Profilbild von Estrelas

Estrelas

Lesejury Star
offline

Estrelas ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Estrelas über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2023

Frieden finden

Hotel Silence
0

Ein Mann beschließt zu sterben. Doch konventionelle Methoden sind schnell verworfen, möchte er doch keiner ihm nahestehenden Person den Leichenfund zumuten. Also begibt er sich an einen Ort, an dem ein ...

Ein Mann beschließt zu sterben. Doch konventionelle Methoden sind schnell verworfen, möchte er doch keiner ihm nahestehenden Person den Leichenfund zumuten. Also begibt er sich an einen Ort, an dem ein Krieg Land und Leute erschüttert hat. Die erwartete Anonymität ist ein Trugschluss, schließlich hat Jonas sein Werkzeug dabei und kann helfen.
Die ungewöhnliche Handlung lässt sich herunterbrechen auf menschliche Gefühle und Beziehungen. Beide Seiten, der Fremde und die Bewohner des nicht eindeutig benannten Landes, zeigen sich verletzlich und nahbar. „Die meisten Narben auf der Haut sind flach und blass und zeigen nur noch einen Bruchteil der Verletzung, die zu ihrer Entstehung führte.“ Die Umstände entfalten gleichzeitig das Potenzial für feinen Humor (welches Tier kommt wohl im Restaurant auf den Tisch) und für Hoffnung (wie die Veränderung in Kinderbildern als Traumaverarbeitung).
Es werden Details eingeflochten, wie Tagebuchseiten, die der Protagonist selbst wiederentdeckt, die eine Nähe zur Figur aufbauen und dennoch das Unverständnis für den Todeswunsch schüren. Auch wenn einiges unausgesprochen bleibt, entspinnt sich eine gleichermaßen eigentümliche wie eindringliche Geschichte. Sprachlich gelingt ganz wunderbar der Balanceakt zwischen Schwere und Leichtigkeit. Ich habe mich gut im Geschehen eingefunden und die Lektüre sehr genossen.

Veröffentlicht am 18.07.2023

Das geheime Dorf

Nincshof
0

„Nincshof“ - das ist der Name eines Dorfs in Österreich, nahe der Grenze zu Ungarn. Und er ist zum Vergessen gemacht, so zumindest wünschen es sich die „Oblivisten“, die den Ort quasi von der Landkarte ...

„Nincshof“ - das ist der Name eines Dorfs in Österreich, nahe der Grenze zu Ungarn. Und er ist zum Vergessen gemacht, so zumindest wünschen es sich die „Oblivisten“, die den Ort quasi von der Landkarte verschwinden lassen wollen, um endlich wieder ihre Ruhe zu haben. „Weil Nincshof sich nicht herumkommandieren lassen soll von der Welt. Da passieren doch nur noch Dinge, von denen man kein Teil mehr sein will, oder?“
In der heiteren Geschichte treten noch zahlreiche weitere Personen auf den Plan, allen voran die ältere Dame, Erna Rohdiebl, die sich durch nächtliches Schwimmen in fremden Pools einen Namen gemacht hat. Und dann die Neuen, die mit einer Irrziegenzucht für Aufsehen sorgen.
Es ist leicht, in diesem Buch zu versinken, ist es doch sowohl sprachlich als auch durch seine Figuren ansprechend. Die verrückten Winkelzüge kann keiner vorhersagen, und überhaupt entwickelt sich die Handlung ganz anders, als ich es mir anfangs vorgestellt habe. Das ist positiv gemeint, denn wer will sich nicht von einem Roman überraschen lassen?
Johanna Sebauer hat mit diesem Roman eine wunderbare Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor geschaffen. Eine Zugezogene hat durchaus mit dem Landleben und ihrer Abgrenzung von den „Ureinwohnern“ zu kämpfen. Die lebhafte Beschreibung des Dorflebens und die skurrilen Ereignisse haben mich zum Schmunzeln gebracht. Ich habe diesen Debütroman gerne gelesen und bin gespannt auf zukünftige Veröffentlichungen der Autorin.

Veröffentlicht am 16.07.2023

Der Wettlauf zum Südpol

Die schlimmste Reise der Welt - Die Graphic Novel
0

Robert Falcon Scotts Terra-Nova-Expedition hatte zum Ziel, den Südpol zu erreichen, was ihr (Spoiler) im Januar 1912 gelang, jedoch nicht, wie angestrebt, als erste. Mit an Bord war als jüngster Teilnehmer ...

Robert Falcon Scotts Terra-Nova-Expedition hatte zum Ziel, den Südpol zu erreichen, was ihr (Spoiler) im Januar 1912 gelang, jedoch nicht, wie angestrebt, als erste. Mit an Bord war als jüngster Teilnehmer Apsley Cherry-Garrards, der einige Jahre später seine Erfahrungen in einem Buch veröffentlichte. Dieses wiederum war die hauptsächliche Quelle für Sarah Airriess, neben Briefen und Tagebüchern weiterer Besatzungsmitglieder, für die Graphic Novel „Die schlimmste Reise der Welt“.

