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Veröffentlicht am 16.10.2020

Zwei Menschen im Nordatlantik

Caribou
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Kevin Major hat mit »Caribou« einige reale Vorfälle aus dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen und daraus einen Roman gemacht. Es geht um die U-Boot-Schlachten im Nordatlantik vor der kanadischen Küste.

Der ...

Kevin Major hat mit »Caribou« einige reale Vorfälle aus dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen und daraus einen Roman gemacht. Es geht um die U-Boot-Schlachten im Nordatlantik vor der kanadischen Küste.

Der Roman handelt den von zwei Protagonisten der damaligen Zeit. Einer von ihnen ist John Gilbert, den der Leser als Steward auf der Fähre Caribou kennenlernt. 1942 befördert die Caribou auch Soldaten. Der zweite Protagonist ist der deutsche U-Boot Kommandant Ulrich Gräf.

Die Schicksale beider Personen sind untrennbar miteinander verbunden, obwohl sie sich nie begegnet waren. Ihre Leben werden in den beiden Strängen konsequent getrennt und dabei ausführlich geschildert. Es gibt keinen Guten und keinen Bösen im Charakter dieser Protagonisten. Dennoch ist es gesellschaftlich historisch klar, das Gräf sowas wie ein Bösewicht ist. Kevin Major geht aber tiefer und versucht die Denkweise und das Verhalten des U-Boot-Kommandanten zu erklären.

Die beiden Stränge werden stilistisch durch eine andere Erzählperspektive getrennt. Während der Deutsche alles aus seiner eigenen Perspektive schildert, erlebt der Leser das Geschehen um den Kanadier aus der Sicht einer dritten Person.

Der Autor hat hervorragende Recherchearbeit geleistet und bringt überaus viele Informationen ein, die in Dokumenten und Protokollen existieren. Er versucht ein Bild der damaligen Situation zu geben, welches sich nicht einfach in Schwarz und Weiß einordnen lässt. Er zeigt sehrviele Grautöne auf. Doch bei all der Information, die transportiert wird, hat mir eine konkrete Handlung zunächst gefehlt. Besonders im ersten Teil wirkt das Buch wie ein Sachbuch. Spannend und interessant ist es auf jeden Fall, aber es sind kaum Dialoge zwischen all den Figuren enthalten. Diese wirken hier lediglich wie schmückendes Beiwerk. Zwischenmenschliche Beziehungen und Konflikte werden nur angerissen. Obwohl das Verhältnis des Kandiers John zum Texaner Hank viel mehr Potential hätte.

Im zweiten Teil ändert sich dies. Die Leser erfahren viel mehr über die Herkunft der beiden Männer, sie lernen deren Familien kennen. Und auch die Wege zu einer Partnerschaft werden entwickelt, trotz des Krieges. In dieser zweiten Hälfte kommen wesentlich mehr Dialoge zum Einsatz, es menschelt mehr. Als Leser beginnt man, mit dem Protagonisten zu empfinden.

Sehr spannende Elemente sind im gesamten Roman enthalten. Zum Beispiel, wenn es um den Abschuss von Torpedos geht, der nicht nur nüchtern berichtet wird, sondern dramaturgisch fesselnd ist.

Da das Geschehen auf realen Ereignissen basiert, haben mir die Fotos im Anhang sehr gut gefallen. Sowohl von den Schiffen als auch den Personen kann man einen guten Eindruck gewinnen. Und wer sich noch nie mit dem U-Boot-Krieg im Zweiten Weltkrieg beschäftigt hat, bekommt mit diesem Buch einen sehr guten Einstieg, der über das Niveau eines Sachbuchs liegt.

Deshalb empfehle ich diesen Roman, der keineswegs nullachtfünfzehn ist, sondern einen besonderen Blick in das Leben zweier Menschen gewährt.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Der rote Swimmingpool und was es damit auf sich hat

Der rote Swimmingpool
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Nun ist dieser Roman als Taschenbuch erschienen. Es ist ein Gegenwartsroman, der seine Spannung aus einem ganz besonderen Konflikt bezieht. Ein Konflikt, der in der Gesellschaft nicht selten vorkommt, ...

