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Veröffentlicht am 15.09.2016

Schockierende Einblicke in die Abgründe menschlicher Seelen - ein Psychothriller, der unter die Haut geht!

Pretty Baby - Das unbekannte Mädchen
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Wenn ein Buch den Titel Pretty Baby trägt, schreckt mich das zunächst ab, denn das Letzte, was ich hinter einem solchen Buchtitel vermuten würde, wäre ein ernstzunehmender und tiefgründiger Psychothriller. ...

Wenn ein Buch den Titel Pretty Baby trägt, schreckt mich das zunächst ab, denn das Letzte, was ich hinter einem solchen Buchtitel vermuten würde, wäre ein ernstzunehmender und tiefgründiger Psychothriller. Der Untertitel, die Covergestaltung und vor allem der Klappentext waren aber sehr ansprechend, denn sonst wäre ich auf dieses Buch niemals aufmerksam geworden und hätte wirklich etwas verpasst.
Leider war der Einstieg in diesen Thriller ein bisschen zäh, denn auf den ersten 70 Seiten passiert recht wenig. Ich war fast versucht, Pretty Baby abzubrechen, denn Geduld gehört nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen, und wenn eine Geschichte so lange braucht, um endlich in Fahrt zu kommen, verliere ich recht schnell die Lust. Mein Durchhaltevermögen hat sich aber durchaus gelohnt, denn alles, was nach dem recht langatmigen Kennenlernen von Heidi Wood und dem obdachlosen Mädchen Willow passiert, war überaus spannend und hat mich bis zum Ende gefesselt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Heidi, ihrem Mann Chris und Willow erzählt. Da alle drei Personen ihre Erlebnisse und Gedanken aus der Ich-Perspektive schildern, kommt der Leser jedem der drei Hauptprotagonisten gleichermaßen nahe. Diese Erzählperspektive ist sehr geschickt gewählt, denn sie erlaubt es dem Leser, dasselbe Szenario und auch die jeweils anderen Personen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, macht es aber gleichzeitig auch schwer, eine eindeutige Identifikationsfigur auszumachen. Da man abwechselnd die Innenperspektive aller Hauptprotagonisten einnimmt und die Charaktere sehr vielschichtig und vor allem ambivalent angelegt sind, ist es für den Leser nahezu unmöglich, die Protagonisten richtig einzuschätzen oder für einen von ihnen Stellung zu beziehen.
Besonders interessant und auch berührend war für mich Willow, das obdachlose Mädchen, das Heidi Wood auf der Straße aufgabelt und mit nach Hause nimmt. Wenn man diese junge Frau aus Chris‘ Perspektive betrachtet, erscheint sie äußerst mysteriös und wenig vertrauenserweckend. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, warum ihm die Anwesenheit dieses rätselhaften Mädchens Angst macht und er sich um die Sicherheit seiner Familie sorgt. Sein Misstrauen rührt nicht von der Tatsache, dass Willow obdachlos und sehr verwahrlost ist, sondern vielmehr von ihrem verstockten, aber gleichzeitig auch aggressiven und rebellischen Verhalten her. Chris spürt, dass mit diesem Mädchen etwas nicht stimmt und stellt Nachforschungen zu ihrer Identität an. Was hinter Willows seltsamen Verhalten steckt, warum sie ihre Herkunft verschweigt und welcher Weg sie in die Obdachlosigkeit führte, erfährt der Leser jedoch nicht durch Chris, sondern aus Willows Perspektive. Nach und nach offenbart sich so das furchtbare Schicksal, das dieses junge Mädchen erleiden musste. Die Rückblenden in ihre Vergangenheit waren sehr erschütternd und stimmten mich überaus nachdenklich und traurig, denn was dieses Mädchen in ihrer Kindheit erfahren musste, ließ mich wirklich erschaudern. Auch wenn sie sich nach außen mitunter aggressiv verhält, verbirgt sich hinter dieser störrischen jungen Frau ein äußerst zerbrechliches und schwerst traumatisiertes Kind.
Das Letzte, was ein Mädchen in ihrer Situation braucht, ist jemand wie Heidi. Zu Beginn des Buches war ich wirklich beeindruckt von dieser engagierten Frau, die sich aufopferungsvoll um andere kümmert und auch gegen den Willen ihres Mannes alles tut, um Willow zu helfen. Aber je weiter ich in die Gedankenwelt von Heidi vordrang, umso mehr ging sie mir auf die Nerven. Allerdings wurde auch sie in der Vergangenheit von einem schweren Schicksalsschlag getroffen, sodass ich hin und wieder geneigt war, ein wenig Mitgefühl zu empfinden. Das Zusammentreffen mit Willow löst in Heidi jedenfalls etwas aus, dem sie sich nicht mehr entziehen kann. Die Veränderung, die nun mit ihr vorgeht und die vollkommen andere Ursachen hat, als man zunächst vermutet, nimmt jedoch irgendwann Formen an, für die ich kaum mehr Verständnis aufbringen konnte.
Und so rast die Begegnung dieser beiden traumatisierten Frauen unaufhaltsam auf einen Abgrund zu, der sich zwar recht früh ankündigt, dessen Ausmaß jedoch nicht abzusehen ist. Leider sieht auch Heidis Ehemann Chris recht spät, wo die eigentlichen Gefahren lauern, scheint sich der Probleme, mit denen seine Frau seit Jahren kämpft, gar nicht bewusst zu sein und zieht deshalb zunächst vollkommen falsche Schlüsse, denen man als Leser zunächst Glauben schenkt, da sich die Wahrheit erst ganz allmählich offenbart.
Durch die gewählte Ich-Perspektive erhält der Leser sehr tiefe und detaillierte Einblicke in die Gedankenwelt jedes einzelnen Protagonisten und damit in die Abgründe menschlicher Seelen, sodass ich Pretty Baby nicht als Thriller, sondern vielmehr als Psychothriller, in weiten Teilen sogar eher als Psychodrama bezeichnen würde. Liebhaber des Thriller-Genres, die einen rasanten Plot erwarten, werden vermutlich enttäuscht sein, denn die Handlung plätschert recht gemächlich vor sich hin. Dennoch hat mich dieses Buch unglaublich gefesselt. Ich mag solche leisen Thriller, bei denen die psychologischen Hintergründe der Protagonisten genauestens beleuchtet werden und die Spannung eher subtil aufgebaut wird. Mary Kubica verzichtet vollkommen auf brutale und blutige Details, aber die Brutalität und Grausamkeit, die bei Willows Rückblicken in ihre Kindheit und Jugend zutage tritt, manchmal sogar nur angedeutet wird, war für mich äußerst schockierend und verstörend und ließ mich, selbst nachdem ich das Buch am Ende zugeklappt hatte, nachdenklich, traurig und betroffen zurück.

