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Veröffentlicht am 19.01.2023

Die Frau hinter Pippi Langstrumpf

Astrid Lindgren
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Um das Wesen und die Gedankenwelt von Astrid Lindgren zu erfassen, muss man vermutlich zunächst einmal ihr gesamtes Werk lesen. Doch selbst dann bleibt die Frau dahinter verborgen. Autorin Susanne Lieder ...

Um das Wesen und die Gedankenwelt von Astrid Lindgren zu erfassen, muss man vermutlich zunächst einmal ihr gesamtes Werk lesen. Doch selbst dann bleibt die Frau dahinter verborgen. Autorin Susanne Lieder hat sich einen Abschnitt aus dem Leben der schwedischen Schriftstellerin herausgegriffen, um deren Leben genauer zu beleuchten. Es ist ein herzzerreißender Einstieg im Jahr 1929, als die junge, ledige Astrid Ericsson ihren Sohn Lasse von der dänischen Ziehmutter zurückholt, in deren Obhut sie ihn nach ihrer Flucht aus ihrem Heimatort Vimmerby gegeben hatte. Nun erwarten die alleinerziehende Mutter ungewisse Zeiten in Stockholm mit einem kleinen Kind und großen Geldsorgen. Die Romanbiographie begleitet Astrid sozusagen über den Zeitraum ihres gemeinsamen Lebens mit ihren Kindern, also vom Zurückholen ihres Sohnes Lasse bis viele Jahre später zum Auszug ihrer Tochter Karin. Es sind ereignisreiche Jahre, in denen aus der kecken Sekretärin eine berühmte Schriftstellerin und Lektorin wird.

Der Roman liest sich wahnsinnig flüssig, man fliegt nur so durch die Seiten. Allerdings war der herzzerreißende Einstieg zugleich der emotionale Höhepunkt. Die weitere Erzählung lässt uns in vielen Einzelheiten am Leben Astrid Lindgrens und auch ihrer nicht ungetrübt glücklichen Ehe mit Sture Lindgren teilhaben, verbleibt gefühlsmäßig jedoch an der Oberfläche. Dies mag durchaus dem Wesen der Schwedin entsprochen haben, hinterlässt beim Lesen jedoch das Gefühl, einen informativen Text zu lesen, der jedoch nicht wirklich zu berühren vermag. Vieles wird angedeutet, nur wenig aber vertieft. Die Beschränkung auf das kindlich fröhliche Wesen der Smaländerin erscheint mir zu wenig. Da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, wobei ich davon ausgehe, dass Susanne Lieder hier nicht allzu weit in den Bereich der Fiktion abdriften wollte.

Auf jeden Fall eröffnet die Erzählung vielfältige Einsichten in den Werdegang von Astrid Lindgren, die sogar für den Geheimdienst gearbeitet hat. Und nebenbei erfährt man die Entstehungsgeschichte vieler ihrer Bücher und vor allem, wie sehr ihr die eigenen Kinder, aber auch Kinder allgemein am Herzen lagen.

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Veröffentlicht am 15.01.2023

Ist der Ruf erst ruiniert

Skandal & Vorurteil
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Das Leben von Georgie Darcy an der Pemberly Academy ist das reinste Minenfeld nach einem „Vorfall“ mit Bad Boy Wickham Foster. Ihr Bruder Fitz Darcy hält sie seitdem an der ganz kurzen Leine, und bei ihren ...

Das Leben von Georgie Darcy an der Pemberly Academy ist das reinste Minenfeld nach einem „Vorfall“ mit Bad Boy Wickham Foster. Ihr Bruder Fitz Darcy hält sie seitdem an der ganz kurzen Leine, und bei ihren Mitschülern ist sie unten durch. Sogar in der Marching Band, wo sie Posaune spielt, wird sie mit Nichtachtung gestraft. Einzig Tambourmajor Avery ist ein Lichtblick, denn ihr guter Freund ist der einzige, der überhaupt noch mit ihr spricht. Ganz klar, da muss ein Plan her, um sie zu revidieren. Immerhin ist sie eine echte Darcy.

