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Veröffentlicht am 26.03.2023

Schnelle Rach' und jäher Zorn haben manch gut Spiel verlor'n. (Sprichwort)

Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz
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20. Jh. Brandenburg. Der Tod ihrer Mutter ist für Adelheid ein herber Schlag, denn nicht nur der persönliche Verlust macht ihr zu schaffen, sondern einmal mehr kommt es nun auf sie an, die Familie durch ...

20. Jh. Brandenburg. Der Tod ihrer Mutter ist für Adelheid ein herber Schlag, denn nicht nur der persönliche Verlust macht ihr zu schaffen, sondern einmal mehr kommt es nun auf sie an, die Familie durch ihre Anstellung auf Schloss Liebenberg zu versorgen. Die Arbeit im Schloss fällt Adelheid zusehends schwerer, zu groß ist ihre Wut auf die Fürstin, der sie den Tod der Mutter anlastet. Ein halbverkohlter Brieffund im Kamin spielt Adelheids Rachegelüste in die Hände. Sie nutzt die Gunst der Stunde, um daraus Profit zu ziehen, um ihre Familie zu unterstützen. Doch dann muss Adelheid selbst feststellen, dass sie mit ihrer Aktion selbst zwischen die Fronten geraten ist und nichts ist, wie es scheint…
Hanna Caspian hat mit „Hinter dem falschen Glanz“ den zweiten Band ihrer Schloss Liebenberg-Trilogie vorgelegt, der nahtlos an den ersten Teil anschließt und dem Leser erneut Einlass in den Dienstbotentrakt der adligen Herrschaften von Eulenberg gewährt, wo er sich unter sie mischen darf und dabei allerlei Intrigen, Geheimnisse und Gehässigkeiten miterlebt. Der farbenfrohe, flüssig-leichte und packende Erzählstil lässt den Leser schnell ins vergangene Jahrhundert zurückreisen, um als unsichtbarer Schatten Adelheid über die Schulter zu sehen. Adelheids Wut über die Fürstin ist auch für den Leser spürbar, ihr Sinnen nach Rache völlig verständlich, jedoch ist dies nie ein guter Ratgeber. So tappt Adelheid auch schnell bei der Aussicht, die Versorgung ihrer Familie zu sichern und gleichzeitig Vergeltung zu üben, in die Falle, die ihr Gewissen am Ende noch mehr plagen wird. Während die Autorin die historisch belegte Eulenburg-Affäre sehr gut mit ihrer Handlung verbindet, erlebt der Leser ein adliges Haus in Aufruhr, denn hier geht es nicht nur um verbotene Beziehungen, sondern auch um geschickt gestreute Gerüchte und bösartige Intrigen, die so manchen die Reputation kosten. Aber nicht nur der Ruf der adligen Herrschaften ist in Gefahr, auch unter den Dienstboten graben sie sich gegenseitig das Wasser ab. Jeder ist sich selbst der nächste und um bestmöglich Profit zu machen, müssen andere dafür herhalten. Wechselnde Perspektiven geben nicht nur einen guten Rundum- und Einblick verschiedenster Protagonisten, sondern steigern gleichzeitig die Spannung der Geschichte, weshalb sich der Leser kaum von den Seiten lösen kann, welche ihm ein buntes Kopfkino bescheren.
Die Charaktere wurden weiter entwickelt, wirken auf den Leser lebendig und authentisch, was es ihm leicht macht, sich an ihre Fersen zu heften. Adelheids anfängliche Naivität ist durch den Tod der Mutter fast verschwunden, vielmehr wirkt sie erwachsener, ihre Rachegelüste treiben sie allerdings an und lassen sie verschlagen wirken. Fast kann sie sich messen mit einigen ihrer gewieften Kollegen. Hedda ist ihr eine gute und ehrliche Freundin geworden, ihre Ratschläge sind für Adelheid Gold wert, ist sie doch clever und gewitzt, sich ihre eigenen Vorteile zu verschaffen. Lydia ist eine intrigante Person, der man baldmöglichst mal die Giftzähne ziehen müsste. Aber auch der leider etwas farblose Viktor, der widerliche Opitz, aber auch der vergnügungssüchtige, verantwortungslose Fürst sowie einige andere Protagonisten mischen die Handlung auf.
„Hinter dem falschen Glanz“ unterhält mit Geheimnissen, Intrigen, Rachegelüsten sowie einem Skandal. Hier ist wirklich nicht alles Gold, was glänzt, denn hinter den Schlossmauern knallt es ganz gewaltig. Fesselnde Lektüre aus der Sicht der Dienstboten mit fundierter historischer Hintergrundrecherche, die den Leser das Buch kaum aus der Hand legen lässt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 26.03.2023

Schwestern sind verschiedene Blumen aus demselben Garten. (Sprichwort)

Die Töchter der Kornmühle
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Als die 94-jährige Hilka Gerdes nach einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wird, möchte sie noch schnell ihr Herz erleichtern, bevor sie der Tod ereilt. Ihre Töchter Rena und Viktoria haben schon ...

