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Veröffentlicht am 21.06.2020

Lektion für Eltern

Ein Schweinebär im Schlafanzug
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„Schweinebär“ nennen seine Eltern den kleinen Sascha – und sind verständlicherweise ungehalten darüber, dass es ihm einfach nicht gelingen will, manierlich zu essen. Schließlich ist er beinahe sieben Jahre ...

„Schweinebär“ nennen seine Eltern den kleinen Sascha – und sind verständlicherweise ungehalten darüber, dass es ihm einfach nicht gelingen will, manierlich zu essen. Schließlich ist er beinahe sieben Jahre alt, und da kann man doch wohl erwarten, dass er nicht bei jeder Mahlzeit sowohl seinen Platz bekleckert, sondern auch sich selbst, oder? Das denken die Eltern und das denkt auch Jule, Saschas große Schwester, die es allerdings ein wenig ungerecht findet, dass Sascha wegen seiner unorthodoxen Essmanieren immer so angepflaumt wird. Überhaupt sieht sie die Schweinereien, die ihr Bruder da anrichtet, viel milder, denn sie mag ihn, findet ihn lustig und liebenswürdig. Aber wie denkt Sascha über die ewigen Ermahnungen seiner Eltern? Was macht das mit ihm, wenn er immerzu spüren muss, dass er, so wie er ist, nicht akzeptiert wird?
Nun, eines schönen Sonntags bekommt Jule ihre Antwort, denn als Papa des Morgens einem seltsamen Geräusch nachgeht, das aus dem Zimmer seines Sohnes kommt, findet er an dessen Stelle – einen Schweinebär! Ein klassischer Fall von Self- fulfilling Prophecy, möchte man sofort denken. Sascha wurde folgerichtig zu dem, was er in den Augen seiner Eltern sowieso war – eine seltsame Mischung aus Bär und Schwein, im blau-weiß gestreiften Schlafanzug! Die Eltern sind fassungslos und machen sich Vorwürfe wegen der Verwandlung des Kleinen, während Jule, aus deren Blickwinkel die Geschichte im Übrigen auch erzählt wird, eher amüsiert ist, dabei aber sehr mitfühlend, und schnell die Zügel übernimmt und versucht, den veränderten Bedürfnissen des verwandelten Bruders gerecht zu werden. Sie denkt praktisch, denn bei der Menge, die der sehr hungrige Schweinebär-Sascha vertilgt und den Geräuschen, die danach zu hören sind, muss er ganz sicher bald mal einem dringenden Bedürfnis nachgehen....
Ja, aber wie ist es anzustellen, dass dies nicht an Ort und Stelle, also in der elterlichen Wohnung geschieht? Sie beschließt, was zuerst mal naheliegend erscheint, mit dem Bruder nach draußen zu gehen, was aber wohl doch keine so gute Idee ist, denn man soll ihn schließlich keinesfalls sehen. Wenn Hausmeister Hartenstein von seiner Anwesenheit Wind bekäme – und das auch im wahrsten Sinn des Wortes, denn Sascha beginnt sehr unfein riechende Duftwolken auszustoßen -, gibt es Ärger! Aber der missmutige Mann erfährt es natürlich doch, denkt, Jules Familie würde einen Hund verborgen halten, was er im Mietshaus strengstens untersagt hat und macht gehörig Stress....
