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Veröffentlicht am 28.02.2024

Ein Feuerwerk skurrilen Humors in einer bizarren Welt

Rot
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Wer den ersten Teil von Jasper Ffordes Farben-Reihe mit dem Titel „Grau“ noch nicht gelesen hat, sollte das schleunigst nachholen, bevor er sich in „Rot“ stürzt. Nicht nur hängen die beiden Teile eng zusammen ...

Wer den ersten Teil von Jasper Ffordes Farben-Reihe mit dem Titel „Grau“ noch nicht gelesen hat, sollte das schleunigst nachholen, bevor er sich in „Rot“ stürzt. Nicht nur hängen die beiden Teile eng zusammen und die Kenntnis von Band 1 hilft dem Verständnis von Band 2, man würde sich auch eines unermesslichen Lesevergnügens berauben, wenn man Band 1 ausließe.

In „Rot“ tauchen wir Lesenden tiefer in die bizarre Welt von Chromatacia ab, die Jasper Fforde in „Grau“ vor uns ausgebreitet hat: eine hierarchische Gesellschaft, aufgeteilt nach der Fähigkeit ihrer Mitglieder, bestimmte Farben zu sehen, und mit einem strengen Regelwerk, das kaum Individualismus zulässt und bedingungslos zu befolgen ist – ganz gleich, wie widersprüchlich und absurd eine Regel auch sein mag. An Absurditäten mangelt es in „Rot“ wahrhaftig nicht: Auf jeder Seite verbirgt sich eine neue Kuriosität. Mal bringen die bizarren Entwicklungen uns Lesende zum Lachen, mal bleibt es im Halse stecken. Denn das Leben in Chromatacia ist für die Hauptfiguren Eddie und Jane wahrhaftig kein Zuckerschlecken. Wild entschlossen, sich der Diktatur zu stellen und das Geheimnis hinter der bizarren Weltordnung zu lüften, stürzen sich die beiden in einen Kampf, der aussichtslos scheint. Und das, ohne je den Humor zu verlieren.

Bizarrer Humor ist das auszeichnende Kriterium von Jasper Ffordes Romanen, und so brilliert auch „Rot“ mit absurden Entwicklungen und wunderbaren Figuren, die selbst im Angesicht des drohenden Todes (der ungefähr einmal pro Kapitel eintritt) noch trockene Kommentare von sich geben können. Dem Fingerspitzengefühl des Autors ist es zu verdanken, dass die Gefahren des Romans trotzdem nie banalisiert werden. Eddie und Jane nehmen die faschistische Gesellschaft von Chromatacia zwar mit Humor, aber sie lassen uns Lesende nie vergessen, dass die Diktatur gestürzt werden muss. Der gekonnte Genre-Mix aus Dystopie, Urban Fantasy und Gesellschaftssatire mit einer Prise Science-Fiction lässt die Welt von Chromatacia in den schillerndsten Farben zum Leben erwachen. Ffordes brillantes Worldbuilding in Kombination mit seiner prägnanten Figurenzeichnung und seinem fabelhaften Humor lassen „Rot“ zu einem Buch werden, dessen Fortsetzung man gar nicht genug entgegenfiebern kann.

„Rot“ ist ein furioser Roman, der vor teils feinsinnigem, teils absurd-komischem Humor nur so sprüht. Nie wurde das Leben in einer Diktatur so lustig dargestellt, ohne ihren Schrecken ins Banale verkommen zu lassen.

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Veröffentlicht am 24.01.2023

Ein fabelhafter wilder Ritt im All

Fern vom Licht des Himmels
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Schon das Cover von „Fern vom Licht des Himmels“, das der Golkonda-Verlag gezaubert hat, strahlt etwas ganz Besonderes aus: die mysteriöse Ruhe des Alls, verbunden mit einem kleinen Störgefühl. Dieses ...

Schon das Cover von „Fern vom Licht des Himmels“, das der Golkonda-Verlag gezaubert hat, strahlt etwas ganz Besonderes aus: die mysteriöse Ruhe des Alls, verbunden mit einem kleinen Störgefühl. Dieses Versprechen löst Autor Tade Thompson in diesem Science-Fiction-Krimi vollumfänglich ein. Es geht spannend zu, aber auch humorvoll, philosophisch und gesellschaftskritisch. Ein wunderbarer Roman!

Shell, ein vielversprechendes junges Talent, frisch aus der Ausbildung, begleitet ihren ersten interstellaren Flug, der tausend Passagiere in ein anderes System transportieren soll. Eigentlich eine einfache Aufgabe – abgesehen von den zehn Lebensjahren, die sie dadurch verschläft –, denn die KI des Schiffes Ragtime soll eigentlich alles vollautomatisch erledigen. Nur dass die KI kurz nach Shells Erwachen kaum mehr ansprechbar und auf ihre Grundfunktionen heruntergefahren ist. Und damit nicht genug: Die Roboter des Schiffes laufen Amok, ein synthetischer Wolf streift durch die Gänge, und dreißig Passagiere wurden in ihren Schlafkapseln zerstückelt. Das wiederum ruft Ermittler Fin und seinen Androidenkollegen Salvo auf den Plan, die in der Abgeschlossenheit des Raumschiffs nach Verdächtigen suchen. Beim verzweifelten Versuch, das Schiff zugleich unter Kontrolle zu bringen und die übrigen Passagiere zu retten, stolpern Shell und Fin von einer dramatischen Situation in die nächste und begreifen erst nach und nach, womit sie es eigentlich zu tun haben.

