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Veröffentlicht am 19.04.2020

Drei Frauen trotzen ihrer Zeit

Wir hofften auf bessere Zeiten
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Die ehrgeizige Reporterin Elizabeth Balsam wundert sich nicht schlecht, als ein älterer Herr an sie herantritt und sie um einen Gefallen bittet. Sie soll jemandem eine mit Fotos gefüllte Schachtel samt ...

Die ehrgeizige Reporterin Elizabeth Balsam wundert sich nicht schlecht, als ein älterer Herr an sie herantritt und sie um einen Gefallen bittet. Sie soll jemandem eine mit Fotos gefüllte Schachtel samt Kamera übermitteln, der anscheinend mit ihr verwandt sein soll, dessen Existenz ihr bis dato allerdings nicht bekannt war. Elizabeth hat sich noch nicht entschieden, ob sie diese Bitte erfüllen will, als sie ihren plötzlich ihren Job verliert. Um die Zeit sinnvoll zu verbringen, verlässt sie ihre Heimat Detroit und besucht die ihr unbekannte Großtante Nora, um ihr die in Verwahrung genommenen Gegenstände zu überbringen. Während ihres Aufenthaltes wächst Elizabeth nicht nur Nora immer mehr ans Herz, sondern sie erfährt auch viele unbekannte Details und Geheimnisse ihrer Familiengeschichte, die sich nachhaltig auf Elizabeth‘ Leben auswirken…
Erin Bartels hat mit „Wir hofften auf bessere Zeiten“ einen packenden und tiefgründigen Generationenroman vorgelegt, der die amerikanische Geschichte über einen langen Zeitraum beleuchtet und vor allem den Konflikt zwischen Weißen und Farbigen näher in Augenschein nimmt, der bis heute nicht beigelegt ist. Nicht nur der flüssig-leichte und bildhafte Schreibstil weiß den Leser von Beginn an zu fesseln, auch die Struktur des Romans trägt seinen Teil dazu bei. Über drei Zeitebenen verteilt die Autorin ihre Handlung und lässt mit den wechselnden Perspektiven unterschwellig die Spannung immer weiter in die Höhe steigen. So behandelt eine Zeitebene die Gegenwart um Elizabeth und Nora, ein anderer erzählt die Geschichte von Mary Ende des 19. Jahrhunderts während des amerikanischen Bürgerkrieges, und der letzte lässt Noras Erlebnisse zur Zeit der Rassenunruhen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Revue passieren. Die Autorin zeichnet drei Generationen von Frauen, die sich alle mutig und kämpferisch den Widerständen entgegenstellen, um das Leben zu führen, das sie für sich als geeignet ansehen. Gleichzeitig verwebt die Autorin in den unterschiedlichen Zeitebenen den damaligen politischen und gesellschaftlichen Hintergrund, so dass die Entwicklung über die Jahrhunderte in Bezug auf den Rassenkonflikt sehr anschaulich vermittelt wird.
Die Charaktere sind sehr fein und facettenreich gezeichnet, was sie lebensnah und glaubwürdig erscheinen lässt. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, fühlt sich ihnen verbunden und kann so mit ihnen leiden, fühlen und fiebern. Elizabeth ist eine toughe Reporterin, die alles für eine gute Story tun würde. Sie besitzt für ihren Beruf den richtigen Riecher und eine ausgeprägte Neugier. Die Kündigung lässt sie unsicher werden und sich auf sich selbst zurückbesinnen. Nora ist eine nette alte Dame, die in vielen Dingen verschlossen ist wie eine Auster. Erst nach und nach taut sie auf und enthüllt, was für eine mutige und entschlossene Frau sie eigentlich ist. Mary muss sich in Kriegszeiten allein durchschlagen und kämpft mit Stärke mutig gegen alle Widerstände an. Sie hat ein großes Herz und lebt die Gleichberechtigung, was vielen in ihrem Umfeld ein Dorn im Auge ist.
„Wir hofften auf bessere Zeiten“ ist ein eindrucksvoller, anrührender und vielschichtiger Debütroman, der dem Leser nicht nur drei großartige Protagonistinnen mit einer interessanten Handlung beschert, sondern das Thema Rassismus aufrüttelnd und eindringlich präsentiert. Absolute Leseempfehlung für ein tiefgründiges Buch, das noch lange nachhallt!

