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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.04.2020

Matthias Hegel ist zurück und wir sind wieder ganz Ohr

Die Frequenz des Todes
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Nachdem ich den ersten Teil nicht aus der Hand legen konnte, war ich auf Teil zwei um Hegel und Ansorge sehr gespannt.

Das Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und zeigt dieses Mal Kreiswellen, ...

Nachdem ich den ersten Teil nicht aus der Hand legen konnte, war ich auf Teil zwei um Hegel und Ansorge sehr gespannt.

Das Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und zeigt dieses Mal Kreiswellen, die erneut auf die Tätigkeit des Protagonisten als forensischen Phonetiker hinweisen.

„Die Frequenz des Todes“ schließt unmittelbar an „Auris“ an. Man muss den ersten Teil nicht gelesen haben, man kann als Quereinsteiger durchaus der Handlung und den Zusammenhängen folgen. Alle wichtigen Informationen werden den Leserinnen mitgegeben. Allerdings würde man sich um das Vergnügen des ersten Bandes bringen, denn viele spannende Entwicklungen werden „verraten“, sonst könnte die Handlung nicht weitergehen.



Professor Hegel sitzt in Untersuchungshaft, das hat er Jula Ansorge zu verdanken. Jula, eine Podcasterin und ehemaligr Radiomoderatorin, hat mit Hegel noch eine Rechnung offen. Ein Mitarbeiter des LKA sucht den Profiler im Gefängnis auf und bittet um seine Hilfe bei der Analyse eines Notrufes. Eine verzweifelte Mutter wurde offenbar gewaltsam vom Telefon getrennt, bevor sie einen kompletten Notruf wegen ihres verschwundenen Baby absetzen konnte. Jetzt sind Hegels besondere Fähigkeiten gefragt und er versteht es erneut, Jula für seine Belange einzuspannen und sie auf die gefährliche Suche nach der Mutter, dem Kind und dem Ort des Verbrechens zu schicken.

Auch im zweiten Teil der Serie erkennt man die Handschrift von Sebastian Fitzek, auf dessen Idee die Reihe von Vincent Kliesch beruht. Kurze Kapitel, viele Wendungen, rasantes Tempo und immer wieder in kursiv gesetzte Gedanken der gerade agierenden Person.

Das Buch ist spannend, konnte mich aber nicht so packen wie der Erstling. Die Geschichte war mir an einigen Stellen zu konstruiert und nicht ganz glaubwürdig.

Gut gelungen ist Kliesch, die Arbeit eines akustischen Profilers näher zu beleuchten. Diese Thematik wird in diesem Band stärker hervorgehoben und man erfährt so einige interessante Dinge. Schön auch, dass die bekannten und teilweise skurrilen Figuren wieder auftauchen. Die Einbindung von Friedrich fällt jedoch für mich in die Kategorie “konstruiert“.

Die Auflösung war in Teilen zu erahnen, bot aber insgesamt noch Überraschungen. Das Ende läßt die Leser
innen an einer ähnlichen Stelle zurück, wie bereits in „Auris“.

Insgesamt durchaus spannend, mit wenigen Längen und einigen Ungereimtheiten, sehr flott geschrieben und mit Charakteren, die man gerne wieder treffen möchte. Ich werde an der Serie dran bleiben.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Ein jüdisches Emigrantenleben - von Berlin nach Palästina

Heimat los!
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Das schmale Büchlein war ein Geschenk, das schon länger darauf wartete, gelesen zu werden. Auf dem Cover ist der jüdische Autor bzw. Erzähler als kleiner Junge mit seinem Vater abgebildet. Die beiden schauen ...

Das schmale Büchlein war ein Geschenk, das schon länger darauf wartete, gelesen zu werden. Auf dem Cover ist der jüdische Autor bzw. Erzähler als kleiner Junge mit seinem Vater abgebildet. Die beiden schauen sich sehr ernst in die Augen. Das hat mich zunächst abgeschreckt, da ich mit einem tieftraurigen Schicksalsroman gerechnet hatte. Das ist das vorliegende Buch allerdings nicht.

Gerhard Granach wurde 1915 in Rheinsberg geboren. Sein Vater, Alexander Granach, wurde später ein bekannter Schauspieler. Das ermöglichte dem Sohn einige aufregende Jahre in Berlin zu verbringen, im Umfeld von zahlreichen Berühmtheiten. Als die Nationalsozialisten am Horizont auftauchen, ist es sein Vater, der ihm 1933 nach Hamburg in eine zionistische Organisation verhilft. Dort werden Jugendliche für die Auswanderung nach Palästina vorbereitet. 1936 kommt Granach als Pionier in ein Kibbuz. Aus Gerhard wird Gad und mit Tatendrang und Begeisterung stürzt er sich in die Aufbauarbeit.

Granach erzählt in lockeren, chronologischen Episoden aus seinem Leben. Dass der Text auf Gesprächen basiert, die mit Granach geführt wurden, merkt man als Leser*in sehr wohl. Das Geschriebene kommt, trotz aller Emotionen des Erzählers, eher nüchtern daher. Obwohl man das Buch sehr gut und flott lesen kann, ist es kein flüssiger Gesamttext.

