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Veröffentlicht am 06.10.2022

"Dein Mund hat meinen Lippen ihre Sünden geraubt"

Dunbridge Academy - Anyone
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Ein weiteres aufregendes Jahr an der Dunbridge Academy. Dies verspricht Mitternachtspartys, verbotenes Rausschleichen und natürlich ein Liebespaar im Mittelpunkt. Aber ist es dieses Mal wirklich ein Liebespaar? ...

Ein weiteres aufregendes Jahr an der Dunbridge Academy. Dies verspricht Mitternachtspartys, verbotenes Rausschleichen und natürlich ein Liebespaar im Mittelpunkt. Aber ist es dieses Mal wirklich ein Liebespaar? Denn schließlich sind Sinclair und Tori doch einfach nur beste Freunde, und wer ist eigentlich Charles? Für viel Aufregung sorgt auch die jährliche Theaterinszenierung von Romeo & Julia.

Natürlich bietet die Dunbridge Academy-Reihe jede Menge Internatsfeeling, Schulatmosphäre und Romantik. Gerade die Theaterproben erinnern wirklich schön an englische Internatsbücher oder -filme und verleihen der Geschichte eine ganz zauberhafte Atmosphäre. Was sie jedoch von Hanni und Nanni unterscheidet, ist der Tiefgang der Charaktere und die Ernsthaftigkeit ihrer Probleme. Hilflos muss Charles Sinclair mitansehen, wie seine beste Freundin Tori immer tiefer in den Sog einer toxischen Beziehung mit einem anderen gerät und ihm und der Freundesgruppe entgleitet. Das wäre schon schlimm genug, wenn er nur freundschaftliche Gefühle für sie hätte, aber da gibt es diese anderen Gefühle, die er seit Jahren zu unterdrücken versucht. Tori wiederum leidet sehr unter dieser unfreiwilligen Isolation, zumal sich in ihrem Zuhause schlimme Dinge zu wiederholen scheinen.

Die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet, die Probleme sehr nah an der Lebensrealität gestaltet. Mir gefallen besonders die feministischen Standpunkte, die klar vertreten werden. Dazu kommen tiefe Gefühle, Freundschaft, Romantik sowie die wunderbare Kulisse der Dunbridge Academy. Einziger Kritikpunkt für mich persönlich: Sarah Sprinz macht für meine Begriffe zu oft den „Erklär-Bär“, d.h. etwa das Phänomen der toxischen Beziehung wird ausführlich von allen Seiten und in allen Abgrenzungen beleuchtet, erläutert und bewertet. Dies mag für die jugendliche Zielgruppe durchaus hilfreich und angemessen sein, für mich persönlich war es ein wenig zu dozierend und nahm der Story die Natürlichkeit. Da darf die Autorin ihren Lesern gerne mehr Erkennen und Verstehen zutrauen.

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Eine unbequeme Heldin

Ein Kind namens Hoffnung
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Selten ist es mir so schwergefallen, eine Rezension zu einem Buch zu verfassen. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht einfach ohne Vorbehalte Begeisterung verspüren kann? Weil es ein gutes Buch ist, ...

Selten ist es mir so schwergefallen, eine Rezension zu einem Buch zu verfassen. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht einfach ohne Vorbehalte Begeisterung verspüren kann? Weil es ein gutes Buch ist, ein wichtiges Buch, aber eben kein gefälliges Buch. Und das ist in Ordnung.

Es ist das Jahr 1938, und für die jüdische Familie Sternberg in Berlin endet der unerschütterliche Glaube, dass alles gut werden wird, abrupt an einem kalten Winterabend: Das Haus wird gestürmt, die Eltern werden als „Judenpack“ abgeführt, das Haus konfisziert. Der kleine Sohn der Sternbergs entgeht der Verhaftung nur haarscharf dank der Geistesgegenwart der Köchin und Hausangestellten Elly, die ihn als ihren Sohn ausgibt und mit ihm noch in dieser Nacht flüchtet. Es folgt die Geschichte ihrer Flucht unter höchsten Gefahren mit einem fremden jüdischen Kind. Bei Ellys Eltern im Pfarrhaus bei Bonn, ihrer ersten Anlaufstelle, sind sie jedenfalls nicht willkommen, und so setzt Elly ihre Flucht ziellos fort bis ihr von unerwarteter Seite Hilfe zu Teil wird, doch der harte Weg durch Krieg, Hunger und Not ist noch lange nicht zu Ende.