Veröffentlicht am 19.04.2020

Zu Gast bei den von Plesows

Das Grand Hotel - Die nach den Sternen greifen
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1924 Binz/Rügen. Freifrau Bernadette von Plesow führt als Hotelbesitzerin mit dem „Grand Hotel“ an der Uferpromenade das erste Haus am Platz und beherbergt die Sommerfrischler, die sich gern dort verwöhnen ...

1924 Binz/Rügen. Freifrau Bernadette von Plesow führt als Hotelbesitzerin mit dem „Grand Hotel“ an der Uferpromenade das erste Haus am Platz und beherbergt die Sommerfrischler, die sich gern dort verwöhnen lassen. Nur ungern lässt sie sich die Führungsposition streitig machen, obwohl ihr Sohn Alexander als Geschäftsführer schon in den Startlöchern steht, um diese für sich zu beanspruchen, denn seit dem Tod ihres Mannes musste sie alle Entscheidungen und auch das Risiko allein tragen. Tochter Josephine kann es gar nicht erwarten, Binz endlich den Rücken zu kehren und ihrem Bruder Constantin nach Berlin zu folgen, um dort endlich das schillernde Leben kennenzulernen. Doch eines Tages scheint die Idylle im luxuriösen Binzer Hotel ins Wanken zu geraten, denn Bernadette sieht sich einer Gefahr gegenüber, die sie nicht mehr kontrollieren kann…
Caren Benedikt hat mit „Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen“ einen fulminanten Start ihrer historischen Familiensaga um die Hoteliersfamilie Plesow hingelegt. Mit flüssig-leichtem, farbenfrohem und gefühlvollem Schreibstil versetzt die Autorin den Leser ins vergangene Jahrhundert auf die schöne Ostseeinsel Rügen, wo er sich als unsichtbarer Gast in dem luxuriösen Hotel einquartieren, unter die Gäste mischen und einen Blick durchs Schlüsselloch werfen darf, um die Eigentümerfamilie und ihre Bediensteten bei ihrer Betriebsamkeit, ihren Sorgen und Problemen sowie ihrer Gedanken- und Gefühlswelt zu beobachten. Gut verpackte Geheimnisse werden von der Autorin wie bei einem Puzzle Stück für Stück enthüllt, wobei sie den Spannungslevel sehr gut zu steigern weiß durch geschickt gelegte Wendungen und Überraschungsmomente, die nicht vorhersehbar sind. Der historische Hintergrund sowie auch der sehr bildreich ausgestattete Ausflug ins alte Berlin der „Goldenen Zwanziger“ bringen zusätzlich Farbe in die Handlung und lassen sie authentisch wirken. Der Wechsel zwischen dem ruhigen Seebad Binz und der Metropole Berlin ist gut gelungen und führt dazu, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann, immer in der Erwartung, was wohl als Nächstes passiert.
Die Charaktere sind ausgesucht und sehr detailliert ausgestaltet. Glaubwürdig und lebendig inszeniert, lassen sie den Leser sehr nahe an sich heran, so dass er sich schnell mit ihnen wohlfühlt und ihnen gerne folgt. Bernadette ist die Patriarchin des Hauses und gibt die Kontrolle des Hauses nicht gern aus der Hand. Sie ist äußerst selbstbewusst, diszipliniert und zielstrebig, sie hat ihre ärmliche Herkunft abgestreift und darf nun nach harten Jahren das Ansehen genießen, nachdem sie gestrebt hat. Aber Bernadette hat auch eine andere harte und kühle Seite, die man nicht unterschätzen sollte. Sohn Alexander ist bislang eher ihre Marionette, obwohl Geschäftsführer, ist er doch nur der verlängerte Arm seiner Mutter. Constantin führt ein Hotel in Berlin, ist großzügig und hat etwas von einem Lebemann, dem alles irgendwie zufällt. Josephine ist eine Träumerin, die auch eine rebellische Ader besitzt. Sie weiß ihren Bruder Constantin um den Finger zu wickeln, doch auch sie muss erwachsen werden und Eigenverantwortung übernehmen. Marie ist ein fleißiges Zimmermädchen von zurückhaltender Natur. Sie ist ehrlich, zuverlässig und wächst nach und nach über sich hinaus. Auch andere Protagonisten hinterlassen in diesem Familienepos ihre Spuren.
„Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen“ ist ein wunderbarer unterhaltsamer Auftakt über eine Hoteliersfamilie, die mit facettenreichen Charakteren, zu lüftenden Geheimnissen sowie einiges an Spannung aufwarten kann. Ein wirklich schöner Schmöker - einfach aufschlagen und genießen! Toll gemacht!

