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Fantasie-und-Traeumerei

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Mika im echten Leben

Mika im echten Leben
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Es gibt diese Romane, die du beginnst und denkst: naja, das wird ganz nett und du wirst dich gut unterhalten fühlen und dann beendest mit den Gedanken: das war jetzt eine richtig gute Geschichte. So erging ...

Es gibt diese Romane, die du beginnst und denkst: naja, das wird ganz nett und du wirst dich gut unterhalten fühlen und dann beendest mit den Gedanken: das war jetzt eine richtig gute Geschichte. So erging es mir mit "Mika im echten Leben". Gute Unterhaltung und obendrauf Tiefgang und Fragen, die mich eindringlicher beschäftigten, als ich es erwartet hätte.

Mikas Leben ist eher chaotisch. Sie weiß nicht mehr genau, ob es an dem Tag begann, an dem sie eine Tochter bekam, die von einem anderen Paar adoptiert wurde oder an dem Tag, an dem sie sich gegen ihre kühle herrische Mutter auflehnte und damit geordnete Bahnen und Strukturen verließ. Fakt ist: ihr Leben ist nichts, was sie vor ihrer nun 16-jährigen Tochter offen legen möchte und deshalb verändert sie zwei, drei, vielleicht auch vier Tatsachen bis plötzlich ein kompletter Schwindel daraus wird, der alles durcheinanderbringt.

Mika ist eine Protagonistin, mit der ich mich vom ersten Moment an anfreunden konnte. Ihre chaotische Art macht sie sehr sympathisch und es berührt mich wie sehr sie darum bemüht ist vor ihrer Tochter einen guten Eindruck zu machen. Das zeigt auch, in welchen Strukturen sie aufgewachsen ist. Ihre Eltern sind aus Japan in die USA ausgewandert, weil sie sich dort bessere Chancen für die Zukunft ihres Kindes erhofften und trafen dann dort auf eine so andere Kultur, die sich sehr von den eigenen Werten unterscheidet. Das spiegelt sich häufig in der Zerrissenheit und den kontroversen Anschauungen, die Mika und ihre Mutter haben, aber auch in der Identitätssuche, in der sich Penny, Mikas Tochter befindet.

Mit dieser Thematik bin ich als Nicht-Migrantin nicht konfrontiert und ich mag wie Emiko Jean es umsetzt, um mich und andere Leser*innen dazu zu bringen, darüber nachzudenken.

Die Suche nach der eigenen Identität ist der rote Faden in der Geschichte. Er beginnt bei Mikas Mutter, betrifft sie selbst und vor allem Penny, die bei Eltern aufwächst, die nicht ihre leiblichen sind und zudem eine andere Herkunft haben, was sich auch im Äußeren der Personen widerspiegelt. Aus beruflicher Erfahrung weiß ich wie schwierig die Situationen des Aufwachsens in Pflege- oder Adoptivfamilien sind, wie das wir sind nicht vom selben Blut immer im Raum stehen kann. Emiko Jean hat das richtig gut umgesetzt. Zeigt die Probleme, die damit einhergehen, auf Seiten der Eltern und der Kinder, aber auch, dass es funktionieren kann. Vor allem dadurch, dass offen damit umgegangen wird. Dass Fehler erlaubt sind und Elternschaft so oder so eine herausfordernde Aufgabe ist (ich sage nur Periodenparty...).

Emiko Jean ist es gelungen diese Themen in eine unterhaltsame Geschichte zu betten. Ich mag die Dialoge, den Humor, die Funken, die hier und da sprühen, die Generationenkonflikte und alle Figuren, egal ob in Haupt- oder Nebenrollen.

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Veröffentlicht am 31.07.2023

Begegnungen im Café

Das Café ohne Namen
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Ein Morgen im Cafè. Für mich ein Moment der Ruhe, Auszeit oder auch der Freude, Glückseligkeit, der sozialen Interaktion, wenn ich mich dort mit einer Freundin treffe. Beim Kaffee oder Tee lässt es sich ...

