Profilbild von ElisabethBulitta

ElisabethBulitta

Lesejury Star
offline

ElisabethBulitta ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit ElisabethBulitta über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2018

Unternehmen Rachefeldzug

Wolfs Killer
0

Bei Michael Gerwiens Münchenthriller „Wolfs Killer“ handelt es sich um den letzten Teil der Thriller-Trilogie rund um den Journalisten Wolf Schneider. Er ist im Oktober 2018 im Gmeiner-Verlag erschienen ...

Bei Michael Gerwiens Münchenthriller „Wolfs Killer“ handelt es sich um den letzten Teil der Thriller-Trilogie rund um den Journalisten Wolf Schneider. Er ist im Oktober 2018 im Gmeiner-Verlag erschienen und umfasst 347 Seiten.
Nachdem seine Halbschwester, seine Frau und sein bester Freund ums Leben gekommen sind, zieht sich Wolf gemeinsam mit dem korrupten und verbrecherischen Politiker Arthur Smith nach Kuba zurück. Während deutsche und amerikanische Behörden nach ihm fahnden, versinkt er dort in einem Sumpf aus Drogen, Alkohol und Sex. Doch nachdem Arthur bei einer Schießerei ums Leben gekommen ist, beschließt der Deutsche, an seinen Kontrahenten Rache zu nehmen …
Das Buch lässt mich ein bisschen ratlos und zwiegespalten zurück.
Kurze Kapitel, sich rasch abwechselnde Kapitel und Handlungsorte lassen sich rasant lesen. Teilweise kurze, eher fragmentarische Sätze und Dialoge verleihen dem Geschehen und Lesen Tempo. Wolfs Sprache ist ebenfalls einfach und flott zu lesen, was das Buch regelrecht zu einem Pageturner werden lässt.
Auf der anderen Seite steht der Inhalt. Gleich zu Beginn sterben Akteure fast „wie die Fliegen“, was sich im Laufe des Romans zwar ein bisschen gibt, aber eines gilt das ganze Buch hindurch: „Leichen pflastern seinen Weg“. Zum Teil werden dabei Szenen auch mit ziemlich großer Brutalität gezeichnet, was nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, in welchem Milieu das Geschehen sich vollzieht, was aber zartbesaitete Leser/innen schon an die Nieren gehen kann. Frauen werden über weite Strecken eher als Sexobjekte betrachtet denn als Menschen, nur im Nebenbei tauchen die ein oder anderen Charaktere auf, die diesem widersprechen. Nichtsdestotrotz sorgen diese Elemente für einen durchgehenden Spannungsbogen.
Zwar scheint Wolf Schneider an sich kein schlechter Mensch zu sein, er zeigt auch Ansätze zur Selbstreflexion, aber für ihn gilt das, was für den gesamten Roman gilt: Das Böse dominiert. Protagonist/innen, die das Gute im Menschen verkörpern, bleiben am Ende auf der Strecke. Moralisch bewerten sollte man das Buch entsprechend nicht.
Für humorige Elemente sorgen der Münchener Kriminalist Anton Wallner und sein Team bzw. Freundeskreis. Hier kann man sich an einigen Stellen wirklich nur an den Kopf fassen und fragen, wie einige Menschen nur so dumm und unbedarft handeln können, was zu einigen Lachern beim Lesen führt. Aber auch wenn Victoria, eine amerikanische Agentin, mit dem Sexgebaren der sie umgebenden Machos abrechnet, denkt man: „Recht geschieht’s ihnen ja.“
Politisch und gesellschaftlich relevante Themen wie (illegaler) Waffenhandel und Drogenkartell, die in diesem Thriller eine Rolle spielen, werden durch Action auf der einen und Humor auf der anderen Seite in den Hintergrund gedrängt, was ich persönlich schade finde.
Das Buch ist zweifelslos spannungsgeladen und will in einem Rutsch gelesen werden, zumindest ging es mir so. Über den Inhalt und die Botschaft, die es transportiert, sollte man indes nicht allzu lange nachgrübeln, das frustriert nur. Leser/innen, die im Nebenbei etwas Sex, Crime und Action konsumieren möchten, werden mit diesem Werk sicher auf ihre Kosten kommen, allzu zartfühlend sollte man allerdings nicht sein. Ein Pageturner und durch seine rasch wechselnden Handlungsorte und Perspektiven, ein thrillermäßiger Roadtrip, den ich beim Lesen kaum aus der Hand legen konnte.

