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Veröffentlicht am 21.11.2021

„Es kommt nicht darauf an, was man getan hat. Es kommt darauf an, was die Leute denken, was man getan hat.“

Wallis und Edward. Eine Liebe, stärker als die Krone
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Die Geschichte von Wallis Simpson, die die britische Monarchie in ihren bis dato wohl größten Skandal verwickelt hat, kennt in Großbritannien wohl jedes Kind. Bei uns im deutschsprachigen Raum könnte ich ...

Die Geschichte von Wallis Simpson, die die britische Monarchie in ihren bis dato wohl größten Skandal verwickelt hat, kennt in Großbritannien wohl jedes Kind. Bei uns im deutschsprachigen Raum könnte ich mir vorstellen, dass die jüngere Generation von ihr noch nie etwas gehört hat. Aber nach der Lektüre dieses Buches frage ich mich: stimmt die Geschichte wirklich so, wie sie von den Medien (oftmals einer Hetzjagd gleich) übermittelt wurde? War es wirklich die egoistische Wallis, die den britischen König dazu gebracht hat, sich zwischen ihr und der Krone zu entscheiden und letztlich abzudanken? Oder waren die wahren Beweggründe doch etwas andere?

 

Ich habe es nicht sofort gemerkt, aber im Laufe des Lesens wurde mir klar – dieses Buch bricht eine Lanze für Wallis Simpson, die von den Medien als rücksichtslose, selbstsüchtige, kaltherzige Frau dargestellt wird. Eine Frau, die den Prinzen manipuliert und für ihre Zwecke ausnutzt. Na, kommt euch daran irgendwas bekannt vor? 😉 Ich mein ja nur… (Sehr amüsant übrigens das Zitat am Ende des Buches, als Wallis dem jungen Prinz Charles gegenüber sinniert: „Das Letzte was diese Familie braucht, ist eine weitere geschiedene Frau. Und vor allem keine Amerikanerin.“) Ich musste schon sehr schmunzeln…

 

Das Buch beschäftigt sich sehr eingehend mit der Person Wallis und ihrem Lebensweg bis zu dem Tag, an dem König Edward abdankt. Dazwischen werden in kurzen, eingeschobenen Kapiteln Sequenzen vom Tag seiner Beerdigung eingeflochten. Ein Ereignis, bei dem Wallis – dann mit Ende 70 schon eine betagte Frau – anwesend sein will und doch immer noch Angst hat vor dem Echo, das ihre Anwesenheit in Windsor auslösen wird. Wie tief müssen die Kränkungen und Schmähungen gegangen sein!

 

Wallis‘ Geschichte ist wahrscheinlich voller Missverständnisse. Im Buch lässt die Autorin Lord Mountbatten Folgendes sagen: „So ist es nun mal mit der Geschichte, Wallis. Es kommt nicht darauf an, was Sie getan haben. Es kommt darauf an, was die Leute denken, was Sie getan haben.“

 

Wallis hatte kaum eine Chance, den monarchistisch verklärten Briten nahezubringen, was sie als Privatperson erkannt hatte: Edward wollte nicht König sein. Schon als Kronprinz machte er keinen Hehl daraus, dass er seinen Bruder Bertie und dessen Frau Elizabeth für das geeignetere Regentenpaar hielt. Er selbst war nicht verheiratet, wollte keine Kinder – ein No go in der Monarchie. Er hasste es, zu repräsentieren, wollte eigentlich die Monarchie reformieren – erkannte  aber gleichzeitig, dass das in der altehrwürdigen Institution ein hoffnungsloses Unterfangen war – zumal die Briten selbst es scheinbar nicht mittragen würden.

 

Und dann verliebte er sich unsterblich in Wallis Simpson, die bereits einmal geschieden und zu dem Zeitpunkt erneut verheiratet war. Wallis selbst hegte ebenfalls große Gefühle für den Prinzen. Aber ihr war auch bewusst, dass sie nicht standesgemäß für ihn war. Sie versuchte, die Dinge so zu arrangieren, dass sie und Edward ihre Liebe ausleben und gleichzeitig eine gewisse Diskretion wahren konnten. Doch Edward war wild entschlossen, sie zu heiraten. Sein Vater starb und pro forma war er nun König, wenn auch noch nicht offiziell gekrönt. Und da sah er plötzlich, dass Wallis ihm einen perfekten Ausweg aus seiner hoffnungslosen Situation bot: einen Grund, abzudanken.