Als die 94-jährige Hilka Gerdes nach einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wird, möchte sie noch schnell ihr Herz erleichtern, bevor sie der Tod ereilt. Ihre Töchter Rena und Viktoria haben schon seit Jahrzehnten nur noch sporadisch Kontakt, zu viel steht zwischen ihnen. Während Rena pflichtschuldig die familieneigene Groote-Kornmühle und die Bäckerei betreibt, hat sich Viktoria schon früh von der Familie abgenabelt und hat sich ein Leben zwischen Hamburg und England aufgebaut. Nun sitzen beide am Krankenbett ihrer Mutter und trauen ihren Ohren nicht, als Hilka ein Geheimnis ans Tageslicht lässt, das ihr auf der Seele brennt und zumindest für Viktoria weitreichende Folgen nach sich zieht. Doch dann verstirbt Hilka plötzlich, ohne das begonnene Puzzle aufzulösen. Nun hängt es an Rena und Viktoria, die fehlenden Teile zusammenzusetzen…
Regine Kölpin hat mit „Die Töchter der Kornmühle“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der über zwei Zeitebenen eine Familiengeschichte mit so manchem Geheimnis preisgibt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil erlaubt dem Leser, sich schnell in der norddeutschen Kornmühle einzurichten, um nicht nur Viktoria, Rena und deren Tochter Charlotte näher kennenzulernen, sondern auch über Rückblenden in die Vergangenheit von Hilka und deren Ehemann Tjade während des 2. Weltkrieges einzutauchen. Anhand von Hilkas Tagebucheinträgen schildert die Autorin eindringlich, was Tjade während seines Fronteinsatzes erlebt und wie sich sein Wesen dadurch verändert hat. Aber auch das Leben in der Mühle wurde von eingesetzten Zwangsarbeitern geprägt. Die Wechsel der Zeitebenen zwischen Gegenwart und Vergangenheit steigern die Spannung um die verborgenen Geheimnisse, die endlich ans Licht wollen. In der Gegenwart steht die Mühle still, ihre Renovierung wird die Familie in den Ruin treiben, aber gleichzeitig müssen sich die Schwestern miteinander auseinandersetzen. Alte Erinnerungen werden am Küchentisch ausgepackt und machen deutlich, dass Rena sich oft in Gefahr gebracht hat, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu erlangen, während Viktoria Rena immer unterstützt oder geschützt hat. Trotzdem ist das Schwesternband ziemlich fadenscheinig und droht endgültig zu zerreißen. Bei der Suche nach der unvollständigen Wahrheit müssen sich sowohl Rena als auch Viktoria mit ihren Gefühlen und ihrem bisherigen Leben auseinandersetzen, aber auch mit ihrem Umgang miteinander.
Die Charaktere sind lebensnah gezeichnet und in Szene gesetzt, mit ihren menschlichen Eigenheiten wirken sie glaubwürdig und authentisch. Jedoch ist bis auf eine Ausnahme keiner der Protagonisten wirklich liebenswert, weshalb der Leser nur ihren Spuren folgt, ohne ihnen wirklich näher zu kommen. Hilka ist eine alte Frau, die viel erlebt hat und die nun in ihrem Altersstarrsinn alle nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Rena kommt nach ihrer Mutter, ist bevormundend, altklug und gibt gern den Ton an. Tochter Charlotte ist eine warmherzige und gute Seele, die ihre Mutter liebt, aber Gott-sei-Dank keine Wesensähnlichkeit hat. Viktoria ist eher unterkühlt und wirkt wie jemand, der noch nach seinen Wurzeln sucht. Dass sie der Enge der Kornmühle entflohen ist und das Weite gesucht hat, ist nur zu verständlich. Charlottes Freund Lutz ist ein undurchschaubarer, aber auch durchtriebener Mann auf Rachefeldzug. Aber auch Tjade ist nicht gerade ein Sympathieträger, auch wenn er durch den Krieg arg gebeutelt wurde.
„Die Töchter der Kornmühle“ vereint über zwei Zeitebenen eine Familiengeschichte, verborgene Geheimnisse, Kriegsgeschehen sowie die Hoffnung auf Versöhnung. Unterhaltsam und farbenfroh erzählt, gibt es hier eine verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.03.2023

