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Veröffentlicht am 29.07.2020

Das Schiff Jolande

Das Meer in meinem Zimmer
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Das Meer in meinem Zimmer - Jana Scheerer

Der Beginn dieses Romans lässt als Thema etwas in der Richtung "Trauerbewältigung" vermuten. Jolandas Vater Pax ist gerade verstorben, die verbleibenden Familienmitglieder ...

Das Meer in meinem Zimmer - Jana Scheerer

Der Beginn dieses Romans lässt als Thema etwas in der Richtung "Trauerbewältigung" vermuten. Jolandas Vater Pax ist gerade verstorben, die verbleibenden Familienmitglieder stehen unter Schock. Die Mutter verleugnet den Tod und verweigert sich der Wahrheit. Die Verantwortung überlässt sie kommentarlos ihrer älteren Tochter.

Sehr schnell allerdings schwant dem Leser: etwas stimmt hier ganz und gar nicht. Das Verhalten von Jolanda, der kleinen Schwester Lilli und Mutter Constanze ist nicht mehr normal. Diese Familie ist zerrüttet und kaputt und damit hat der Tod des Vaters nicht allzu viel zu tun.
In Rückblenden führt uns Frau Scheerer ein in ein verstörendes, toxisches Familienleben. Sie erzählt von Jolandas schwieriger Kindheit, von Pax‘ Nordseepension, die nie ein Gast bezog und von seiner besessenen Suche nach einem versunkenen Schiffswrack. Vor allem aber erzählt sie, was eine psychische Erkrankung mit einer Familie, mit Kindern macht, wenn niemand in der Lage ist, sie zu schützen.
Es ist tatsächlich starker Tobak, der sich da herauskristallisiert. Die recht einfache, direkte Sprache, die die Autorin für ihre Geschichte findet, verstärkt die Intensität noch. Viele Gedanken, Gefühle muss sie gar nicht ausformulieren. Alles steckt bereits in der Art und Weise wie sie einzelne Worte einsetzt. Ein frischer, atemloser, jugendlicher Ton. Ich finde es insgesamt sehr gut, besonders geschrieben, die Figuren sehr gut beobachtet und detailliert beschrieben.

Dieser Roman ist trotz allem schnell gelesen, man fliegt förmlich durch die Seiten. Die Geschichte ist zwar atmosphärisch dicht geschrieben, dennoch finde ich, hätte man den ein oder anderen Handlungsstrang noch zu Ende führen können.
Einen Kritikpunkt sehe ich noch im Erzählstrang der Gegenwart. Hier wird manches sehr stark überspitzt dargestellt. Das hätte diese Geschichte meiner Meinung nach nicht nötig gehabt.

Insgesamt eine großartige Leseerfahrung. Besonders die sprachlichen Eigenheiten, die ich oben schon erwähnte, könnten diesen Roman zu einem Anwärter auf den Deutschen Buchpreis machen, wie ich finde…

4 Sterne

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Veröffentlicht am 12.07.2020

Die Welt der Vögel

Die siehst du!
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Die siehst du! Michael Schmolz

Dieser Vogelführer setzt nicht auf die Vollständigkeit der Arten, vielmehr will er seine Leser auf spielerische Art und Weise an die Welt der Vögel heranführen.
Vorab ...

Die siehst du! Michael Schmolz

Dieser Vogelführer setzt nicht auf die Vollständigkeit der Arten, vielmehr will er seine Leser auf spielerische Art und Weise an die Welt der Vögel heranführen.
Vorab gibt es zahlreiche Tipps und Tricks, wo und wann welche Tiere anzutreffen sind, auch zur passenden Ausrüstung.
Humorvoll und locker stellt Michael Schmolz die häufigsten Vögel in den verschiedenen Ökosystemen vor.
Reich bebildert, farbenfroh und voller Leben, ermutigt es den interessierten Leser, sich nach draußen zu wagen und sich selbst auf Beobachtungsposten zu begeben. Im handlichen Taschenbuchformat kann es gut mitgenommen werden.
Ein schönes Buch für Anfänger der Vogelbeobachtung, in dem es Spaß macht zu blättern.
Erfahrenere Vogelkenner werden jedoch wohl nicht mehr viel Neues erfahren.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 31.05.2020

Artensterben

Leben
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Leben - Uwe Laub

Das Artensterben ist in aller Munde. Und auch der Anteil des Menschen daran ist jedermann bekannt. Sollte ich morgen im Radio hören, dass der Krüger Nationalpark geschlossen wurde, wegen ...

