„Es kommt nicht darauf an, was man getan hat. Es kommt darauf an, was die Leute denken, was man getan hat.“
Wallis und Edward. Eine Liebe, stärker als die KroneDie Geschichte von Wallis Simpson, die die britische Monarchie in ihren bis dato wohl größten Skandal verwickelt hat, kennt in Großbritannien wohl jedes Kind. Bei uns im deutschsprachigen Raum könnte ich ...
Die Geschichte von Wallis Simpson, die die britische Monarchie in ihren bis dato wohl größten Skandal verwickelt hat, kennt in Großbritannien wohl jedes Kind. Bei uns im deutschsprachigen Raum könnte ich mir vorstellen, dass die jüngere Generation von ihr noch nie etwas gehört hat. Aber nach der Lektüre dieses Buches frage ich mich: stimmt die Geschichte wirklich so, wie sie von den Medien (oftmals einer Hetzjagd gleich) übermittelt wurde? War es wirklich die egoistische Wallis, die den britischen König dazu gebracht hat, sich zwischen ihr und der Krone zu entscheiden und letztlich abzudanken? Oder waren die wahren Beweggründe doch etwas andere?
Ich habe es nicht sofort gemerkt, aber im Laufe des Lesens wurde mir klar – dieses Buch bricht eine Lanze für Wallis Simpson, die von den Medien als rücksichtslose, selbstsüchtige, kaltherzige Frau dargestellt wird. Eine Frau, die den Prinzen manipuliert und für ihre Zwecke ausnutzt. Na, kommt euch daran irgendwas bekannt vor? 😉 Ich mein ja nur… (Sehr amüsant übrigens das Zitat am Ende des Buches, als Wallis dem jungen Prinz Charles gegenüber sinniert: „Das Letzte was diese Familie braucht, ist eine weitere geschiedene Frau. Und vor allem keine Amerikanerin.“) Ich musste schon sehr schmunzeln…
Das Buch beschäftigt sich sehr eingehend mit der Person Wallis und ihrem Lebensweg bis zu dem Tag, an dem König Edward abdankt. Dazwischen werden in kurzen, eingeschobenen Kapiteln Sequenzen vom Tag seiner Beerdigung eingeflochten. Ein Ereignis, bei dem Wallis – dann mit Ende 70 schon eine betagte Frau – anwesend sein will und doch immer noch Angst hat vor dem Echo, das ihre Anwesenheit in Windsor auslösen wird. Wie tief müssen die Kränkungen und Schmähungen gegangen sein!
Wallis‘ Geschichte ist wahrscheinlich voller Missverständnisse. Im Buch lässt die Autorin Lord Mountbatten Folgendes sagen: „So ist es nun mal mit der Geschichte, Wallis. Es kommt nicht darauf an, was Sie getan haben. Es kommt darauf an, was die Leute denken, was Sie getan haben.“
Wallis hatte kaum eine Chance, den monarchistisch verklärten Briten nahezubringen, was sie als Privatperson erkannt hatte: Edward wollte nicht König sein. Schon als Kronprinz machte er keinen Hehl daraus, dass er seinen Bruder Bertie und dessen Frau Elizabeth für das geeignetere Regentenpaar hielt. Er selbst war nicht verheiratet, wollte keine Kinder – ein No go in der Monarchie. Er hasste es, zu repräsentieren, wollte eigentlich die Monarchie reformieren – erkannte aber gleichzeitig, dass das in der altehrwürdigen Institution ein hoffnungsloses Unterfangen war – zumal die Briten selbst es scheinbar nicht mittragen würden.
Und dann verliebte er sich unsterblich in Wallis Simpson, die bereits einmal geschieden und zu dem Zeitpunkt erneut verheiratet war. Wallis selbst hegte ebenfalls große Gefühle für den Prinzen. Aber ihr war auch bewusst, dass sie nicht standesgemäß für ihn war. Sie versuchte, die Dinge so zu arrangieren, dass sie und Edward ihre Liebe ausleben und gleichzeitig eine gewisse Diskretion wahren konnten. Doch Edward war wild entschlossen, sie zu heiraten. Sein Vater starb und pro forma war er nun König, wenn auch noch nicht offiziell gekrönt. Und da sah er plötzlich, dass Wallis ihm einen perfekten Ausweg aus seiner hoffnungslosen Situation bot: einen Grund, abzudanken.
Die Autorin Wendy Holden verklärt in ihrer Darstellung der Liebesgeschichte die Beziehung zwischen Edward und Wallis nicht. Edward ist nicht nur der liebeskranke Mann, der schlichtweg alles für die Frau seines Lebens tun würde. Ohne Frage – sie WAR die Liebe seines Lebens. Doch er war auch nicht dumm und hat sie vielleicht doch an einer Stelle instrumentalisiert und ihr damit wissentlich einen irreparablen Imageschaden zugefügt. Dass sie ihm das verziehen hat und ihr Leben lang an seiner Seite geblieben ist, dürfte zeigen, dass auch Wallis Edward über alle Maßen geliebt haben muss.
Fazit:
Wendy Holden erzählt facettenreich, vielschichtig und mitreißend eine der größten Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts – und stellt eine These auf, die Wallis Simpson zu großen Teilen von ihrer „Schuld“ an Edwards Abdankung rehabilitiert. Ein emotionales Statement dafür, dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Unbedingt lesen!