In neun Kapiteln werden die Erinnerungen Granachs zusammengetragen. Von den wilden Berliner Jahren, über die Ausbildungszeit in Hamburg bis in den Kibbuz, ans Tote Meer und nach Jerusalem. Jedes Kapitel behandelt einen bestimmten Lebensabschnitt. Dabei lesen sich die Episoden über seinen Vater, den berühmten Schauspieler, ebenso spannend und interessant, wie die Begebenheiten im Kibbuz oder auf der Schmalspurbahn am Toten Meer. Zahlreiche private Fotografien begleiten den Text und machen vor allem die Pionierjahre greifbarer.

Granach erzählt nicht nur mit Humor aus seinem Leben, sondern hält auch mit seiner politischen Meinung nicht hinterm Berg. Ehrlich, deutlich und ohne Scheu, jemanden vor den Kopf zu stoßen, gibt er seine Gedanken und Beobachtungen wieder. Das Buch enthält viele kluge Sätze, die es Wert sind, dass man sie sich merkt. „Es gibt Momente im Leben, für die sich der Aufwand lohnt, aber sie gehen immer sehr schnell vorbei. Es ist doch eine Verschwendung, was wir mit unserem Leben tun.“ (Zitat, S. 101)



Ein unterhaltsamer autobiografischer Bericht eines jüdischen Emigranten mit interessanten Einblicken in die Aufbaujahre des Staates Israel.

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Veröffentlicht am 06.03.2020

Jagd auf einen Serienkiller -

Wie viele willst du töten
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Obwohl der Name der Autorin deutsch klingt, ist Joanna Schaffhausen eine Amerikanerin. Mit “Wie viele willst du töten“ liegt ihr Debüt vor.

Das Cover wirkt gruselig, die zerfallene Hütte, der giftige ...

Obwohl der Name der Autorin deutsch klingt, ist Joanna Schaffhausen eine Amerikanerin. Mit “Wie viele willst du töten“ liegt ihr Debüt vor.

Das Cover wirkt gruselig, die zerfallene Hütte, der giftige gelb-grüne Hintergrund und der riesige Titel, der in einem Weizenfeld steht. Besonders macht das Buch, dass der Schnitt die gleiche giftige Farbe hat.

Ellery Hathaway arbeitet als Polizistin in einer Kleinstadt, in der niemand ahnt, dass sie eine neue Identität angenommen hat. Vor 14 Jahren konnte sie aus den Fängen eines Serienkillers gerettet werden. Nun bereitet ihr bereits seit fast drei Jahren das Verschwinden einiger Bewohner Sorgen. Ihren Chef kann Ellery von ihren Bedenken nicht überzeugen. Schließlich nimmt sie Kontakt zu Reed Markham auf, dem FBI-Beamten, der als ihr Retter berühmt wurde.

Das geht zunächst alles sehr schnell, bereits im zweiten Kapitel trifft Reed in Woodbury ein. Als Charaktere passen Ellery und Reed gut zusammen. Sie bilden auch eine Einheit gegenüber den anderen Polizisten. Sie haben eine gemeinsame Vergangenheit und stehen mit ihrer Meinung zum Verschwinden der Bewohner von Woodbury zunächst allein.

Die Autorin beschreibt die Zerrissenheit beider Figuren sehr gut. Beide sind durch die Erlebnisse mit dem Serienkiller auf ihre Weise „beschädigt“. Angst und Selbstzweifel gehören zu ihrem Alltag. Im Verlauf der Handlung werden die Ereignisse von vor 14 Jahren Stück für Stück erzählt.

Ein früheres Opfer nun selbst zur Jägerin nach einem möglichen Serienkiller zu machen, ist ein interessanter Aspekt. Die Handlung ist durchaus spannend und die Geschichte liest sich sehr schnell, da auf unnötige Ausschmückungen, Beschreibungen und Nebenhandlungen verzichtet wird. Darin liegt aber auch gleichzeitig das Manko dieses Thrillers: Alle anderen Figuren bleiben zu blass, das Personal ist übersichtlich und die Auflösung vorhersehbar. Bei 333 Seiten hätte man gut zugunsten von etwas mehr Raffinesse und falschen Spuren ein paar Seiten aufstocken können. Auch konnte mich Ellerys Umgang mit den Beweisen und Vermutungen nicht ganz überzeugen; das erschien mir nicht immer logisch.

Insgesamt ein solider Thriller, der Dank der beiden Hauptfiguren gut unterhält, für mich aber keine Überraschungen bot. Ich vergebe 4 wohlwollende Sterne, in der Hoffnung, Ellery und Reed vielleicht in einem weiteren Fall wiederzutreffen.

