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Veröffentlicht am 17.03.2019

"Man spendet nicht Organe, sondern schenkt jemandem das Leben." (Chiara Thies)

Zehn Wünsche bis zum Horizont
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Das Leben meint es gerade nicht gut mit der 33-jährigen Maggie, denn nur ein Jahr nach der Hochzeit möchte ihr Ehemann Jeff die Scheidung, um mit einer anderen Frau ein neues Leben zu beginnen. Auch im ...

Das Leben meint es gerade nicht gut mit der 33-jährigen Maggie, denn nur ein Jahr nach der Hochzeit möchte ihr Ehemann Jeff die Scheidung, um mit einer anderen Frau ein neues Leben zu beginnen. Auch im Job läuft ist nicht gerade optimal, denn durch die Enttäuschung arbeitet Maggie nur auf Sparflamme und versucht, ihre Enttäuschung durch Alkohol zu betäuben. Dabei sollte Maggie dankbar sein für ihr Leben und sorgsam damit umgehen, denn seit 17 Jahren trägt sie das Spenderherz der 16-jährigen Lucy Harte in sich. Dann nimmt überraschenderweise Lucys Bruder Simon Kontakt mit Maggie auf und möchte sie kennenlernen. Bei ihrer Begegnung übergibt Simon Maggie eine Liste von Lucy, in der sie alle ihre Wünsche aufgeschrieben hat, die sie unbedingt tun möchte und wozu es ja leider nicht mehr kam. Irgendwie rührt Maggie diese Aufstellung und sie macht sich daran, an Lucys Stelle diese Liste in Angriff zu nehmen als Dank für das Spenderherz. Wird dies Maggie neuen Lebensmut geben?
Emma Heatherington hat mit ihrem Buch „Zehn Wünsche bis zum Horizont“ einen interessanten und anrührenden Roman vorgelegt, der sich mit dem schwierigen Thema Organspende und dem Leben damit beschäftigt. Der Schreibstil ist flüssig und leicht, mit einem recht emotionalen Prolog wird der Leser sogleich in die Geschichte gebeamt, um sich dort an der Seite von Maggie wiederzufinden, die anscheinend in einem Meer von Problemen buchstäblich ertrinkt. Die Geschichte wird in der ersten Person aus Sicht von Maggie erzählt, was einem die Protagonistin noch näher bringt, weil der Leser gleichzeitig Einblick in ihre Gedankenwelt erhält. Lucy lernt der Leser durch eingeschobene Tagebuchseiten kennen, wo sie als 16-jährige ihre Träume und Wünsche für das Leben festgehalten hat, die berühren. Das Leben mit einem Fremdorgan bedeutet immer, tagtäglich und auf Jahre hinaus Medikamente zu nehmen, um ein Abstoßen des Organs zu verhindern. Insofern ist es doch etwas befremdlich, wenn man als Leser lesen muss, dass die Hauptprotagonistin ihren Kummer mit Alkohol betäubt. Die Lebenszeit des Organs bestimmt auch immer die des Empfängers und ist nur begrenzt, so dass eine erneute Transplantation erforderlich wird, und die Wartezeiten dafür sind heute sehr lang, vor allem für Herztransplantationen. Der Empfänger sollte sich immer bewusst sein, welch großes Geschenk ihm da zuteilwird und dass es oftmals mit dem Tod eines anderen Menschen zusammenhängt.
Die Charaktere sind sehr individuell und lebendig ausgearbeitet. Sie wirken durch ihre Ecken und Kanten sehr authentisch und machen es dem Leser leicht, sich in sie hineinzuversetzen, ihre Handlungsweisen nachzuvollziehen und mit ihnen zu fiebern. Maggie lebt seit ihrem 14. Lebensjahr mit einem Spenderherz, das hat ihr Leben bis heute geprägt. Durch die nun auftretenden Schicksalsschläge suhlt sie sich in Selbstmitleid, geht recht fahrlässig mit ihrem geschenkten Leben um und wirkt eher wie ein Kind, das seinen Willen nicht bekommt. Das macht sie erst einmal nicht gerade sympathisch. Erst nach und nach schleicht sie sich ins Leserherz, als sie erkennt, welch große Chance sie doch eigentlich bekommen hat und das Leben durch Lucys Wünsche wieder neu für sich entdeckt. Sie wird immer offener, fröhlicher und genießt jede Minute, die sie erleben darf. Lucy ist ein Teenager, der sich das Leben bunt und aufregend vorstellt. Sie ist liebenswert und sprüht vor Ideen. Ihr Bruder Simon ist ein toller Kerl, ehrlich, offen und sensibel. Maggies Vater ist ein liebenswerter Mann, der nur das Beste für seine Tochter will. Die Mutter dagegen ist ein Drachen. Auch die weiteren Protagonisten wie Gerard oder auch Flo und Billie überzeugen mit ihren kleinen Episoden.
„Zehn Wünsche bis zum Horizont“ bietet neben einer emotionalen Reise zu sich selbst auch eine geografische, um die Wunschliste abzuarbeiten. Die Geschichte regt zum Nachdenken an und berührt, was eine Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 16.03.2019