Nun ist dieser Roman als Taschenbuch erschienen. Es ist ein Gegenwartsroman, der seine Spannung aus einem ganz besonderen Konflikt bezieht. Ein Konflikt, der in der Gesellschaft nicht selten vorkommt, in einem Roman aber nicht so häufig als Stoff herhalten muss.

Anscheinend lebt Adam in einer sehr, sehr, sehr harmonischen Familie. Seine Eltern sind das verliebteste Paar, dass er je erlebt hat. Er selbst ist an der Grenze zum Erwachsensein und pflegt alte Menschen. Seine Lieblingsbeschäftigung ist es zwar nicht, aber er hat sich in diese hier hinein gefunden.

Natalie Buchholz erzählt eine wunderbare Geschichte vom Erwachsenwerden, dennoch würde ich das nicht unbedingt als einen Jugendroman bezeichnen. Über die Gedanken der jugendlichen Adam werden neben den Hauptgeschichten, zwei an der Zahl, viele kleine Geschichten erzählt. Z.b über den Umgang mit Hunden, Katzen, Freunden und auch den Eltern. In gedanklichen Rückblenden erfährt man das Verhältnis zu den Eltern und viele kleine Begebenheiten aus der Kindheit. Es wird das bisherige Leben von Adam in einer wunderbaren Familie gezeigt.

Aber der Leser erfährt auch, dass Adam die Altenpflege nicht gerade freiwillig macht. Er erfährt, warum der Vater immer seltener mit ihm und seiner Mutter zusammen ist, warum sie immer weniger gemeinsame Zeit verbringen.

Bei all seinen Gedanken und Problemen passiert dann die zweite große Geschichte in diesem Roman: Die erste, besondere Liebe zu einem Mädchen. Tina, die Urenkelin der Frau, die Adam pflegt, stolpert in sein Leben. Er hat aber Angst, sie nicht festhalten zu können, weil sein Leben rauf und runter geht.

Buchholz erzählt in einem wunderbaren Erzählstil, der zwar frisch klingt, aber nicht auf die Jugendsprache zurückgreift. Die Spannung des Romans liegt in den Fragen: Was macht das Leben mit Adam und was macht Adam mit dem Leben?

Anrührend und einfach nur schön. Wer mal einen Roman abseits von Krimis genießen möchte, der sollte »Der rote Swimmingpool« unbedingt lesen.

Ach ja, bevor ich es vergesse: Die Lieblingsfarbe von Adams Mutter ist rot.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

Veröffentlicht am 29.08.2020

Im Zeichen des Jigsaw Man

Jigsaw Man - Im Zeichen des Killers
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»Jigsaw Man« ist der Debütroman von Nadine Matheson, einer Strafverteidigerin in London, die allein schon deshalb viel Kenntnis über das hat, worüber sie schreibt.

Der Jigsaw Man mag gerne Puzzle. Die ...

»Jigsaw Man« ist der Debütroman von Nadine Matheson, einer Strafverteidigerin in London, die allein schon deshalb viel Kenntnis über das hat, worüber sie schreibt.

Der Jigsaw Man mag gerne Puzzle. Die Puzzle setzt er gerne aus menschlichen Einzelteilen zusammen. Seine Freude über die Einzelteile und das Gesamtbild muss er mit anderen Menschen teilen. Deshalb verstreut er sie über die ganze Stadt und präsentiert seine Puzzle.

Detective Inspector Henley von der Serial Crime Unit (SCU) hatte eine große Auszeit. Sie verbringt die meiste Zeit davon am Schreibtisch, nachdem sie von einem Serienkiller schwer attackiert worden war. Ihre Einheit steht dabei trotz aller vorherigen Erfolge im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Abstellgleis. Bei New Scotland Yard gibt es Überlegungen, die SCU komplett aufzulösen. Doch dann taucht der Jigsaw Man erneut auf und kreuzt den Weg der smarten Polizistin Henley. Sie löst sich von ihrem Schreibtisch, geht wieder auf die Straße und ermittelt ganz aktiv.