Um nicht austauschbar zu sein, musst Du anders sein. (Coco Chanel)

Der Traum vom Leben
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1992. Das Leben der 17-jährigen angehenden Friseuse Luise Jensen wird von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt, als sie einen Wettbewerb für sich entscheiden kann und dort Starfriseur Udo ...

1992. Das Leben der 17-jährigen angehenden Friseuse Luise Jensen wird von einem Moment auf den anderen auf den Kopf gestellt, als sie einen Wettbewerb für sich entscheiden kann und dort Starfriseur Udo Hammer auffällt, der ihr sofort das Angebot macht, für ihn als Assistentin zu arbeiten. Für Luise, die bisher nur das Leben in Ostfriesland und den heimischen Kuhstall von innen kennt, sich eher für eine graue Maus und wenig attraktiv hält, ist es die langersehnte Chance, ihre Träume wahr werden zu lassen. Luise reist mit Hammer nach Paris, um den Models für die Prêt-à-porter-Shows der großen Modedesigner den richtigen Look zu verpassen. Unvorhergesehen bringt der Ausfall eines Models Luise schließlich selbst auf den Laufsteg und einen Vertrage mit der Agentur ELLE ein, der ihr die Türen für eine Karriere in der schillernden Modewelt öffnet. Aus dem Landei Luise wird das Modell Lou, das in kürzester Zeit unter die Supermodels mischt, um selbst eins zu werden…
Katharina Fuchs hat mit „Der Traum vom Leben“ einen unterhaltsamen Roman basierend auf einer wahren Geschichte vorgelegt, der den Leser in die Glitzer-Glamourwelt der Fashionmodels eintauchen lässt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil beamt den Leser schnell in die frühen 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo er als Schatten von Lou deren märchenhafte Karriere vom hässlichen Entlein zum Schwan in der glitzernden Modewelt hautnah mitzuerleben. Während die Autorin mit bildhafter Sprache den damaligen Zeitgeist wieder aufleben lässt, liefert sie gleichzeitig den musikalischen Soundtrack mit, der den Leser während der Lektüre immer wieder zum Mitsummen animiert. Louise ist ein echtes Landei und noch nie aus dem platten Ostfriesland und dem Bauernhof ihrer Eltern herausgekommen. Fast über Nacht findet sie sich in der Modemetropole Paris wieder und muss erst Supermodels für die berühmten Modeschauen stylen, um sich dann selbst als eine von ihnen auf dem Laufsteg wiederzufinden. Große Designer- und Modelnamen, die jedem aus der damaligen Zeit ein Begriff sind, säumen Luises Geschichte. Fuchs zeichnet ihren rasanten Aufstieg nach, wie ihn Models wie Franziska Knuppe, Julia Stegner, Toni Garn, Eva Padberg oder die verstorbene Tatjana Patitz wohl schon vor ihr erlebt haben, denn sie alle wurden in der Menge entdeckt und fanden schnell ihre Förderer und ihren angestammten Platz unter den internationalen Supermodels. Gleichzeitig gibt die Autorin auch einen Einblick hinter die glamouröse Fassade der Modewelt, wo der Konkurrenzkampf hart und der Verzicht auf vieles groß ist.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und nehmen den Leser mit auf eine schillernde Reise in die Modewelt. Luise, zu Beginn noch recht naiv und unbedarft, muss schnell erwachsen werden. Ihre Selbstzweifel begleiten sie auf ihrem Weg nach oben, doch ihr fehlt es an dem Quäntchen Mut, auch mal nein zu sagen, wenn es sie überfordert oder ihr widerstrebt. Etwas mehr Selbstbewusstsein und Eigenliebe hätte ihrem Charakter gut getan.
„Der Traum vom Leben“ ist nicht nur die Geschichte einer Traumkarriere für viele junge Mädchen, sondern auch ein schöner Streifzug durch Paris mit seinem Laissez-faire und den weltbekannten Modehäusern. Unterhaltsame und farbenfrohe Lektüre verbunden mit einer Zeitreise und nettem Kopfkino haben eine Leseempfehlung verdient.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Ohne Schatten gibt es kein Licht, man muss auch die Nacht kennen lernen. (Albert Camus)

Blankenese - Zwei Familien
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1919 Hamburg. Der Halbjude John Casparius steht vor den Scherben seines Lebens, denn nicht nur der Krieg hat seine grausamen Spuren bei ihm hinterlassen, auch die gelöste Verlobung sowie die fast ruinierte ...