Veröffentlicht am 01.11.2018

Dunkle Geheimnisse im Bluthaus

Bluthaus
0

Bei „Bluthaus“ von Romy Fölck handelt es sich um den zweiten Band der Kriminalromanreihe um das ungleiche Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Er ist 2018 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst ...

Bei „Bluthaus“ von Romy Fölck handelt es sich um den zweiten Band der Kriminalromanreihe um das ungleiche Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Er ist 2018 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 316 Seiten.
Auf einem verfallenen Gehöft in der Elbmarsch wird die Leiche der ehemaligen Polizistin Catrin Conradi gefunden. Nachdem sie die Flucht angetreten hat, wird Jo, Zeugin und alte Freundin von Frida Paulsen, des Mordes verdächtigt. Also macht sich Frida allein auf den Weg, den Mord aufzuklären, was sie auf die Ostseehalbinsel Holnis führt. Parallel dazu übernimmt Bjarne Haverkamp die offiziellen Ermittlungen. Beide führen sie tief in Jos Vergangenheit und zum Bluthaus.
Der Roman beginnt gleich spannend: Im Herbst 1997 findet ein Mädchen seine ganze Familie hingerichtet vor. Rückblenden zu den Ereignissen in diesem Jahr durchziehen den ganzen Roman. Interessant ist, dass diese, im Gegensatz zum aktuellen Romangeschehen, im Präsens formuliert sind, was dem Geschehen eine bedrückende Aktualität verleiht. Schon bald wird klar, dass ein Zusammenhang zum aktuellen Mordfall besteht, in dem Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn ermitteln. Scheibchenweise werden den Leser/innen durch diese Perspektivwechsel Hinweise auf Mordmotiv und –umstand geliefert, was das Lesen zu einem spannenden Erlebnis werden lässt. Auch gelingt es der Autorin, Leser/innen und Ermittler/innen immer wieder auf falsche Fährten zu locken, sodass der Spannungsbogen den ganzen Roman über kaum abreißt. Das Ende des Romans ist dieses Mal überraschender und, wie auch schon im Vorgänger, dramatisch und actionreich gestaltet.
Da es sich bei diesem Werk insgesamt um eine Romanreihe handelt, kommt auch das Privatleben der Protagonisten als verbindende Größe nicht zu kurz. Im Gegensatz zum Vorgängerband empfinde ich das Verhältnis zwischen Kriminalfall und Privatem hier allerdings als sehr viel ausgewogener. Ob es sinnvoll war, in diesem Band Bjarnes Familie zu erweitern, werden die Nachfolgebände zeigen, wenn auf diesen Zuwachs zurückgegriffen wird. Sehr viel sympathischer erscheint mir dieses Mal Frida Paulsen, da sie gereift und erwachsener geworden ist, was sie, ebenso wie Bjarne, allerdings nicht vor Alleingängen schützt. Vor allem Fridas Alleingänge sind dasjenige Element im Roman, das mich beim Lesen immer wieder etwas mehr Realitätsnähe hat wünschen lassen.
Die Protagonisten sind allesamt sehr vielschichtig gezeichnet, und auch am Ende fällt es schwer, den Verbrechern nur Böses zuzuschreiben. Schwarzweißmalerei gibt es in diesem Roman, genau wie im echten Leben, nicht. In jedem Fall wird man animiert, mit den Charakteren mitzuleiden und mitzufühlen.
Fölcks Sprache ist schnörkellos und flüssig zu lesen, die Seiten fliegen beim Lesen einfach so dahin. Besonders die Perspektiv- und Zeitenwechsel ziehen die Leser/innen in ihren Bann. Sehr gut ist es der Verfasserin ein weiteres Mal gelungen, die Landschaften zu beschreiben und – was mir am besten gefallen hat – die Atmosphäre im Bluthaus einzufangen.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um einen wirklich spannenden Kriminalroman, der ohne Längen auskommt, von der ersten Seite an fesselt und logisch konstruiert ist. Hat mich „Totenweg“ doch ein wenig enttäuscht, so hat mich „Bluthaus“ wieder versöhnt, und ich erwarte gespannt die Nachfolgebände. Von mir gibt es auf jeden Fall eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 31.10.2018

Münsters dunkle Seite

Rotkehlchen – Todkehlchen
0

Bei „Rotkehlchen – Todkehlchen. Ein Medaillon vom Prinzipalmarkt“ handelt es sich um den zehnten Fall für Sieglinde Züricher und einen Münsterkrimi von Ursula Meyer. Er ist 2018 bei Waxmann erschienen ...