Leben - Uwe Laub

Das Artensterben ist in aller Munde. Und auch der Anteil des Menschen daran ist jedermann bekannt. Sollte ich morgen im Radio hören, dass der Krüger Nationalpark geschlossen wurde, wegen toten Antilopenherden beispielsweise, wäre das sicherlich ein Schock. Aber, ich würde es auf der Stelle glauben. Genau das ist die Stärke dieses Romans von Uwe Laub. Er ist erschreckend plausibel. Das Sterben häuft sich und wird zum Massenaussterben. Von Antilopenherden über Fledermäuse über Frösche und Vögel oder Insekten. Als wäre all das nicht schlimm genug, muss der Mensch erkennen, dass auch er letztendlich nur eine von vielen Arten ist und dass auch seine Tage längst gezählt sind.

Mark Brenner wird von seinem geheimnisvollen Auftraggeber an verschiedene Orte der Katastrophe geschickt und erkennt so nach und nach deren ganzes Ausmaß. Doch auch unter den Menschen scheint sich eine seltsame Krankheit auszubreiten. Gibt es noch eine Chance, das große Sterben zu stoppen?

Ein Teil des Buches begibt sich auf einen Rückblick zum Ursprung der Krankheit, in den Dschungel Brasiliens, wo es möglicherweise seinen Anfang nahm und wo sich Forscher Hinweise auf Wege zur Heilung erhoffen.
JA! Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie wirkt dieses Geschehen noch viel erschreckender und absolut realistisch. Ganz ähnlich ist es doch passiert und wird es wohl immer wieder passieren, solange der Mensch den Tieren ihren nötigen Freiraum nicht lässt.
Aber gut. Dieser Roman ist unheimlich spannend und hält immer wieder Deja-vu-Momente bereit. Denn leider sind die Geschehnisse überhaupt nicht weit hergeholt.

Ein wichtiges Buch, das dem Leser vor Augen hält, dass auch er nur eine Art von vielen ist und genauso schnell von dieser Erde verschwinden kann, wie verschiedene Tierarten. Dazu ist der Anhang noch einmal sehr informativ.
Mir persönlich gefiel der Anfang wesentlich besser als das Ende, das dann doch recht Action lastig wurde.
Insgesamt wirklich lesenswert! 4 Sterne

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Veröffentlicht am 29.03.2020

Am Rande der Gesellschaft

Ich an meiner Seite
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Birgit Birnbacher- Ich an meiner Seite

Ein außergewöhnliches Buch einer österreichischen Autorin, die vollkommen zu Recht bereits mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde.

In knappen nüchternen ...

Birgit Birnbacher- Ich an meiner Seite

Ein außergewöhnliches Buch einer österreichischen Autorin, die vollkommen zu Recht bereits mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde.

In knappen nüchternen Sätzen, jedoch mit einem angenehm unaufdringlichen Humor erzählt Birnbacher in diesem Roman von Arthur. Arthur ist ein intelligenter und sympathischer junger Mann, der nach 26 Monaten gerade aus dem Strafvollzug entlassen wurde und sich nun in einem Programm zur Wiedereingliederung wiederfindet. Dem Leser stellt sich die Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein so netter ruhiger Typ im Gefängnis landet und worauf es nun ankommt, dass ihn die Gesellschaft wieder in ihrer Mitte aufnimmt.

Was genau nun Arthur eigentlich angestellt hat, erfährt der Leser erst viel später. Stattdessen geht die Reise zurück in seine Kindheit und Jugend. Beides war sicher nicht einfach, aber ist damit wirklich eine Straftat zu rechtfertigen?
Arthur wächst ohne seinen Vater auf. Die Mutter interessiert sich nicht übermäßig für Ihre Söhne. Als sie einen neuen Partner findet, wandert die Familie nach Andalusien aus. Fehlender Rückhalt prägt das Leben Arthurs und hat sicherlich seinen Anteil an den späteren Ereignissen.

Birnbacher streift viele Themen, etwa die Wichtigkeit eines geborgenen Elternhauses oder den Sinn und Unsinn von Haftstrafen bei sehr jungen Straftätern. Und als wichtigen Punkt schließlich, den schwierigen Weg zurück in die Gesellschaft. Arthur ist ein sehr intelligenter und bemühter junger Mann. Dennoch will ihm niemand Arbeit geben, will ihn niemand als Mieter haben. Die Macht der Vorurteile schlägt hier voll zu. Das ist tatsächlich eine sehr schwierige Situation, die nachdenklich stimmt.

Immer wieder springt die Autorin zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Ich persönlich mochte das sehr, erfährt man doch auf diese Weise viel mehr über Arthur und darüber, was ihn in seine missliche Lage gebracht haben könnte.
Durch den knappen Erzählstil wird der Leser genötigt, zwischen den Zeilen zu lesen und seine Fantasie zu benutzen, denn die Autorin verrät immer nur das allernötigste. Das ist sehr interessant und sehr eigenwillig.
Gerade sprachlich hat mir dieser Roman sehr gut gefallen, das österreichische daran. Dieser leicht sarkastische Witz, der die Schwere des Themas etwas auflockert, einfach toll.

