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Veröffentlicht am 14.10.2020

Der Kronprinz und das Mädchen

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
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1979-1889 Wien. Die junge Komtess Sophie von Werdenfels stammt aus gutem Hause, verbringt ihre Zeit aber lieber im Caféhaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels Stefan Danzer und das nicht nur, weil sie ...

1979-1889 Wien. Die junge Komtess Sophie von Werdenfels stammt aus gutem Hause, verbringt ihre Zeit aber lieber im Caféhaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels Stefan Danzer und das nicht nur, weil sie ihren Stiefvater nicht ausstehen kann, sondern weil sie sich dort wohl und geborgen fühlt. Mary Vetsera ist Sophies engste Freundin, die seit einiger Zeit für den verheirateten Kronprinzen Rudolf, Kaiserin Sissis Sohn, entflammt ist. Als Sophie im Café Prinzess die Bekanntschaft Richard von Löwensteins macht, einem engen Freund des Kronprinzen, werden die beiden bald nicht nur Verbündete gegen die fortschreitende Affäre zwischen Mary und Rudolf, sondern fühlen sich auch immer mehr zueinander hingezogen. Leider ist Richard in der unglücklichen Lage, dass er aufgrund von Geldproblemen einer arrangierten Ehe zustimmen musste, um seiner Familie den Untergang zu ersparen. Aber auch Sophie gerät durch Marys unmögliches Verhalten in große Schwierigkeiten…
Marie Lacrosse hat mit „Bewegte Jahre“ einen fulminanten Start zu ihrer historischen Trilogie rund um ein Wiener Kaffeehaus hingelegt. Die Autorin ist bekannt für ihre akribische Hintergrundrecherche, so bringt sie auch diesmal wieder belegbare geschichtliche Fakten rund um die „Mayerling-Affäre“ mit einer fiktiven Handlung zusammen, die sich nicht nur unterhaltsam lesen lässt, sondern wobei man auch noch Geschichte hautnah miterleben kann. Der flüssig, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil ist der damaligen Zeit wunderbar angepasst und nimmt den Leser schon mit dem Prolog in die Handlung hinein in die österreichische K. u. K. Zeit. Wechselnde Perspektiven geben dem Leser nicht nur einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt von Sophie, sondern lassen ihn auch über Richards Schulter schauen, wenn sich dieser mit Kronprinz Rudolf trifft, um sich über persönliche und politische Dinge auszutauschen. Das tragische Ende der Liaison zwischen Rudolf und Mary konnte leider trotzdem niemand verhindern. Lacrosse hat ein Talent, alte Zeiten wieder aufleben zu lassen, um dem Leser anschaulich die damaligen politischen und gesellschaftlichen Standpunkte zu verdeutlichen. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen den Leser nicht nur pompöse Veranstaltungen miterleben, auch die geheimen Treffen von Mary und Rudolf sowie der Informationsaustausch zwischen Sophie und Richard im Caféhaus ziehen vor dem inneren Auge des Lesers vorbei. Während einem imaginär der Duft frisch aufgebrühter Kaffeespezialitäten um die Nase weht, wird dem Leser nebenbei auch noch so manche süßen Schmankerl vor Augen geführt, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Die oftmals erwähnte Mokkaprinzentorte ist eines davon. Der Spannungsbogen ist zu Beginn im Mittelfeld angesiedelt, schraubt sich aber mit jedem weiteren Kapitel in die Höhe.
Die Charaktere sprühen vor Leben und wirken mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften sehr authentisch. Der Leser folgt ihnen gern bei ihren Erlebnissen, so manch einer stiehlt sich sogar ins Leserherz. Sophie ist eine liebenswerte, junge Frau, die nicht nur durch Hilfsbereitschaft, sondern auch mit Fürsorglichkeit glänzt. Richard ist dem Kronprinzen ein wahrer Freund, hat aber seine eigenen Finanzen nicht im Griff, was ihn alsbald in Schwierigkeiten bringt. Mary ist eine verzogene und intrigante Göre. Sie denkt nur an sich und schert sich nicht um andere. Marie Louise von Larisch ist nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und weiß lange Zeit, ihre Karten auszuspielen. Kronprinz Rudolf leidet sein Lebtag unter einem lieblosen Elternhaus. Auch er legt einen Egoismus an den Tag, der nicht nur ihn das Leben kostet. Aber auch Sissi, Helena und weitere Protagonisten tragen mit ihren Auftritten zum farbenfrohen Sittengemälde der damaligen Zeit bei.
„Bewegte Jahre“ ist von Anfang bis Ende ein historischer Pageturner mit viel Spannung, Liebesreigen und vor allem miterlebbarer Historie, wie man sie nicht besser an den Leser bringen kann. Absolute Leseempfehlung – ausgezeichnet – Chapeau!