 

Die Autorin Wendy Holden verklärt in ihrer Darstellung der Liebesgeschichte die Beziehung zwischen Edward und Wallis nicht. Edward ist nicht nur der liebeskranke Mann, der schlichtweg alles für die Frau seines Lebens tun würde. Ohne Frage – sie WAR die Liebe seines Lebens. Doch er war auch nicht dumm und hat sie vielleicht doch an einer Stelle instrumentalisiert und ihr damit wissentlich einen irreparablen Imageschaden zugefügt. Dass sie ihm das verziehen hat und ihr Leben lang an seiner Seite geblieben ist, dürfte zeigen, dass auch Wallis Edward über alle Maßen geliebt haben muss.

 

 

Fazit:

Wendy Holden erzählt facettenreich, vielschichtig und mitreißend eine der größten Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts – und stellt eine These auf, die Wallis Simpson zu großen Teilen von ihrer „Schuld“ an Edwards Abdankung rehabilitiert. Ein emotionales Statement dafür, dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Hulda vor einer großen Entscheidung

Fräulein Gold: Die Stunde der Frauen
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Wer die ersten Bände von Fräulein Gold kennt, der weiß: Hulda kann sich nicht raushalten. Sie ist Hebamme mit Leidenschaft, hat eine Meinung und verteidigt sie auch. Sie ist eine der wenigen Frauen, die ...

Wer die ersten Bände von Fräulein Gold kennt, der weiß: Hulda kann sich nicht raushalten. Sie ist Hebamme mit Leidenschaft, hat eine Meinung und verteidigt sie auch. Sie ist eine der wenigen Frauen, die 1925 in Berlin mit 30 immer noch unverheiratet sind und einem Beruf nachgehen. Doch ihr Gerechtigkeitssinn und ihr Bedürfnis zu helfen bringen sie immer wieder in schwierige, manchmal auch gefährliche, Situationen.

 

So auch diesmal. Hulda kann sich noch nicht recht dazu durchringen, den Weg für eine gemeinsame Zukunft mit dem Arzt Johann freizumachen. Zu sehr ängstigt sie die noble Herkunft ihres Liebsten und sie weiß, dass in diesen Kreisen eine Ehefrau nur schmückendes Beiwerk zu sein hat. Und obwohl Johann immer wieder betont sie nicht einschränken zu wollen, zweifelt Hulda. So wie sie schon immer gehadert hat, wenn es um ihre Liebesbeziehungen ging.

 

Auf einem Empfang bei Freunden von Johanns betuchter Familie kommt Hulda einem Skandal auf die Spur – ein Dienstmädchen wurde schwanger aus dem Haus gejagt. Was steckt dahinter und wieso ist sie im Besitz eines Gemäldes, das sie als ihre „Lebensversicherung“ bezeichnet? Hulda kann es wie immer nicht lassen und fängt an zu recherchieren…

 

Auch in diesem Band spielen wieder die Rolle der Frau in der Gesellschaft der 1920er Jahre und die Doppelmoral des § 218 eine entscheidende Rolle. An mehreren Beispielen aus den unterschiedlichsten Bereichen zeigt Anne Stern die Situation der Frauen in dieser Zeit auf und beschreibt, wie sich vereinzelt Widerstand regt. Doch wer auf Selbstbestimmung pocht, hat es schwer im Berlin des Jahres 1925.

 

Besonders gefesselt hat mich die Geschichte mal wieder durch die wunderbare Erzählkunst von Anne Stern. Sie beschreibt Alltagssituationen so plastisch und detailliert, dass man immer das Gefühl hat, an Huldas Seite durch Berlin zu gehen und die Stadt mit ihren Augen zu sehen. Das liebe ich an den Büchern der Reihe.