Bewundernswert ist der enorme Rechercheaufwand, den sie dafür betrieben hat. Das Buch gewährt in einem Anhang schon einige Einblicke in tiefergehende Details, die auch kleine Abweichungen in der künstlerischen Umsetzung klarstellen. Eine Website geht sogar noch weiter und ermöglicht es, Panel für Panel weitere Details abzurufen.

Band 1, „Ums Kap nach Süden“, stellt die Reise vom ersten Kennenlernen der Crew in Cardiff bis zum Erreichen der Antarktis dar. Wir erleben, wie sich die Männer in ihren Rollen einfinden, einander unter die Arme greifen, feiern, dem Sturm trotzen.

Vierzehn Hauptpersonen werden eingangs namentlich vorgestellt, und jede von ihnen hat spezifische Gesichtszüge, anhand derer sie im weiteren Verlauf identifiziert werden kann. Bei den Zeichnungen gefällt mir, wie die verschiedenen Tageszeiten (z.B. Dämmerung) eingefangen werden, Wasser über den Text schwappt, das Schiff im Querschnitt (von oben nach unten) dargestellt oder die Vorräte einzeln “verstaut” werden.

Der Alltag an Bord wird authentisch in Bildern dargestellt. Ich fieberte mit den Seeleuten mit, besonders als sie erfahren, dass Amundsen sich mit demselben Ziel auf die Reise begeben und einen Wettlauf eingeläutet hat. Das Erreichen des Packeises stellt somit einen Meilenstein dar, während offenbleibt, wie die Expedition am Südpol weitergeht. Bei solch einer ansprechenden Darstellung ist mein Interesse auf jeden Fall geweckt, diese Truppe auch im nächsten Teil zu begleiten.

Veröffentlicht am 09.07.2023

Vom Innen und Außen

Meine Mutter sagt
0

Die Ich-Erzählerin leidet. Darunter, dass ihre Beziehung zu Ende ist. Darunter, dass ihre Mutter sich in ihr Leben einmischt. Wird sie sich und die Liebe wiederfinden?

Wir lesen Episoden aus dem Alltag ...

Die Ich-Erzählerin leidet. Darunter, dass ihre Beziehung zu Ende ist. Darunter, dass ihre Mutter sich in ihr Leben einmischt. Wird sie sich und die Liebe wiederfinden?

Wir lesen Episoden aus dem Alltag der Protagonistin, dem was außen passiert, und in sogenannten „Seepferdchenmonologen“, was sie im Inneren bewegt. Auf den ersten Blick wirkt das womöglich unspektakulär, gibt es doch keine dramatische Entwicklung der Handlung.

Doch die Kleinigkeiten, die feinen Beobachtungen, in zarter Sprache ausgedrückt, sind es, die den Reiz des Buchs ausmachen. „Die orangen Sommersprossen um ihre Nase herum würde ich gern mit dem Kugelschreiber verbinden, um herauszufinden, was für ein Bild auf ihrem Gesicht entstehen würde.“

Unwillkürlich vergleiche ich mit „Meter pro Sekunde“ und stelle fest, dass mich dieses Debüt der Autorin mehr für sich vereinnahmt. Leise Töne mit starkem Nachhall!

Veröffentlicht am 02.07.2023

Meer erleben

Am Rande der Glückseligkeit
0

Die nackten Füße im Sand und das Meeresrauschen als Kulisse - wer gerät dabei nicht in Verzückung? Bettina Baltschev hat ein ganzes Buch über Strände geschrieben, deutsche und europäische, und das ist ...

Die nackten Füße im Sand und das Meeresrauschen als Kulisse - wer gerät dabei nicht in Verzückung? Bettina Baltschev hat ein ganzes Buch über Strände geschrieben, deutsche und europäische, und das ist mehr als reine Schwärmerei.
Wir lesen über Kriegsschauplätze, historische und literarische Persönlichkeiten oder die Entwicklung der Badekultur. So wurden zu Anfang des 19. Jahrhunderts Baderegeln für die Besucher veröffentlicht: „Die beste Zeit zum kalten Bade ist des Vormittags in einer früheren oder späteren Stunde, wie sie dem Badegaste am angenehmsten und bequemsten ist, nüchtern oder nach einem leichten Frühstücke, und nach erfolgter natürlicher Leibesöffnung.“
Der Text wird aufgelockert durch Fotografien und Zeichnungen oder aber durch Reime, die sich dem Meererleben widmen. Die Lektüre ist ein Genuss und fördert das Verlangen, bald wieder einem Strand einen Besuch abzustatten.