Zu Beginn des Romans kommt die Protagonistin nicht sehr sympathisch rüber. Diese lange Auszeit am Schreibtisch und das ständige Bitten ihres Mannes, doch endlich mit dem Job bei der Kripo aufzuhören, nervt sie. Nach der damaligen Attacke des Serienkillersauf sie kämpft sie immer noch mit einer PTBS. Und dann bekommt sie gleich zu Beginn noch einen „Azubi“ zugewiesen.

Doch dann nimmt die Jagd langsam Konturen an. Es kommen mehr Leichen hinzu, alte Fälle spielen eine Rolle, die privaten Probleme werden nicht weniger.

Das Geschehen in der Vergangenheit wird in zunehmendem Maße ein Spannungsfaktor. Nimmt man die zunächst als Nebensache wahr, so gewinnt es an Bedeutung, wenn auch der „Azubi“ wissen will was, was damals geschehen war. Keiner aus der Abteilung ist bereit, ihm eine plausible Antwort zu geben. So muss auch der Leser lange darauf warten.

Zwar zeigen Fährten immer wieder auf die Spur des Killers, der die Leichen verstümmelt, aber kaum eine erweist sich als stichhaltig. Wie bei jedem großen Krimi gibt es die Auflösung erst am Schluss.

Spannende Unterhaltung, die sich keiner entgehen lassen sollte.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 20.08.2020

Mit dem Donnerwetter wird nichts besser

Schwaben-Donnerwetter
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Mehr als zwanzig Romane, die alle regional in Schwaben verortet sind, gehen auf die Kappe von Klaus Wanninger. »Schwaben-Donnerwetter« ist der neueste, im Mai 2020 erschienene Kriminalroman.

Der junger ...

Mehr als zwanzig Romane, die alle regional in Schwaben verortet sind, gehen auf die Kappe von Klaus Wanninger. »Schwaben-Donnerwetter« ist der neueste, im Mai 2020 erschienene Kriminalroman.

Der junger Kriminalpolizist Loose aus Berlin will Berufspraxis in anderen Großstädten Deutschlands erwerben und bewirbt sich für ein entsprechendes bundesweites Programm. Zwar wird er angenommen, doch statt nach Hamburg, Düsseldorf oder München verschlägt es ihn in die schwäbische Provinz. Hier sprechen offenbar alle Bürger nur „spanisch“, denn er versteht kein Wort. Zumal er gleich vom ersten Tag an in einem sehr eitlen Dorf ermitteln muss. Denn beim großen Fest der Heimattage Schwabens wird der Volksmusiksänger Heinzi entführt, samt mobiler Toilette, in welcher er sich vor seinem Auftritt ein letztes Mal entleeren wollte.

Wanninger schaut den Leuten kräftig auf’s Maul und nimmt mit den verschiedenen Dialekten, besonders aber mit dem schwäbischen, einen interessanten Bezug zu seinen Figuren auf. Allerdings schließt er mit dem starken schwäbischen Dialekt, den fast alle Figuren sprechen, eine große Zahl von Lesern aus. Das ist schade. Den Humor und die Spitzbübigkeit kann man dem Autor allerdings nicht absprechen. Nicht nur die Volksmusikszene, sondern auch die Provinzpolitiker werden arg auf’s Korn genommen. Das macht Spaß!

Die Spannung hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, es muss nicht immer mit viel Blut abgehen. Es gibt auch Verbrechen, die nicht einen Wirbel in der Öffentlichkeit machen und im Roman dennoch für Spannung sorgen.

Neben all der Unterhaltung sorgt der Autor dafür, dass die Leser etwas über die schwäbische Region erfahren. Historische Begebenheiten und regionale Besonderheiten werden gekonnt eingeflochten und dargestellt.

Ein besonderer Bonus für diejenigen, die sich mit dem Schwäbischen nicht ganz so auskennen, ist das schwäbische Schimpfwörterlexikon. Ein kleines Schmankerl!