„Fern vom Licht des Himmels“ ist zugleich eine spannende und gut durchdachte Zukunftsvision, die Themen wie Kolonialismus, Kapitalismus und Ausbeutung aufgreift, und ein klassisches Locked-room-Mystery. Nur dass beim Ermitteln niemand pfeiferauchend im Sessel sitzen kann, sondern alle Verdächtigen und Ermittelnden auf einem außer Kontrolle geratenen Raumschiff dem sicheren Tod entgegentrudeln. Die lockere und von einem subtilen Humor geprägte Erzählweise konterkariert die dramatische Situation, die immer wieder ethische Entscheidungen von ihren Figuren einfordert, und verleiht dem Roman einen angenehmen Lesefluss. Sämtliche Figuren wachsen einem schnell ans Herz, und vieles ist nicht so schwarz-weiß, wie es zunächst scheint.

Ein zugleich rasantes und nachdenkliches Abenteuer zwischen den Sternen, das wahnsinnig unterhaltsam, manchmal poetisch und immer hochspannend ist. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein beklemmender Blick in ein wahnhaftes Hirn in einer Abwärtsspirale

In der Schlinge des Hasses
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Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen ...

Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines rechtsextremen Mörders während seines Abstiegs in die vollständige Verblendung. Ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann!

Leo ist Mitglied einer rechten Burschenschaft, studiert Jura und lebt bei seiner alkoholkranken Mutter, die er verabscheut. Den verstorbenen Vater, der ihn zu einem strammen Neonazi zu erziehen versuchte, himmelt er an, trotz des Missbrauchs, den er als Kind durch ihn erfuhr – physische und psychische „Disziplinierung“ waren für ihn und seine Mutter an der Tagesordnung. Als erwachsener Mann sucht Leo ein Ventil für die aufgestauten Emotionen und findet es in einem stetig zunehmenden wahnhaften Hass auf Menschen anderer Herkunft, gepaart mit einer Art verklemmter Misogynie. Tiefer und tiefer rutscht Leo in eine Abwärtsspirale aus Hass, Gewalt und Paranoia, verbunden mit einem bizarren Überlegenheitsgefühl gegenüber der Welt um ihn herum und der Polizei. Als seine kroatischstämmige Kommilitonin Marinca beginnt, sich für ihn zu interessieren, bekommt er die Chance, sich daraus zu befreien, aber ist es dafür nicht schon zu spät?

Mit Leo hat Herbert Dutzler einen durch und durch unsympathischen Charakter erschaffen. Dadurch wird es umso beeindruckender, dass es ihm im Laufe des Romans gelingt, so etwas wie Mitgefühl für ihn bei der Leserschaft zu erzeugen. Die Rückblenden in Leos Kindheit zeigen deutlich die vielen Kreuzungen, an denen etwas anders hätte laufen können, an denen jemand hätte eingreifen und Leo unter Umständen retten können – und thematisieren damit auch die gesellschaftliche Verantwortung für eine solche Radikalisierung. „In der Schlinge des Hasses“ ist ein Buch, das man aushalten muss, denn man kommt nicht weg aus der Innenperspektive von Leo, muss sich mit seinen irrsinnigen Gedankengängen auseinandersetzen. Der Roman liefert keine Entschuldigungen oder Ausflüchte, aber Erklärungen. Er nimmt seinen radikalen Protagonisten nicht aus der Verantwortung, zeigt aber das gesamte Bild, in dem deutlich wird, dass eine Radikalisierung nicht ohne das Zutun anderer stattfindet. All das gelingt Dutzler, ohne auf graphische Schockmomente zu setzen, denn das Schockierende ist nicht die stattfindende Gewalt, sondern das, was im Kopf des Protagonisten vorgeht. Trotz dieser strikten Innenperspektive bleibt die Spannung kontinuierlich erhalten, und der Text entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, der man sich nicht entziehen kann.

Eine beeindruckende, emotional fordernde und betroffen machende Charakterstudie, die tief berührt und aufwühlt. Dieses Buch lässt sich nicht so einfach vergessen!

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Veröffentlicht am 16.10.2022

Jede Seite ein Lacher

This Charming Man
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Wer „The Stranger Times“ von C. K. McDonnell mochte, hat sicher mit Hochspannung auf die Fortsetzung, „This Charming Man“, gewartet. Aber auch für neue Fans der Reihe bietet dieser Band hervorragende Unterhaltung ...

Wer „The Stranger Times“ von C. K. McDonnell mochte, hat sicher mit Hochspannung auf die Fortsetzung, „This Charming Man“, gewartet. Aber auch für neue Fans der Reihe bietet dieser Band hervorragende Unterhaltung voll skurriler Charaktere, britischem Humor und mysteriösen Ereignissen.

