Wir befinden uns im Jahr 1785 und begleiten den verwitwete Mr. Hancock. Er ist Kaufmann und ist selten mal ein Risiko eingegangen. Dies muss er aber gezwungenermaßen tun, als sein Schiffskapitän nach einer langen Reise wieder zurück kommt und statt dem versprochenen Schiff voller Güter aus aller Welt mit nichts geringerem als einer Meerjungfrau zurück kehrt. Mr. Hancock ist schockiert, da er viele seiner Kunden enttäuschen muss, eine ganze Schiffsladung und ein Schiff für das leblose Wesen verloren hat. Durch das Zureden seines Kapitäns beschließt Hancock, von der Meerjungfrau zu profitieren und ist in wenigen Wochen so reich wie nie zuvor. Durch sein neues Geld und die Meerjungfrau lernt er Angelica kennen, deren Beruf man heute vermutlich mit einem Escort-Girl gleichstellen könnte, und Hancock versucht, ihre Gunst zu gewinnen. Damit diese ihm aber Aufmerksamkeit schenkt, verlangt Angelica eine neue Meerjungfrau, ganz für sich alleine.
Mr. Hancock war ein Protagonist, dessen Handlungen zwar nicht mit Action durchgeführt wurden, aber er konnte mich trotzdem für sich gewinnen. Er ist kein gerissener Geschäftsmann, der sich sein Geld durch Betrügereien verschafft, sondern ehrlich dafür arbeitet und auch sein Glück kaum fassen konnte, als er auf einmal ein reicher Mann war. Er wurde zwar etwas hilflos und seltsam dargestellt, war mir persönlich allerdings am sympathischsten im ganzen Buch.
Angelica ist eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, sich aber in fast jede Situation sehr dramatisch gezeigt hat. Sie durchläuft im Laufe des Buches einen unfassbaren Wandel, legt aber einen fundamentalen Trotz an den Tag, mit dem ich nicht so recht warm werden wollte. Ohne sie wäre die Geschichte aber wirklich nicht vorstellbar und ich muss zugeben, dass sie mir gegen Ende hin sogar ein klein wenig ans Herz gewachsen ist.
Das Buch trägt den Zweittitel „Oder wie Jonah Hancock über Nacht zum reichen Mann wurde“, was meiner Meinung auch sehr viel besser zum Buch passt. Die Meerjungfrau war nicht die gesamte Handlung über präsent, sondern tauchte mal hier mal da immer wieder im Laufe der Geschichte auf. Etwas unsicher würde ich die Meerjungfrau als roten Faden der Geschichte bezeichnen. Wenn man das außer Acht lässt, hat sich das Buch allerdings wirklich für mich gelohnt. Ich habe selten ein so detailliertes Portrait einer vergangenen Zeit in den Händen gehalten wie ich es hier von Imogen Hermes Gowar präsentiert bekommen habe. Zu sehen, wie sich die Gesellschaft damals verhielt, was tatsächlich erlaubt war und was nicht und wo die Grenzen des guten Benehmens waren, hat mich unfassbar fasziniert und ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr hinaus.
Ein letztes Wort zum Schreibstil: Ich würde ihn als einfach und leicht verständlich beschreiben. Er hat mir gut gefallen, war meiner Meinung nach unkompliziert und hat mich an das Geschehen fesseln können. Ich habe mir London und alle beschriebenen Orte genau vorstellen können.
Das Buch ist im übrigen auffällig schön gestaltet, wobei ich mich nicht nur auf das Cover beziehe. Es fühlte sich unfassbar hochwertig an und ist selbst ohne Schutzumschlag ein wahres Schmuckstück.
Meine Bewertung: 4/5