Alles in allem ein Krimi, den man schnell weglesen kann, der Informationen einer deutscher Region enthält und der etwas hintergründig auf die Mitmenschen schaut. Immer wieder empfehlenswert!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 16.08.2020

Das Lesevergnügen

CROSSMATCH. Das Todesmerkmal
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Wer die anderen Bücher von Stefanie Koch, die schon mal vom EXPRESS als Donna Leon vom Rhein bezeichnet wurde, und ihren Kommissar Lavalle kennt, der weiß, dass er Spannung erwarten kann und darf. Der ...

Wer die anderen Bücher von Stefanie Koch, die schon mal vom EXPRESS als Donna Leon vom Rhein bezeichnet wurde, und ihren Kommissar Lavalle kennt, der weiß, dass er Spannung erwarten kann und darf. Der Begriff des Thrillers ist nicht umsonst auf den Umschlag gedruckt. Die Handlung, welche dieses Mal ohne Lavalle auskommen muss, spielt größtenteils in Düsseldorf, der Stadt der Schönen und Reichen. Für Kommissarin Lea Willach steht eine neue Leiche ins Haus, eine Leiche, die um alle lebenswichtigen Organe beraubt worden war. Sie war explantiert worden. Schnell bekommen Lea und ihre Kollegen heraus, dass es sich dabei nicht um einen freiwilligen Organspender handelt. Sie kommt einer internationalen Organisation, genannt Q21, auf die Spur, die im Auftrag reicher Kunden vor nichts zurückschreckt, um an passende Organe zu gelangen. Diese Erkenntnis bringt sie in das Visier einer ebenfalls international agierenden Polizeieinheit, die sich mit ebenfalls ungewöhnlichen Methoden anschickt, die Q21 zu stoppen. Methoden, die Lea nicht ohne weiteres gutheißen kann. Die Autorin hat sich in ein Milieu begeben, welches erst vor kurzer Zeit in den Medien seine Runde machte. Die Recherchen eröffneten ihr Ungeahntes. Wenn man das mit dem Wissen um die Spionage seitens der NSA und anderer Geheimdienste zusammenbringt, dann wird alle fiktive Handlung in dem Thriller authentisch und plausibel. Die rasante Handlung wird gekonnt durch die Montage der Szenen (Probleme in der Familie, Koma ihres bisherigen Lebensgefährten etc.) mit so manchem Cliffhanger befördert. Das Buch lässt sich kaum aus der Hand legen, während man mit der Protagonistin Lea der größten Mafiaorganisation Q21 hinterherjagt. Ausgefeilte, zeitgenössische und plausible Dialoge, die den meisten Teil der Handlung beschreiben und nur von kurzen erzählenden Passagen unterbrochen werden, sind ein beliebtes Mittel, ein Handlung voranzutreiben, wobei sich der Leser in die Handlung hineinversetzt sieht. Kleine Anspielungen auf die Kollegen der schreibenden Zunft sind ebenfalls geschickt eingeflochten und fallen nur Insidern oder absoluten Krimiliebhabern auf. So spannend-verwirrend die Handlung ist, so schafft es Stefanie Koch, in einer verwirrenden Doppeldeutigkeit einzelnetr Sätze das Misstrauen beim Leser wachzuhalten. Während eine Figur von einem Kind spricht, im nächsten Satz an ein Kind denkt, sollte der Leser nicht unbedingt glauben, dass es sich in beiden Fällen um ein und dasselbe Kind handelt. Das ist Thrill pur.

Aber so sehr ich auch Geschichten mag, hat das Buch doch einen leichten bitteren Beigeschmack. Der Satz ist völlig daneben und entspricht nicht dem eines Buches. Auseinandergezogene Zeilen wegen des Blocksatzes ohne Silbentrennung und viele fehlende Leerzeichen, die aus zwei Wörtern eines machen, zwingen oft zum nochmaligen Hinschauen beim Lesen. Doch hält mich das mangelnde drucktechnische Handwerk nicht davon ab, dem Buch vier von fünf Sternen zu geben. Das Lesevergnügen war ja (fast) perfekt.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2013