Veröffentlicht am 19.04.2020

Adas Geschichte

Ada, das Mädchen aus Berlin
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Der Privatdetektiv Liam Taggart reist mit seiner Frau, der Anwältin Catherine Lockhart, auf Bitten des gemeinsamen Freundes Tony Vincenzo in die Toskana, denn dessen alte Tante Gabriella wird von dem Weinkonsortium ...

Der Privatdetektiv Liam Taggart reist mit seiner Frau, der Anwältin Catherine Lockhart, auf Bitten des gemeinsamen Freundes Tony Vincenzo in die Toskana, denn dessen alte Tante Gabriella wird von dem Weinkonsortium VinCo mit skrupellosen Mitteln in die Ecke gedrängt, um an ihr Weingut zu kommen. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück zu behaupten, selbst Eigentümer des Anwesens zu sein. Mit einem aus den alten aus den 30er Jahren stammenden Manuskript der Geigerin Ada Baumgarten möchte Gabriella mit Hilfe von Liam und Catherine die Besitzverhältnisse klären. In den alten Seiten mit der Geschichte über die jüdische Geigerin Ada, die aus Nazideutschland nach Italien fliehen musste, soll das Ehepaar die endgültige Antwort auf die wahren Eigentümer des Grundstücks herausfinden und erfährt doch so viel mehr…
Ronald H. Balson hat mit „Ada, das Mädchen aus Berlin“ erneut sein Ermittlerteam Lockhart/Taggart aktiviert, um einen komplizierten historischen Fall zu lösen. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil des Autors lässt den Leser sofort in die Handlung hineingleiten und das Buch kaum aus der Hand legen, so lebendig und fesselnd wird die Geschichte präsentiert. Der Leser wandelt zwischen zwei Zeitebenen, so verfolgt er in der Gegenwart Catherine und Liam auf Schritt und Tritt in der Toskana bei ihren Bemühungen, Gabriella beim Erhalt ihres Anwesens und des Weingutes zu unterstützen. Die andere Ebene führt über das alte Manuskript in die Vergangenheit, wo der Leser in das Leben der talentierten Geigerin Ada Baumgarten zur Nazizeit in Berlin eintaucht und miterlebt, welchen Gefahren sie und ihre Familie damals ausgesetzt waren und wie sich Adas Leben im Laufe der Zeit mehr und mehr verändert. Durch die wechselnden Perspektiven wird unterschwellig eine Spannung erzeugt, die sich im Fortlauf der Geschichte immer mehr steigert. Der Autor vermittelt mit seiner empathischen Erzählweise die Gedanken- und Gefühlswelt seiner Protagonisten auf sehr bewegende Weise und lässt den Leser hautnah an ihnen teilhaben. Ebenso interessant werden auch die mafiösen Methoden des gegnerischen Anwalts geschildert, die einmal mehr deutlich machen, wie skrupel- und rücksichtslos agiert wird, um beruflich erfolgreich zu sein.
Die Charaktere sind so detailliert gezeichnet, so dass sie vor dem inneren Auge des Lesers regelrecht lebendig werden. Mit ihren individuellen Ecken und Kanten können sie von Beginn an überzeugen, der Leser wächst während der Lektüre eng mit ihnen zusammen und hat das Gefühl, ein Teil von ihnen zu sein. Catherine ist empfindsam, empathisch und vor allem auch sehr pragmatisch, so bildet sie einen guten Gegenpol zu Ehemann Liam, der recht impulsiv ist und manchmal mit aller Gewalt den Dingen auf den Grund gehen will. Ada hat ein großes Talent und geht in der Musik auf. Sie ist sensibel und gefühlsbetont, auch in der Liebe. Gabriella ist eine alte Dame, die sehr an ihrem Weingut hängt. Ihre zurückhaltende und verschlossene Art kaschiert ihre Verzweiflung, aber lässt auch vermuten, dass sie so einige Geheimnisse hat, die sie verborgen wissen will. Lenzini ist ein Winkeladvokat, der mit allen Wassern gewaschen ist. Aber auch Giulia, Kurt und andere Protagonisten geben der Handlung wichtige Sequenzen, die die Spannung anheizen.
„Ada, das Mädchen aus Berlin“ ist eine sehr berührende und tiefgründige Geschichte, die den Leser eine emotionale Reise antreten lässt und einige Geheimnisse aufdeckt. Wunderschön erzählt und mit verdienter Leseempfehlung ausgestattet.