Der Roman bedient sich einer nüchternen Sprache, hüllt nichts in romantisierende oder verklärende Formulierungen, sondern zeigt den quälenden Hunger und das Leid schonungslos und schroff. Das liest sich nicht immer wirklich gefällig, man findet jedoch bald in den Klang der Erzählung hinein. Der Leidensweg von Elly und dem kleinen Leon Sternberg ist schmerzhaft anschaulich dargestellt, und wir verfolgen den erschütternden Weg der beiden 20 Jahre lang bis weit ins Jahr 1958. Geschichtlich wahnsinnig interessant, aufrüttelnd, schmerzhaft. Was eindeutig Unbehagen beim Lesen hervorruft, ist jedoch die Figur der Elly. Sie ist entgegen des Untertitels keine klassische Heldin. Sie ist zwar mutig, aber oft genug unsympathisch. Ihr Handeln konnte ich in weiten Teilen kaum nachvollziehen. So zeigt sie für Leon Sternberg eine fanatische Liebe, an ihre früheren Arbeitgeber Sara und Hanns Sternberg denkt sie mit verklärter Hingabe. Für andere Menschen, sogar die eigene Tochter, hat sie kein Herz. Ja, das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, und ja, das hat mich an Elly sehr gestört. Aber müssen Heldinnen in Romanen immer gefällig sein? Immer liebreizend, heldenhaft und sympathisch? Ich freue mich, dass die Autorin den Mut hatte, mit Elly einen unbequemen Charakter zu schaffen weitab aller Ideale, denn genau diese Fehler, Ecken und Kanten verleihen der Figur eine zutiefst menschliche Seite.

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Veröffentlicht am 12.09.2022

Aus dem Leben gefallen

Bullauge
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Bullauge – bereits der Titel mehrdeutig und ich hätte beinahe gesagt: augenzwinkernd, doch das mag im Falle von Kay Oleander nicht angebracht sein. Der hat nämlich im Dienst während eines Polizeieinsatzes ...

Bullauge – bereits der Titel mehrdeutig und ich hätte beinahe gesagt: augenzwinkernd, doch das mag im Falle von Kay Oleander nicht angebracht sein. Der hat nämlich im Dienst während eines Polizeieinsatzes sein linkes Auge durch einen Flaschenwurf verloren. Und damit den Halt und die Orientierung im Leben. Der Roman ist in zwei Teile aufgeteilt, und tatsächlich besteht der erste Teil (Achtung: Wortspiel!) augenscheinlich aus einem ziellosen Herumirren, völliger Orientierungslosigkeit oder wie Oleander von sich selbst sagt: „mein inneres Herumstreunern“. Dabei kann der Autor glänzen mit lakonischem Tonfall, Andeutungen zwischen den Zeilen und knochentrockenem Humor.

Gespräch über Decknamen:
„Und du?“
„Ich bin die Apo.“
„Außerparlamentarische Opposition? Perfekt.“
„Apothekerin.“

Herrlich. Die Dame aus diesem Gespräch, Silvia Glaser, reißt Oleander dann auch aus seiner Lethargie und seinem Taumel, indem sie ihm von einem möglicherweise bevorstehenden Anschlag berichtet. Silvia Glaser ist selbst ein Opfer, eine Versehrte, und nun beginnen die beiden im zweiten Teil des Romans mit ihren Nachforschungen in der rechten Szene: Kay Oleander, der in den Reihen der Polizei bereits als verkappter Linker gilt, weil er „Zeitungen und ab und zu einen Roman oder ein Sachbuch zu aktuellen Themen“ liest, und Silvia Glaser, die von konspirativen Treffen und Kontakten zur Szene zu berichten weiß. Die Handlung kehrt sich im zweiten Teil nun von innen nach außen.

Leseempfehlung für alle Freunde atmosphärischer Geschichten mit kritischen Tönen – Zwischentöne mag man sie nicht mehr nennen; es ist ein gestandener kritischer Chor.