Veröffentlicht am 13.10.2020

"Die Hoffnung führt uns weiter als die Furcht." (Richard v. Weizsäcker)

Die Hafenschwester (2)
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1913 Hamburg. Einige Jahre sind inzwischen ins Land gegangen und Martha führt mit Ehemann Paul eine glückliche Ehe in gesicherten Verhältnissen, die mit drei Kindern gesegnet ist. Ihren Beruf als Hafenschwester ...

1913 Hamburg. Einige Jahre sind inzwischen ins Land gegangen und Martha führt mit Ehemann Paul eine glückliche Ehe in gesicherten Verhältnissen, die mit drei Kindern gesegnet ist. Ihren Beruf als Hafenschwester übt Martha ehrenamtlich aus, um sich auch weiterhin um die Ärmsten der Armen im Gängeviertel kümmern zu können. Auch ihre beste Freundin Milli hat es geschafft und führt in Amerika ein durchaus luxuriöses Leben. Die Einladung zu Annas Hochzeit bringt Martha mitsamt ihrer Familie per Schiff nach New York, um an der Eheschließung ihres Patenkindes teilzunehmen. Kaum zurück im heimischen Hamburg bricht der Erste Weltkrieg aus. Paul wird zum Kriegsdienst eingezogen und Martha muss sich fortan allein um alle und alles kümmern. Als Paul bei einem Granatenangriff schwer verletzt wird, sieht sich Martha großen Herausforderungen gegenüber…
Melanie Metzenthin hat mit „Als wir wieder Hoffnung hatten“ den zweiten Teil ihrer historischen Hafenschwester-Trilogie vorgelegt, der dem ersten Band in punkto Spannung und geschichtlichem Hintergrund in nichts nachsteht. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lässt die Autorin den Leser schnell wieder an Marthas Seite schlüpfen, um hautnah bei ihren kommenden Erlebnissen dabei zu sein. Die Autorin hat wieder einmal akribisch recherchiert und den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung verwoben, wobei ihre bildreichen Beschreibungen im Kopf des Lesers einen Film zum Laufen bringen. So darf der Leser nicht nur mit den Studts auf dem Luxusliner „Imperator“ nach Amerika schippern und das dortige Leben zur damaligen Zeit bestaunen, sondern erlebt auch mit, wie der Krieg ausbricht und das Leben aller auf den Kopf stellt oder findet sich inmitten von Streikenden wieder. Metzenthin schickt den Leser während der Lektüre auf eine Achterbahn der Gefühle, denn die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist frappierend. Martha, stellvertretend für viele Frauen, sieht sich auf einmal der besonderen Herausforderung gegenüber, die Familie während des Krieges irgendwie durchzubringen, wobei es kaum Lebensmittel gibt und auch die Kälte den Menschen sehr zusetzt. Besonders erwähnenswert sind zudem die beschriebenen medizinischen Behandlungsmethoden zur Gesichtsrekonstruktion, die der gefesselte Leser für die damalige Zeit kaum für möglich hielt und eher der Gegenwart zugeordnet hätte. Der Spannungslevel ist zu Beginn im Mittelfeld verankert, steigert sich dann aber bis zum finalen Schluss immer weiter in die Höhe, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann.
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich ausgearbeitet, ihre glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten überzeugen den Leser und lassen sie ihm nicht nur ans Herz wachsen, sondern auch mit ihnen leiden, hoffen und fühlen. Martha ist eine fleißige, tatkräftige, schlagfertige und mutige Frau, die jedem beisteht und nicht müde wird, ihre Unterstützung und Hilfe zu gewähren. Ehemann Paul ist ein sympathischer Mann, der an seiner Kriegsverletzung fast zerbricht, wäre nicht seine Frau sein Fels in der Brandung. Marthas Bruder Heinrich ist mit Leib und Seele Seefahrer, besitzt Tatkraft und Stärke. Heinrichs Ehefrau Li-Meng muss sich in einem neuen Land erst einmal zurechtfinden, wirkt zu Beginn etwas unsicher, was aber auch ihrer tragischen Vergangenheit geschuldet ist. Doch im Verlauf der Geschichte entwickelt sie Selbstbewusstsein und geht offener auf die Menschen zu. Aber auch Milli, Ella, Fredi, Rudi und einige andere sind wieder mit von der Partie und bereichern mit ihren Episoden die Geschichte.
„Als wir wieder Hoffnung hatten“ ist eine durchweg sehr gelungene Fortsetzung, die sich nach den ersten Seiten zu einem wahren Pageturner entwickelt. Neben wunderbar recherchiertem historischen Hintergrund lassen den Leser auch die Geschicke um Martha und ihre Lieben einfach nicht los. Leibhaftig erlebbare Geschichte, die eine absolute Leseempfehlung verdient und die Vorfreude auf den letzten Teil schürt!