Bei „Rotkehlchen – Todkehlchen. Ein Medaillon vom Prinzipalmarkt“ handelt es sich um den zehnten Fall für Sieglinde Züricher und einen Münsterkrimi von Ursula Meyer. Er ist 2018 bei Waxmann erschienen und umfasst 286 Seiten.
Zwei junge Frauen werden in ihren Wohnungen tot aufgefunden - mithilfe einer Kette mit Rotkehlchen-Anhänger erdrosselt. Schon bald entdecken Sieglinde Züricher und ihre Team, dass es zwischen den beiden Verbindungen gibt, die in ihre gemeinsame Vergangenheit führen. Als die Ermittelnden dann auch noch auf ein Internetquiz stoßen, das sie durch Münsters Museen führt, und die Kollegin Cornelia entführt wird, merken sie, dass hier ein perfides Spiel getrieben wird.
Die Handlung beginnt gleich spannend mit dem Einbruch in Walter Eibenbrincks Juweliergeschäft. Später stellt sich heraus, dass dort gestohlene Rotkehlchen-Anhänger zum Mord an zwei völlig unterschiedlichen Frauen benutzt wurden. Zwar stellen Ermittler/innen und Leser/innen rasch fest, dass es zwischen den Toten einen Zusammenhang gibt, der weit in die Kindheit zurück führt, aber dennoch gelingt es der Autorin, die Leser/innen über weite Strecken des Romans über die wahren Hintergründe im Unklaren zu lassen. Dieses animiert dazu, sich während des Lesens immer wieder über dieselben den Kopf zu zerbrechen, und wirkliche Hinweise gibt es erst im letzten Viertel des Buches. Das Ende an sich erscheint zwar logisch, doch auch leider ein bisschen konstruiert.
Das Herzstück des Krimis stellt eine Schnitzeljagd durch Münsteraner Museen dar, die zum einen viel Wissenswertes über diese Stadt vermittelt, auf der anderen Seite aber durch kryptische Botschaften auch Rätselfreunde in ihrem Element sein lässt.
Ursula Meyer führt eine ganze Reihe an Protagonisten an, was dem Leser schon einiges an Konzentration abverlangt. Durch gewollte Namenwechsel kommt es vor allem gegen Ende immer wieder zu Irritationen und Verwechslungen, doch tut dieses dem Lesespaß keinen Abbruch, wenn man „am Ball bleibt“. Die einzelnen Charaktere sind detailliert und liebevoll gezeichnet und haben auch alle ihre liebenswerte Seite. Da es sich um eine Krimireihe handelt, erhalten die Leser/innen teils recht ausführliche Einblicke in das Privatleben vor allem der Hauptermittlerin Sieglinde Züricher und ihrer Familie. Interessant bei den Münsteraner/innen in diesem Krimi ist, dass sie sich alle irgendwie und irgendwoher zu kennen scheinen, was für die Provinzhauptstadt des Münsterlandes, genau wie für das Münsterland an sich, typisch ist.
Die Autorin verwendet einen Stil, der aufgrund seiner teils langen und verschachtelten Sätze und eingehender Beschreibungen auch beim Lesen selbst Konzentration erfordert und das Erzählte teilweise etwas langatmig erscheinen lässt. Hat man sich jedoch einmal in ihren Stil eingelesen, lässt sich der Roman flüssig lesen. Hier und da entdeckt man sogar hintergründig humoristische Elemente und typische Münsteraner Ausdrücke. Auf brutale und voyeuristische Beschreibungen wird verzichtet, was der Spannung allerdings keinen Abbruch tut – genau im Gegenteil.
Mir selbst hat das Lesen sehr gut gefallen, es handelt sich bei „Rotkehlchen – Totkehlchen“ allerdings um keinen Kriminalroman, den man mal eben flott im Nebenbei konsumieren kann. Dennoch wird er Freund/innen dieses Genres und der Stadt Münster ein paar fesselnde Lesestunden bereiten. Von mir gibt es jedenfalls eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.10.2018

PEGASUS lebt!

Seelenamt
0

Bei „Seelenamt“ von Christiane Bogenstahl und Reinhard Junge handelt es sich um den zehnten Band der PEGASUS-Krimireihe. Er ist im Oktober 2018 im Grafit-Verlag erschienen und umfasst 409 Seiten.
Lea ...