“Natürlich kann man ohne Hund leben es – lohnt sich nur nicht.” (Heinz Rühmann)

Mit James auf Sylt
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Nele spannt ihre 43-jährige Schwester Jana für zwei Monate als Hundesitterin für ihren Neufundländer James ein, nachdem Jana gerade ihren Job und ihren Freund verloren hat. Eigentlich keine schlechte Beschäftigung ...

Nele spannt ihre 43-jährige Schwester Jana für zwei Monate als Hundesitterin für ihren Neufundländer James ein, nachdem Jana gerade ihren Job und ihren Freund verloren hat. Eigentlich keine schlechte Beschäftigung und die Unterbringung in einer Ferienwohnung auf Sylt ist auch nicht zu verachten. Aber Jana kann Hunde nun einmal nicht ausstehen, was James natürlich merkt und ihr das Leben zur Hölle macht. Da er nicht gerade der folgsamste Hund ist, muss Jana mit ihm auch noch einmal die Schulbank in einer Hundeschule drücken. Der Trainer geht Jana völlig auf die Nerven, wer will schon dauernd hören, dass man völlig betriebsblind ist, wenn es um Hunde geht. Einzig die Spaziergänge mit Frank und dessen Hündin Paula genießt Jana in vollen Zügen. Doch James hat mal wieder anderes im Sinn und macht Zicken, denn Paula gefällt ihm, und das war so gar nicht geplant und bringt alles durcheinander…
Claudia Thesenfitz hat mit ihrem Buch „Mit James auf Sylt“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist locker-flüssig und sehr humorvoll, der Leser lässt sich schnell auf die Nordseeinsel Sylt entführen und darf an einem wunderschönen Set sowohl Jana als auch James näher kennenlernen. Während der Leser Einblick in Janas Gedankenwelt erhält, sind es ausgerechnet die Verhaltensweisen und die Körpersprache von James die einen immer wieder zum Schmunzeln bringen. Wer Hunde liebt und selbst einen besitzt, wird die eine oder andere Marotte sicherlich wiedererkennen. Die Autorin versteht es sehr gut, hier den Vierbeiner in den Vordergrund zu stellen und die eigentliche Hauptprotagonistin zur Nebendarstellerin zu degradieren. Allein die Tatsache, dass Jana mit Hunden nichts anfangen kann und am liebsten keinen in ihrer Nähe hätte, lässt die aufkommenden Schwierigkeiten schon erahnen und das Herz höher schlagen. Auch Hunde haben Charakter und merken schnell, wenn man Angst vor ihnen hat, was den eigenwilligen von ihnen natürlich Tür und Tor öffnet für so manche Schandtat.
Die Charaktere sind sehr lebensecht ausgestaltet und geben mit ihren individuellen Eigenschaften dem Leser die Möglichkeit, sich ihnen zu anzunähern. Jana ist zu Beginn eine etwas unterkühlte Frau, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Man braucht eine Weile, um hinter ihre Fassade zu blicken und sie von einer anderen Seite kennenzulernen. Der Star der Geschichte ist eindeutig James, der den Leser mit seiner Authentizität und seinem Verhalten begeistern kann. Er hat seinen eigenen Kopf und je nach Stimmung wird es schwer, ihn zu bändigen. Er weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss und nutzt jede Gelegenheit aus, die man ihn nicht im Auge hat, um sich seinen Freiraum zu verschaffen und den Dingen nachzugehen, die ihn interessieren, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Mit James auf Sylt“ ist ein lustiger und unterhaltsamer Roman, der die Lachmuskeln strapaziert und für angenehme Lesestunden sorgt. Besser kann man eine Leseempfehlung nicht verdienen!