Abgesehen von der bedauerlichen und überflüssigen Durststrecke, die man zu Beginn überwinden muss, ist Pretty Baby von Mary Kubica ein überaus lohnenswerter und fesselnder Psychothriller, der unter die Haut geht und im Gedächtnis bleibt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein spannungsgeladener und bizarrer Psychothriller!

Die Flut
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Inhalt:
Julia freut sich sehr auf den bevorstehenden Urlaub mit ihrem Freund Michael. Das Paar möchte sich eine kleine Auszeit gönnen und gemeinsam mit Michaels Kollegen Andreas und dessen Ehefrau Martina ...

Inhalt:


Julia freut sich sehr auf den bevorstehenden Urlaub mit ihrem Freund Michael. Das Paar möchte sich eine kleine Auszeit gönnen und gemeinsam mit Michaels Kollegen Andreas und dessen Ehefrau Martina ein paar Wochen auf der Nordseeinsel Amrum verbringen. Mit Julias anfänglicher Vorfreude ist es jedoch schnell vorbei, denn Andreas‘ anzügliche Blicke sowie Martinas ständiges Genörgel und ihre Sticheleien lassen den Urlaub zu einer nervlichen Zerreißprobe werden. Als dann schon kurz nach ihrer Ankunft ein grausamer Mord geschieht, ist das Urlaubsidyll vollends zerstört. Ganz in der Nähe ihres Feriendomizils wurde bei Ebbe eine Frau am Strand bis zum Hals im Sand eingegraben, und während die Flut unaufhaltsam stieg, musste ihr Mann, der unmittelbar daneben an einem Pfahl festgebunden wurde, hilflos mitansehen, wie seine Frau vor seinen Augen langsam und qualvoll ertrank.
Obwohl Julia, nachdem sie im Dorf von dem Mord erfährt, ein wenig mulmig zumute ist und sie die Insel am liebsten sofort wieder verlassen würde, beschließt sie, gemeinsam mit Michael, Andreas und Martina auf Amrum zu bleiben. Doch schon bald wird sich zeigen, dass es klüger gewesen wäre, den Urlaub sofort abzubrechen.
Es bleibt nämlich nicht bei diesem einen Mord, denn der hochintelligente Täter will seine Genialität beweisen, indem er auf der bislang friedlichen, beschaulichen Nordseeinsel eine perfekte Mordserie begeht, von der die ganze Welt erfahren soll. Als Beamte der Kripo Flensburg zu dem Fall hinzugezogen werden und auf der Insel ankommen, gewinnt der Mörder erst richtig Spaß an seinem perfiden Spiel. Er möchte den ermittelnden Beamten zeigen, dass er viel zu intelligent ist, um jemals gefasst zu werden und unbehelligt weitermorden kann, während sie im Dunkeln tappen. Das nächste Liebespaar hat er bereits im Visier und hofft, dass er dieses Mal nicht wieder enttäuscht wird.

Meine persönliche Meinung:


Obwohl ich auf die Thriller von Arno Strobel schon lange neugierig bin, habe ich bislang noch kein Buch dieses Autors gelesen. Dem wollte ich nun dringend Abhilfe schaffen, denn ich mag deutsche Thriller sehr und finde es auch äußerst sympathisch, dass alle bisher erschienenen Bücher von Arno Strobel Einzelbände sind und man nicht gezwungen ist, sie in einer bestimmten Reihenfolge zu lesen. Der Klappentext seines aktuellsten Psychothrillers Die Flut klang besonders spannend, denn ein Mörder, der Liebespaare entführt, die Frau am Strand bis zum Hals im Sand eingräbt und ihren Mann daneben an einen Pfahl bindet, sodass er hilflos mitansehen muss, wie seine Frau, sobald die Flut einsetzt, langsam ertrinkt, ist selbst wenn man schon viele Thriller gelesen hat und einiges gewohnt ist, ein außergewöhnlich grausames Szenario .
Bereits das Setting hat mir sehr gut gefallen, denn auch ohne jemals auf Amrum gewesen zu sein, stelle ich mir diese Insel im Spätherbst, also der Jahreszeit, in der dieser Thriller spielt, ziemlich unheimlich und gruselig vor. Ich finde kleine Inseln, die nicht auf dem Landweg zu erreichen sind, generell etwas beklemmend, da äußerlich begrenzte Orte, die man nicht jederzeit verlassen kann, sondern dabei auf Fähren oder Schiffe angewiesen ist, mir ziemliches Unbehagen bereiten. Wenn auf einer solchen Insel dann auch noch ein grausamer Mörder sein Unwesen treibt, man sie nicht verlassen darf, solange die Polizei den Fall nicht aufgeklärt hat, man also weiß, dass der Täter noch ganz in der Nähe ist und sich unter einem recht kleinen und überschaubaren Personenkreis befindet, wäre meine persönliche Grenze dessen, was ich gelassen ertragen kann, definitiv überschritten. Auch wenn einige der Protagonisten in Die Flut diese Tatsache erstaunlich entspannt hinnehmen, ist es Arno Strobel sehr gut gelungen, diese klaustrophobische, düstere und beängstigende Stimmung auf der Insel einzufangen. Mit der Wahl dieses Schauplatzes gibt der Autor dem Mörder außerdem ein äußerst bizarres Tatwerkzeug an die Hand – die Flut, denn sie lässt den Opfern nicht nur einen überaus qualvollen Tod zuteilwerden, sondern erschwert auch die Aufklärung der Morde, da sich der Tatort quasi von selbst reinigt und die Tat nahezu keine Spuren hinterlässt.
Die angenehm kurzen Kapitel, die nicht nur aus der Perspektive von Julia und eines der ermittelnden Kriminalbeamten, sondern auch aus der des Täters geschildert werden, lassen die Spannung dieses Psychothrillers nie abreißen. Die Passagen, in denen der Mörder selbst zu Wort kommt, fand ich dabei besonders beeindruckend und verstörend. Vor allem sein Motiv hat mein Interesse geweckt, denn er wählt seine Opfer ganz gezielt aus und ist nur auf der Suche nach Paaren, die er zuvor beobachtet und dabei den Eindruck gewonnen hat, dass sie sich besonders lieben. Indem er die Frauen vor den Augen ihrer Männer ertrinken lässt, möchte er sehen, was Liebende empfinden, wenn das Leben des geliebten Partners langsam entweicht. Somit gleichen die Morde psychologischen Versuchsreihen, mit denen er das Wesen der Liebe zu ergründen versucht, das ihm selbst gänzlich fremd und unbekannt zu sein scheint. Außerdem möchte er mit seinen Taten berühmt werden und entscheidet sich ganz bewusst für die kleine beschauliche Nordseeinsel Amrum, weil sich dort bislang noch nie solche brutalen Gewalttaten zugetragen haben und er sicher sein kann, mit seinen Morden für Schlagzeilen zu sorgen. Die tiefen Einsichten in die Psyche dieses psychopathischen, aber überaus intelligenten Mörders