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Veröffentlicht am 03.03.2019

schnell zu lesendes Buch mit einem ironischen Blick

Fundbüro
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Henry Neff, ein junger Mann Anfang Zwanzig und in seiner Art ein Aussteiger aus dem System, hat den Platz in seinem Leben, an dem zwei er sich wohlfühlt. Er arbeitet im Fundbüro am Hauptbahnhof. Zwar hatte ...

Henry Neff, ein junger Mann Anfang Zwanzig und in seiner Art ein Aussteiger aus dem System, hat den Platz in seinem Leben, an dem zwei er sich wohlfühlt. Er arbeitet im Fundbüro am Hauptbahnhof. Zwar hatte auch er sich anfangs gefragt, was das wohl für ein Arbeitsplatz wäre, auf den er sich beworben hatte und den er anstrebte. Aber dann stellt er fest, dass es Spaß macht und befriedigen kann, sich mit all den verlorenen Gegenständen und mit den damit verbundenen Lebensgeschichten ihrer Verlierer zu befassen. Dabei trifft er auf so sympathische Leute, dass er manchmal in seine eigene Tasche greift, um die für die Herausgabe fälligen Gebühren zu zahlen. In Gesprächen mit Kollegen, Verwandten und Bekannten lässt er unmissverständlich anklingen, dass er nicht daran interessiert ist, das Spiel von der Karriereleiter mitzuspielen. Selbst sein Chef geht anfangs davon aus, dass Henry nur ein durchlaufender Mitarbeiter wäre. Henry jedoch beweist das Gegenteil.

Doch eine heile Welt, wie Henry sie sich wünscht, sind auch der Arbeitsplatz im Fundbüro und der Kiez, in dem er lebt, nicht. Irgendwann muss er erkennen, dass er sich nicht immer nur heraushalten und von den netten Geschichten im Fundbüro leben kann.

Eine ruhige und einfühlsame Geschichte, wie von Siegfried Lenz nicht anders zu erwarten. Ein filigranes Wortspiel, wenn vom interessanten Leben der "Verlierer" gesprochen wird, mit einer Doppeldeutigkeit, wie sie selten zu finden ist und die dadurch eine Art von Humor an den Leser vermittelt, auf die er sich zurückgelehnt einlassen kann. Das Fundbüro als Mikrokosmos der heilen Welt, die doch so leicht von außen bedroht werden kann. Beim Dahingleiten im Text mit seinem beruhigenden Schreibstil hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte wie Öl die Speiseröhre hinunter läuft. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen im Buch soviel Gemeinsames mit den Menschen in meinem Bekanntenkreis haben, dass es nicht um Helden und Antihelden geht, sondern um "Normalos" in der heutigen Gesellschaft.

Ein schnell zu lesendes Buch mit einem ironischen Blick auf die heutige Gesellschaft, welches für jede Stimmungslage empfohlen werden kann.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

Veröffentlicht am 24.02.2019

Rätselkrimi entlang von Tanz und Tanzunterricht

Der Tanz des Mörders
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Die aus Osnabrück stammende Autorin Miriam Rademacher hat sich mit einer Konstellation um den ehemaligen Tanzlehrer Colin Duffot in die Herzen der Leser geschrieben. Die Reihe mit den Cozy-Crime-Geschichten ...

Die aus Osnabrück stammende Autorin Miriam Rademacher hat sich mit einer Konstellation um den ehemaligen Tanzlehrer Colin Duffot in die Herzen der Leser geschrieben. Die Reihe mit den Cozy-Crime-Geschichten spielt in England und folgt den Regeln derer von Miss Marple und Pater Brown. Colin Duffot möchte seinen Vorruhestand genießen und ist gerade in das kleine, beschauliche Dorf gezogen. Beim Dartspielen im Pub mit Pater Jaspers erfährt er, dass noch nie jemand gegen den gewonnen hat. So auch Colin, weshalb er dazu verdonnert wird, eine ältere Dame mit seiner Gesellschaft zu betreuen. Doch dann trifft er die Dame Tod an. Am selben Tag wird in der Nähe ein junges Mädchen tot aufgefunden. Die Krankenschwester der alten Dame, mit Namen Norma, überredet ihn und den Pfarrer, in beiden Fällen zu ermitteln. Und schon ist ein Detektivteam aus dem Boden gestampft, obwohl nicht alle so euphorisch dabei sind wie Norma. Denn sowohl Colin als auch Jasper zweifeln an ihren eigenen Ermittlerfähigkeiten.