Ein Morgen im Cafè. Für mich ein Moment der Ruhe, Auszeit oder auch der Freude, Glückseligkeit, der sozialen Interaktion, wenn ich mich dort mit einer Freundin treffe. Beim Kaffee oder Tee lässt es sich philosophieren, sagen wir manchmal Dinge, die wir sonst nicht so gern besprechen, werden Gedanken gelöst, geraten in Bewegung.

So ist es auch in Simons Café. Dem Ort, an dem sich die Menschen der Umgebung treffen. Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Gedanken, Gefühlen, Sehnsüchten. Manche bleiben geheim, viele werden ausgesprochen, Beziehungen werden aufgebaut und gebrochen. Simons Café tröstet, motiviert, holt auf den Boden der Tatsachen zurück.

Das Leben ist kein Spaziergang und irgendwie doch, denn es ist beständig in Bewegung. Das erfahren auch die Protagonist*innen in "Das Café ohne Namen". Zum Beispiel der Ringer vom Jahrmarkt, der die beste Zeit hinter sich hat und verzweifelt versucht an Jugend und Erfolg festzuhalten und dessen Leben ein und Auf und Ab der Gefühle ist.

Es sind die Höhen und Tiefen des Lebens, die unsere Protagonisten prägen und im Handeln beeinflussen. Mal mehr, mahl weniger aktiv reagieren sie darauf oder ertragen geduldig, was ihnen begegnet.

"Die Welt dreht sich immer schneller, da kann es schon passieren, dass es einige von denen, deren Leben nicht schwer genug wiegt, aus der Bahn wirft.
Ist es da nicht gut, wenn es einen Platz gibt, an dem man sich festhalten kann?"

Mich selbst sehe ich als stille Beobachterin im Café sitzen, ungeduldig abwartend wer als nächstes hereinkommen und mir seine oder ihre Geschichte erzählen wird. Trotz der Dramatik einiger Schicksale, mit der Seethaler auch nicht geizt, die dem ganzen aber nichts negatives, sondern eine gewisse Authentizität verleiht und irgendwie auch eine Form von Hoffnung gibt, freue ich mich auf jede einzelne Begegnung.

"Das Café ohne Namen" ist das perfekte Buch für einen Nachmittag im Café. Anrührend und geduldig, mit klarem Stil schreibt der Autor über Menschen, die vom Leben bewegt werden. Ich verfalle schnell dem Sog seiner Schreibe, mag das Buch nicht aus der Hand legen. Einzig mit der Zeit, in der es spielen soll, gehe ich nicht ganz d'accord. Diese Ruhe, diese Gelassenheit, Simons innere Zufriedenheit in seiner Anspruchslosigkeit, seiner Art mit wenig auszukommen, nichts hinterherzujagen, fühlt sich für mich mehr nach einer Geschichte aus der Jahrhundertwende an, als nach den 60 Jahren später, in denen das "Das Café ohne Namen" spielt. Ich musste mich manchmal daran erinnern in die richtige Zeit zu reisen.

"Das Café ohne Namen" gefällt mir so sehr. Ich mag es allen empfehlen, die entschleunigen wollen, die ein gutes Gespräch suchen, etwas Gesellschaft. Zum Glück stehen schon weitere Bücher des Autors im Regal, die definitiv ganz bald gelesen werden.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Toxic Man

Toxic Man
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Ich weiß gar nicht so genau wie ich die richtigen Worte für diesen Roman finden soll, der mich so unerwartet in einen Sog gezogen hat, obwohl er nicht den Inhalt enthält, den ich mir ausgemalt hatte. Es ...