Veröffentlicht am 16.03.2019

Ein Blick durchs Schlüsselloch

Sehnsucht nach Mill River
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Die kleine Stadt Mill River in Vermont war schon immer das Zuhause der über 80-jährigen Mary McAllister. Als Tochter eines Pferdezüchters hat sie es weit gebracht, denn nun lebt sie auf einem Hügel in ...

Die kleine Stadt Mill River in Vermont war schon immer das Zuhause der über 80-jährigen Mary McAllister. Als Tochter eines Pferdezüchters hat sie es weit gebracht, denn nun lebt sie auf einem Hügel in einer Marmorvilla mit Blick auf die Stadt. Seit mehr als 60 Jahren, seit dem Unfalltot ihres Ehemannes, lebt Mary durch eine Sozialphobie abgeschottet und isoliert von der Außenwelt, denn seit sie als junges Mädchen misshandelt und vergewaltigt wurde und auch noch in einer Ehe voller Gewalt gefangen war, traut sie niemandem mehr. Einzig in Father Michael O‘Brien sieht sie einen Vertrauten und Freund, der sie bei ihren heimlichen Wohltaten für ihre Mitmenschen unterstützt. Nun ist Mary vom Bauchspeicheldrüsenkrebs gezeichnet und setzt mit Tabletten ihrem Leben ein Ende. Father Michael kommt die Aufgabe zu, Marys Vermächtnis öffentlich zu machen…
Darcy Chan hat mit ihrem Buch „Sehnsucht nach Mill River“ einen sehr einfühlsamen und fesselnden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, der Leser wird schnell in die Geschichte hineinkatapultiert und darf regen Anteil an Marys Leben nehmen, wobei er sie sehr gut kennenlernt. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, die berichtet von der Gegenwart, die andere lässt den Leser durch die Gedanken von Father Michael auf eine junge Mary treffen und darf sich in ihrer Vergangenheit in den 40er Jahren umsehen. Durch den regen Perspektivwechsel bekommt der Leser schnell ein gutes Bild über die zwischenmenschlichen Verhältnisse innerhalb der Kleinstadt sowie die Schicksalsschläge, die Mary erdulden musste. Sehr gekonnt führt die Autorin die beiden Ebenen am Ende zusammen und lässt die Zusammenhänge und das Handeln der Protagonistin noch deutlicher zu Tage treten. Ebenso gefühlvoll werden die Kleinstadtbewohner mit ihren eigenen Geschichten thematisiert, um aufzuzeigen, wie Mary mit ihrem unsichtbaren Handeln in ihre Leben eingreift. Das Geheimnis von Mary verwahrt sich die Autorin bis zum Schluss, so bleibt die Handlung unterschwellig spannend.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich angelegt und lassen dem Leser die Wahl, seine Sympathien gerecht zu verteilen. Mary ist eine Frau, die in ihrem Leben einiges ertragen musste. Schon als junge Frau vergewaltigt, verliebt sie sich ausgerechnet in einen brutalen und arroganten Schnösel, der sie heiratet und zu einer gut situierten Frau macht. Doch das Leben mit ihm ist ein Märtyrium, Schläge und Demütigungen an der Tagesordnung, was Mary so sehr traumatisiert, dass sie am Ende nicht mehr in der Lage ist, zu Menschen in ihrem Umfeld Kontakt zu wahren. Sie isoliert sich völlig von der Außenwelt, lebt einsam und allein in ihrem Haus und beobachtet die Menschen der Stadt. Father Michael ist über Jahre ihre einzige Bezugsperson. Dabei hat Mary ein großes Herz, ist hilfsbereit und selbstlos. Patrick ist ein brutaler Mann, der immer bekommt, was er will. Aber er weiß nichts zu schätzen, sondern ist schnell gelangweilt. Father Michael ist ein sympathischer Mann mit einer Marotte für Silberlöffel, die er überall mitgehen lässt. Aber auch Protagonisten wie die Lehrerin Claudia, Daisy Delaine oder Kyle Hansen geben der Handlung immer wieder ein neues Gesicht.
„Sehnsucht nach Mill River“ ist ein wunderschöner und unterhaltsamer Schmöker, der die verschiedensten Themen anpackt. Hier hat die Liebe ebenso Platz wie Schicksalsschläge, Einsamkeit, oder auch Geheimnisse. Erzählerisch schön und einfühlsam verpackt in eine sehr kurzweilige Lektüre. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 16.03.2019