haben mir ausgesprochen gut gefallen, während mich die Passagen, die aus der Perspektive des Ermittlers geschildert werden, manchmal etwas geärgert haben. Das lag vor allem an den Ermittlerfiguren, denn diese haben mich leider etwas enttäuscht. Abgesehen von der Tatsache, dass sie alle recht unsympathisch waren, leisteten sie eben auch nahezu keine Ermittlungsarbeit. Kriminalhauptkommissar Harmsen ist ein so widerwärtiger Kotzbrocken und als solcher so maßlos überzeichnet, dass dieser Charakter für mich leider vollkommen unglaubwürdig und geradezu lächerlich war. Er besitzt nicht nur keinerlei Umgangsformen, sondern hat offenbar auch keine Ahnung, wie man Verhöre führt oder in einem Mordfall ermittelt. Für ihn steht ohnehin sofort fest, wer der Täter ist, sodass sämtliche Ermittlungsmaßnahmen vollkommen überflüssig sind. Sein Kollege Jochen Diedrichsen ging mir allerdings fast noch mehr auf die Nerven, denn es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er sich traut, sich seinem ruppigen Vorgesetzten zu widersetzen. Er ist eigentlich ausschließlich damit beschäftigt, größeres Unheil zu verhindern, sich permanent für seinen Kollegen Harmsen zu entschuldigen und nach den Ursachen für dessen Charakterdefizite zu suchen, statt in diesen Mordfällen zu ermitteln. Auch wenn dadurch eine Erklärung für Harmens soziale Inkompetenz geliefert wird, man dann zumindest ansatzweise nachempfinden kann, warum er so ein Ekelpaket geworden ist, war dieser Charakter viel zu überzeichnet, um noch authentisch zu sein.
Es wimmelt ohnehin nicht gerade von Sympathieträgern in Die Flut, aber alle anderen Protagonisten sind zumindest glaubwürdig angelegt. Zweifellos muss es die Höchststrafe sein, mit einer Nervensäge wie Martina, der Ehefrau von Michaels Kollegen Andreas, seinen Urlaub verbringen zu müssen. Dennoch musste ich über ihre zynischen, spöttischen und fiesen Bemerkungen mitunter auch lachen. Auch mit Julia konnte ich nicht so recht warmwerden, obwohl sie die einzige Figur ist, die positive Charakterzüge aufweist und die einem, wenn sie nicht häufig so grenzenlos naiv wäre, wirklich leidtun könnte.
Diese Masse an nicht gerade liebenswürdigen Protagonisten trägt allerdings enorm zur Spannung bei, denn im Verlauf der Geschichte, habe ich eigentlich nahezu jeden des Mordes verdächtigt. Dass es sich bei dem Täter nur um einen Mann handeln kann, weiß man bereits, wenn man den Prolog gelesen hat, aber fast jeder männliche Protagonist verhält sich eigenartig und käme für die Morde in Frage – selbst die Ermittler. Ständig wird der Leser auf die falsche Fährte gelockt und muss seine Theorie immer wieder neu überdenken. Der Plot dieses Thrillers ist jedenfalls überaus raffiniert gestrickt, und das Ende war für mich sehr überraschend.
Auch wenn ich mir etwas vielschichtigere und lebendigere Charaktere gewünscht hätte und die Ermittlerfiguren enttäuschend waren, hat mich Arno Strobels Psychothriller Die Flut absolut überzeugt. Der Schreibstil des Autors ist flüssig, prägnant und mitreißend. Das Buch hatte an keiner Stelle irgendwelche Längen oder Passagen, die mich gelangweilt hätten. Immer wieder wurde ich geschickt in die Irre geführt, und das bizarre Szenario sorgte für beklemmende Momente, die für mich bei einem Buch dieses Genres unverzichtbar sind.
Die Flut ist ein wirklich äußerst gelungener, wendungsreicher und spannungsgeladener Psychothriller, und ich freue mich nun darauf, nach und nach alle Bücher von Arno Strobel zu lesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannendes Thrillerdebüt