Entlang von Tanz und Tanzunterricht hat die Autorin einen Rätselkrimi entwickelt, bei dem es an Humor und Spannung nicht mangelt. Skurrile Figuren mit ungewöhnlichen Eigenschaften gibt es für die Leser zu entdecken. Nicht nur Norma wirkt schräg und umso liebenswürdiger. Nahezu jeder der Dorfbewohner scheint außergewöhnlich zu sein. Sie könnten glattweg aus Midsummer stammen.

Einen Glückwunsch an den Verlag und Umschlaggestalter für den Mut zu solch ungewöhnlichen Covern, die aber umso besser zu dem Inhalt dieses und die weiteren Krimis dieser Reihe passen.

Einen kleinen Kritikpunkt möchte ich jedoch nicht verschweigen. An einer Stelle wird ein Vergleich zu dem deutschen Prominenten Sky du Mont gezogen. Ich bin zwar kein Fachmann habe aber das Gefühl, dass diese Person einem englischen Dorfbewohner nicht unbedingt bekannt sein muss. Zumindest so, wie die Figuren darüber sprechen. Dennoch tut dieser Lapsus dem Spaß und Vergnügen beim Lesen des Krimis keinen Abbruch und ich kann ihn bestens empfehlen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 21.08.2018

Spannung pur mit brisanten gesellschaftlichen Hintergrund.

Bad Friends - Was habt ihr getan?
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Erneut ein Thriller, der auf den britischen Inseln spielt. Abdi, Sohn somalischer Einwanderer, und Noah, Sohn eines britischen Kriegsfotografen und dessen Frau, sind beste Freunde. Die beiden Fünfzehnjährigen ...

Erneut ein Thriller, der auf den britischen Inseln spielt. Abdi, Sohn somalischer Einwanderer, und Noah, Sohn eines britischen Kriegsfotografen und dessen Frau, sind beste Freunde. Die beiden Fünfzehnjährigen machen vieles gemeinsam. Doch dann werden sie auf einem Schrottplatz am Rande des Meeres gesehen. Sie stehen dicht beieinander auf dem Rand des befestigten Hafenbeckens. Noahs Atem geht schwer und er fleht seinen Freund Abdi wegen eines Gefallens an. Doch der geht auf Noahs Wunsch nicht ein. Im Gegenteil: Er will ihn davon abhalten, etwas Unüberlegtes zu tun. Dann ist Noah plötzlich verschwunden. Die Ermittlungen von Jim Clemo und seinem Team stecken fest. Abdi hat einen Schock erlitten und hat seitdem Schrottplatz kein Wort mehr gesprochen.

Unheimlich geschickt führt MacMillan ihre Leser an der Nase herum. Jede Handlung von Seite zu Seite scheint so plausibel zu sein, so selbstverständlich, dass man unwillkürlich denkt: Warum hat der Roman denn noch so viele Seiten? Es ist doch alles klar.

Doch diese Meinung muss man mehrmals revidieren und erst am Schluss wird klar, was tatsächlich geschehen ist. Dabei erfährt der Leser kaum mehr als Detective Inspector Jim Clemo. Durch die Verschachtelung der Handlung ist er dem maximal wenige Stunden voraus mit seinem Wissen.

Was die Privatsphäre des Ermittlers angeht, hält sich die Autorin ziemlich bedeckt. Zwar gibt es eine Schwester, deren Handlungsstrang tatsächlich rein privat ist, aber schon Clemos Psychotherapie, mit der der Roman startet, und seine Ex-Polizeipartnerin, die jetzt Kriminalreporterin ist, haben etwas mit den Ermittlungen um das Verschwinden Noahs zu tun. Gerade Clemos jüngste Vergangenheit führte dazu, dass er nach seinen letzten Fall zunächst wieder ganz sanft mit einem „Vermisstenfall" im Job einsteigen sollte. Dass das anders kommt, war ja auch für seine Chefin nicht absehbar, sondern nur für die Autorin Gilly MacMillan.

Spannung pur mit brisanten gesellschaftlichen Hintergrund. Top Empfehlung von mir.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 02.06.2018

Die Kurzkrimis zeigen, mit wieviel Rafinesse und Spannung selbst winzige Begebenheiten ausgestattet werden können.

OWL kriminell
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Mit „OWL kriminell“ hatte Anfang 2009 eine neue Krimireihe im KBV Verlag ihre Premiere. Unter dem Reihennamen „Mordlandschaften“ werden Kurzkrimis aus einzelnen deutschen Regionen in Form einer Anthologie ...