Das Jane-Austen-Retelling hebt den Roman von 1813 in die Gegenwart. Ganz reibungslos gelingt dies nicht; gewisse Konstellationen wie etwa die Vormundschaft des Bruders lassen sich eben nur etwas holprig konstruieren und wirken erzwungen. Nachdem diese Hürde genommen ist, kann sich die Erzählung rund um die jüngere Darcy-Schwester entfalten. Natürlich tauchen auch all die Charaktere aus Jane Austens Roman auf, wobei etwa aus Charles Bingley der coole Partylöwe Charlie wird. Und natürlich zoffen sich Lizzie/Elizabeth Bennet und Fitz(william) Darcy ganz wunderbar. Und wenn schon Pemberly nicht der Sitz der Darcys ist, dann ist Fitz doch wenigstens eine Ecke der Bibliothek gewidmet. Dennoch liegt bei allen witzigen Anspielungen der Fokus des Romans auf anderen Handlungssträngen und Personen als bei Jane Austen, da ja schließlich Georgie Darcy von der Neben- zur Hauptfigur avanciert ist.

Auch ohne den Klassiker gelesen zu haben, kann man die Story genießen. Dann liest es sich tatsächlich wie ein süßer Academy-Roman, wobei Georgies Liebe für eine englische Serie, die sie leidenschaftlich streamt und zu der sie sogar Fanfiction verfasst, der Geschichte dennoch einen Hauch von Regency verpasst.

Eine „gut schräge“ Transformation vom romantischen Klassiker zum frechen Jugendroman.

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Veröffentlicht am 09.01.2023

Von der Regenrinne zur Spielzeugeisenbahn

Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück
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Das vermeintliche Buch über Spielzeugeisenbahnen entpuppt sich beim Lesen als interessante Zeitreise in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Caroline Hettich ist eine selbstbewusste junge Frau mit eigenen ...

Das vermeintliche Buch über Spielzeugeisenbahnen entpuppt sich beim Lesen als interessante Zeitreise in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Caroline Hettich ist eine selbstbewusste junge Frau mit eigenen Ideen – und damit einfach in der falschen Zeit geboren. Denn im Königreich Württemberg hat sie als Frau kaum eigene Rechte. Ihren Ausweg und auch ihr Glück findet sie in der Heirat mit dem Flaschner Wilhelm Märklin. Mit ihm hat sie einen Partner zur Seite, der ihren Ideen zumindest teilweise aufgeschlossen gegenübersteht, wobei auch er letztendlich nicht ganz aus seiner Haut kann. Es ist sozusagen der Kampf „Regenrinne gegen Spielzeugherd“, also Bewährtes gegen Innovatives. Dennoch ermöglicht Wilhelm Caroline, mit dem Musterkoffer durch Süddeutschland und sogar bis in die Schweiz zu reisen, um so die Firma Märklin nicht nur zu erhalten, sondern auch voranzubringen und bekannt zu machen.

Der Roman liefert wertvolle Einblicke in das Leben der damaligen Zeit und hält schmerzhaft vor Augen, wie wenig Rechte Frauen damals hatten. So bedurfte Caroline etwa einer schriftlichen Genehmigung ihres Mannes, um auf Reisen zu gehen. Auch die Begegnungen mit ausschließlich männlichen Geschäftspartnern sind äußerst aufschlussreich, weil der kompetenten und klugen Frau oft genug allein aufgrund ihres Geschlechts das Gespräch verweigert wird. Die schweren finanziellen Nöte und die weiteren gesellschaftlichen Zwänge sind eindringlich geschildert, doch vor allem Carolines Familie und deren Schicksal bildet den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sehr interessant war auch zu hören, wie viele Menschen damals ihr Glück in Amerika gesucht haben und ausgewandert sind. Das Buch enthält wahnsinnig viele Begebenheiten, Anekdoten und Informationen, die leider teilweise für Sprünge und Brüche sorgen. Da hätte ich mir ein wenig mehr Lesefluss gewünscht.

Insgesamt ist es ein sehr interessantes Porträt einer starken Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nahm, als die Zeit dies eigentlich nicht vorsah.

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Veröffentlicht am 09.12.2022

Der Club der betrunkenen Dichter

Ein Schuss Whiskey
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Janus möchte ein Buch schreiben. Dafür ist er sogar nach Dublin gezogen, der Inspiration wegen. Weil auch das nicht helfen will, versucht er die Muse durch einen Vollrausch herbeizulocken und trinkt sich ...

Janus möchte ein Buch schreiben. Dafür ist er sogar nach Dublin gezogen, der Inspiration wegen. Weil auch das nicht helfen will, versucht er die Muse durch einen Vollrausch herbeizulocken und trinkt sich durch sämtliche Dubliner Pubs. Kaum hat er diesen Zustand erreicht, keineswegs jedoch die literarische Inspiration gefunden, strandet er am Ufer der Liffey und wird dort Zeuge des Mordes an einer wunderschönen Frau, die Literatur zitierend erschossen wird. Weil ihm die Garda, die Dubliner Polizei, keinen Glauben schenkt, ermittelt er auf eigene Faust. Damit wird eine regelrechte Kettenreaktion in Gang gesetzt. Janus kommt der geheimen „Drunken Poet Society“ auf die Spur, deren wahre Motivation und Ziele zunächst nebulös sind.