So beginnt ein erheiterndes Versteckspiel, in dessen Verlauf Saschas Eltern lernen und endlich auch begreifen, dass die Schweinereien ihres Knaben am Esstisch ein Klacks sind im Vergleich zu dem, was der Schweinebär in ihrer Wohnung anrichtet – und was sie mit erstaunlicher Gelassenheit, und endlich einmal voll hinter ihrem Sohn stehend, der im Moment ein grunzendes Phantasietier mit stürmischer Verdauung ist, hinnehmen. Und als Sascha, der Schweinebär, zu guter letzt auch noch ausbüxt und von der tatkräftigen Jule in einer Baugrube gefunden wird, wo er sich nach Herzenslust im Dreck suhlt, sind die Eltern so froh, ihn wiederzuhaben, dass die verwüstete und zum Himmel stinkende Wohnung überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt!
Ja, Vater und Mutter haben ihre Lektion gelernt, sind nach all der Aufregung nun sogar bereit, den verwandelten Sohn nicht mehr länger zu verstecken sondern sich ganz offen und vor aller Welt zu ihm zu bekennen! Und genau das hat denn auch der Schweinebär gebraucht, um wieder zu Sascha werden zu können – der von nun an so unsauber essen darf, wie er möchte oder wie er es nicht anders kann. Schweinebär übrigens nennen ihn seine Eltern niemals wieder....
Wie wichtig es ist, so angenommen zu werden, wie man nun einmal ist, vor allem, wenn man noch ein Kind ist und gar nicht verstehen kann, warum die Erwachsenen an einem herummäkeln, weil man eben so ist, wie man ist und es auch beim besten Willen nicht ändern kann, scheint mir die Botschaft dieses erheiternden, gleichzeitig aber auch nachdenklich stimmenden Buches des Autors Andreas Langer zu sein. Und diese Botschaft kommt an, weil sie so nett in eine parabelhafte Geschichte verpackt wurde, die zwar mit einer Reihe von Verwicklungen aufwartet und in der ein gehöriges Durcheinander herrscht – vom „Schweinebären“ verursacht! -, die aber sehr verständlich und anschaulich geschrieben wurde. Gerade weil der Autor sie von einem zehnjährigen Mädchen erzählen lässt, dessen Sprache sehr authentisch wirkt! Sie sieht ihren Bruder und die Schwierigkeiten, die die Erwachsenen, sprich die Eltern, mit ihm haben, mit anderen Augen, viel entspannter nämlich, akzeptiert Saschas Eigenarten ganz selbstverständlich, so wie Kinder das nun einmal tun, bevor sie ( zum Glück nicht alle! ) von der Gesellschaft und ihren Normvorstellungen verbogen werden. Wollte Herr Langer das vermitteln, so ist es ihm gut gelungen – und es bleibt zu hoffen, dass das Buch auch von recht vielen Erwachsenen gelesen wird, gemeinsam mit ihren Kindern oder als Vorlesende.
Die gleichen Erwachsenen aber mögen ein wenig Anstoß nehmen an der Ausführlichkeit, mit der vor allem die Verdauung des Schweinebären und deren Endresultat thematisiert werden. Das war mir denn doch ein wenig zu viel des Guten und es verlor mit jeder Wiederholung an Lustigkeit. Das aber ist der Blick des Erwachsenen denn Kinder empfinden das ganz anders wie ich erleben durfte – und amüsieren sich köstlich! Und für Kinder ist der Roman schließlich geschrieben – so wie auch die Illustrationen auf Kinder wirken sollen und nicht auf kritische Erwachsene, denen sie eher zu unproportioniert, zu steif und einförmig erscheinen mögen. Also lassen wir hier die Kinder sprechen oder diejenigen unter uns Erwachsenen, die im Herzen Kind geblieben sind, ganz so wie Erich Kästner, der Meister der Kinderliteratur und geistiger Vater unvergesslicher Klassiker dieses Genres sich das von den erwachsenen Lesern seiner Kinderbücher wünschte – und der selber zeitlebens Kind geblieben war!

