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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.06.2018

Spannende Fortsetzung

In den Fängen des Löwen
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Mitten im eiskalten Stockholmer Winter wird am Schornstein einer verlassenen Fabrik die Leiche eines Jungen gefunden. Auf grausamste Art und Weise ermordet und den Blicken aller preisgegeben. Die Spuren ...

Mitten im eiskalten Stockholmer Winter wird am Schornstein einer verlassenen Fabrik die Leiche eines Jungen gefunden. Auf grausamste Art und Weise ermordet und den Blicken aller preisgegeben. Die Spuren führen Zack Herry und sein Team schnell in ein Asylheim, aus dem der Junge vor einigen Tagen spurlos verschwunden ist.

Schon Band eins mochte ich sehr gerne, das Autorenduo hat mich auch mit vorliegendem Band zwei nicht enttäuscht. Die Story ist rasant und spannend, einerseits bedingt durch den bestialischen Mordfall, andererseits durch Zacks Persönlichkeit. Er ist ein schlauer Kopf, aber leider auf bestem Wege in der Drogensucht, in der Sucht nach dem nächsten Kick verloren zu gehen. Trotzdem ist er einem auf ganz eigene Weise sympathisch und so fiebert man auch mit, ob er sich denn wieder fangen kann. Auch die Suche nach Ismails Mörder gestaltet sich mehr als spannend, die Herren Autoren legen falsche Fährten und lassen den Leser trotzdem auch immer wieder mal nachdenklich werden. Schon im sehr starken Prolog hatten sie mich wieder an die Seiten gefesselt. Der Schreibstil ist sehr mitreißend, die Brutalität des Mörders wird dem Leser schonungslos präsentiert. Sicherlich nichts für ganz zart Besaitete, für mich war die Mischung aber wieder mehr als gelungen. Band drei folgt im Herbst, und ich bin mehr als gespannt auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 27.05.2018

Mr Chalk

Der Kreidemann
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Der Sommer 1986 wird Eddie immer im Gedächtnis bleiben, ist es doch der Sommer, in dem der Kreidemann in sein Leben tritt. Auch ein etwas unheimlicher neuer Lehrer ist in der Stadt, als zudem auf der örtlichen ...

Der Sommer 1986 wird Eddie immer im Gedächtnis bleiben, ist es doch der Sommer, in dem der Kreidemann in sein Leben tritt. Auch ein etwas unheimlicher neuer Lehrer ist in der Stadt, als zudem auf der örtlichen Kirmes ein schrecklicher Unfall geschieht. Als auch noch die Leiche eines jungen Mädchens gefunden wird, ist in der Kleinstadt endgültig nichts mehr wie es war.

Die Autorin hat bei mir voll ins Schwarze getroffen, denn der Kreidemann ist ein Thriller ganz nach meinem Geschmack. Subtile Spannung, aber immer mit Sogwirkung, sehr flüssig, aber auch authentisch erzählt. Eddie fungiert als Ich-Erzähler, berichtet sowohl als 12-Jähriger, als auch 30 Jahre später vom Geschehen. Tudor schafft es sehr gut, dass beide Stränge sich zu einer tollen Geschichte verbinden, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat. Eddie mochte ich als Hauptfigur sehr gerne, mit der Zeit merkt man jedoch, dass auch er Geheimnisse hat. Seine Figur ist sehr gut ausgearbeitet, andere hätten durchaus noch ein bisschen Feinschliff vertragen können. Das ist aber tatsächlich auch mein alleiniger Kritikpunkt, denn ansonsten hat mir der Kreidemann wirklich ausnehmend gut gefallen. Eine Autorin, die ich mir merken muss.

Veröffentlicht am 26.04.2018

Klasse Krimi

Das Meer löscht alle Spuren
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Eigentlich ist Literatur so gar nicht Nora Sands bevorzugte Sparte. Doch der iranische Dichter Ishmail möchte nur mit ihr ein Exklusivinterview führen, allerdings unter der Prämisse, dass sie ihm bei einem ...

Eigentlich ist Literatur so gar nicht Nora Sands bevorzugte Sparte. Doch der iranische Dichter Ishmail möchte nur mit ihr ein Exklusivinterview führen, allerdings unter der Prämisse, dass sie ihm bei einem großen Problem hilft: auf der Flucht aus dem Iran hat er seine Frau aus den Augen verloren. Nora setzt ihr ganzes journalistisches Gespür daran Amina zu finden und merkt dabei, dass die Menschlichkeit bei Offiziellen und Einwanderungsbehörden nicht gerade groß geschrieben wird.

Ich mochte schon Band 1 mit Nora Sand sehr gerne, doch die Autorin hat mit diesem Buch hier die Latte noch ein bisschen höher gelegt. Sie befasst sich mit dem sehr aktuellen und brisanten Thema der illegalen Einwanderung und zeichnet ein (leider muss man manchmal sagen) sehr realistisches und umfassendes Bild. Sand taucht tief in die Materie ein und so wird dem Begriff „Flüchtling“ schnell ein Gesicht gegeben. Ishmail ist leider nur als Nebenfigur präsent, da hätte ich mir mehr von ihm erhofft, nicht zuletzt auch in seiner Funktion als Dichter; da hat die Autorin leider Potential verstreichen lassen. Nora als Hauptfigur kannte ich schon aus Band 1, neue Seiten habe ich trotzdem noch an ihr entdecken können. Ihre Beziehung zu Andreas ist für Neuleser vielleicht etwas undurchsichtig, abgesehen davon, kann man „Das Meer löscht alle Spuren“ aber ganz wunderbar auch ohne den Vorgänger lesen. Der Fall entwickelt sich sehr spannend, und bis auf Kleinigkeiten auch sehr schlüssig. Man kann ziemlich lange mit Nora mitfiebern, ohne den Braten zu riechen. Der Schreibstil ist mehr als flüssig zu lesen und so war das Buch in kürzester Zeit ausgelesen.
Ich habe mich von Theils Krimi sehr gut unterhalten gefühlt und bin jetzt schon wild entschlossen, auch Band 3 zu verschlingen.