In Manchester treiben seit Neuestem Vampire ihr Unwesen. Hannah und ihre Kolleg*innen von der Stranger Times, der Wochenzeitung für paranormale Ereignisse, sollen der Sache auf den Grund gehen. Das Problem ist nur: Auch wenn die Belegschaft der Zeitung durchaus über all das Magische und Übernatürliche im Bilde ist, was sich in den Ritzen der Realität versteckt, Vampire gibt es gar nicht. Die bunte Truppe unter der Führung des notorisch schlecht gelaunten und freiwillig wie auch unfreiwillig komischen Chefredakteurs Banecroft muss sämtliche Kontakte in die magische Welt anzapfen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Und auf dem Weg dorthin lauern nicht nur Gefahren, sondern auch eine Menge bizarrer Begegnungen.

„This Charming Man“ ist humorvolle Fantasy vom Feinsten. Wer Christopher Moore mag, wird C. K. McDonnell lieben! Jede Seite strotzt vor feinsinnigen Wortspielen, bissigen Kommentaren und kuriosen Vorkommnissen, sodass es schier unmöglich ist, dass Langeweile aufkommt. Vor allem die verschroben-sympathische Belegschaft der Stranger Times und einige arme Seelen, die ihnen widerstrebend zu Hilfe eilen müssen, machen den ruppigen Charme dieses Romans aus. Der Humor steht zwar eindeutig im Vordergrund, aber auch die Spannung kommt nicht zu kurz, denn McDonnells Worldbuilding lässt viel Raum für Rätsel und Mysteriöses. Dabei verliert der Autor nie das große Ganze aus den Augen, denn es gibt durchaus einen größeren Handlungsbogen, der sich über mehrere Romane hinweg zieht. „This Charming Man“ wartet mit einigen neuen Erkenntnisse auf und macht Lust auf mehr – denn in der magischen Welt scheint sich etwas zu ändern, und die „Stranger Times“ befindet sich mitten im Epizentrum der Ereignisse. Zukünftige Bände versprechen also noch eine Menge Spannung!

Für Fans von „The Stranger Times“ ein Muss, für alle, die neu in die Reihe einsteigen, ebenfalls ein großer Lesespaß mit viel schrägem Humor und skurril-sympathischen Charakteren.

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Anspruchsvolle Fantasy mit komplexen Themen

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
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Mit „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ hat Natasha Pulley ein historisches Fantasy-Epos geschaffen, das an Komplexität und Ideenreichtum kaum zu überbieten ist. Um jeden Aspekt zu erfassen, muss ...

Mit „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ hat Natasha Pulley ein historisches Fantasy-Epos geschaffen, das an Komplexität und Ideenreichtum kaum zu überbieten ist. Um jeden Aspekt zu erfassen, muss man den Roman allerdings sicher mehr als einmal lesen.

Im Zentrum des Geschehens steht Joe Tournier, ein Mechaniker und vormaliger Sklave, der sich Ende des 19. Jahrhunderts plötzlich in einer alternativen Realität wiederfindet, in der Frankreich den Krieg gegen England gewonnen und das Land besetzt hat. Auf der Suche nach Antworten und seiner eigenen Identität, die ihm irgendwie abhandengekommen zu sein scheint, wird er verwickelt in unglaubliche Vorgänge, die mit einem mysteriösen Leuchtturm in Zusammenhang stehen. Offenbar erlaubt dieser Ort Zeitreisen, und Joe landet gut 90 Jahre in der Vergangenheit und wird mit verwirrenden Informationen zu sich selbst konfrontiert.

Ganz im Einklang mit dem Zeitreise-Thema spielen Zeitsprünge und verzettelte Zeitebenen eine enorm große Rolle in Natasha Pulleys wortgewaltig erzähltem Roman. Aus einzelnen Puzzlestücken verschiedener Zeitebenen und Realitäten setzt sich erst nach und nach ein Bild zusammen, aus dem erst ganz zuletzt hervorgeht, wo Joe wirklich hingehört und was ihm widerfahren ist. In dieser Hinsicht ist der Roman extrem anspruchsvoll, denn aufgrund der Vielzahl von Namen, Persönlichkeiten, historischen Ereignissen und Verbindungen zwischen alldem kommt schon mal Konfusion auf. Zugleich beeindruckt „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ aber auch gerade dadurch, dass die Autorin diese vielen Fäden stets fest im Griff zu haben scheint, wo man sich als Leserin vielleicht lieber ein Diagramm anfertigen würde. Definitiv ein Roman, bei dem sich eine zweite Lektüre lohnt! Besonders positiv hervorzuheben ist noch die feinfühlige, emotionale Betrachtungsweise der Charaktere, die nie zu Stereotypen ihrer Zeit oder ihrer Lebensumstände verkommen. Trotz des doppelt als fremd markierten Settings (historisch und fantastisch) entstehen plastische, nachvollziehbare Charaktere, deren Schicksale tief berühren.

Ein lohnenswerter historischer Fantasy-Roman mit vielen einzigartigen Ideen, der sicher noch lange nachhallen wird.

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