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Aufschrei einer Gequälten

Maimorde
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Wir alle kennen sie, diese Menschen, die allzu ungeschickt sind, die sich immerzu in prekäre Situationen bringen, ohne das zu wollen, die stolpern und sich dabei wehtun, die einfach rechte Tolpatsche sind! ...

Wir alle kennen sie, diese Menschen, die allzu ungeschickt sind, die sich immerzu in prekäre Situationen bringen, ohne das zu wollen, die stolpern und sich dabei wehtun, die einfach rechte Tolpatsche sind! Und als solchen hat Angelika Godau ihren, in vorliegendem Band bereits zum vierten Mal ermittelnden, Privatdetektiv Detlev Menke angelegt. „Deti“ wird er genannt – und der Spitzname beziehungsweise die Verniedlichung seines eigentlichen Vornamens, passt wie die Faust aufs Auge! Mir jedenfalls fällt bei „Deti“ genau der Typ Mann ein, den ich hier kennen lerne: ein nettes, harmloses, liebenswürdiges Wesen, bar jeden Args, voller menschlicher Schwächen und Unzulänglichkeiten, so frei jeglicher, nerviger Supermannqualitäten, dass man ihm auf Augenhöhe begegnen kann. Dass er dennoch über nicht unbeträchtliche Ermittlerqualitäten verfügt, stellt er in „Maimorde“ durchaus unter Beweis, wenn auch auf seine eigene, skurrile Weise und nicht ohne die eine oder andere Blessur davonzutragen. Zunächst einmal stolpert er – und das scheint ihm öfter zuzustoßen – über die Leiche des Gynäkologen Brandt, eines gar unsympathischen Zeitgenossen, der sein offensichtlich mangelndes Selbstwertgefühl durch ständige Affären mit seinem weiblichen Personal aufpolieren möchte um sie, wenn die Frauen Forderungen zu stellen beginnen, mit einer netten Summe loszuwerden und vor allem zum Schweigen zu bringen.
Julia, die Angetraute dieses Widerlings – übrigens nicht seine erste! - macht sich über den Charakter ihres Mannes keine Illusionen, schließlich kennt sie seine Masche, war sie doch dereinst selber bei ihm angestellt, hat ihn aber, cleverer als all die vielen Nebenbuhlerinnen, die sich geradezu anstellen, um von dem weder physisch noch charakterlich anziehenden Doktor vernascht zu werden, festgenagelt, wie man so schön sagt. Seltsam, wie attraktiv seine Profession respektive das Geld, das man damit verdient, doch immer noch für viele Angehörige des weiblichen Geschlechts zu sein scheint...
Aber bleiben wir bei der schönen Julia, Liebhaberin von Luxus, Botox und Silikon, denn von ihr führt der Weg direkt in medias res, in anderen Worten, zu der Frau, die im Mittelpunkt der gar erschröcklichen Geschichte steht und deren Psychogramm Frau Godau vor dem mitfühlenden, gelegentlich auch unverständig staunenden Leser entwickelt. Melanie heißt sie, ist Julias Freundin, wie man lesen kann – aber da scheint es gravierende Missinterpretationen des Begriffs Freundschaft zu geben, was sogar Menke auffällt, der Julia, mit der er in der Vergangenheit einmal eine Nacht verbracht hat ( wer nicht, fragt man sich, nachdem man die Gynäkologenwitwe etwas näher kennengelernt hat...), passenderweise ins Gesicht sagt, dass wer so eine Freundin hat, keine Feinde braucht! Wie wahr! Melanie ist, wie sich herausstellt, selbst ihre eigene größte Feindin...
Wir lernen besagte Frau, inzwischen um die 40, zu einem Zeitpunkt kennen, an dem sie nach langen Jahren des Psychoterrors, den sie sich, einst erfolgreiche Juristin und auf dem besten Wege Karriere zu machen, von ihrem Ehemann Roger, ebenfalls Jurist, wobei es treffender ist zu sagen, dass er von Beruf rückgratloser Sohn ist, und dessen bösartiger Mutter gefallen ließ, als sie schon längst nicht mehr rational zu denken imstande ist. Der Alkohol, in den sie sich aufgrund des Drucks von Seiten Rogers und der Schwiegermutter, doch endlich „den Erben“ zur Welt zu bringen, geflüchtet hatte, hat sein Übriges getan. Der Kreislauf von Verzweiflung, Versagen und Alkohol war nicht mehr zu durchbrechen. Wehret den Anfängen? Ja, das ist sicherlich richtig, genauso wie es unverständlich ist, wie eine junge, vermutlich kluge und erfolgreiche Frau unsrer Tage sich auf eine solche Art erniedrigen lassen konnte, wie sie zum willfährigen Instrument in den Händen von zwei krassen Egoisten ohne Mitgefühl hatte werden können. Doch wer weiß schon, welche – unbewusst – erlernten Mechanismen uns antreiben....
