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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein leichtfüßiger und humorvoller Roman

König von Albanien
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In „König von Albanien“ macht uns Autor Andreas Izquierdo mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bekannt: Otto Witte, der sich im frühen 20. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat, König von Albanien zu ...

In „König von Albanien“ macht uns Autor Andreas Izquierdo mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bekannt: Otto Witte, der sich im frühen 20. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat, König von Albanien zu werden. Wie ihm das gelingt, schildert der Roman voll Witz und Charme sowie unter Einbeziehung einer etwas schleppenden Rahmenhandlung.

Mit viel Humor und Fingerspitzengefühl sowie einer beachtlichen Fülle an historischer Hintergrundrecherche erzählt Andreas Izquierdo die schier unglaubliche Geschichte, wie ein mittelloser Gaukler, der nicht einmal lesen und schreiben kann, sich kurzfristig an die Spitze eines kleinen Staats mogeln konnte. Ottos Ressourcen sind seine Dreistigkeit und sein schier unerschöpfliches Charisma, mit dem er eine ganze Reihe von Menschen in hohen Positionen derart um den Finger wickelt, dass sie zum Gelingen seines irrwitzigen Plans beitragen.

Otto Wittes Weg zum König von Albanien ist gepflastert mit amüsanten Anekdoten und haarsträubenden Lügengeschichten, die uns Lesende immer wieder aufs Neue zum Staunen und Lachen bringen. Mehr als einmal denkt man sich beim Lesen: Damit kann er doch nicht durchkommen – und doch tut er es. Ebenso mitgerissen von Ottos Geschichte ist der Psychiater Alois Schilchegger, der Otto nach seinem Coup in einer Psychiatrie in Salzburg behandelt. Diese Rahmenhandlung mit Schilcheggers individueller Entwicklung und den ganz eigenen Problemen des Psychiatriealltags nimmt unerwartet viel Raum im Roman ein und durchbricht die eigentliche Haupthandlung stark. Mehr als einmal sehnt man sich danach, dass es mit Ottos Geschichte endlich weitergehen möge, anstatt sich mit dieser Nebenhandlung zu befassen.

Trotz des bremsenden Elements der Rahmenhandlung ist „König von Albanien“ jedoch ein gelungener Roman, der vor Witz und Charme nur so strotzt. Auch Menschen, die für historische Romane üblicherweise nichts übrig haben, werden sich von Ottos gewieftem Gaunerstück sicherlich in seinen Bahn ziehen lassen.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Keine leichte Kost

Ein falsches Wort
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„Ein falsches Wort“ von Vigdis Hjorth beginnt recht harmlos und steigert sich dann mit einer auffallend distanzierten Erzählweise in die Geschichte eines Traumas hinein. Oft bedrückend, manchmal poetisch ...

„Ein falsches Wort“ von Vigdis Hjorth beginnt recht harmlos und steigert sich dann mit einer auffallend distanzierten Erzählweise in die Geschichte eines Traumas hinein. Oft bedrückend, manchmal poetisch und mit jeder Seite weniger aus der Hand zu legen.

Die Protagonistin Bergljot hat eigentlich vor vielen Jahren mit ihrer Familie gebrochen, kann sich jedoch nicht vollständig entziehen. Als nach dem Tod ihres Vaters ein Erbstreit unter den anderen drei Geschwistern aufflammt, wird sie ungewollt in einen zunächst banal erscheinenden Konflikt gezogen, der sie jedoch letztlich dazu zwingt, sich erneut mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Einer Vergangenheit, die niemand in der Familie anerkennen möchte. Immer wieder aufs Neue muss Bergljot sich von ihrer Familie lossagen, die sie nie richtig gehen lassen, aber auch nicht wieder bei sich aufnehmen will – nur zu ganz bestimmten Konditionen.

Der Roman beginnt leise und unspektakulär, entwickelt aber nach und nach eine gewaltige Sogwirkung. Zunächst ist es die Neugier auf die Enthüllung des lange gehüteten Geheimnisses, die uns Lesende mitreißt. Anschließend ist es der verzweifelte Wunsch nach einem Abschluss, nach Verständnis und Anerkennung, der uns mit Bergljot mitfühlen und hoffen lässt. Die vollständige Identifizierung mit Bergljot wird nur durch die oft distanzierte Erzählweise mit viel indirekter Rede erschwert. Diese stilistische Eigenheit ist nicht ganz leicht verdaulich. Trotzdem entwickelt „Ein falsches Wort“ einen enormen Tiefgang und macht Bergljots zunehmende Verzweiflung im Angesicht himmelschreiender Ungerechtigkeit auf bedrückende Weise greifbar. Ganz im Gegensatz zu Bergljots Rolle in der Handlung ist sie die einzige Figur, um die es im Roman geht, sodass eine Charakterstudie zustande kommt, die keinen Platz für Nebenfiguren lässt. Mit Bergljot gehen wir Lesenden dafür so stark auf Tuchfühlung wie kaum sonst einmal.