 

Während es Hulda erwartungsgemäß gelingt, das Geheimnis um das Dienstmädchen und ihr Gemälde aufzuklären, spitzt sich Huldas private Situation aber immer mehr zu. Es scheint unausweichlich, dass sie sich entscheiden muss – für oder gegen ein Leben (und eine Ehe) mit Johann Wenckow. Die letzten 100 Seiten halten hierzu einen Plottwist bereit, mit dem ich nicht gerechnet hatte – und der Huldas Situation völlig auf den Kopf stellt. Und nun warte ich sehnsüchtig darauf zu erfahren, wie es mit Hulda weitergeht – doch das wird leider erst im September 2022 aufgeklärt, wenn der 5. Band von Fräulein Gold erscheint.

 

Fazit:

Für mich neben dem Auftaktband das bisher beste Buch der Reihe, das vor allem durch seine bildhaften Schilderungen des Berliner Alltags im Jahr 1925 besticht. Anne Stern ist einfach eine großartige Erzählerin!

 

 

 

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Aber bitte mit Sahne!

Das Kaffeehaus - Geheime Wünsche
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Wer einmal die besondere Atmosphäre eines Wiener Kaffeehauses erlebt hat, weiß, dass diese Cafés einen ganz eigenen Charme haben. Man fühlt sich zurückversetzt in die Welt der österreichischen Monarchie ...

Wer einmal die besondere Atmosphäre eines Wiener Kaffeehauses erlebt hat, weiß, dass diese Cafés einen ganz eigenen Charme haben. Man fühlt sich zurückversetzt in die Welt der österreichischen Monarchie unter dem (oft verklärten) Regentenpaar Sisi und Franz Joseph.

 

Marie Lacrosse ist es gelungen, ein solches Kaffeehaus – hier das fiktive Café Prinzess – in seiner Glanzzeit zum Ende des 19. Jahrhunderts zu porträtieren und die Stimmung rund um dieses Etablissement und die Menschen, die darin arbeiten, perfekt einzufangen.

 

Möglicherweise scheut sich der eine oder andere, das mit 720 Seiten wirklich sehr umfangreiche Buch zur Hand zu nehmen – aber ich kann sagen, dass es sich richtig gut „wegliest“ – man spürt es gar nicht, wie man durch die Seiten rast Denn die Geschichte bleibt über die gesamte Länge spannend (was auch daran liegt, dass sich die Handlung über mehrere Jahre erstreckt und dadurch viel Raum für Erlebnisse der Protagonisten bietet, ohne dass diese künstlich „gestreckt“ oder zu detailverliebt erzählt werden.

 

Wir folgen vor allem Sophie von Werdenfels, die in ihren jungen Jahren schon eine „Karriere“ hinter sich hat – sie war Hofdame bei Kaiserin Elisabeth, hat sich aus diesem für sie einengenden Stand jedoch zum Ende des 2. Bandes „herausgekämpft“. Nun, in diesem 3. Teil, erbt sie von ihrem geliebten Onkel Stephan das Café Prinzess und muss sich die Geschäftsführung mit seinem langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter Toni teilen. Doch das geht nicht ohne Reibereien. Während die junge Sophie den Kopf voller Ideen hat, die sie lieber heute als morgen umsetzen würde, steht der weit ältere Toni diesen Ideen sehr skeptisch gegenüber und ist bei weitem nicht so innovativ wie Sophie.

 

Daneben wird auch das Leben von Sophies großer Liebe, Richard von Löwenstein, weiterverfolgt. Der Offizier befindet sich noch immer in einer lieblosen Ehe – kann sich aber aufgrund der Gegebenheiten im Hochadel nicht einfach so scheiden lassen. Es würde einen Skandal geben, der nicht nur ihm, sondern auch seiner Frau und den Familien auf lange Zeit anhaften würde.

 

Großen Wert legt das Buch auf die Darstellung des Frauenbildes der damaligen Zeit und wie diese langsam versuchen, sich gegen die Unterdrückung in der Ehe und im Beruf zur Wehr zu setzen. Dazu gehört auch der Handlungsstrang, in dem Sophie als Arbeitgeberin sich in Frauenrechtsvereinen engagiert und für bessere Arbeitsbedingungen (mit-)kämpft. Meistens wird in Büchern ja aus der Sicht betroffener Arbeiterinnen geschrieben, hier ist interessant, dass die Sicht von Sophie als Unternehmerin der Ausgangspunkt ist.