Leons Erbe
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Inhalt:
Für Katja Helmke ist der wohl schlimmste Alptraum jeder Mutter Realität geworden, als ihr sechzehnjähriger Sohn Leon nachts auf einer Landstraße von einem Auto erfasst wird und stirbt. Der Unfallfahrer ...

Inhalt:


Für Katja Helmke ist der wohl schlimmste Alptraum jeder Mutter Realität geworden, als ihr sechzehnjähriger Sohn Leon nachts auf einer Landstraße von einem Auto erfasst wird und stirbt. Der Unfallfahrer ließ Leon einfach auf der Straße liegen, beging Fahrerflucht und konnte bislang nicht ermittelt werden. Katja droht an ihrem Schmerz fast zu zerbrechen, zumal sie den letzten Schicksalsschlag noch nicht verwunden hat, denn sechs Monate vor dem Tod ihres Kindes verschwand ihre Schwester Nicci plötzlich spurlos, und die quälende Ungewissheit, ob Nicci überhaupt noch am Leben ist, nagt noch immer an Katja und ihrer Familie.
Am Tag nach Leons Trauerfeier erhält sie einen Anruf von einem Notar, der ihr Leben vollends aus der Bahn wirft. Sie erfährt, dass ihr Sohn Leon vor seinem Tod etwas für sie hinterlegt hat, das ihr ausgehändigt werden soll, falls ihm etwas zustößt. Katja ist verwirrt, denn warum sollte ein Sechzehnjähriger einen Notar aufsuchen? Als ihr der Notar eine kleine Holzkiste überreicht und sie darin das Armband ihrer Schwester findet, ist Katja schockiert. Wie kam Leon an das Armband ihrer vermissten Schwester? Was will ihr verstorbener Sohn ihr mit dieser Botschaft mitteilen? Lebt ihre Schwester Nicci noch? War Leons Tod womöglich gar kein Unfall? Auf der Suche nach Antworten auf all ihre Fragen kommt Katja allmählich einem Geheimnis auf die Spur, das erschütternder ist, als alles, was sie sich jemals vorgestellt hatte. Dabei ist sie vollkommen auf sich allein gestellt, denn sie spürt, dass sie niemandem mehr vertrauen kann – weder ihrem Mann noch ihren Eltern.