„Ein falsches Wort“ ist ein eindrücklicher, ernster Roman mit viel Tiefgang. Eine klare Leseempfehlung für Menschen, die anspruchsvolle Literatur schätzen und bereit sind, sich auf eine ungewöhnliche Erzählweise einzulassen.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Ansprechend gestalteter Ratgeber mit vielen Tipps

Fensterbrettgarten
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Der Ratgeber „Fensterbrettgarten“ von Deike Haßler gibt Einsteigerinnen Tipps und Hilfestellung fürs Gärtnern im kleinen Rahmen – zwar insgesamt doch mehr für den Balkon als für die Fensterbank, aber doch ...

Der Ratgeber „Fensterbrettgarten“ von Deike Haßler gibt Einsteigerinnen Tipps und Hilfestellung fürs Gärtnern im kleinen Rahmen – zwar insgesamt doch mehr für den Balkon als für die Fensterbank, aber doch mit einigen Anregungen für Großstadt-Gärtnerinnen.

Das Sachbuch führt praxisorientiert auf, welches Arbeitsmaterial benötigt wird, auf welche Umweltfaktoren wie Standort und Bewässerung zu achten ist und welche Pflanzen sich wo besonders gut eignen. Praxistipps zu Themen wie Bewässerung in Urlaubszeiten oder Erkennen und Umgang mit Schädlingen, die Großstadtmenschen häufig begegnen, runden die Anleitung für den eigenen Minigarten ab. Daneben widmet sich das Buch der Vorstellung verschiedener Pflanzen mit ihren Eigenheiten und stellt auch einige Ideen zu ihrer Verwendung vor, beispielsweise das Trocknen von Kräutern.

Mit dem „Fensterbrettgarten“ kann man vor allem gut arbeiten, wenn man einen Balkon besitzt – für das Gärtnern auf der Fensterbank sind viele der Tipps dann doch nicht so gut geeignet. Dafür hat die Autorin allerdings viele hilfreiche Übersichten und Anregungen zusammengestellt: etwa, welche Pflanzen sich im selben Balkonkasten gut vertragen oder wie man die Sache mit der Bewässerung löst, wenn man einige Tage verreist ist. Auch Überblicksgrafiken wie die zum idealen Standort und zur optimalen Aussaatzeit gängiger Pflanzen sind enorm hilfreich, um für die eigenen Bedingungen die ideale Bepflanzung zusammenzustellen. Insgesamt liest sich der Ratgeber locker und gut verständlich, wenn auch hier und da etwas floskelhaft.

Fazit: ein hilfreicher Ratgeber für Menschen, die auch mit wenig Platz und Erfahrung in der Stadtwohnung gärtnern möchten. Ein Balkon ist allerdings doch von Vorteil.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Ein phantastischer Entwicklungsroman für junge Lesende

Schneekinder
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Selten schneidet ein Buch mit einer jungen Zielgruppe (ab 11 Jahren) so offen so viele ernste Themen an wie „Schneekinder“ von Andreas Langer: Krieg, Flucht, Tod und Verrat sind allgegenwärtig während ...

Selten schneidet ein Buch mit einer jungen Zielgruppe (ab 11 Jahren) so offen so viele ernste Themen an wie „Schneekinder“ von Andreas Langer: Krieg, Flucht, Tod und Verrat sind allgegenwärtig während der beschwerlichen Reise einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen durch das ans mittelalterliche Island angelehnte Jorland.

Der Krieg in Jorland hat die Kinder und Alten allein in den Dörfern zurückgelassen. Auf sich selbst gestellt, kämpfen sie in der rauen Natur täglich ums Überleben. Doch als eine tödliche Gefahr aus einem nahen Berg die 14-jährige Elin dazu zwingt, mit einer Gruppe verängstigter Kinder die Flucht durch Eis und Schnee anzutreten, spitzt die Lage sich zu. Nicht nur das, was ihnen folgt, bereitet der Gruppe Schwierigkeiten: Mehr und mehr brodeln interne Konflikte an die Oberfläche, die die Gemeinschaft zu zerreißen drohen. Elin, die ungewollt zur Anführerin wird, muss schwierige Entscheidungen treffen und lernen, über sich selbst hinauszuwachsen. „Schneekinder“ ist somit nicht nur eine phantastische Abenteuergeschichte, sondern zugleich ein Roman über das Erwachsenwerden.