Veröffentlicht am 11.10.2020

Wie eine Oper...

Für die Ewigkeit
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1902. Jörg Jäger, der sich den Namen Jorge Jega gegeben hat und aus Deutschland nach Südamerika geflüchtet ist, versucht hungrig und verzweifelt in Buenos Aires eine Anstellung als Klavierlehrer zu finden. ...

1902. Jörg Jäger, der sich den Namen Jorge Jega gegeben hat und aus Deutschland nach Südamerika geflüchtet ist, versucht hungrig und verzweifelt in Buenos Aires eine Anstellung als Klavierlehrer zu finden. Der Fabrikant Don Alameda stellt ihn für seine 17-jährige Tochter Francisca ein, die sich alsbald viel lieber darauf konzentriert, Jorge zu verführen als sich dem Klavierspiel zu widmen. Jorge ist allerdings ein gebranntes Kind, musste er doch bereits aus Uruguay fliehen, da dort nach einem verunglückten Duell mit einem Senator nach ihm gefahndet wurde. Doch schon bald verfällt Jorge der jungen Frau, die ihn eines Tages überredet, mit ihr über einige Stationen bis nach Rio de Janeiro zu flüchten. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verdingt sich Jorge als Barpianist, während Francisca sich als Kellnerin versucht. Das junge Paar lebt in ständiger Angst vor Entdeckung, denn Francisca Vater hat inzwischen nicht nur ihren Cousin Alfredo Torres sondern auch Detektive losgeschickt, seine Tochter zu suchen und nach Hause zu bringen…
Helmut Krausser hat mit „Für die Ewigkeit“ einen wunderbaren historischen Kurzroman vorgelegt, dessen nur 192 Seiten angefüllt sind mit melancholischer Romantik, sprachlicher Finesse und kunstvoller Erzählweise. Mit flüssigem und der damaligen Zeit angepasstem Erzählstil ist malt Krausser nicht nur herrliche Bilder im Kopf des Lesers, sondern lässt ihn als Zaungast regelrecht an der teils kuriosen Liebesgeschichte, der Flucht und dem doch recht traurigen Ausgang teilhaben. Mit immer neuen und überraschenden Wendungen schraubt der Autor die Spannung immer weiter nach oben, so dass der Leser atemlos Seite um Seite verschlingt, um keinen Augenblick der teils tragischen, teils komödienhaft anmutenden Geschichte zu verpassen. Interessant sind nicht nur die sich immer wieder verschiebenden Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, sondern auch die Manipulationsversuche einiger, um ihren Willen zu erreichen, alles musikalisch untermalt durch die langsam von Jorge Jega entwickelte Oper „Clarissa“, die frei erfunden, den geschilderten Umständen jedoch Rechnung trägt.
Die Charaktere sind am Puls der damaligen Zeit entwickelt, könnten allerdings auch in die Gegenwart umgesetzt werden. Mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet können sie den Leser von sich überzeugen, der wie im Fieber ihrem Werdegang und den daraus resultierenden Entwicklungen folgt. Jorge ist ein blonder, blauäugiger geflüchteter Deutscher, der hungrig und ohne Geld verzweifelt nach einem Strohhalm greift. Er lebt für seine Musik, ist recht naiv und lässt sich schnell um den Finger wickeln. Doch weist er auch heroische Eigenschaften wie Treue und Verbundenheit auf, die ihm zum Verhängnis werden. Francisca ist eine verwöhnte junge Frau, die das Leben kennenlernen will und der dafür jedes Mittel recht ist. Sie weiß bereits, welche Macht ihr als Frau gegeben ist und wie sie diese manipulativ einsetzen kann. Alfredo ist ein schmieriger Kerl, der versucht, sich alle Seiten offen zu halten, um einerseits monetär als auch gefühlsmäßig davon zu profitieren.
„Für die Ewigkeit“ ist wie eine komische Oper, die in einer Tragödie endet: sprachlich furios und tiefgründig, durchgängig voller Spannung und mit einem Ende, das keine Wünsche offen lässt. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!