Mit „OWL kriminell“ hatte Anfang 2009 eine neue Krimireihe im KBV Verlag ihre Premiere. Unter dem Reihennamen „Mordlandschaften“ werden Kurzkrimis aus einzelnen deutschen Regionen in Form einer Anthologie herausgebracht, zu der zwanzig regional und überregional bekannte Krimiautoren ihre Beiträge liefern.

In dem ersten Buch der neuen Reihe melden sich Autoren aus und mit Geschichten über die Region Ostwestfalen-Lippe zu Wort. Viele Orte, in denen die spannenden Geschichten spielen, dürften auch Uneingeweihten ein Begriff sein, beispielsweise Paderborn, Bielefeld, Detmold, Gütersloh, Bad Salzuflen und viele weitere. Wenn man dem Titel der Reihe glauben schenkt, müsste es unheimlich sein, in diesem Landstrich Deutschlands zu leben, denn es handelt sich um eine einzigartige Mordlandschaft.
Das Buch bietet sehr kurzweilige Vergnügen und eignet sich alllein schon wegen der darin enthaltenen Kurzgeschichten sehr gut für immer mal zwischendurch. Jeder Kriminalfall ist etwa zwischen zehn und zwanzig Seiten lang und da ist ein kompletter Fall schonmal während der Fahrt mit der Straßenbahn lösbar.

Den Reigen der oft höchst amüsanten Mordsgeschichten beginnt einer der wohl bekanntesten Krimiautoren Deutschlands, Horst Bosetzky, der schon in den 70er Jahren unter dem Pseudonym -ky bekannt war und die Vorlagen für einige Fernseh-Tatorte lieferte. In seiner in Bad Oeynhausen spielenden Geschichte „Der Kurschatten“ beleuchtet er die Möglichkeiten eines Krimiautors in einem solchen Kurort. Nessa Altura beschäftigt sich in ihrem Krimi „Marta in Herford“ mit den Gedanken eines Leibwächters, die ihm kommen könnten, wenn er sich in die zu schützende Person verliebt. In der Story „Die Spökenkieker von Bad Salzuflen“ läßt der Autor Stephan Peters die Leser von einem unheimlichen Deja-vue in einem Seniorenheim erfahren. Claudia Puhlfürst, Herausgeberin dieser Anthologie, berichtet von einer „Schlacht um die Varusschlacht“ und beleuchtet archäologische Erkenntnisse aus dem Teutoburger Wald, verknüpft mit Regionalpolitik. „Das geschnitzte Herz“ von Sandra Lüpkes spielt in Lemgo und handelt von einer über Jahre währenden Liebe, die nicht erwidert wird.

In dem Krimi „Opa ist der Beste“ lässt Norbert Horst ein Kind von seinem, in Wirklichkeit geheimnisvollen, Großvater schwärmen. Carsten Sebastian Henn schildert in „Ein mordsmäßiger Pickert“ von dem mörderischen Wettstreit der Köche und Hausfrauen um die Zubereitung des westfälischen Nationalgerichtes Pickert. In Hartwig Liedtkes „Hövelhof ist prima“, die im gleichnamigen Ort spielt ist eine ungewöhnliche Schuld abzutragen. Der zweite Herausgeber dieser Anthologie, Uwe Voehl, berichtet in seiner Geschichte „Chili con Caren“ von einem außerordentlich scharfem Wettstreit in Bad Salzuflen, wohingegen Andrea Gehlen in „Das Brombeerzimmer“ eine ungewöhnliche Urnenbeisetzung beschreibt. Nach dem Motto Alles hat seinen Preis werden in Mechthild Bormanns Story „Freundschaftspreis“ ungewöhnliche Spielchen getrieben. Wie wahr das Sprichwort Lügen haben kurze Beine ist, zeigt „Die Bombe im Marktplatz 33“ von Dennis Ehrhardt, in der es um höchst zweifelhafte Terroristen geht. Dunkle Geheimnisse um „Das Mädchen mit den Zöpfen“ lassen manch einen nicht sorglos schlafen, weiss die Autorin Sandra Niermeyer zu erzählen. So, wie die Polizei ihre Gründe hat, nach dem Souvenirmörder zu fahnden, so hat die schöne Maren ihre Gründe, einen attraktiven Mann zu jagen, meint jedenfalls Gerald Hagemann in „Von einem schönen Teller kann man nicht essen“. In Peter Hardcastles „Auberge le Concarneau“ bekommt Kommissar Plattkowski von der Bielefelder Kripo französische Amtshilfe, ohne sie angefordert zu haben.