Dem Roman gelingt es über lange Strecken hinweg, eine bedrückende und zugleich märchenhafte Atmosphäre aufrechtzuerhalten, die die großen Themen Krieg und Flucht anschaulich illustriert: Grundbedürfnisse wie Kälte und Hunger stehen neben moralischen Fragen nach Solidarität und Menschlichkeit in existenziellen Krisen. Die Gruppendynamik, die stets präsent ist, bietet daneben viel Raum für zwischenmenschliche Konflikte: Fremdheit und Empathie, Anführerschaft, Generationenkonflikte, Neid und nicht zuletzt Solidarität sind hier Thema. So viele Konflikte (und gerade so viele ernste Konflikte) auf engem Raum, dicht an dicht mit phantastischen Elementen, bedrohlichen oder überraschenden Begegnungen im wilden Jorland sowie der drohenden Gefahr im Rücken lassen den Roman manchmal etwas überfrachtet wirken – insbesondere überfrachtet mit Traumatischem: Manch eine Figur scheint einzig und allein deshalb aufzutauchen, um eine weitere Dimension des Schreckens zu veranschaulichen. Nichtsdestotrotz ist „Schneekinder“ ein beeindruckendes Buch: Offen, aber nicht schonungslos zeigt der Roman auf, was Angst mit Menschen machen kann. Die Schilderung durch die Augen der jugendlichen Protagonistin Elin, die viel zu schwere Entscheidungen treffen muss, hat etwas Anrührendes. Dass ihr Bruder Kjell daneben noch einen eigenen Handlungsstrang bekommt, der eher dem klassischen Abenteuerroman gleicht, wirkt dadurch fast nur noch wie Beiwerk.

„Schneekinder“ ist ein ehrgeiziger Jugendroman, dem vieles hervorragend gelingt, der stellenweise jedoch etwas zu viel möchte. Das besondere Setting und die überzeugende Hauptfigur machen ihn dennoch trotz kleiner Schwächen zu einem Roman, den man nicht so schnell wieder vergessen wird.

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Veröffentlicht am 11.02.2024

Zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Leuchtfeuer
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Wer chronologisch erzählte Geschichten mag, sollte die Finger von Dani Shapiros „Leuchtfeuer“ lassen. Wen ein wenig Sprunghaftigkeit jedoch nicht stört und wer Wert auf glaubhafte Figuren und eine emotional ...

Wer chronologisch erzählte Geschichten mag, sollte die Finger von Dani Shapiros „Leuchtfeuer“ lassen. Wen ein wenig Sprunghaftigkeit jedoch nicht stört und wer Wert auf glaubhafte Figuren und eine emotional berührende Handlung legt, wird diesen Roman sicher genießen.

Auf den unterschiedlichsten Zeitebenen und durch die Augen der unterschiedlichsten Figuren erzählt Dani Shapiro die Geschichte einer Familie, deren Schicksal von nur einem tragischen Ereignis geprägt ist: Ein schrecklicher Verkehrsunfall in den Teenagerjahren der Geschwister Theo und Sarah bestimmt nicht nur ihren Lebensweg vorher, sondern zugleich auch den ihrer Eltern Ben und Mimi. Anstatt die Last gemeinsam zu tragen, kämpft jeder von ihnen allein und auf seine Weise mit den Schuldgefühlen. Für Ben scheint sich schließlich ein Lichtblick am Horizont in Gestalt des Nachbarsjungen Waldo zu zeigen – ist es möglich, das Schicksal anderer auch auf positive Weise zu formen?

„Leuchtfeuer“ behandelt Themen wie Schuld und Trauma und stellt die Frage in den Mittelpunkt, wie sich damit umgehen lässt – und wie nicht. Durch den ganzen Roman zieht sich das Thema des „Alles-mit-sich-selbst-Ausmachens“, das keiner der betreffenden Figuren guttut. Auf behutsame Weise lässt Dani Shapiro ihre Figuren erleben, dass die Verbundenheit mit anderen Menschen ein mächtiges Heilmittel sein kann. Die Erzählweise, die stetig zwischen Zeitebenen und Perspektiven hin und her springt, unterstreicht diese Aussage anschaulich. Zugleich ist es aber auch diese sprunghafte Erzählweise, die bisweilen eine große Distanz zwischen uns Lesenden und den Romanfiguren aufkommen lässt: Hat man sich gerade in eine Figur hineingefühlt, wechselt die Erzählung ganz woandershin. Hier und da hätte es dem Roman gutgetan, dichter an den Figuren zu bleiben, die ansonsten so überzeugend und lebensnah wie selten gezeichnet sind.

Abgesehen von dieser leichten Schwäche kann „Leuchtfeuer“ auf ganzer Linie überzeugen als ein Roman, der eine zutiefst menschliche Saite in seinen Leser*innen zum Klingen zu bringen vermag. In poetischen Worten und mit einem feinen Gespür für die menschliche Psyche zündet Dani Shapiro ein wahres literarisches Leuchtfeuer.

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