1919 Hamburg. Der Halbjude John Casparius steht vor den Scherben seines Lebens, denn nicht nur der Krieg hat seine grausamen Spuren bei ihm hinterlassen, auch die gelöste Verlobung sowie die fast ruinierte Reederei seiner Familie. Als er eines Morgens an der Elbe jedoch der jungen Sattlerin Leni Hansen begegnet, schöpft er neuen Lebensmut. Obwohl die beiden aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen, steht schon bald die Hochzeit ins Haus, was vor allem Johns wohlhabender Familie ein Dorn im Auge ist. Doch Leni setzt sich mit ihrer freundlichen Art alsbald im Casparius-Haushalt durch. Das glückliche Eheleben erhält bald einen Dämpfer, als John Kenntnis von den Vorwürfen der Hansen-Familie erhält, die seine Familie für den Tod von Lenis Vater geben und sich um Lenis Liebe betrogen fühlt. Er verlässt die eheliche Wohnung und lässt Leni allein bei seiner Familie zurück, um sich einzig auf das Geschäftliche zu konzentrieren. Kann diese junge Ehe noch gerettet werden?
Michaela Grünig hat mit „Licht und Schatten“ den Auftakt ihrer Blankenese-Saga vorgelegt, der nicht nur mit einem sehr gut recherchiertem historischen Hintergrund glänzt, sondern auch mit einem Mix aus dramatischen Familiengeschichten und Liebe unterhält. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins Hamburg des vergangenen Jahrhunderts reisen, um dort über einen Zeitraum von 20 Jahren die Geschehnisse um die Familien Casparius und Hansen hautnah mitzuerleben. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser mal an der Seite von Leni, mal an der ihrer Mutter Irma und mal an der von John, wo er deren Gedanken- und Gefühlswelt gut erkunden kann und jeden von ihnen näher kennenlernt. Lenis Vater Gustav kam als Kapitän bei einem Schiffsunglück ums Leben, worunter die Familie Hansen immer noch leidet und die Reederei Casparius verantwortlich macht. Ausgerechnet Tochter Leni und Casparius-Erbe John verlieben sich ineinander, da sind Schwierigkeiten praktisch vorprogrammiert. Während die Jungvermählten ihre Probleme miteinander haben, verwebt die Autorin den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung. So bekommen die Nazis immer mehr Zulauf, deren rassistische Ideologien und Judenfeindlichkeit auch vor den Familien der Protagonisten nicht Halt macht. Vor allem aber ist es Grünig hervorragend gelungen, die Diskrepanz der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und ihren Standesdünkel aufzuzeigen. Gleichzeitig zeichnet sie mit Irmi Hansen das Bild einer hart arbeitenden Frau, die ihre Familie in Zeiten von großer Armut mit ihrem Lokal irgendwie durchbringen muss. Der Spannungsbogen wurde gemächlich angelegt, steigert sich aber immer mehr in die Höhe, so dass der Leser sich kaum von den Seiten trennen kann.
Die Charaktere sind liebevoll mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und erlauben dem Leser, sich an ihre Fersen zu heften. Leni ist eine liebenswürdige junge Frau, die sich durchaus zu behaupten und andere für sich einzunehmen weiß. John ist ein sturer, bockiger Kerl, der lieber an Gerede glaubt, als sich selbst ein Bild zu machen, was ihm nicht gerade die Sympathien zufliegen lässt. Lenis Mutter Irma ist eine starke, mutige Frau, die hart arbeitet und sich trotz einiger Schicksalsschläge nicht unterkriegen lässt. Johns Schwester Felicitas wird Leni eine echte Freundin, auf die sie sich verlassen kann.
„Licht und Schatten“ unterhält mit einem gelungenen Mix aus Familiengeschichten, Geheimnisse, Liebe und einiges an Dramatik. Der historische Hintergrund ist exzellent recherchiert und lässt die Zeit nach dem 1. Weltkrieg in Hamburg wieder lebendig werden. Verdiente Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 22.01.2023

Wer aus dem Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten. (Shakespeare)

Café Buchwald
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1896. Emma Buchwald hat schon als junges Mädchen am Schürzenzipfel ihres Vaters gehangen, der Tag für Tag in der familieneigenen Backstube die feinsten Baumkuchen und Gebäck fertigt und als Hoflieferant ...