Beeindrucken fand ich auch die tollen, teils skurrilen Charaktere, die Arthur begleiten. Börd, der Therapeut, der eine ebensolche selbst dringend nötig hätte. Und Grazetta, eine todkranke ehemalige Schauspielerin, die einzige Person, die sich ernsthaft um Arthur bemüht. Dennoch bleibt immer klar, dass es in diesem Roman in erster Linie um Arthur geht. Ein bisschen mehr über die anderen Figuren hätte ich trotzdem gerne gelesen.

Ganz zum Schluss kann man dem Nachwort noch entnehmen, dass Arthur eine reale Vorlage hat. Wunderbar, umso beeindruckender.

Insgesamt ein äußerst lohnenswertes Buch. Ein wichtiges Thema, einfach gut geschrieben. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

Vom Kilimandscharo nach Sansibar

Das kann uns keiner nehmen
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Das kann uns keiner nehmen - Matthias Politycki

Eine Männerfreundschaft wider Willen, anfangs mit gewissem Nervfaktor, gegen Ende sehr berührend und schön. Ein Road Trip zweier gescheiterter Existenzen ...

Das kann uns keiner nehmen - Matthias Politycki

Eine Männerfreundschaft wider Willen, anfangs mit gewissem Nervfaktor, gegen Ende sehr berührend und schön. Ein Road Trip zweier gescheiterter Existenzen durch ein wildes Afrika, vom Krater des Kilimandscharo durch Tansania bis nach Sansibar.

Auf dem Gipfel, im Krater des Kilimandscharo treffen zwei höchst unterschiedliche Männer aufeinander. In der Nacht tobt ein Schneesturm, die beiden kommen nicht aneinander vorbei. Der zurückhaltende, eher verschlossene Hamburger Hans und „Der Tscharli“, ein lauter extrovertierter bayerisch-Suaheli krakeelender, aufdringlicher Typ.
Zugegebenermaßen hatte insbesondere Der Tscharli etwa die ersten 150 Seiten für mich enormen Nervfaktor. Er verkörpert den klassischen arroganten deutschen Touristen, mit klar erkennbaren rassistischen Ansätzen, der aus irgendeinem Grund bei den meisten Einheimischen trotzdem beliebt ist. Viele seiner Äußerungen sind zum Fremdschämen, manche kaum auszuhalten.
Doch es lohnt sich dranzubleiben, denn gerade diese Figur des Tscharli ist für einige Überraschungen gut. Es ist nicht so, dass er sich im eigentlichen Sinne verändert, vielmehr lässt er Hans zunehmend hinter seine aggressiv fröhliche aufgesetzte Maske sehen. Das fand ich sehr faszinierend, wie sich zwei so unterschiedliche Männer freundschaftlich immer näher kommen, wie sich das langsam entwickelt. Denn auch Hans macht eine enorme Entwicklung durch. Und am Ende hat man sie beide ins Herz geschlossen.

Nun ist es so, dass die beiden, samt jeweiliger afrikanischer Begleiter, bereits auf Seite 40 den Berg wieder verlassen haben. Doch das seltsame Bündnis der beiden geht weiter. Es beginnt eine Reise durch Tansania bis nach Sansibar. Tscharli drängt Hans dazu, ihn auf seiner Fahrt an Stätten der Erinnerung zu begleiten.
Schließlich haben die beiden auch Gemeinsamkeiten. Beide meinen, durch eine schlechte Erfahrung mit einer jeweils großen Liebe in Afrika, eine Rechnung mit dem Kontinent offen zu haben, die sie mit der Besteigung des Kilimandscharo begleichen können. So gibt es etliche Rückblenden in die früheren Leben der beiden Männer, die dem Leser ein immer besseres Bild der Ursachen dafür bieten, dass sie denken, sich am Berg und in Afrika beweisen zu müssen.

Dieser Roman bietet großartige Einblicke in afrikanische Landschaften und Denkweisen. Auch Missstände wie Gesundheitssystem oder Korruption werden zur Sprache gebracht. Gerade der Tscharli bedient dabei aber auch haarsträubende Klischees. Es ist wohl seine Art mit seiner Angst vor dem furchteinflößenden Kontinent umzugehen "Das ist Afrika".

Meiner Meinung nach läuft diese Geschichte Gefahr, ihre Leser bereits im ersten Drittel zu verlieren. Denn erst danach dämmert es einem, dass da noch mehr kommt als nur dummes Geschwätz des Tscharli und dass ebenjener selbst nicht einfach so in eine Schublade passt. Und dann wird diese Geschichte sehr sehr lesenswert.

Dazu kommt die autobiografische Note dieses Buches. Man lese das Vorwort zur Entstehung dieses Buches. Und auch hier kommt der aha-Effekt spät, aber er kommt.

Eine sehr interessante und empfehlenswerte Lektüre, 4 Sterne von mir.


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