Meine persönliche Meinung:


Ich habe mich sehr gefreut, als mich Michael Theißen anschrieb und anfragte, ob ich seinen Debütroman Leons Erbe lesen möchte, denn der Klappentext klang überaus spannend und ich entdecke gerne neue Thrillerautoren.
Schon auf den ersten Seiten war ich von der Geschichte gefangen, denn dem Autor gelingt es ausgezeichnet, sofort Spannung aufzubauen und sie auch kontinuierlich zu halten. Die flüssige Schreibweise und kurze Kapitel, die mit einem Cliffhanger enden, sorgen dafür, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann, weil man einfach wissen muss, wie es auf der nächsten Seite weitergeht.
Die Hauptprotagonistin Katja, aus deren Perspektive der Leser die Geschehnisse miterlebt, ist sehr fein gezeichnet. Ihr Schmerz um den Verlust ihres Kindes und die Sorgen und Ängste, die sie seit dem Verschwinden ihrer Schwester durchleidet, sind sehr eindrücklich geschildert und waren für mich auch nachvollziehbar – nur ihre Handlungen waren es leider nicht immer. Vollkommen schleierhaft war für mich zum Beispiel, warum sie nie in Erwägung zieht, die Polizei zu informieren. Sie lässt sich nie etwas zu Schulden kommen, und wenn mein Kind bei einem Unfall auf so rätselhafte Weise ums Leben kommt, wäre das Wort, das ich einem äußerst dubiosen Notar gegeben hätte, so ziemlich das Letzte, woran ich mich halten würde. Sie bricht ihr Versprechen, mit niemandem über diese kleine Holzkiste zu reden, die Leon für sie hinterlegt hat, nicht einmal, als der Notar ermordet wird. Dass sie unter den gegebenen Umständen häufig verwirrt ist und nicht mehr weiß, wem sie noch Glauben schenken und vertrauen kann, ist zwar durchaus nachvollziehbar dargestellt, aber warum sie ausgerechnet die naheliegendsten Möglichkeiten, endlich Licht ins Dunkel zu bringen und sich Hilfe zu holen, vollkommen außer Acht lässt, war mir ein Rätsel. Allerdings trägt Katjas mitunter verwirrtes Handeln enorm zum Spannungsaufbau bei, denn es führt dazu, dass der Leser an ihrer Seite ständig auf die falsche Fährte gelockt wird. Im Verlauf der Handlung tauchen immer wieder neue Verdächtige auf, und selbst Menschen, die Katja nahestehen, verhalten sich äußerst rätselhaft. Auch diese Nebencharaktere sind sehr interessant und vielschichtig gestaltet. Sobald ich dachte, dem Geheimnis nun auf die Spur gekommen zu sein, ergaben sich wieder neue Wendungen, die mich überraschten. Das Ende war jedenfalls vollkommen unvorhersehbar, aber leider auch viel zu konstruiert. Wenn eine Protagonistin in einer für mich nicht nachvollziehbaren Weise agiert, aber ansonsten sehr überzeugend und gut ausgearbeitet ist, ist dies für mich kein Kriterium, ein Buch schlechter zu bewerten. Auch der Plot dieses Thrillers, der kontinuierliche Spannungsverlauf, die überraschenden Wendungen und der flüssige Schreibstil des Autors haben mir sehr gut gefallen und sind für einen Debütroman dieses Genres recht außergewöhnlich. Wäre dieses völlig überkonstruierte Ende nicht gewesen, hätte er mich jedenfalls vollkommen überzeugt.

So war Leons Erbe für mich ein wirklich guter, solider und fesselnder Thriller, der mich gut unterhalten und mir spannende Lesestunden bereitet hat. Ich hoffe, dass man von diesem Autor noch mehr lesen wird.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannung pur!

Der Meister
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Vor einigen Wochen haben ich bereits -Die Chirurgin, den ersten Band der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe von Tess Gerritsen gelesen und fand ihn so unglaublich spannend, dass ich mir vorgenommen habe, ...