Wie auch immer, Melanie hätte allen Grund gehabt, den Doktor ohne Ethik und Moral zu beseitigen, nachdem der eine – oh Wunder nach all den Jahren der vergeblichen Mühen und Strapazen! - Schwangerschaft Melanies bestätigt, sie gleichzeitig aber warnt, dass das Kind, dessen Vater, wie er sich leicht ausrechnen kann, bestimmt nicht Roger ist, aufgrund des jahrelangen Alkoholmissbrauchs behindert sein könnte. Sie weiß, dass sie sich auf die Diskretion des Mannes ihrer „besten Freundin“ Julia keinesfalls verlassen kann – was läge also näher, als ihm das unwerte Lebenslicht auszublasen? Zumal sie längst ihre Rachepläne, Roger und dem Schwiegermonster zugedacht, geschmiedet hat. Finstere Pläne, einem kranken, nicht mehr logisch denkendem Geist zuzuschreiben.
Nun, jetzt kommen erst einmal die Ermittler ins Spiel, sprich die Kripo Ludwigshafen, in Person von Menkes Freundin Tabea und deren Kollegen Sandmann, letzterer einer der wenigen sympathischen Charaktere in der garstigen Geschichte! Menke selbstverständlich schwirrt auch herum, hat ihn doch Julia kurzerhand auf dem folgenschweren Geburtstagsempfang des Melanie-Ehemannes Roger rekrutiert, um Beweise für die Untreue des Gatten zu sammeln, der ihr den aufwändigen Lebensstil ermöglicht, in dem sie ihre Erfüllung sieht!
Und von nun an wird es turbulent, immer wieder aufs Neue überraschend, gar skurril und komödienhaft, was allein Menke geschuldet ist, der tapsig gemeinsam mit Dackel Alli, seinem ständigen Begleiter, nach allen Seiten ermittelt, misstrauisch und unwillig beäugt von der ihm gegenüber sehr nörgelig auftretenden Tabea, der eigentlichen Ermittlerin im Falle Brandt.
Als dann noch kurz hintereinander zwei weitere Morde geschehen, denn sowohl die böse Schwiegermutter als auch deren nicht ganz so böser, aber leider Gottes stark dünkelbehafteter Ehemann dürfen endlich ihrem Schöpfer gegenüberstehen, scheint die Sache klar für den Leser, der ja schließlich die Geschichte wechselweise aus Menkes und aus Melanies Sicht verfolgt: Melanie war's! Ist Amok gelaufen – wer kann es ihr verdenken? Einen Helfer hatte sie auch: den sehr simpel gestrickten Krankenpfleger und Kindsvater Björn, der für Melanie, die er zur Märtyrerin hochstilisiert, einfach alles tun würde!
Doch so einfach ist die Sache nicht, denn wir haben es hier ganz sicher nicht mit einem Standardkrimi zu tun! Wie ich ihn aber einordnen soll, weiß ich nicht, ob als Provokation, als rabenschwarze Krimikomödie oder als ernstgemeinte, wenn auch überspitzte Kritik an Angehörigen eines gewissen Standes – oder etwas ganz anderes. Ich denke, das sollte jeder für sich selbst definieren. Habe ich mich amüsiert? Nicht wirklich! Vielmehr habe ich mich, voller Unverständnis für die Handlungsweise der Protagonistin und somit nicht fähig, Empathie zu empfinden, über Melanie geärgert, die nicht nur ihr selbstbestimmtes Leben – freilich durch die Mitwirkung der Familie, in die sie blauäugig hineingeheiratet hat – sondern auch ihren Willen aufgegeben und sich auf eine Weise hat degradieren lassen, für die ich mich als ihre Geschlechtsgenossin schäme. Darüber hinaus kann ich mich nicht anfreunden mit einem Ende, das gar keines ist, das offen gelassen wurde, so wie ich den Roman gelesen habe, beziehungsweise das mit einem sehr unwahrscheinlichen Geständnis aufwartet, das der Wahrheit nicht entsprechen kann. Unverständlich, dass die Polizei sich damit zufrieden gibt oder es einfach hinnimmt, obwohl sie weiß, dass es so nicht gewesen sein kann – einfach, um den nervigen Fall, in dem gelogen wurde, dass sich die Balken bogen, ad acta legen zu können. Nun ja, man kann eben nicht alles haben. Dennoch – ein wenig mehr Menke und viel weniger Melanie, Julia, Roger und Co. hätte dem Krimi sicherlich nicht zum Nachteil gereicht....