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Veröffentlicht am 07.09.2022

Nachhausekommen nach New Hope

New Hope - Das Funkeln der Sehnsucht
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Eine gefühlvolle Second-Chance-Story erwartet die Leser im mittlerweile schon vierten Band der Reihe rund um die Kleinstadt New Hope. Vor 11 Jahren ist Jackson nach einem Skandal Hals über Kopf aus New ...

Eine gefühlvolle Second-Chance-Story erwartet die Leser im mittlerweile schon vierten Band der Reihe rund um die Kleinstadt New Hope. Vor 11 Jahren ist Jackson nach einem Skandal Hals über Kopf aus New Hope geflüchtet und hat Cassie mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Nun muss er wegen einer wichtigen Angelegenheit widerwillig zurückkehren in diese Stadt, mit der ihn schmerzhafte Erinnerungen verbinden. Und da ist auch noch Cassidy…

Der besondere Reiz dieser cozy Reihe liegt darin, dass man die Einwohner auch nach ihrem jeweiligen Happy End weiterbegleiten darf und die Nebencharaktere und übrigen Einwohner von New Hope mit jeder neuen Geschichte vertrauter werden und man sie schnell in sein Herz schließt. Jeder neue Band fühlt sich tatsächlich an wie ein Nachhausekommen. Daher ist Cassie ein längst bekanntes Gesicht, und auch Jackson wurde schon mehrfach erwähnt. Während Band 3 gewisse Schwächen durch Sprünge, Grammatik- und Rechtschreibfehler aufwies, glänzt der vierte Band mit einer gut aufgebauten und durchdachten Geschichte. Vor allem die zahlreichen Rückblenden bereichern die Story und verleihen ihr Tiefe. Dazu sind die beiden Protagonisten vielschichtig geschildert und ihre Gefühle und Zweifel gut nachvollziehbar. Insgesamt wird eine herzerwärmende Geschichte über zweite Chancen und niemals vergessene Gefühle erzählt. Einzig der „Bösewicht“ in der Geschichte ist ein wenig zu stereotyp geraten. Dafür punktet die ganz zauberhafte Winteratmosphäre, die mich allerdings ein wenig ratlos zurückgelassen hat, denn da hätte sich eine Veröffentlichung nicht mitten im Hochsommer doch eigentlich angeboten. Wobei es durchaus für die Intensität der Erzählung spricht, dass der winterliche Funke trotzdem übergesprungen ist.

Besonders schön ist, dass die Charaktere des folgenden und wohl finalen Bands bereits eingeführt wurden, so dass man sich auf ein vertrautes Wiedersehen in New Hope auch im letzten Band freuen kann.

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Acta est fabula

Ich verliebe mich so leicht
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Ein schmaler Band mit 113 Seiten. Darf man das bereits einen Roman nennen? Es ist eine Episode. Eine Episode im Leben des namenlosen 50-jährigen Helden dieser Geschichte, der hadert. Mit seinem ...

Ein schmaler Band mit 113 Seiten. Darf man das bereits einen Roman nennen? Es ist eine Episode. Eine Episode im Leben des namenlosen 50-jährigen Helden dieser Geschichte, der hadert. Mit seinem Alter hadert er, mit den widrigen Umständen seiner Flugreise nach Schottland, mit der Ablehnung durch die Heldin. Die ist seine Geliebte. Oder war sie es und will es nicht mehr sein? Oder war sie es in Paris, möchte es aber nicht in ihrem Zuhause in Schottland sein? Wie wird das erzwungene Zusammentreffen verlaufen?

Im plaudernden Tonfall schildert der Erzähler die Episode des Wiedersehens von Held und Heldin in Schottland. Mit pointierter Sprache, unterschwelligem, bissigem Humor und literarischen Anspielungen beobachtet und kommentiert er jede Peinlichkeit, jedes Unwohlsein und jedes noch so blamable und vergebliche Insistieren des Helden. Wir begleiten ihn auf seinem Weg der Schande, leiden mit ihm und schämen uns für ihn. Vom Erzähler wird man als Leser:in regelrecht hinzugezogen, zur genauen Betrachtung aufgefordert.

Ein kurzes, durchaus amüsantes literarisches Vergnügen.

Und damit die Rezension nicht länger gerät als das Oevre, wollen wir es auch damit bewenden lassen: Acta est fabula, plaudite!

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