst üblich, in Anführungszeichen gesetzt. Vielmehr erschien sie einfach so im Text, sodass mitten im Satz auf einmal nach dem Komma ein ganz neuer Satz (mit Großbuchstabe) erscheint. Das störte mich zunehmend. Oder wenn „Tunnel“ im Plural als „Tunnels“ bezeichnet werden, riss mich das immer wieder aus der Geschichte.

Veronika Kelber ist am Ende ihrer Kräfte und Chiara gegenüber außerdem völlig gefühllos. Das erschloss sich mir nicht ganz, ist aber wiederum auch nicht sehr weit her geholt, wenn man die Vorgeschichte der beiden bedenkt. Was mich aber noch mehr irritierte, war die Unselbstständigkeit Chiaras. Sie wirkte viel jünger als eine Schulanfängerin. Sind Kinder, die viel sich selbst überlassen sind, nicht eigentlich eher selbstständiger als andere in ihrem Alter? Chiara sollte in der Lage sein, sich selbstständig anzuziehen oder zu duschen, stattdessen muss das der arme Frido übernehmen. Hier erschien mir die aktuelle Situation künstlich zugespitzt.
Dass der Vater der Kinder so egoistisch ist und Veronika die Arbeit mit den Kindern größtenteils allein überlässt, sich sogar dagegen wehrt, auch einmal alle drei Kind auf einmal zu betreuen, ist für mich unverständlich. Auch Irene, die neue Frau an seiner Seite (inklusive gemeinsamen Kleinkind), ist herzlos. Sollte sie nicht mehr Muttergefühle haben, auch wenn es nicht ihre eigenen sind? Stattdessen nutzt sie Frido als Babysitter für die eigene kleine Tochter aus.
Alle Schuld wird Veronika angelastet, dabei ist sie wohl diejenige, die dringend Hilfe benötigen würde.

In der Geschichte kommen viele verschiedene Perspektiven zum Tragen, eigentlich kommt jeder Protagonist (Veronika, Frido, Mira, Chiara, der Vater und die neue Frau) einmal zu Wort. Ich glaube das tat der Handlung nicht gut. Es fällt dadurch schwer, sich in einen Hauptprotagonisten hinein zu versetzen, wie es beispielsweise bei "Glückskind" ganz leicht der Fall war. Dadurch war die Lektüre des Buches eher zähflüssig. Alles in allem war es natürlich sehr spannend zu sehen, wie eine kleine Familie an den Abgrund geraten kann, aber mit vollem Herzen war ich beim Lesen leider nicht dabei.

Veröffentlicht am 29.03.2018

Als Jostein Gaarder Fan war ich ziemlich enttäuscht

Ein treuer Freund
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Mit "Sofies Welt" fing bei mir alles an. Ich wurde Fan von Jostein Gaarder und habe wohl so ziemlich alle seiner Bücher gelesen. Da freute ich mich, als ich von "Ein treuer Freund" erfuhr und es an meinem ...

Mit "Sofies Welt" fing bei mir alles an. Ich wurde Fan von Jostein Gaarder und habe wohl so ziemlich alle seiner Bücher gelesen. Da freute ich mich, als ich von "Ein treuer Freund" erfuhr und es an meinem Geburtstag geschenkt bekam. Leider enttäuschte mich das Buch recht schnell, die Handlung kam nur schleppend in Gang und die Wendung in der Geschichte überraschte mich und weckte bei mir ein eher befremdliches Gefühl.

Jostein Gaarder (geboren 1952 in Oslo) studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften. Nachdem er zunächst als Lehrer tätig war, konzentriert er sich inzwischen ganz auf das Schreiben. 1993 erschien "Sophies Welt" in deutscher Sprache. Sein Debüt wurde sofort zum Weltbestseller und seine darauf folgenden Romane wie "Der Geschichtenverkäufer", "Das Orangenmädchen" oder "Die Frau mit dem roten Tuch" waren ebenfalls sehr erfolgreich. Gaarders Werke haben einen philosophischen Hintergrund und richten sich oft auch an Kinder und Jugendliche.

In "Ein treuer Freund" erzählt Jostein Gaarder die Geschichte eines Außenseiters, der seinen Weg im Leben sucht. Jakob Jacobson heißt er. Er ist schüchtern und hat nur wenige Kontakte. Bis auf seinen Freund Pelle, der ihn bereits seit der Kindheit begleitet, lebt er eher einsam. Er war zwar verheiratet, doch die Ehe hielt nicht und so kommt es, dass Jakob fremde Beerdigungen besucht und damit versucht Anschluss zu finden. Als er Agnes kennenlernt, ist er sofort fasziniert und verliebt. Sie ist es, welche er seine Geschichte in einem Brief erzählt.

Wie bereits zu Beginn erwähnt, fiel mit der Einstieg in das Buch etwas schwer. Die Geschichte wirkte eher langatmig und ermüdend und wäre es nicht Jostein Gaarder, hätte ich das Buch vielleicht sogar zur Seite gelegt.
Bei wem es sich um Pelle dann genau handelt, überraschte mich und ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich vielleicht doch etwas falsch verstanden habe. Damit habe ich absolut nicht gerechnet und der Gedanke daran befremdete mich schon sehr.
Die sprachwissenschaftlichen und etymologischen Ausflüge hingehend interessierten mich als Geisteswissenschaftlerin sehr und ich las sie mit Spannung. Da waren die Herkünfte der Vor- und Nachnamen (bei denen auch Gaarder – Seite 182 – und Jostein – Seite 194- nicht fehlten) erfrischend und interessant.

„Und warum bin ich dermaßen besessen von sprachlichen Verwandtschaftsbeziehungen? Die Antwort ist fast peinlich einfach: Ich selbst habe im Grunde keine Verwandtschaft vorzuweisen. Ich habe keine andere Großfamilie, mit der ich mich auseinandersetzen könnte, als die indogermanische Sprachfamilie.“ (Seite 183)

Jakob, der Hauptprotagonist des Werkes, ist ein einsamer Mensch, der nie eine richtige Familie hatte und somit auf den Beerdigungen fremder Menschen versucht, Kontakte zu knüpfen und ein Stück weit dazu gehören zu können. Das stimmt den Leser doch sehr traurig und nachdenklich. Jakob lebt in seinen eigenen erfundenen Geschichten, nimmt an dem tatsächlichen Leben dabei nicht mehr Teil. Ob er sich am Ende wirklich selbst gefunden hat, kann ich nicht sagen. Das Ende lässt einen eher traurig zurück.

"Ein treuer Freund" ist in gewissem Sinne schon ein typischer Gaarder Roman, jedoch überzeugt er nicht mal ansatzweise, wie seine bisher erschienenen Romane. Die Idee der Geschichte ist prinzipiell wirklich gut, was daraus aber gemacht wurde, erreichte mich leider nicht wirklich.