Bei „Seelenamt“ von Christiane Bogenstahl und Reinhard Junge handelt es sich um den zehnten Band der PEGASUS-Krimireihe. Er ist im Oktober 2018 im Grafit-Verlag erschienen und umfasst 409 Seiten.
Lea Bennsdorf, die vor Jahren brutal entführt und vergewaltigt wurde, fühlt sich erneut verfolgt. Doch ihr damaliger Peiniger, Paul Kehlmann, sitzt nach wie vor im Knast, sodass man ihre Angst nicht so recht ernst nehmen will. Dennoch engagiert einer ihrer Freunde Kalle Mager von der Detektei PEGASUS als Bodyguard. Als dann noch ein weiterer von Pauls und Leas Bekannten bei einem Flugzeugabsturz über dem Dortmunder Phönixsee ums Leben kommt, spitzen sich die Ereignisse zu. Trotz anfänglicher Zweifel scheint Kehlmann seine Hände im Spiel zu haben und einen perfiden Racheplan zu schmieden.
Der Regionalkrimi ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend aufgebaut. Die Handlung verläuft logisch mit sich steigerndem Spannungsbogen, um dann in einem actionreichen Showdown zu enden. Perspektivwechsel und Rückbezüge auf die Vergangenheit der Protagonisten helfen auch denjenigen Leser/innen, die d en Vorgängerband nicht kennen, dem Geschehen problemlos zu folgen. Insbesondere die Schilderungen von Leas Psyche lassen Lesende immer wieder darüber grübeln, was nun Realität und was „nur“ Einbildung ist.
Die Charaktere sind durchweg detailliert und liebevoll gezeichnet. Anfangs mögen die Figuren neue Leser/innen der Reihe ein wenig verwirren, vor allem da sie alle in irgendeiner schon bekannten Beziehung zueinander stehen, doch beim Orientieren hilft ein dem Roman vorangestelltes Personenverzeichnis. Auch dieses ist, wie der gesamte Roman, von (schwarzem) Humor gespickt, wenn z.B. jemand „den Abflug“ oder „den Abgang“ macht.
Bogenstahls und Junges Sprache ist eingängig und flott zu lesen, der Ton ist an einigen Stellen fast schon schnodderig und kommt entsprechend der Ruhrpott-Atmosphäre sehr nahe. Einige Dialoge hätten meines Erachtens noch ein bisschen authentischer formuliert werden können, worauf jedoch wahrscheinlich vor allem wegen der allgemeinen Verständlichkeit verzichtet wurde.
Spannung (der Entführungs- und Rachefall), Dramatik (die Schilderung von Leas Psyche und Ängsten) und Humor stehen in diesem Krimi in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zueinander – wie ich es mir bisher selten begegnet. Die Seiten fliegen beim Lesen entsprechend einfach so dahin.
Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, so erhalten Leser/innen auch in diesem Roman Einblicke in das Ruhrgebiet und vor allem in den Menschenschlag, der hier lebt: Sei es in der Person der etwas burschikosen Kommisssarin Herta Kasten, sei es in den Festivitäten, die das PEGSASUS-Team gemeinsam begeht: Man streitet, versöhnt sich, geht z.T. derbe miteinander um, bildet aber letztlich eine verschworene Gemeinschaft. Auch liebenswerte Marotten wie die Konkurrenz zwischen dem BVB und Schalke kommen nicht zu kurz.
Seine eigene (politische) Meinung kommuniziert das Autorenduo in diesem Roman, wenn z.B. zwei Kleinganoven Gauland und Höcke heißen oder die Psychotherapeutenausbildung kritisiert wird.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Krimi um ein kurzweilig zu lesendes Werk, das ein dem Ruhrpott typisches Flair versprüht und dabei immer spannend bleibt. Ein wenig mehr Ruhrpott-Slang und weniger Gesellschaftskritik hätten mir persönlich gefallen, aber da hat eben jedeR seinen/ihren eigenen Standpunkt. Ich selber werde bestimmt noch weitere PEGASUS-Fälle lesen und kann dieses Buch allen Ruhrgebiets- und Krimifans nur ans Herz legen.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Die verschworene Dorfgemeinschaft von Stein

Stein
0

Mit „Stein“ präsentiert Reinhard Kleindl seinen ersten Thriller um die Ermittlerin Anja Grabner. Er ist im September 2018 bei Goldmann erschienen und umfasst 445 Seiten.
Eigentlich wollte Anja Grabner ...