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Dackel Bruno sorgt für Verwirrungen

Brunooo!
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Gewiss, Marlas Dackel Bruno ist ungezogen! Aber kann man es ihm verdenken? Er musste mit Marla und ihrer Familie nicht nur sein gewohntes Revier verlassen, sondern darüber hinaus auch von lieben alten ...

Gewiss, Marlas Dackel Bruno ist ungezogen! Aber kann man es ihm verdenken? Er musste mit Marla und ihrer Familie nicht nur sein gewohntes Revier verlassen, sondern darüber hinaus auch von lieben alten Gewohnheiten Abschied nehmen. Da er jetzt in einem Haus mir Garten lebt, wurde auch gleich beschlossen, dass er von nun an, anstatt es drinnen, wo er doch unumschränkter Herrscher war, so richtig gemütlich zu haben, in eine Hütte nach draußen verfrachtet wurde! Marlas Vater hatte das angeordnet, denn schließlich ist er allergisch gegen Hundehaare. Marla aber mutmaßt, dass der Vater der Umzug in das Haus seiner verstorbenen Mutter gut zupass kam – um Bruno nicht mehr in eben diesem Haus haben zu müssen! Und dabei ist er doch sowieso dauernd auf Reisen in seinem neuen Job! Bruno jedenfalls ist ganz verwirrt – und da macht man schon mal Dinge, die sich nicht gehören, wie im Gemüsebeet der Nachbarin Fratzke buddeln, den Postboten angreifen, wie sich das für einen richtigen Hund gehört, beim Metzger Würstchen stehlen, was doch ganz normal ist, wenn der nicht von sich aus auf den Gedanken kommt, die Würstchen freiwillig herzugeben, oder den Pfannkuchenteig für das Mahl, auf das sich Marla so gefreut hat, auf dem Boden landen lassen, was ein probates Mittel ist, um, als vernachlässigter Hund, auf sich aufmerksam zu machen....
Gewiss trägt auch Marla selbst ihren Teil dazu bei, dass alle Welt sich über ihren geliebten Dackel aufregt; sie liebt ihn sehr, daran liegt es also nicht, aber im Moment spielt er eher eine Nebenrolle in ihrem Leben, denn sie ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, ist noch nicht wirklich angekommen in ihrem neuen Zuhause, konnte in der Schule noch keinen Anschluss finden und muss zu allem Überfluss auch noch, von ihrer leicht verpeilten Schriftsteller-Mutter angeordnet, die Ferien in einem Schreibcamp verbringen, mit dessen geforderten Beiträgen sie sich zunächst schwer tut.
Doch dann kommt ihr der zündende Gedanke: sie beginnt, Brunos Schandtaten in Reimform zu verpacken – und sofort wird ihr die Aufmerksamkeit aller zuteil. Als sie sich dann mit Finn aus der Parallelklasse, der auch an dem Ferienschreibkurs teilnimmt, anfreundet, scheint es so, als könnte sie sich endlich langsam einleben, denn zu zweit macht doch alles viel mehr Spaß!
Leider aber hat sich Bruno inzwischen Feinde gemacht – und die versuchen mit allen Mitteln, den vorwitzigen kleinen Hund aus dem Verkehr zu ziehen! Wie gut, dass Finn Marla zur Seite steht und ihr dabei hilft, das Knäuel von Verdächtigungen und daraus resultierenden Missverständnissen aufzulösen – und nicht nur Bruno zu retten, sondern auch seine Feinde auf den rechten Weg zu führen....
Ein hübsches Kinderbuch ist der Autorin da gelungen – woran freilich auch die Illustratorin ihren Anteil hat. Die Geschichte ist durchweg sehr ansprechend bebildert, wobei dies nie überhand nimmt. Die Erzählung selbst steht immer im Mittelpunkt, die Illustrationen bilden die ideale Ergänzung und machen eine angenehm runde Sache aus Brunos Geschichte, die im Übrigen sehr glaubhaft ist, wie jeder Dackelbesitzer bestätigen kann. So sind sie in der Tat, die pfiffigen kleinen Hunde! Darüber hinaus gefällt auch die Sprache, die freundliche und spaßige Art des Erzählens, das die Autorin das Mädchen Marla, das so viel fürs Reimen übrig hat, selbst übernehmen lässt. Und die spricht so, wie sich das für eine ganz normale Neunjährige gehört, was sie mit den jungen Lesern gleich auf Augenhöhe sein lässt. Auch ihr Freund Finn ist authentisch – Bruno sowieso! Nicht recht warm werden jedoch kann ich mit den blass bleibenden Erwachsenen, von denen zumindest zwei eine nicht unwichtige Rolle spielen, und denen ich klarere Konturen gewünscht hätte. Dennoch sind das nur geringfügige Kritikpunkte an einem erfreulichen Kinderbuch, das am Ende sogar Anlass zum Nachdenken bietet, denn es zeigt auch auf, dass man niemanden vorschnell be- oder gar verurteilen sondern stattdessen doch besser ein wenig hinter die Fassade der Menschen und ihrer Beweggründe schauen sollte!