 

Wie schon in den beiden vorigen Bänden hat mich besonders wieder das Nachwort fasziniert, in dem die Autorin noch einmal zusammengefasst, welche Geschehnisse sie tatsächlich historischen Belegen entnommen hat. Denn ein großer Teil der geschilderten Begebenheiten hat tatsächlich stattgefunden – wenn auch zum Teil in einem etwas anderen Kontext. Ich finde es bewundernswert, wie sie es schafft, diese historisch belegten Ereignisse so in die Handlung einzuweben, dass sie als „runder“ Teil der Geschichte fungieren, gleichzeitig aber sehr exakt die historischen Zusammenhänge wiedergeben. Dafür liebe ich die Bücher von Marie Lacrosse!

 

Wer an der Geschichte der Habsburgermonarchie und der Stadt Wien interessiert ist, sollte sich die „Kaffeehaus-Trilogie“ auf keinen Fall entgehen lassen! Dass die Bücher jeweils 600 - 700 Seiten haben, sollte keinen abschrecken – sie lesen sich wirklich super schnell weg. Und ich wünsche der Autorin von Herzen, dass die Trilogie sich verkauft wie – um es mal umgangssprachlich zu formulieren – geschnittene Mokkaprinzentorte…

 

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Veröffentlicht am 22.10.2021

Komplex und großartig

Die Früchte, die man erntet
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Eine gefühlte Ewigkeit hat es gedauert, bis endlich ein neuer Fall für Sebastian Bergman in den Buchläden stand. Drei Jahre und eine globale Pandemie nach dem letzten Band. Hjorth & Rosenfeldt lassen diese ...

Eine gefühlte Ewigkeit hat es gedauert, bis endlich ein neuer Fall für Sebastian Bergman in den Buchläden stand. Drei Jahre und eine globale Pandemie nach dem letzten Band. Hjorth & Rosenfeldt lassen diese Zeit auch in ihrem neuen Roman verstreichen und so setzt „Die Früchte, die man erntet“ nach der Corona-Pandemie an.

 

Auch für die Ermittler sind drei Jahre vergangen und deshalb müssen die Leser erst einmal wieder auf Stand gebracht werden, was die Hauptfiguren in der Zwischenzeit erlebt haben und wo sie nun in ihrem Leben stehen. Sebastian hat sich aus der Reichsmordkommission zurückgezogen und praktiziert wieder als Psychologe. Und er ist mit Ursula zusammen. Sein Leben verläuft verhältnismäßig ruhig, seit es Amanda gibt, seine Enkeltochter. (Kenner der Reihe erinnern sich, dass es da zuletzt noch ein kleiiiiines Problem gab – in diesem Band wartet die Auflösung). Vanja hat inzwischen Torkel „beerbt“ und leitet die Reichsmordkommission. Und Billy und My erwarten Zwillinge.

 

So weit, so normal. Doch die Normalität – das wird schnell klar – existiert nur oberflächlich. Und unter dieser Oberfläche zeigen sich schnell Risse.

 

Und so ist es auch diesmal wieder wie in den letzten Krimis dieser Reihe: weit interessanter als der eigentliche Fall sind die Entwicklungen im Team. Alle Leser des letzten Bandes hatten eigentlich nur eine Frage im Kopf: wie geht es mit Billy weiter? Und diese Frage, soviel kann ich verraten, wird in diesem Roman ausführlich beantwortet!

 

Das Buch, das am Anfang fast schon gemächlich daherkommt und dessen eigentlicher Kriminalfall nach 300 von 500 Seiten abgeschlossen ist, verwandelt sich spätestens ab der Hälfte in einen echten Pageturner und hält auch diesmal am Ende wieder eine faustdicke Überraschung bereit. Es ist unglaublich, wie die Autoren es jedes Mal schaffen, der mittlerweile echt komplexen Geschichte noch weitere Twists hinzuzufügen und die Leser mit einem fiesen Cliffhanger aus dem Buch zu entlassen.