Mit „Stein“ präsentiert Reinhard Kleindl seinen ersten Thriller um die Ermittlerin Anja Grabner. Er ist im September 2018 bei Goldmann erschienen und umfasst 445 Seiten.
Eigentlich wollte Anja Grabner ihren Urlaub in Sansibar verbringen. Aber kurz vor ihrer Abreise wird sie zu ihrem ehemaligen Chef, Kaspar Deutsch, gerufen, der sie auf die Spur zu einem fünf Jahre zurückliegenden Fall, nämlich die Entführung Bert Köhlers, führt. Als die ehemalige Kommissarin dann noch ihren Flug verpasst, macht sie sich auf den Weg nach Stein, dem Dorf, in dem sie Köhler damals vermutete, und ermittelt auf eigene Faust – nicht zuletzt auch um ihr eigenes Trauma zu verarbeiten. Ist sie anfangs von der Idylle des Ortes und die Zugänglichkeit seiner Bewohner überrascht, stößt sie dort nach und nach auf eine Mauer des Schweigens.
Der Roman beginnt in der Ich-Form und schildert eine Szene aus der Gefangenschaft Köhlers. Gleich darauf wird der Leser in die Gegenwart katapultiert, in der die ehemalige Wiener Mordermittlerin erneut auf den Fall gestoßen wird und sich entgegen anfänglichen Zweifeln nach Stein, einem kleinen Dorf, begibt. Solche Szenenwechsel durchziehen den gesamten Thriller, der somit auf drei Ebenen spielt: die gegenwärtigen Ermittlungen, Szenen aus Köhlers Gefangenschaft, erzählt aus der Sicht des Entführers in der Ich-Form, und den vergangenen Ermittlungen.
Das Örtchen Stein erscheint zuerst idyllisch, seine Bewohner scheinen nett, zugänglich und ein wenig skurril – eben so, wie man sich ein dörfliches Umfeld vorstellt. Doch nach und nach tut sich hinter der Fassade ein Abgrund aus angestauter Wut und Verschwiegenheit auf. Erst allmählich wird der Polizistin klar, dass die Bewohner nicht so nett und freundlich sind, wie sie zu sein vorgeben. Gerade aus dieser allmählichen Entwicklung schöpft der Thriller einen Großteil seiner Spannung. Ein zweiter Spannungsursprung sind die Einblicke in Köhlers Gefangenschaft, die sich zum Teil sogar etwas gruselig lesen.
Worum es in der fünf Jahre zurückliegenden Entführung letztendlich ging, warum ein Entführer Lösegeld gefordert hat, es aber nie zu einer Übergabe kam, und, das Interessanteste, was Köhler, der Bankier, verbrochen haben mag, dass man ihm sogar nach und nach mehrere Gliedmaßen amputierte – über all das herrscht über weite Strecken des Romans Unklarheit - sowohl auf Seiten der Lesenden als auch auf der der Ermittelnden. Ich selber habe mir beim Lesen reichlich den Kopf darüber zerbrochen. Am Ende wird das Verbrechen zur Gänze aufgelöst, doch erscheint mir die Lösung ein wenig zu weit hergeholt und vor allem zu „lasch“, um ein solches Verbrechen zu rechtfertigen.
Die Charaktere sind realitätsnah und ausführlich beschrieben. Die Ermittlerin Anja Grabner erschien mir auf den ersten Blick für ihr Alter sehr unreif, doch zeigte sie sich im weiteren Verlauf des Romans vielschichtiger, alles in allem als ein interessanter, ungewöhnlicher Ermittlertyp. Außerdem machen, wie oben schon angedeutet, viele Figuren während des Verlaufes einen Wandel durch, was das Lesen interessant macht. Vor Überraschungen ist man in Stein eben nicht gefeit.
Kleindls Sprache ist leicht zu lesen und zieht die Leser/innen dennoch in ihren Bann. Obwohl der Inhalt zum Teil recht grausame Stoffe enthält, kommt die Schilderung ohne jede Brutalität aus. Die verschiedenen Handlungsebenen sind gut voneinander zu unterscheiden, sodass die Seiten beim Lesen nur so dahinfliegen.
Das Cover erscheint auf den ersten Blick unspektakulär: Das Wort „Stein“ aus Steinen aufgebaut. Nimmt man es jedoch in die Hand, kann man durch die Steine richtig fühlen, sodass es auch ein haptisches Erlebnis ist, das Buch in der Hand zu halten.
Insgesamt handelt es sich Kleindls Stein um einen wirklich spannenden Thriller in gruseliger Atmosphäre, der es schafft, beim Lesen die Zeit vergessen zu lassen – eben ein echter Pageturner. Meiner Meinung nach ein sehr gelungener Auftakt zu einer neuen Thriller-Buchreihe.