Veröffentlicht am 09.03.2020

Krimi mit Atmosphäre

Mord auf Vlieland
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Für seinen ersten Krimi um die Protagonistin Griet Gerritsen, eine eigenwillige Kommissarin mit recht sperriger Persönlichkeit, mit der sie sich nur allzu oft selber im Wege steht, hat sich der Autor einen ...

Für seinen ersten Krimi um die Protagonistin Griet Gerritsen, eine eigenwillige Kommissarin mit recht sperriger Persönlichkeit, mit der sie sich nur allzu oft selber im Wege steht, hat sich der Autor einen Ort ausgesucht, den man zunächst einmal nicht in Verbindung bringt mit düsteren Kriminalfällen: die – wie es der Titel bereits verrät – holländische Insel Vlieland, die zweitkleinste der fünf bewohnten Westfriesischen Inseln mitten im Wattenmeer, ein Paradies für Naturliebhaber mit einer ausgedehnten Dünenlandschaft, dem Vliehors, auch „Sahara des Nordens“ genannt, sowie einer für die nur zwölf Kilometer lange Insel beachtlichen Waldfläche.
Dass die vordergründig idyllische Insel Rätsel, gar dunkle Geheimnisse birgt, wird der Ermittlerin „auf Bewährung“, deren neuer Chef nur auf einen – erneuten! - Fehler ihrerseits wartet, um sie endgültig kaltzustellen, schnell klar, nachdem sie mit ihrem Team, dem sympathischen und äußerst gelassenen Kollegen Pieter und der jungen Noemi, die mit ihrem Übereifer und ihrer eigenmächtigen Unbedachtheit – darin Griet nicht unähnlich – ein potentielles Risiko darstellt, auf der Insel angekommen ist, um den Tod des augenscheinlich höchst geachteten Vlieland-Bürgers und Hoteliers Vincent Bakker zu untersuchen.
Niemand allerdings möchte so richtig trauern um den feinen Herrn, dem da so unzeitig der Garaus gemacht wurde – was nur allzu verständlich ist, wie Griet und ihre ungewöhnlich kleine Ermittlereinheit sehr bald feststellen. Der Ermordete war nämlich alles andere als ein Ehrenmann und nicht wenige hätten Grund genug gehabt, ihn ins Jenseits zu befördern!
Es ist nicht leicht, Licht ins Dunkel zu bringen, aber Griet ist nicht nur unkonventionell-eigensinnig, sondern auch zäh und furchtlos und außerdem, wie der Leser sich im Laufe der Handlung überzeugen kann, eine sehr fähige Kriminalistin mit glasklarem Verstand und beträchtlichen deduktiven Fähigkeiten. Dass sie nach all den persönlichen Unbillen in ihrem Leben, über die der Leser ansatzweise in Kenntnis gesetzt wird, immer noch so hervorragend funktioniert, nimmt fast wunder!