Veröffentlicht am 04.04.2018

Kleine Feuer überall

Kleine Feuer überall
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In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. ...

In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. Die Familien sind stabil, die Kinder allesamt schlau und ohne größere Probleme. So scheint es zumindest. Als die Familie Richardson ihr Heim abgebrannt vorfindet, löst sich schnell der glänzende Lack, der die Probleme bisher kaschiert hat.

Schon in „Was ich euch nicht erzählte“ hatte mich die Autorin mit ihrer Erzählkunst eingefangen, sodass ich mit entsprechend hohen Erwartungen ans neue Buch gegangen bin. Enttäuscht wurde ich nicht, wieder einmal hat mich Celeste Ng mit ihrem feinen, leisen Stil in ihren Bann gezogen. Sie versetzt den Leser in die idyllische Kleinstadt, die Dynamik der Gemeinde wird hervorragend aufgegriffen und schnell kann man sich als Leser in die verschiedenen Figuren einfühlen. Dass hier nicht alles Gold ist was glänzt, das hat man als Leser schnell begriffen, die Enthüllungen sind trotzdem bisweilen überraschend. Gerade das langsame Entwickeln der Handlung, gepaart mit intensiven Gefühlen und einer zunehmend Beklemmung, machten für mich den Reiz der Geschichte aus. Ng zeichnet ihre Figuren sehr menschlich, jeder wird sich in irgendeinem Protagonisten wiederfinden können. Man kann ihre Gedanken und Handlungen immer gut nachvollziehen, verstehen muss man ja nicht jeden. Die Autorin greift eine Vielzahl an gesellschaftlichen Themen auf, von Rassismus über kulturelle Unterschiede bis hin zu der Frage was eine gute Mutter/Familie ausmacht. Es werden oft beide Seiten beleuchtet, immer wird der Leser jedoch zum Nachdenken angeregt. An mancher Stelle hätte ich mir die Handlung etwas extremer gewünscht, dass die Protagonisten noch mehr wagen, noch mehr ihr wahres Ich zeigen. Doch unterm Strich hat mich „Kleine Feuer überall“ sehr angesprochen und ich habe es sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 13.03.2018

Was für ein Debüt!

Blauer Hibiskus
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Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie ...

Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie gehört zu den Angesehensten in ihrer Gemeinde. Doch hinter der Fassade bröckelt es, der Vater ist von seinem Glauben völlig verblendet und lässt die eigene Wut gerne mal an der eigenen Familie aus. Auch im Land bröckelt es, die drohende Revolution macht sich zuerst an den Universitäten bemerkbar, wo Kambilis Tante sich plötzlich im Auge des Sturms wiederfindet.

Was für ein Debüt! Ich habe Adichies Erstlingswerk inzwischen mehrfach gelesen, und trotzdem nimmt es mich immer wieder mit. Die Geschichte wird aus Kambilis jugendlicher Sicht erzählt, trotzdem handelt es sich mitnichten um ein leichtes Jugendbuch. Der unglaubliche Druck durch den Vater, die ständige unterschwellige Angst vor seinem Zorn und die immer wiederkehrende Brutalität sind für den Leser nur schwer zu ertragen. Ebenso Kambilis zunächst hilflos blinder Gehorsam, ihr verquerer Glaube, den sie vom Vater eingeimpft (oder –geprügelt?) bekommen hat. Die Erzählweise ist ganz leise und sanft, was Gewalt und Brutalität noch mehr hervorstechen lässt. Nichts ist in diesem Buch nur schwarz oder weiß, nur gut oder böse. So ist der fanatische Haustyrann gleichzeitig jemand, der anderen unter die Arme greift oder eine der letzten Zeitungen des Landes herausgibt, in der überhaupt noch eine freie Meinungsäußerung stattfinden kann. Man kommt ins Grübeln beim Lesen, und das nicht nur einmal, so facettenreich ist die Geschichte, sind ihre Figuren. Kambilis Entwicklung kann einen als Leser nicht kaltlassen und so entwickelt die Handlung ihren ganz eigenen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gekonnt lässt Adichie die tragische Familiengeschichte zudem mit den Geschehnissen im ganzen Land verschmelzen, sodass der Fokus auch immer wieder auf Putsch und Aufstand, auf staatlicher Macht und deren Auswirkung auf das gemeine Volk liegt. Durch die Verwendung vieler Begriffe auf Igbo (Glossar findet sich am Buchende) wird man noch mehr ins heiße Nigeria versetzt und hat am Ende der Geschichte nicht nur einen einfühlsamen und doch harten Roman gelesen, sondern auch noch etwas über Land und Leute gelernt. Ein toller Erstling!