Schönes Kopfkino

Sommerflimmern
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Ariane nennt die Urlaubsinsel Rügen ihr Zuhause, doch wäre sie liebend gern woanders, denn ihr Leben ist momentan der pure Stress, was allerdings weniger an den Hochzeitsplanungen für ihre Freundin liegt, ...

Ariane nennt die Urlaubsinsel Rügen ihr Zuhause, doch wäre sie liebend gern woanders, denn ihr Leben ist momentan der pure Stress, was allerdings weniger an den Hochzeitsplanungen für ihre Freundin liegt, sondern eher an ihrer eigenen Mutter, die sie unbedingt an den „Mann“ bringen will. Als die alte Trudi mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kommt, soll Ariana deren Tochter Astrid benachrichtigen, doch die scheint spurlos von der Insel verschwunden zu sein. Nachdem Ariane herausgefunden hat, dass Astrid nunmehr auf Usedom ihre Zelte aufgeschlagen hat, versucht Ariane, sie zu kontaktieren. Allerdings antwortet nicht Astrid, sondern deren Sohn David, der ziemlich geheimnisvoll tut, um dann kurze Zeit später überraschend im Rügener Krankenhaus aufzutauchen, damit er sich um seine Großmutter Trudi kümmern kann. Dabei bringt er Ariane ziemlich aus dem Tritt…
Marie Merburg hat mit ihrem Buch „Sommerflimmern“ einen sehr unterhaltsamen und warmherzigen Liebesroman vorgelegt, der durch ein altes Familiengeheimnis für Spannung sorgt und den Leser mit seinem flüssigen, gefühlvollen und bildhaften Schreibstil direkt abholt, um ihn in die Handlung hinein zu bugsieren. Fortan steht er an Arianes Seite und darf sie aus nächster Nähe bei ihrem Alltag begleiten, ihr in Herz und Seele schauen und dabei ihre Gedanken lesen, die sie umtreiben. Schon die farbenprächtigen Beschreibungen der Insel geben dem Leser die richtige Einstimmung für einen kleinen Urlaub vom Alltag. Die Bilder vom Strand und der Ostsee lassen die Gedanken wandern, während man der Geschichte von Ariane folgt und versucht, den dem Geheimnis um die Misstöne zwischen Oma Trudi und Tochter Astrid auf den Grund zu kommen.
Die Charaktere sind durchweg lebensecht skizziert und überzeugen durch Authentizität. Dem Leser wird die Möglichkeit gegeben, sich in sie hineinzuversetzen, ihre Gedanken und Handlungen nachzuvollziehen und sich ihnen nahe zu fühlen. Ariane ist eine offene und ehrliche junge Frau. Sie ist beruflich zwar nicht gerade erfolgreich, aber durch ihre sympathische, mitfühlende und hilfsbereite Art wächst sie vielen schnell ans Herz. Bisher konnte sie sich gegen ihre Mutter nicht durchsetzen, doch im Verlauf der Geschichte gewinnt sie immer mehr an Selbstbewusstsein und lernt, sich zur Wehr zu setzen. David ist ein interessanter und geheimnisvoller Mann, der für einige Aufregung sorgt. Auch die weiteren Protagonisten können mit ihrem Auftritt überzeugen und machen die Handlung rund.
„Sommerflimmern“ ist eine schöne Lektüre für den Urlaub oder einen verregneten Sonntag auf der Couch, mit der man dem schnöden Alltag entfliehen und sich wunderbar unterhalten kann. Schön erzählt und mit einer Leseempfehlung versehen!