Ein guter Whiskey besteht ja aus ganz vielfältigen Aromen wie beispielsweise Beeren, Holz, Vanille oder weißem Pfeffer. Irgendwie ist es mit diesem Buch ähnlich, es ist eine aufregende Mischung aus einem Kriminalroman, hingebungsvollen Schwärmereien über die irische Literatur, Einblicke in Dublin und seine Destillerien und vor allem eine Liebeserklärung an den irischen Whiskey. Der Einstieg in die Story gelang mir nicht ganz reibungslos, da ich den Aufbau, die Geschehnisse und Gruppierungen anfangs recht undurchsichtig fand. Die verschiedenen Perspektiven und das Konstrukt des „Romans im Roman“ trugen auch nicht zum raschen Erfassen der Zusammenhänge bei. Im Verlauf der Geschichte konnte sich die Handlung jedoch wie ein guter Whiskey im Glas entfalten und in allen Facetten präsentieren. Mit den teilweise recht skurrilen Mitgliedern der Drunken Poet Society erinnerte der Roman in weiten Strecken herrlich ans absurde Theater, was nach turbulenten Entwicklungen in einem furiosen Finale mündete. Mein Favorit war übrigens Janus´ Vater mit seinen SMS, die mich jedes Mal schallend auflachen ließen!

Der Roman ist das dritte Buch des Autors zu verschiedenen Drinks, wobei es sich nicht um eine Reihe im eigentlichen Sinn, sondern um unabhängig voneinander lesbare Geschichten handelt. Typisch für die Reihe und auch hier ein besonderes Highlight sind die eingeschobenen Passagen zur Geschichte und Herstellung des irischen Whiskey.

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Veröffentlicht am 07.12.2022

Wenn es ganz anders kommt

Bleib bei mir, Sam
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Julie und Sam sind seit 3 Jahren zusammen und glücklich, haben gemeinsame Träume und Zukunftspläne. Doch plötzlich wird Sam bei einem schrecklichen Verkehrsunfall mitten aus dem Leben gerissen, und Julie ...

Julie und Sam sind seit 3 Jahren zusammen und glücklich, haben gemeinsame Träume und Zukunftspläne. Doch plötzlich wird Sam bei einem schrecklichen Verkehrsunfall mitten aus dem Leben gerissen, und Julie bleibt ganz allein zurück.
Der Jugendroman setzt unmittelbar nach Sams Tod ein, als sich Julie in einer Art Schockstarre befindet. Sie zieht sich völlig zurück, bricht jeglichen Kontakt zur Außenwelt ab und geht nicht einmal zur Beerdigung. Ihre Freunde reagieren teilweise mit Unverständnis, fühlen sich von ihr zurückgestoßen und als ob sie nicht nur Sam, sondern auch Julie verloren hätten.
Da geschieht das Unglaubliche: In ihrer Verzweiflung wählt Julie Sams Nummer auf dem Handy, und der geht tatsächlich auch dran!

Es sind verschiedene Stufen der Trauer, die Julie durchläuft. Nicht alle sind wirklich nachvollziehbar oder nachfühlbar, besonders wenn sie andere Menschen vor den Kopf stößt und sich immer wieder von der Welt zurückzieht und stattdessen krampfhaft an der Vergangenheit, an Sam und den Telefonaten mit ihm festhält und ihn nicht loslassen will. Aber jeder trauert nun einmal anders. Das müssen Julies Freunde und Familie erkennen, das erkennen auch wir beim Lesen.

Leider schöpft die Geschichte ihr Potenzial nicht völlig aus, vor allem im langen Mittelteil hätte ich mir ein wenig mehr Tiefe gewünscht. Da wird auch gerade in den Telefonaten viel Zeit für Alltäglichkeiten verwendet anstatt unter die Oberfläche zu den wirklich wichtigen Themen einzutauchen. Ich selbst habe mir beim Lesen die Frage gestellt, was ich bei so einem Gespräch sagen würde. Schwierig, aber ich bezweifle sehr, dass ich wie Julie über den aktuellen Klatsch aus der Schule reden würde. Zum Glück kriegt die Geschichte im letzten Viertel aber die Kurve bzw. mehr Tiefgang, und es kommt zu einem tatsächlich sehr emotionalen Ende.

Alles in allem ein außergewöhnliches Jugendbuch, das die trauernde Julie auf dem Weg zurück ins Leben begleitet.

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