Der Autor Wolfgang Schüler gibt in „Güterlos in Gütersloh“ Einblicke in die Werbebranche, in der es turbulent und manchmal nicht ohne das Ausspionieren der Mitarbeiter zugeht. Obendrein bietet er zu letzterem eine Bedienungsanleitung. Bauer Brinkmann hat es nicht leicht, schon gar nicht, wenn er sich auf dem Jahrmarkt die Stiefel voll laufen lässt. So gehen das Autorenduo Tewes/ Reitemeier in „Kein Platz für eine Leiche“ der Frage nach: Wo entsorgt man einen versehentlich gestohlenen Pkw, in dessen Kofferraum zu allem Überfluss eine Leiche liegt? Ebenso entscheidungsfreudig wie Bauer Brinkmann stellen sich die „Profis“ von Jürgen Siegmann ihren Aufgaben. Richtig pervers geht es bei Andreas Gruber zu, der seinem Protagonisten die Lichtscheine unter den Türen beobachten lässt. Dunkle Geheimnisse scheinen sich bei Monika Detering um Fräulein Else, die nicht mehr lacht, zu ranken. Bei Uwe Bekemann spielt das Paderborner Bilderrätsel „Der Hasen und der Löffel drei“ die Hauptrolle, in welchem drei Hasen mit jeweils einem Ohr so angeordnet sind, dass es aussieht, als hätte jeder Hase zwei Ohren.

Die Kurzkrimis zeigen, mit wieviel Rafinesse und Spannung selbst winzige Begebenheiten ausgestattet werden können, um eine äußerst unterhaltsame Lektüre daraus werden zu lassen. Der eine oder andere Leser mag sich vielleicht mit Grauen an diese Geschichten erinnern, wenn er auf der Autobahn an dem einen oder anderen dieser Orte vorbei fährt.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Veröffentlicht am 22.05.2018

Grundsolide und spannend!

Schwaben-Fest
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Dieser Kriminalroman war für mich so etwas wie Erholung für die Seele nach vielen ausländischen und actionreichen Krimis und Thrillern liest sich dieser bodenständige Ermittlungskrimi aus Stuttgart wie ...

Dieser Kriminalroman war für mich so etwas wie Erholung für die Seele nach vielen ausländischen und actionreichen Krimis und Thrillern liest sich dieser bodenständige Ermittlungskrimi aus Stuttgart wie ein Roman, bei dem man tief ein- und ausatmen kann.

Es ist bereits der 19. Roman aus der Schwaben-Reihe, der beim KBV Verlag erschienen ist. Es ist das große Volksfest der Cannstatter Wasen. Der Bürgermeister feiert heute mit. Er entpuppt sich als Wildpinkler. Hinter dem Zelt stößt er beim Entleeren seiner Blase auf eine Leiche. Die Ermittler finden in Ihrer Nähe einen Zettel mit dem Wort "Menschenschinder" darauf. Kommissar Braig übernimmt mit seinem Team die Ermittlung. Doch warum dieses Opfer zunächst offenbar als "Menschenschinder" bezeichnet wurde, ist ihnen ein Rätsel, handelt es sich doch um einen ruhigen und beflissenen Rosenzüchter, der mit seinen Züchterkollegen das Volksfest besuchen wollte. Schon bald müssen die Ermittler erfahren, dass es weitere Menschenschinder in der Region gibt und es nicht bei dem einen Opfer bleiben soll.

Wanninger hat einen grundsoliden Kriminalroman präsentiert, der es kaum an etwas vermissen lässt. Obwohl überwiegend eine ruhige Atmosphäre vorherrscht, muss der Leser nicht auf actionreiche Szenen verzichten. Das Privatleben der Ermittler wird nicht herausgehalten aus der Handlung und macht das Personal umso sympathischer. Der Lokalkolorit ist nicht überstrapaziert. Irgendwo muss ein Roman spielen, warum also nicht in Stuttgart? Immer wieder streut der Autor entsprechende Hintergrundinformation zu regionalen oder historischen Besonderheiten ein, was nie hemmend in der Handlung wirkt.

Was für mich zwar kein störender aber einen nervenden Eindruck hinterließ, sind die unterschiedlichen Dialekte der deutsche Sprache. Schön und passend, aber völlig ausreichend ist, dass einige Figuren schwäbisch sprechen. Ist auch alles verständlich. Aber warum die aus Sachsen stammende Kollegin im Kommissariat dann auch sächselt, und ein Zeuge berlinert war für mich zu viel des Guten. Das hätte der Roman nicht nötig gehabt. Aber wie gesagt: nicht störend, eher nervig.

Der Krimi ist ein wohltemperierter Gegensatz zu all den hochgedrehten Thrillern, den ich gern empfehle.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018