Veröffentlicht am 10.10.2020

"Es ist besser, zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat." (Giovanni Boccaccio)

Wien by NENI
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Das „Neni“ ist allen ein Begriff (das Wort setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Hayas Söhnen zusammen), die die Küche von Haya Molcho und ihrer Familie schätzen und lieben gelernt haben. Ob in Tel ...

Das „Neni“ ist allen ein Begriff (das Wort setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Hayas Söhnen zusammen), die die Küche von Haya Molcho und ihrer Familie schätzen und lieben gelernt haben. Ob in Tel Aviv, Wien, Hamburg, Köln, München oder Berlin – das NENI ist eine zuverlässige Anlaufstelle, wo man in gemütlichem Ambiente die sehr schmackhaften Speisen nach Molchos Rezepten genießen kann. Da wir Molchos Küche sehr lieben, haben wir uns besonders auf „Wien by NENI“ gefreut, in der Haya Molcho mit ihren Söhnen neben leckeren Gerichten auch interessante Personen präsentiert, die im malerischen und geschichtsträchtigen Wien einige Schmankerl beitragen und so dem Leser die nächste Reise in die österreichische Metropole planen lassen, um all diese Geheimtipps auszuprobieren, die einen Bogen spannen von Kultur über Einkaufen, gutes Essen und Genießen.
Neben Molchos Rezepten, die mit israelischem Touch die traditionelle Wiener Küche international präsentiert, bekommt man einen großen Einblick in die Molcho-Familie und ihren Werdegang sowie ihre eigenen persönlichen Favoriten, die sie in Wien gefunden haben und dem Leser hier vorstellen. Da findet sich u.a. neben dem „Demeterhof“ von Helga Bernold und Wolfgang Herzog auch das Café Korb von Susanne Wild wieder. Alles wird farbenprächtig untermalt mit schönen stimmungsvollen Fotos von Nuriel Molcho, die einen wünschen lassen, man könnte sofort die Koffer packen und gen Wien aufbrechen. Überhaupt ist die gesamte Haptik des Buches eine wunderbare Unterstreichung des Inhalts, so dass sowohl die Augen als auch der Gaumen auf seine Kosten kommt.
Auch die Zusammenstellung der Rezepte in diesem Buch lassen keine Wünsche offen. Neben vielen Gemüsegerichten (vor allem für Vegetarier interessant) finden sich neben Fisch und Fleisch vor allem auch jede Menge wunderbare Desserts wieder, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Nicht nur die „Marillenknödel“ sind ein absoluter Traum, auch der Linsensalat mit Ofengemüsen und Kaspressknödeln, die Bärlauchlatkes oder die Sauerteig-Pancakes mit Rhabarber-Kompott sind zum Niederknien!
„Wien by NENI“ ist nicht nur was für Fortgeschrittene, sondern auch Einsteigern werden diese wunderbaren Gerichte gelingen. Unbedingt ausprobieren und sich selbst verwöhnen!

Veröffentlicht am 04.10.2020

Lichter gegen die Dunkelheit

Die Bibliothekarin von Auschwitz
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Die Tschechin Edith „Dita“ Kraus wird 1943 als 14-jährige mit ihrer Familie vom KZ Theresienstadt ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie auf Fredy Hirsch trifft, den sie bereits aus ihrer Heimatstadt ...