 

Und so ist es wie jedes Mal nach einem Hjorth & Rosenfeldt: die große Frage lautet, wie lange müssen wir diesmal warten, bis das nächste Buch erscheint??? (und ich möchte hier schon mal kritisch anmerken, dass 3 Jahre DEFINITIV zu lange waren!!!) Ich kann es jetzt schon kaum erwarten das nächste Buch in der Hand zu halten!

Fazit:

1.     Großartiger Plot.

2.     Großartig entwickelte Figuren (Neulinge der Reihe bitte Finger weg und bei Band 1 anfangen – keine Angst, das lohnt sich!!!)

3.     Großartiger Cliffhanger.

4.     Absolut nicht großartig: die Wartezeit bis zum nächsten Teil!

 

 

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Veröffentlicht am 12.10.2021

Ein echtes Abenteuer!

Der Teepalast
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Elisabeth Herrmann mal ganz anders! Die für ihre komplexen Krimis und Thriller bekannte Autorin ging mit diesem Buch neue Wege – sie wagte sich an einen historischen Stoff und schlägt mit diesem Roman ...

Elisabeth Herrmann mal ganz anders! Die für ihre komplexen Krimis und Thriller bekannte Autorin ging mit diesem Buch neue Wege – sie wagte sich an einen historischen Stoff und schlägt mit diesem Roman ganz neue Töne an. Ich kann schon mal verraten – ohne ein paar Todesfälle kommt auch dieses Buch nicht aus 😉, aber hier geht es um den abenteuerlichen, wenn nicht sogar aberwitzigen Lebensweg einer jungen Frau aus ärmlichen Verhältnissen.

 

In bester Tradition klassischer Abenteuerromane erzählt Elisabeth Herrmann ihre Geschichte von dem Mädchen aus ärmlichsten Verhältnissen hin zur Besitzerin des „Teepalasts“ in ihrer norddeutschen Heimat.

 

Ich kenne mittlerweile so einige historische Frauenromane, aber dieser hier hebt sich definitiv aus der Masse heraus. Das liegt nicht allein an dem stolzen Umfang von 653 Seiten, sondern vor allem an der Art, wie Frau Herrmann diese Geschichte erzählt. Eigentlich würde man diese Art von Story bei einem männlichen Protagonisten erwarten – keinesfalls bei einer Frau im Jahre 1834. Denn sie geht sehr selbstbewusst ihren Weg, ist äußerst risikofreudig und nie um eine Ausrede oder einen Trick verlegen.

 

Und so liest sich ihre Geschichte rasant und spritzig, sie stürzt von einem Abenteuer ins nächste und das macht unheimlich Spaß zu lesen.

 

Was mich nur ab und an ein wenig störte, ist die Art und Weise, wie Lene immer weiterkommt auf ihrer Reise. Es sind immer wieder die „perfekten Zufälle“, die ihr helfen. Im richtigen Moment trifft sie immer genau denjenigen, der ihr in Kürze weiterhelfen kann, wenn ihr Weg versperrt scheint und ihre Lage scheinbar ausweglos ist. Das Gute: der Leser kann sich zurücklehnen und weiß – wird schon weitergehen! Aber dadurch hat die Geschichte bei mir ein wenig an Glaubhaftigkeit eingebüßt. Es ist so ein wenig, als würde einem jemand eine abenteuerliche Seefahrergeschichte erzählen, bei der man nie weiß, was wirklich passiert ist oder hätte passieren können…

 

Aber andererseits macht genau das auch den Reiz der Story aus, denn ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann ich das letzte Mal eine solch monumentale Geschichte gelesen habe, die sich über mehrere Kontinente spann und einfach überwältigend ist. Die Autorin fängt das karge Leben in Friesland ebenso ein wie die prachtvollen Salons in London, das beengte Zusammenrücken auf einem Schiff auf dem Weg nach Asien ebenso wie die fremde Kultur Indiens… Sie schafft es, dass man meint, alles mit allen Sinnen erleben zu können beim Lesen und das macht einen guten Roman aus!

 

Deshalb kann ich dieses Buch allen empfehlen, die mal wieder Lust auf eine Geschichte haben, bei der sie völlig eintauchen können in die Vergangenheit. Das Lesegefühl bei diesem Buch ist einfach etwas ganz Besonderes!

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