Nach einigen Rückschlägen und einer falschen Fährte kommt ihr schließlich Freund Zufall oder das kleine Quäntchen Glück, für das auch die gewieftesten Kommissare dankbar sind, zu Hilfe und sie beginnt, das Geflecht aus Geheimnissen, Halbwahrheiten und ganz offensichtlichen Lügen zu durchschauen und am Ende den Mord an dem, wie man ihr zu Anfang glauben machen wollte, geachteten Hotelbesitzer aufzuklären, dessen Wurzeln, so viel darf verraten werden, weit in die Vergangenheit zurückreichen....
Die Lösung des Falles, der im Mittelpunkt des spannenden Krimis steht, bei dem auch die menschliche Komponente nicht zu kurz kommt und der zu meiner Genugtuung wunderbar ohne detailliert beschriebene blutige Szenen, die ich ohnedies grundsätzlich für überflüssig halte, auskommt, war letztendlich nicht unbedingt überraschend. Sie zeichnete sich ganz allmählich ab, so wie sich der gesamte Kriminalroman allmählich und gemächlich und ohne Knalleffekte ( auch überflüssig! ) entwickelte. Was aber die Kommissarin mit ihrem Wissen machte, das ist wirklich ungewöhnlich, das ist etwas, das nicht zu erwarten war, aber sehr stimmig ist, haargenau passt zu ihrer nicht alltäglichen, keinerlei Stereotypen entsprechenden Persönlichkeit. Und damit geht sie tatsächlich einmal konform mit dem, was unausgesprochen von ihr erwartet wird – und dies von oberster Stelle!
Griets Handlungsweise befriedigt also am Ende doch noch - auch wenn man sie vielleicht nicht durchgängig verstehen kann - wie das die gesamte Geschichte tut. Nicht nur überzeugt der Fall an sich, der so logisch und mit Bedacht aufgebaut ist, und in dem der Autor eine Reihe von Akteuren auftreten lässt, die authentisch sind, denen man auch im wirklichen Leben ohne weiteres begegnen könnte, die sich so verhalten, wie das normale Menschen nun einmal tun, sondern er passt sich darüber hinaus harmonisch - wenn man diesen Begriff bei einem Krimi überhaupt verwenden kann - ein in die vom Autor so ansprechend-intensiv geschilderte Watteninsel, wobei er den Leser gleichsam mitnimmt, ohne dass diese durch die geschilderten Ereignisse ihren Zauber verliert und zu einem Ort wird, den man am liebsten meiden möchte. Sie bleibt seltsam unberührt, unbefleckt von all dem Unguten, das auf ihr geschehen ist!
Alles passt an diesem Kriminalroman, nichts stört die Harmonie seiner Komposition. Und wenn der Autor sich obendrein noch immer wieder der holländischen Sprache bedient, indem er Wörter oder ganze Sätze einflicht, über deren Bedeutung man nicht lange zu rätseln braucht – dann ist das sozusagen das Tüpfelchen auf dem „i“, dann hat man mitunter schon das Gefühl, etwas mehr zu sein als nur Leser oder Zuschauer, sondern vielmehr ein winzig kleiner Teil der Handlung selbst - und der schönen Insel in der rauen Nordsee natürlich auch!