1896. Emma Buchwald hat schon als junges Mädchen am Schürzenzipfel ihres Vaters gehangen, der Tag für Tag in der familieneigenen Backstube die feinsten Baumkuchen und Gebäck fertigt und als Hoflieferant des preußischen Prinzenhofes einiges Ansehen genießt. Als Vater Gustav plötzlich verstirbt, ist die Zukunft des Familiengeschäftes in Gefahr, zumal auch eine bereits erworbene Dependance in Berlin gerade mitten im Umbau steckt. Der einzige Ausweg scheint eine Verlobung mit dem Gesellen Fritz zu sein, um den Fortbestand der Bäckerei zu sichern, doch Emma hat bei einem ihrer Lieferwege an den königlichen Hof einen Ausflug ins Museum gemacht und dort den Architekturstudenten Max Kolbe kennen- und lieben gelernt. Als Emmas Mutter Adele sowie Max‘ Vater von der heimlichen Verbindung erfahren, unternehmen sie alles, um diese zu unterbinden, denn es gibt ein Geheimnis, dass beide Familien verbindet und nie ans Tageslicht kommen soll. Wird das Café Buchwald gerettet? Und was wird aus der Liebe zwischen Max und Emma?
Maria Wachter hat mit „Café Buchwald“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der vor der Kulisse der bis heute bestehenden Berliner Konditorei Buchwald das fiktive Schicksal der Familie erzählt. Mit flüssig-leichtem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil fängt die Autorin den Leser sofort ein und schickt ihn auf Zeitreise ins 19. Jahrhundert in das Haus und die Backstube der Buchwalds, wo er nicht nur der Familie ganz nahe kommt, sondern direkt an ihrem Leben teilnimmt. Über wechselnde Perspektiven lernt der Leser die Gedanken- und Gefühlswelt der unterschiedlichsten Protagonisten kennen. Vor allem Emma wächst einem ganz schnell ans Herz mit ihrer positiven Einstellung, die Dinge in die Hand zu nehmen. Die Beschreibungen der Backstube nebst den unterschiedlichsten Zubereitungen der Köstlichkeiten lassen nicht nur Bilder im Kopf des Lesers entstehen, sondern vermitteln auch die angenehme Caféhaus-Atmosphäre, die einen nach Gebäck und Kaffee lechzen lässt. Emmas geschäftliche Ambitionen ebenso wie die Familienverwicklungen und das gut gehütete Geheimnis lassen den Leser das Buch kaum aus der Hand legen. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen Hintergrund der damaligen Zeit schön mit ihrer Geschichte verwebt. Der Leser erhält einen guten Eindruck der damaligen Lebensumstände sowie gesellschaftlichen Gepflogenheiten, die Emma in ein Korsett hineinzwängen wollen, das sie aber nicht tragen will.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, besitzen glaubwürdige menschliche Ecken und Kanten, die den Leser sofort für sich einnehmen und er sie bei ihren Unternehmungen auf Schritt und Tritt verfolgt. Emma ist eine liebenswürdige junge Frau, die ihren eigenen Kopf besitzt und sich nicht um Konventionen schert. Sie liebt ihre Familie und versucht alles Notwendige, um deren Lebensunterhalt zu sichern. Mit ihrer offenen, ehrlichen Art gewinnt sie schnell an Ansehen und Respekt. Max ist ein Architekturstudent mit Visionen, der die Mietskasernen seines Vaters verabscheut. Er besitzt Anstand und Moral, nur an Durchsetzungsvermögen mangelt es ihm manchmal. Fritz ist ein lieber Kerl, der selbst nicht so genau weiß, was er will. Ebenso wichtig sind Adele, Gustav, Korte Senior sowie die Buchwald Bediensteten für die Handlung.
„Café Buchwald“ ist ein historischer Roman, der dem Leser neben kurzweiligen Lesestunden auch ein schönes Kopfkino beschert. Familiengeschichte, eine junge Liebe, der ständige Geruch von Gebäck und ein Geheimnis, das erst ganz am Ende offenbart wird, bieten gute Unterhaltung und erlauben das Eintauchen in ein anderes Jahrhundert. Verdiente Leseempfehlung!