Veröffentlicht am 03.03.2019

Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern. (Coco Chanel)

Goldene Hochzeit
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Johanna Mertz blickt mit 68 Jahren auf ein ereignisreiches Leben zurück. Bald feiert sie goldene Hochzeit. Mit 18 Jahren hat sie noch an die große Liebe geglaubt und bei der Begegnung mit Ulrich diese ...

Johanna Mertz blickt mit 68 Jahren auf ein ereignisreiches Leben zurück. Bald feiert sie goldene Hochzeit. Mit 18 Jahren hat sie noch an die große Liebe geglaubt und bei der Begegnung mit Ulrich diese gefunden zu haben. Schon bald kommen die Kinder und die Normalität hält Einzug in das Eheleben. Die Familie zieht nach Indonesien, als Ulrich dort ein Angebot einer Universität annimmt. Doch das Familienglück bekommt Risse, denn Ulrich ist Johanna nicht treu. Johanna erträgt und schweigt, bis es ihr zu viel wird und sie es nicht länger hinnehmen will. Um sich von den Unzulänglichkeiten und der Gleichgültigkeit ihres Ehemannes abzulenken, legt sie sich einen heimlich einen Brieffreund namens Andreas zu. Als die Planung für ihre Goldene Hochzeit ansteht, deren Feier die gesamte Familie in Bali begehen möchte, sorgt Johanna dafür, dass alle ein Rückflugticket haben, nur sie nicht…
Helga Hammer hat mit ihrem Buch „Goldene Hochzeit“ einen interessanten und anrührenden Roman vorgelegt, der den Leser mit einem ruhigen und unaufgeregten Erzählstil in das Leben einer Familie und das von Johanna Mertz im Besonderen führt und so manche Abgründe zutage fördert, die einen schaudern lassen und sich die Frage zu stellen, wie viele Familien wohl dieses Leben tatsächlich heute auch noch so führen. Von Beginn an steht der Leser an Johannas Seite und lernt ihr Leben in allen Facetten kennen. Die Kränkungen durch den Ehemann, die Lieblosig- und Gleichgültigkeit, aber auch das Abstumpfen von Johanna lassen den Leser nicht kalt. All dies schluckt Johanna stoisch hinunter, dass man sie oftmals schütteln und anspornen möchte, sich endlich zur Wehr zu setzen. Doch Johanna ist ein Kind ihrer Zeit, einer Generation, wo Frauen noch für Kind und Herd verantwortlich waren und ansonsten nichts zu melden hatten. Irgendwann aber scheint sich in Johanna ein Schalter umzudrehen, sie scheint innerlich durch die ständigen Verletzungen von einer Wut beflügelt zu sein, die ihr die Kraft gibt, langsam Widerstand aufzubauen und sich eigene Ziele zu setzen. Die Autorin zeichnet ein sehr intensives Bild dieser wachsenden Rage und steigert durch dies auch die Spannung, die sich unterschwellig immer weiter aufbaut.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet und wirken mit ihren individuellen Ecken und Kanten wie aus dem wirklichen Leben, was es dem Leser leicht macht, sich in sie hineinzuversetzen und ihren Gedanken- und Entscheidungsgängen zu folgen, wenn auch nicht alles gutzuheißen. Johanna ist eine Frau ihrer Zeit, die dazu erzogen wurde, Hausfrau und Mutter zu sein. Wie jede junge Frau hat sie Träume über die große, allumfassende Liebe, die ewig dauert und nie vergeht. Doch mit den Jahren landet sie auf dem Boden der Tatsachen, verliert sich selbst innerhalb des Familiengerüsts und unterdrückt über lange Zeit ihre eigenen Wünsche, bis sie fast daran erstickt. Erstaunlich ist, wie lange sie den Betrug ihres Ehemannes schluckt, ohne die Konsequenz zu ziehen. Man möchte sie manchmal regelrecht anbrüllen, dass sie alles so stoisch erträgt. Doch zeigt Johanna auch, dass es nie zu spät ist, etwas zu ändern und das Leben nochmals in neue Bahnen zu lenken. Dazu ist Mut, Kraft und Entschlossenheit unerlässlich.
„Goldene Hochzeit“ ist ein intensives Porträt über ein Familienleben, vor allem aber über eine Frau, die kurz vor der Selbstaufgabe Ambitionen zeigt, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Verdiente Leseempfehlung!