Vor einigen Wochen haben ich bereits -Die Chirurgin, den ersten Band der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe von Tess Gerritsen gelesen und fand ihn so unglaublich spannend, dass ich mir vorgenommen habe, nach und nach alle Bücher dieser Reihe zu lesen. Der Meister ist nun der zweite Band und knüpft inhaltlich an Die Chirurgin an. Auch wenn Der Meister ebenfalls ein eigenständiger und in sich abgeschlossener Thriller ist, halte ich es für sinnvoll, im Vorfeld Die Chirurgin zu lesen, da es sich dabei im Grunde um die Vorgeschichte handelt, auf die auch häufig Bezug genommen wird.
In Die Chirurgin kam es zum ersten Aufeinandertreffen von Detective Jane Rizzoli und dem psychopathischen Serienmörder Warren Hoyt, der aufgrund seiner medizinischen und anatomischen Kenntnisse nur der Chirurg genannt wurde. Doch nun wird Rizzoli erneut mit Hoyt konfrontiert, denn obwohl dieser inzwischen im Gefängnis sitzt, weist eine neue Mordserie erschreckende Ähnlichkeiten mit seinen Morden auf. Als Hoyt dann sogar aus dem Gefängnis entkommen kann und Jane Rizzoli unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er sie nicht vergessen hat, spitzt sich die Lage dramatisch zu.
Zweifellos ist es Tess Gerritsen wieder gelungen einen spannenden und wirklich nervenzerreißenden Thriller zu schreiben, der mich in jeder Hinsicht überzeugen konnte und mir sogar noch ein wenig besser gefiel, als der vorhergehende Band. Ich fand es nur ein bisschen schade, dass Detective Thomas Moore von der Bildfläche verschwunden ist, da ich ihn sehr gerne mochte, aber dafür wurde der ehemalige Rechtmediziner Dr. Tierney in den Ruhestand geschickt und nun durch Dr. Maura Isles, die „Königin der Toten“ ersetzt. Mit Maura Isles hat die Autorin nun eine Hauptfigur geschaffen, die wirklich Potential hat und auf die ich mich in den folgenden Bänden schon sehr freue. Jane Rizzoli dagegen will mir leider immer noch nicht so recht ans Herz wachsen, obwohl sie mir in Der Meister nun schon deutlich sympathischer war, als im ersten Band der Reihe. Auch wenn es eine Frau in einer Männerdomäne sicher nicht immer leicht hat und Jane schon häufig zur Zielscheibe von Sticheleien wurde, ist ihre ruppige, unnahbare Art, mit der sie ihre Ängste, Verletzungen und Schwächen zu verbergen versucht, hin und wieder wirklich unnötig und auch anstrengend, denn so schlimm sind ihre männlichen Kollegen gar nicht. Wenigstens ein paar der Herren verfügen durchaus über die nötige Empathie, um ihre Situation zu verstehen und nutzen ihre Schwächen auch nicht aus, sodass sie manchmal vielleicht ganz gut daran täte, Hilfe und Unterstützung anzunehmen, statt jeden männlichen Kollegen unentwegt vor den Kopf zu stoßen und hinter jedem einen potentiellen Feind zu vermuten, der ihre Autorität untergraben will. Sieht man davon ab, ist sie aber zweifellos eine sehr interessante und facettenreiche, wenn auch nicht unbedingt besonders liebenswerte Protagonistin.
Erneut konnte mich Tess Gerritsen jedoch mit ihrem profunden medizinischen Fachwissen überzeugen, das bei den detailliert beschriebenen Autopsien zum Tragen kommt. Manch einem empfindlichen Magen mag das vielleicht ein wenig zu viel sein, aber ich kann das, zumindest dann, wenn ich es nur lese und nicht persönlich anwesend sein muss, recht gut aushalten. Auch die Einblicke in die Perspektive des Täters, der in einem inneren Monolog immer wieder in Erscheinung tritt und seine perversen Phantasien und Gedanken äußert, verlangen dem Leser einiges ab und ziehen ihn in die tiefsten Abgründe menschlicher Grausamkeit. Dass die Autorin auch mit Blut nicht gerade sparsam umgeht, ist hinreichend bekannt, sodass ich zarten Gemütern von der Lektüre ihrer Bücher eher abraten würde.
Alle anderen erwartet aber auch mit Der Meister wieder ein äußerst packender Thriller mit einem gut konstruierten Plot und einem durchgehenden Spannungsbogen. Lediglich das Ende schien mir ein wenig zu abrupt und nicht besonders originell. Ansonsten hat mir dieser Thriller jedoch wieder ausgezeichnet gefallen und mich auch sehr gut unterhalten. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf Todsünde, den dritten Teil der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannung pur!