Ich weiß gar nicht so genau wie ich die richtigen Worte für diesen Roman finden soll, der mich so unerwartet in einen Sog gezogen hat, obwohl er nicht den Inhalt enthält, den ich mir ausgemalt hatte. Es geht nicht um eine toxische Vater-Sohn Beziehung. Zumindest nicht nur, denn dem Protagonist gelingt etwas, das oft sehr schwierig ist. Er kann sich lösen. Er kann mit dem Tod seines Vaters abschließen. Nicht vergeben und auch nicht vergessen, aber es hängt ihm nicht so sehr um die Füße, wie wir es so häufig erleben. Er sieht den Vater, als das was er war: ein Mann, der sein eigenes Päckchen zu tragen hatte, der Hoffnungen und Erwartungen hatte, die nicht erfüllt werden konnten, und dass er es nicht geschafft hat das enge Korsett seiner Sozialisation, seiner eigenen Biografie, zu verlassen.

"Es geht hier um mich. Es geht darum, dass er sieht, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Nicht wegen ihm und seinen fragwürdigen Erziehungsansichten, nicht wegen seiner Härte, seiner Strenge, seinem Geschrei, sondern trotz alledem."

Es steckt einfach so viel in dem Buch, das ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wie ich alles aufzählen, erklären, diskutieren, besprechen soll, was Schwilden so mitbringt. Angefangen von der Reise in meine eigene Jugend, in die mich Schwilden mit der genannten Musik, mit dem Gehabe der Dorfjungs, mit den Prioritäten der Gymnasiasten zurückversetzt, über den Kampf gegen diesen "man", dem wir alle nacheifern müssen und dessen Regeln wir einhalten sollen, weil "man" das so macht und "man" sich so verhält und "man" eben nicht erfolgreicher und geistig freier Künstler und gleichzeitig fürsorglicher Vater sein kann, genauso wie "man" nicht heulen und trotzdem eine super klasse Frau haben kann.

"Ich glaube, daran liegt das größte Problem der westlichen Welt. Es gibt keine Welt mehr, auf der alle sind. Jeder will in seiner eigenen leben, in der es nur so klingt, so aussieht, so riecht, wie man es selbst will, in der nur die politischen Gegebenheiten gelten, die das jeweilige Ich akzeptiert."

Ich habe mir so viele Sätze markiert, die nachhallen. Die so klug sind, neue Perspektiven öffnen, Möglichkeiten, um geistig aktiv zu werden, eigene Ansichten zu überdenken und in Diskurs zu gehen mit sich selbst und anderen. "Toxic Man" ist ein Vergnügen, eine Freude, es macht Spaß, kratzt am Verstand und das ist gut so.

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Veröffentlicht am 06.03.2023

In blaukalter Tiefe

In blaukalter Tiefe
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Vom ersten Abschnitt an packt mich Kristina Hauff mit ihrem neuen Roman, der so spannend ist, dass ich ihn kaum aus der Hand legen kann.

Ich begegne einer Frau, die sich auf einer Suche befindet. Eine ...

Vom ersten Abschnitt an packt mich Kristina Hauff mit ihrem neuen Roman, der so spannend ist, dass ich ihn kaum aus der Hand legen kann.

Ich begegne einer Frau, die sich auf einer Suche befindet. Eine Begegnung lässt sie aufmerksam werden. Ein Telefonat eröffnet mir, dass etwas schlimmes, etwas Lebensveränderndes geschehen ist. Und, dass es eine Person gibt, die daran Schuld ist. Im nächsten Kapitel springe ich in der Zeit zurück. Sechs Wochen. Da beginnt das Drama. Mich interessiert nichts anderes mehr, als das Wissen darum was passiert ist.

Die Dramatik der Reise ins erste Kapitel zu packen ist ein genialer Schachzug von Kristina Hauff. Ein Stilmittel, das für eine kaum aushaltbare Spannung sorgt.

Im Mittelpunkt ihrer Geschichte stehen zwei Paare. Andreas, erfolgreicher Anwalt und seine Karriereorientierte Frau Caroline, Daniel, der unbedingt Partner in Andreas' Kanzlei werden möchte und seine Freundin Tanja, Altenpflegerin. Von Anfang an besteht ein Machtgefälle, das sich durch Gespräche, Situationen, eigene Wünsche und Sehnsüchte eine eigene Dynamik bekommt. Der enge Raum auf dem die vier nun für einige Zeit leben, tut sein Übriges, sowie Eric, der geheimnisvolle Skipper. Menschen werden wie Spielbälle behandelt, hin und hergeworfen, ohne Rücksicht. Alles was zählt ist das Erfüllen eigener Bedürfnisse, ohne diese genau zu erkennen. Der Konsum von Macht, um so eine Stabilität herzustellen, die auf maroden Fundamenten aufgebaut wird.