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Veröffentlicht am 23.02.2020

Skurril, außergewöhnlich und nichts für Zwischendurch

Milchmann
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Dieses Buch ist weder etwas für jeden noch etwas für Zwischendurch. Der Klappentext faßt lediglich die Rahmenhandlung zusammen, bereitet den Leser aber nicht auf den Schreibstil der Autorin vor, denn der ...

Dieses Buch ist weder etwas für jeden noch etwas für Zwischendurch. Der Klappentext faßt lediglich die Rahmenhandlung zusammen, bereitet den Leser aber nicht auf den Schreibstil der Autorin vor, denn der hat es in sich.

In einer namenlosen Stadt agieren Personen ohne Namen, die nach ihrem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Protagonistin oder ihrem Beruf benannt werden. Es herrscht ein gewalttätiger Konflikt vor, der sich nach und nach als Nordirland-Konflikt herauskristallisiert. Die 18jährige Ich-Erzählerin beschreibt ihr Umfeld, das durch diesen Konflikt geprägt ist.
Die Autorin bedient sich dabei diverser sprachlicher Stilmittel, wie der reihenweise Aufzählungen und Verwendung von Synonymen und langer, verschachtelter Sätze. Sprünge in der Handlung entsprechen den Gedankensprüngen der Ich-Erzählerin. Der Gedankenfluss bringt die Handlung nur langsam voran, unterfüttert sie aber laufend mit neuen Details. Die Autorin spickt den Text mit schwarzem Humor, Übertreibungen und Vergleichen, die wirklich originell und unterhaltsam sind.

Letztlich dient der Nordirland-Konflikt hier auch als Beispiel für alle Arten von derartigen Konflikten, von Unterdrückung (von Frauen und Andersdenkenden) und Gewaltspiralen.

Das Buch ist ohne Frage anstrengend und braucht Zeit. Wer sich aber die Zeit nimmt und sich auf die Sprache einläßt, wird auf echte Sprachkunst stoßen. Hut ab vor der Übersetzungsleistung.
Die Meinungen zum Buch werden auseinander gehen. Ich vergebe vier Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die etwas Anspruchsvolles suchen und gerne mal ihre Komfortlesezone verlassen möchten.
Mein Tipp: Ein paar Seiten im Buch lesen und dann entscheiden.

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Wenn Unmögliches gelingt - Blanche Peyron und ihr Erbe in Paris

Das Haus der Frauen
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Nach ihrem großen Erfolg „Der Zopf“ hat Laetitia Colombani ein weiteres Mal Frauen und deren Schicksale zum Thema eines Romans gemacht.

Solène, erfolgreiche Anwältin in Paris, durchlebt nach dem Selbstmord ...

Nach ihrem großen Erfolg „Der Zopf“ hat Laetitia Colombani ein weiteres Mal Frauen und deren Schicksale zum Thema eines Romans gemacht.

Solène, erfolgreiche Anwältin in Paris, durchlebt nach dem Selbstmord eines Mandanten eine Krise und stellt ihr bisheriges Leben in Frage. Als Therapie wird ihr empfohlen, durch gemeinnützige Arbeit den Focus von sich auf andere zu lenken. So kommt Solène in das titelgebende Haus der Frauen, das vielen hundert obdachlosen Frauen Zuflucht gewährt. Solènes Arbeit als öffentliche Schreiberin stößt anfänglich auf Misstrauen, in dem Frauenhaus, das vor hundert Jahren von Blanche Peyron ins Leben gerufen wurde.

Colombani erzählt die Geschichten von Solène und Blanche auf zwei Zeitebenen und wechselt zwischen 1925/26 und der Gegenwart.

Blanche Peyron, die Leiterin der Heilsarmee in Frankreich war, und ihr unglaublicher Kampf für Bedürftige waren mir bisher unbekannt. Ihr gelang es, eine riesige Summe einzuwerben, um für die Heilsarmee ein leerstehendes Hotel in Paris zu kaufen und es dann als Frauenhaus, den Palast der Frauen, zu nutzen. Diesem unermüdlichen, leidenschaftlichen Einsatz hat Colombani ein Denkmal gesetzt.

Die Charaktere bleiben aber etwas distanziert. Dies mag auch am Schreibstil liegen, der sich zwar sehr gut lesen läßt, aber gerade in den historischen Passagen oft wie eine Biografie wirkt. Eher knapp gehalten und um Wissensvermittlung bemüht. Hier hätte ich mir bei aller Leidenschaft, die Blanche für ihre Sache aufbringt, mehr Leidenschaft in der Figur gewünscht. Der Roman hat „nur“ gut 250 Seiten, da wäre noch Platz gewesen.

Soléne ist, wie bereits die Anwältin in „Der Zopf“, ein Klischee. Ihr bin ich aber gerne in den Palast der Frauen gefolgt. Dort trifft man auf viele verschiedene Schicksale, das war sehr interessant und emotional.



Ingesamt habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Es rückt eine Frau in den Mittelpunkt, die es verdient hat, nicht in Vergessenheit zu geraten. Der Roman ist auch ein Aufruf, nicht wegzusehen und sich für die Schwachen und Bedürftigen einzusetzen.

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