Die Chirurgin
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Tess Gerritsen hat einen raffinierten Plot konstruiert, der stimmig, schlüssig und vor allem unvorhersehbar ist. Gemeinsam mit den Ermittlern tappt man als Leser zunächst vollkommen im Dunkeln und versucht ...

Tess Gerritsen hat einen raffinierten Plot konstruiert, der stimmig, schlüssig und vor allem unvorhersehbar ist. Gemeinsam mit den Ermittlern tappt man als Leser zunächst vollkommen im Dunkeln und versucht dem grausamen Serienmörder auf die Spur zu kommen. In einem weiteren Handlungsstrang begleitet man Catherine Cordell in ihrem Klinikalltag, in erster Linie aber bei ihrer Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse in ihrer Vergangenheit. Außerdem bekommt man in Passagen, die aus der Sicht des Täters geschildert werden, sehr tiefe Einblicke in die perversen Gedanken und Phantasien dieses psychopathischen, aber erschreckend intelligenten Serienmörders. Diese Sequenzen empfand ich als besonders verstörend, denn mit welchen Begründungen er seine grausamen Taten zu rechtfertigen versucht, ist äußerst abstrus. So verweist er dabei zum Beispiel auf antike Rituale und die griechische Mythologie, wie etwa die Opferung der Iphigenie durch ihren Vater Agamemnon. Obwohl man nicht die leiseste Ahnung hat, wer der Mörder ist, weiß man jedoch, dass er seinem nächsten Opfer, Catherine Cordell, auf die er auf geradezu krankhafte Weise fixiert ist, gefährlich nahe ist.
Doch schenkt Tess Gerritsen nicht nur der Psyche des Täters große Aufmerksamkeit, sondern hat alle Charaktere sehr präzise und vor allem glaubwürdig ausgearbeitet. Die Person, die mich am meisten berührt hat, war Catherine Cordell, denn ihr Schicksal ist wirklich erschütternd. Sehr authentisch und ergreifend wird anhand dieser Protagonistin deutlich, welche psychischen Qualen Frauen nach einer Vergewaltigung ertragen müssen und welche Spuren eine solche Tat auf der Seele der Opfer hinterlässt. Auch wenn mir Jane Rizzolis etwas ruppige Art hin und wieder auf die Nerven ging, hat die Autorin auch mit ihr eine sehr facettenreiche Protagonistin geschaffen. Besonders ans Herz gewachsen ist mir aber Detective Thomas Moore, denn leider findet man im Krimigenre nur sehr selten so feinfühlige, sensible, ruhige, besonnene und verständnisvolle männliche Ermittler wie ihn.
Tess Gerritsen wird häufig vorgeworfen, ihre Bücher seien zu blutig und brutal. Tatsächlich fließt in Die Chirurgin recht viel Blut, aber anders als in vielen anderen Büchern dieses Genres empfand ich dies nicht als störend, eklig oder als pure Effekthascherei, denn trotz der teilweise recht brutalen Passagen ist dieser Thriller kein billiger Splatter, sondern kann neben der wirklich nervenaufreibenden Spannung auch mit Tiefgang aufwarten, indem er in erster Linie Einblicke in menschliche Schicksale und psychische Abgründe gewährt.
Als etwas störend empfand ich lediglich die teilweise recht ausführlichen medizinischen Details, zumindest wenn diese nichts mit dem eigentlichen Handlungsverlauf zu tun hatten und nicht zur Aufklärung der Mordfälle beitrugen. Man merkt deutlich, dass Tess Gerritsen Medizin studiert und als Internistin gearbeitet hat, aber ihre Ausführungen über den Klinikalltag und die detaillierten Beschreibungen von Operationen an Patienten, die für die Handlung vollkommen ohne Belang sind, waren meines Erachtens unnötig und etwas langatmig.
Ansonsten hat mir dieser Thriller jedenfalls sehr gut gefallen und war so unglaublich spannend, dass ich mich jetzt sehr auf Der Meister freue