Veröffentlicht am 09.03.2020

Großmutters Schokoladenkuchen mit Zauberzucker

Drei Freundinnen im Wunderland: Die Zauberbäckerei
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Zunächst einmal – das kleine Büchlein ist wunderschön aufgemacht! Auf 108 zartrosa und freundlich illustrierten Seiten erfreut es kleine Mädchen, denn an die richtet es sich, mit einer weiteren Reise ins ...

Zunächst einmal – das kleine Büchlein ist wunderschön aufgemacht! Auf 108 zartrosa und freundlich illustrierten Seiten erfreut es kleine Mädchen, denn an die richtet es sich, mit einer weiteren Reise ins Wunderland, in dem König Frohgemut herrscht, der allerdings von seiner Schwester mit dem aussagekräftigen Namen Malfiesa aus Eifersucht mit einem Fluch belegt wurde, der ihn langsam aber sicher in eine Stinkkröte verwandelt. Die einzige Chance, ihn vor einem solchen Schicksal zu bewahren, liegt in einem besonderen Gegenmittel, das aus sechs ebenso besonderen, weil phantastischen Zutaten besteht. Und diese zu besorgen obliegt den drei Freundinnen Jasmin, Juli und Mia, die mit Hilfe eines Kästchens vom Schulflohmarkt ins Wunderland gezaubert worden waren, wo sie der Elfe Elfi begegnet sind, deren Tante Rosmarin das Zaubermittel herstellt. Nachdem die erste Zutat, die Blubberbienen-Honigwabe, bereits gefunden wurde, machen sich die Mädchen auf ihre nächste Reise, die sie dahin schickt, wo es, wie ein Gedicht sagt, „alles gibt, was eine Kuchenfreundin liebt“. Nicht schwer, denken sich die Freundinnen, das kann nur eine Bäckerei sein! Und in der Tat, die nächste Zauberzutat ist der Zauberzucker vom silbernen Zuckerbaum im Hof der Bäckerei, den es nur einmal im Jahr zu ernten gibt, nämlich zum Abschluss des jährlichen Zauberbäckerei-Backwettbewerbs.
Anfangs erscheint den Freundinnen der Auftrag leicht, denn sie werden von den Bäckermeistern, ihres Zeichens Elfen, die ihren König verehren, sehr freundlich begrüßt und erhalten das Versprechen, sich von dem magischen Zucker so viel nehmen zu dürfen, wie sie wollen. Doch niemand hat mit Malfiesa gerechnet, die ihre Augen und Ohren überall hat und die Bäckerelfen flugs ebenfalls mit einem Fluch belegt, der aus den fröhlichen Gesellen bösartige Grantler macht, von denen keine Hilfe mehr zu erwarten ist. Also beschließen Jasmin, Mia und Juli, selbst an dem Backwettbewerb teilzunehmen – mit einem besonderen Rezept, dem Schokoladenkuchen von Jasmins Großmutter! Aber ob der konkurrieren kann mit den phantastischen Kreationen der Meisterbäcker? Die Freundinnen haben große Zweifel – und als dann noch Malfiesas Spione, die abscheulichen Sturmbolde auftauchen, um ebenfalls am Wettbewerb teilzunehmen, in Wirklichkeit aber, um nach Herzenslust zu sabotieren und jede Menge Unfrieden zu stiften, wird’s brenzlig! Die Mädchen müssen mit Elfis Hilfe ihr Bestes geben, um an den Zauberzucker zu gelangen – und um zu verhindern, dass Frohgemuts Schicksal endgültig besiegelt ist...
Reisen in Zauberwelten haben Hochkonjunktur auf dem Kinderbuchmarkt! Ganze Buchreihen sind erschienen, die ihre jungen Leser mit Magie verführen und ihre Phantasie beflügeln, die sie Zeitreisen unternehmen lassen mit Helden ihres eigenen Alters, die nicht selten zu Identifikationsfiguren werden. Daran ist nichts auszusetzen, denn die jungen Protagonisten von Serien wie „Sternenschweif“, „Das magische Baumhaus“ oder „Die Zeitdetektive“, um nur einige der herausragenderen Reihen zu nennen, haben allesamt noch ein „normales“ Leben, sind eingebettet im Hier und Jetzt, gehen zur Schule, haben die üblichen Probleme mit ihren Familien und sind auf den ersten Blick nichts Besonderes, durchschnittliche Kinder eben – die freilich mit Phantasie und Empathie gesegnet sind und in kleinen Dingen das Große sehen können, die unsichtbare Welten hinter den sichtbaren erahnen und sie als selbstverständlich hinnehmen.
Die drei Mädchen Jasmin, Juli und Mia bilden da keine Ausnahme! Sie sind nette Kinder, haben ihre alltäglichen Pflichten, die sie nicht hinterfragen, weil es ja doch nichts ändert; ihre magische Nische finden und ihre Begegnung mit der anderen Welt, dem Wunderland, nutzen sie, um zu helfen, um ihren Beitrag zu deren Bewahrung zu leisten.
Nichts aufregend Neues ist die Reihe um die „Drei Freundinnen im Wunderland“, aber sie hat Herz, denn sie zeigt keine abgeklärten, handysüchtigen, obercoolen Kids, um im passenden Jargon zu bleiben, die bereits frühzeitig blasiert durch ihr nichtssagendes Leben staksen, sondern freundliche und hilfsbereite Kinder, die nicht dauerhaft nur mit sich selbst beschäftigt sind, die niemanden brauchen, der ihre Freizeit straff durchorganisiert, die nicht ständig bespaßt werden müssen – und für die Märchen ein ganz realer Teil des Lebens sind, denn sie wissen ganz instinktiv um deren Macht, das Leben bunter und fröhlicher zu gestalten!