Veröffentlicht am 18.04.2020

Die Jagd nach den Terroristen

Schatten des Zorns
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Declan Greys FBI-Kollege Burke wurde unter mysteriösen Umständen ermordet, als er undercover auf einem Schiff angeheuert hat, um dort Beweise zu finden für die Unterstützung von terroristischen Aktivitäten ...

Declan Greys FBI-Kollege Burke wurde unter mysteriösen Umständen ermordet, als er undercover auf einem Schiff angeheuert hat, um dort Beweise zu finden für die Unterstützung von terroristischen Aktivitäten und um eine Serie von Morden an Frauen aufzuklären, die bis auf Griffins Schwester zurückreichen. Declan soll sich um den Fall kümmern und bekommt Tanner Shaw als Partnerin zur Seite gestellt, auf die er insgeheim schon länger ein Auge geworfen hat. Schon bald stellt sich heraus, dass sie ein großartiges Ermittlerteam ergeben, die immer wieder in gefährliche Situationen geraten, je näher sie mit ihren Nachforschungen an die Täter herankommen. Dabei werden sie nicht nur von ihren Freunden Parker, Avery, Finley, Kate und Griffin unterstützt, sondern auch von einem Unbekannten, der ihnen oft zur rechten Zeit den Rücken freihält. Als Declan dem Fremden gegenübersteht, kann er es gar nicht glauben…
Dani Pettrey hat mit „Schatten des Zorns“ Teil 3 ihrer Baltimore-Reihe vorgelegt, der wieder einmal mit viel Spannung und hohem Unterhaltungswert aufwartet und sich mit seinen Vorgängern messen kann. Der flüssige und fesselnde Schreibstil lässt den Leser sofort in die Geschichte eintauchen und die Seiten nicht mehr aus der Hand legen, bis das Ende erreicht ist. In Pettreys Büchern ist man grundsätzlich mittendrin statt nur dabei. Unsichtbar darf der Leser Declan und Tanner bei ihren Ermittlungen folgen und den Tätern immer näher kommen. Die Autorin hat ein Händchen dafür, die Spannung innerhalb der Handlung immer weiter zu steigern und eine gut durchdachte Geschichte zu präsentieren, die nachvollziehbar und vor allem glaubwürdig ist. Gleichzeitig lässt sie auch Raum für zwischenmenschliche Beziehungen, die sich in diesem Band weiter vertiefen. Die Clique um Declan wächst noch enger zusammen, zudem erleben sie gemeinsam eine ziemliche Überraschung, die alle erst einmal aus den Socken haut. Die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten ist für den Leser ein offenes Buch und lässt ihn mit ihnen fiebern und leiden. Der christliche Aspekt ist in diesem Roman eher versteckt eingebaut, es geht um Vergebung, Hilferufe und vor allem das Gottvertrauen, dass jeder einzelne von ihnen hat, ihr Leben durch Gottes Hand leiten zu lassen.
Den Charakteren wurde Leben eingehaucht, sie sind wieder ein wenig gereift und wirken glaubwürdig und sehr menschlich. Der Leser fühlt sich als ihrer Gemeinschaft, hofft und bangt mit ihnen, während sie sich der Gefahr aussetzen. Declan ist ein knallharter Typ, der sich wie ein Pitbull in seine Fälle verbeißt und nicht locker lässt, bis er sie gelöst hat. Loyalität und Ehrlichkeit sind ihm wichtig, hinter seiner harten Schale verbirgt sich aber auch ein weiches und empathisches Herz. Tanner ist eine intelligente Frau, die sich für soziale Organisationen einsetzt und Ungerechtigkeit bekämpft. Sie erweist sich als recht mutig und stark, lässt sich nicht einschüchtern und besitzt eine gute Kombinationsgabe. Auch Griffin, Parker und die anderen der „Ermittlerclique“ tragen einiges dazu bei, diesen spannenden und kniffligen Fall zu lösen.
Mit „Schatten des Zorns“ ist Dani Pettrey erneut eine sehr abwechslungsreiche und packende Geschichte gelungen, die nicht nur kriminalistische Elemente in sich vereint, sondern auch Liebe und Freundschaft in sich vereint. Spannend und bildhaft erzählt, besitzt die Handlung von Beginn an Sogwirkung. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.04.2020

Neue Lebenswege

Neuleben
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Deutschland 50er Jahre. Da Therese Trotha in der DDR aufgrund ihres familiären Hintergrunds keine Chance auf ein Jurastudium hat, zieht sie als Konsequenz daraus nach West Berlin, um dort endlich ihren ...