Die Tschechin Edith „Dita“ Kraus wird 1943 als 14-jährige mit ihrer Familie vom KZ Theresienstadt ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie auf Fredy Hirsch trifft, den sie bereits aus ihrer Heimatstadt Prag kannte. Fredy Hirsch hat in Auschwitz den Kinderblock (Block 31) organisiert, wo tschechische Kinder provisorischen Schulunterricht bekamen, Sport treiben durften, malten, Theater spielten. Es gab auch eine kleine Bibliothek mit gerade mal 8 alten Büchern, die eigentlich verboten sind und für die Dita nicht nur verantwortlich war, sondern sie wie einen Schatz hütete, spendeten sie ihr doch Trotz und Hoffnung an diesem grausamen Ort, wo ein Dr. Mengele seine widerwärtigen Versuche praktizierte und jeden Tag Menschen von den Nazis ins Gas geschickt wurden…
Antonio Iturbe hat mit „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ einen sehr berührenden Roman über Dita Kraus vorgelegt, der sich aus fiktiven und biografischen Elementen zusammensetzt und im Kopf des Lesers nicht nur die furchtbaren Vorgänge in Auschwitz lebendig werden lässt, sondern auch die Kraft des geschriebenen Wortes hervorhebt, das für Hoffnung und Zuversicht sorgt, um irgendwie zu überleben. Der flüssige, empathische und bildhafte Schreibstil lässt den Leser schickt den Leser nicht nur auf Zeitreise in das düsterste Kapitel deutscher Geschichte, sondern lässt ihn an die Seite von Dita gleiten, um sie auf ihrem Leidensweg durch die Lager der deutschen Tötungsmaschinerie zu begleiten. Schonungslos offen beschreibt der Autor die Versuche von Dr. Mengele, den Anblick der toten Körper nach der Vergasung sowie die fürchterlichen Foltermethoden der Nazis, die sich schon bei kleinsten Auffälligkeiten auf die Gefangenen entluden. All diese Grausamkeiten und unmenschlichen Abgründe durchlebt der schockierte Leser an Ditas Seite und erfährt gleichzeitig die ablenkende und tröstliche Wirkung der Büchergeschichten, die von einigen der Insassen den Kindern lebendig vorgespielt werden. Dita überlebte Auschwitz und auch ihre letzte Station Bergen-Belsen fast dem Hungertod nahe, wo sie am Ende noch ihre Mutter verlor. Der Leser weiß vor lauter Grauen zum Schluss gar nicht, was schlimmer ist: die unsägliche Tortur, die die Menschen in den Lagern durchleben mussten oder Ditas Verlust ihrer Familie, nachdem sie der Hölle endlich halbtot entkommen ist.
Seine Charaktere hat der Autor mit viel Sensibilität und Feingefühl detailliert in Szene gesetzt, so dass sie mit ihren menschlichen Eigenschaften den Leser nicht nur sofort überzeugen, sondern ihm sofort ans Herz wachsen. Dita ist bereits als junges Mädchen neugierig und aufgeweckt, aber auch mit Mut und Stärke ausgestattet, die ihr dabei helfen, die miterlebten Grausamkeiten irgendwie zu überleben. Fredy Hirsch ist ebenfalls eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sein Engagement für den Kinderblock und vor allem für die Bildung und Ablenkung der Kinder ist gar nicht hoch genug zu bewerten innerhalb der Hölle eines KZs. Aber auch Schilderungen über Ditas Familie, Mithäftlinge und vor allem Dr. Mengele machen dieses Buch zu einem miterlebbaren Zeitzeugnis, die durch die persönlichen Erklärungen des Autors am Ende untermalt werden.
„Die Bibliothekarin von Auschwitz“ schockiert, berührt, bewegt, macht atemlos und schmerzt bei jedem gelesenen Wort bis tief in die Seele, denn Ditas Geschichte steht für so viele Menschen, die das Grauen durchleben mussten. Aber es macht auch deutlich, dass sich diese grauenhaften Ereignisse niemals wiederholen dürfen. Absolute Leseempfehlung!