Wie sehr lassen wir uns von anderen beeinflussen? Streben nach augenscheinlich besserem, ohne zu wissen, welche Dunkelheit dahinter lauert und ob es uns überhaupt glücklich machen wird. Gesellschaftliches Ansehen durch Verlust der eigenen Werte. Einen Strudel, den wir nur verlassen können, wenn es uns gelingt wieder Eigenverantwortung zu übernehmen.

Manchmal sind es die kleinen Zufälle, die etwas verändern. Begegnungen, Menschen, innere wie äußere Umstände. Wie viele Abzweigungen gibt es für einen Weg und wie wähle ich den richtigen? Im Fall von Andreas, Caroline, Daniel und Tanja muss es erst zur lebensbedrohlichen Situation kommen, damit sie klar sehen können.

Leseempfehlung für "In blaukalter Tiefe".

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Veröffentlicht am 06.03.2023

Wohlfühlroman

Storchenherzen
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Wohlfühlroman, das ist der Stempel, den ich "Storchenherzen" ohne mit der Wimper zu zucken aufdrücken würde. Mit ganz viel Charme zaubert das Autorinnenduo, bestehend aus Mina Teichert und Friederike Grauf, ...

Wohlfühlroman, das ist der Stempel, den ich "Storchenherzen" ohne mit der Wimper zu zucken aufdrücken würde. Mit ganz viel Charme zaubert das Autorinnenduo, bestehend aus Mina Teichert und Friederike Grauf, zwei Protagonistinnen, die mich prompt mit Fröhlichkeit und Regenbogenmähne, Grummeligkeit und Kaffeesucht einnehmen konnten. Mit beiden Charakteren konnte ich mich gut identifizieren. Ich fühle mich irgendwo zwischen Helga und Madita, fühle mich mit ihnen verbunden und glaube, dass es vielen Leserinnen ähnlich ergehen wird.

Madita ist laut, sonnig, vielleicht ein bisschen zu verliebt in den Gedanken alles und jeden retten, allen helfen und alles positiv sehen zu können, aber sie ist eine absolut charmante Person, die mit so viel Schwung durchs Leben geht, dass sie hier und da mal etwas durcheinander wirbelt. Zum Beispiel den Alltag ihrer spießigen Mitbewohner*innen und das Leben von Helga, ihrer Kollegin im neuen Hebammenjob. Helga ist bodenständig, nutzt nur so viele Worte wie dringend notwendig und hat keinerlei Verständnis für übervorsichtige werdende Eltern. Das macht sich auch in der Google Bewertung des Storchennests bemerkbar, aber was interessiert Helga schon das Internet?

Ich selbst hatte beim ersten Kind noch eine sehr gute Hebammenbetreuung. Wenn ich eins gelernt habe in der Schwangerschaft, dann ist es, vehement meine eigenen Rechte und Bedürfnisse zu verteidigen und dafür bin ich meiner Hebamme sehr dankbar. Fritzi Teichert zeichnet ein realistisches Bild über den Beruf der Hebamme, der immer schwieriger wird, weil so viele Leistungen nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden, aber für Eltern so wichtig sind. Ein sehr allumfassender Beruf, in dem Tag und Nacht gefordert wird und in dem so viel geleistet wird. Auch präventiv.

Ich war richtig traurig, als ich Madita und Helga wieder verlassen musste, zumal gerade so viele Wendungen im Leben der beiden passieren, die nicht nur mit Babys zu tun haben. Wenn ich das dem Anhang des Buches richtig entnommen habe, wird es aber ein Wiedersehen geben und darauf freue ich mich schon sehr.

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