Deutschland 50er Jahre. Da Therese Trotha in der DDR aufgrund ihres familiären Hintergrunds keine Chance auf ein Jurastudium hat, zieht sie als Konsequenz daraus nach West Berlin, um dort endlich ihren Traum zu verwirklichen zu studieren. Allerdings muss sie schon bald die Erfahrung machen, dass Frauen an der Fakultät nicht gern gesehen sind. Sowohl die Professoren als auch ihre männlichen Mitstreiter machen Therese das Leben zur Hölle. Doch Therese hat schon so viele Hürden genommen, dass sie sich von diesen Schikanen nicht aufhalten lässt, sondern sich ihnen sogar mutig entgegen stellt… Währenddessen möchte ihre Schwägerin Gisela Liedke nicht nur ihr Dasein als Ehe- und Hausfrau fristen, sondern träumt davon, mit ihrem Schneidertalent eigene Mode zu kreieren. Sie nimmt Abendkurse und verfolgt ihre Pläne weiter, bis sich ihr eine Chance bietet…
Katharina Fuchs hat mit „Neuleben“ erneut einen Einblick in ihre eigene Familiengeschichte gewährt, nachdem sie dies mit ihrem Debütroman „Zwei Handvoll Leben“ dem Leser bereits schon einmal gestattet hat. Mit flüssigem, gefühlvollem und atmosphärischem Schreibstil lässt die Autorin den Leser schnell einige Jahrzehnte in die Vergangenheit zurück reisen, um mit den 50er und 60er Jahren nicht nur die Nachkriegszeit, sondern auch die Teilung Deutschlands anhand des Schicksals ihrer Tante Therese und ihrer Mutter Gisela mitzuerleben. Der historische Hintergrund ist akribisch recherchiert und wird wunderbar mit der Handlung verwoben. Der Leser heftet sich abwechselnd an Thereses und Giselas Fersen, erlebt nicht nur mit, welche familiären Hürden sie zu nehmen haben, sondern darüber hinaus auch, wie sehr sie sich behaupten müssen in einer Zeit, als Frauen noch die Rolle als Heimchen am Herd zugedacht wurde, und es ihnen nahezu unmöglich gemacht wurde, ein Studium zu ergreifen oder sich in einem Beruf zu verwirklichen. Der ständige kräfteraubende Kampf und der zermürbende Widerstand werden wunderbar dargestellt und lassen den Leser den beiden Hauptprotagonistinnen großen Respekt zollen, wie sie sich gegen die Windmühlen der Zeit stellten, ihre Ziele nicht aus den Augen verloren und ihre Träume Realität werden ließen. Gerade die Tatsache, dass die Autorin ihre eigene Familiengeschichte zu Papier brachte, übt eine besondere Faszination aus, lässt sie doch den Leser eine Achterbahn der Gefühle erleben und vor Spannung das Buch nicht aus der Hand legen.
Die Charaktere springen fast aus der Geschichte heraus, so lebendig, glaubwürdig und menschlich sind sie gezeichnet. Gebannt folgt der Leser den facettenreichen Protagonisten und hat das Gefühl, sie schon lange zu kennen, was eine besondere Bindung zu ihnen herstellt. Therese ist eine mutige und starke Frau, die sich von niemandem in ein Korsett zwingen lässt und ihren Berufswunsch nicht aus den Augen verliert. Sie stellt sich allen Entbehrungen, Herausforderungen, Anfeindungen und Schikanen, was schmerzhaft und demütigend ist, in der Seele weh tut und oftmals Einsamkeit aufkommen lässt, doch all dies lässt Therese mit erhobenem Haupt hinter sich und kommt ans Ziel. Gisela ist aus ähnlichem Holz geschnitzt. Ebenso liebenswert und an ihrem Traum festhaltend, erarbeitet sie sich langsam ihre Karriere als Modemacherin. Professor Wolff steht stellvertretend für die Dozenten jener Zeit, die noch das damalige Frauenbild vertraten. Giselas Ehemann Felix gerät mit der Stasi aneinander und lernt das Gefängnis von innen kennen. Bruder Klaus lässt sich von der SED einlullen, ist verlogen und rücksichtslos. Aber auch Protagonisten wie Ella oder Großvater Richard geben der Handlung Akzente, die das Zusammenspiel durchweg gelungen machen.
„Neuleben“ ist ein fulminanter historischer Roman über die Familiengeschichte der Autorin. Gerade die autobiografischen Züge, die facettenreiche Handlung sowie der einfühlsame Erzählstil machen das Buch zu einem absoluten Lesegenuss, der von Anfang bis Ende fesselt. Chapeau – besser geht es nicht!