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Veröffentlicht am 15.10.2017

Ehrliche Geschichte

Nachtlichter
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Als junge Erwachsene konnte Amy Liptrot es kaum erwarten ihre Heimat, die Orkneyinseln, zu verlassen. Zu klein, zu eng, sie wollte hinaus in die Welt. Nach einem Jahrzehnt, das sie schnell gelebt hat, ...

Als junge Erwachsene konnte Amy Liptrot es kaum erwarten ihre Heimat, die Orkneyinseln, zu verlassen. Zu klein, zu eng, sie wollte hinaus in die Welt. Nach einem Jahrzehnt, das sie schnell gelebt hat, ist sie ausgebrannt und hängt an der Flasche. Freund und Job sind auch weg. Da zieht Amy die Reißleine und verordnet sich selbst Urlaub auf den Orkneys. In der rauen Umgebung lassen sich Gedanken hervorragend sortieren.
Liptrot erzählt ihre Geschichte von Grund auf ehrlich, sie geht mit sich selbst und ihrer Umgebung auch mal hart ins Gericht. Ihre Beichte ist beschämend, deprimierend und oft auch traurig. Gesellschaftskritische Töne lässt sie anklingen, sucht den „Fehler“ aber eigentlich nur bei sich selbst. Obwohl Sucht und Depression eben einen großen Platz in ihrer Erzählung finden, gibt es schöne Seiten. Die Flora und Fauna der Orkneys spielen eine große Rolle, die Autorin verwöhnt den Leser mit plastischen Landschaftsbeschreibungen und bringt einem die raue, aber wunderschöne Seite der Inseln näher. Auch spannende Fakten zur Tierwelt fließen mühelos in die Erzählung ein, ohne dass man sich in einer Tierdoku wähnt. Die Kombination aus Lebensbeichte und Landschaftsdarstellung hat mir sehr gut gefallen, zu Recht wurde Liptrots Werk bereits ausgezeichnet. Ich hoffe sehr, dass die junge Journalistin ihren Weg finden wird und uns irgendwann ein weiterer Roman erwarten wird.

Veröffentlicht am 05.10.2017

Schöner Roman im viktorianischen Zeitalter

Die Schlange von Essex
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Ende des 19ten Jahrhunderts bricht für Cora Seaborne nach dem Tod ihres Mannes nicht etwa eine Welt zusammen. Im Gegenteil, endlich darf sie ihre Freiheit genießen. Wissenschaftlich interessiert wie sie ...

Ende des 19ten Jahrhunderts bricht für Cora Seaborne nach dem Tod ihres Mannes nicht etwa eine Welt zusammen. Im Gegenteil, endlich darf sie ihre Freiheit genießen. Wissenschaftlich interessiert wie sie ist, muss sie natürlich dem Geheimnis der Schlange von Essex auf den Grund gehen. Im kleinen Dörfchen Aldwinter macht sie sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Ungeheuer und trifft dabei nicht nur auf alte Bekannte, sondern auch auf den charismatischen Pfarrer Ransome.

Perrys Roman wurde mit dem britischen Buchpreis ausgezeichnet und schon nach wenigen Seiten weiß man warum. Die Sprache ist ein echter Genuss (Lob natürlich auch an die Übersetzung), aussagekräftig und doch zart, intelligent und gefühlvoll. Die Autorin schafft es eine Vielzahl an Themen in ihren Roman zu packen, ohne dass dieser überfrachtet wirkt. Neben Wissenschaft und Glaube, geht es auch um Missstände in den unteren sozialen Schichten, aber auch um die Liebe. Hierbei driftet die Handlung nie ins Kitschige ab und doch vermittelt die Autorin die ganze Bandbreite von guten Freundschaften, über hitzige Schwärmereien bis hin zu allumfassender, tiefer Liebe. Den angekündigten Konflikt Wissenschaft-Religion hätte ich mir etwas deutlicher gewünscht, da gehen Cora und Will doch nicht zu sehr in medias res. Coras Forscherdrang scheint im Laufe der Handlung auch etwas abzuflachen, was ich etwas unrealistisch fand. Mit dem Arzt Luke betritt noch ein anderer Mann der Wissenschaft die Bühne, was man von ihm über den aktuellen Stand der Medizin, über Möglichkeiten und Lehrmeinungen quasi im Vorbeilesen erfährt, war sehr aufschlussreich und spannend. Überhaupt sind Perrys Charaktere sehr interessant gestaltet, Stereotypen sucht man vergeblich. Cora trägt die Geschichte ganz wunderbar, ihre forsche und freie Art hat mir sehr gut gefallen. Doch auch William oder Luke als Gegenpole sind sehr gut gelungen. Selbst die kleinste Nebenfigur ist gut ausgearbeitet und sorgt oft auf unkonventionelle Art für Überraschungen.
Insgesamt steckt dieses Buch voller Überraschungen, ich hatte mir anhand des Klappentextes ein bisschen was anderes vorgestellt, bin dann aber schnell von Perrys Konzept überzeugt worden. Ein ungewöhnlicher Roman, der mich sehr gut unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Figuren
  • Originalität
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 04.10.2017

Kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht

Der Meisterkoch
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„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, ...

„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, kann die Sinne betören, die Stimmungen und den vermeintlich freien Willen durch den Geschmack seiner Gerichte beeinflussen. Der Küchenmeister ist eine geheimnisvolle Person, niemand kennt seinen Namen, nur wenige sein Ziel…

Anhand des Klappentextes könnte man noch einen historischen Roman vermuten, doch beim Lesen wird schnell klar, dass es sich eher um ein Märchen aus 1001 Nacht handelt. Saygin Ersin entführt den Leser in die opulente Umgebung und malt seine Bilder in kräftigen, bunten Farben. Auch seine Beschreibungen von Gerüchen und Geschmack sind sehr detailreich und unglaublich realistisch. Hungerattacken beim Lesen sind garantiert! Sind seine Gerichte noch sehr lebensecht, so sind die Figuren leider etwas eindimensional; ich fand das aber relativ einfach zu verschmerzen, vielleicht auch, weil es den märchenhaften Charakter unterstreicht. Die Handlung selbst ist sehr schön konstruiert, nicht atemberaubend spannend, aber durchaus fesselnd. Im letzten Drittel war die Geschichte für mich nicht mehr ganz so rund, auch fand ich einige Kleinigkeiten nicht ganz so schön gelöst, unterm Strich hat mir „der Meisterkoch“ jedoch sehr gut gefallen. Ein wunderbares kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht, das man besser nicht mit knurrendem Magen lesen sollte ; )

Veröffentlicht am 12.09.2017

Bibliomantik im viktorianischen Gewand

Die Spur der Bücher
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Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) ...

Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) verbringt sie damit, Sammlern begehrte Schätze zu beschaffen. Da wird eines Tages ein ihr verhasster Buchhändler tot aufgefunden. Er ist inmitten seines Ladens verbrannt, seine Bücher blieben jedoch unversehrt. Da MÜSSEN doch dunkle Mächte am Werk gewesen sein…

Mit der Trilogie „Die Seiten der Welt“ hat uns Autor Kai Meyer erstmals in die Refugien der Bibliomantik entführt. „Die Spur der Bücher“ ist zwar unabhängig von dieser Trilogie zu lesen, die Grundzüge dieser Welt und ihrer Gesetze werden für Neuleser jedoch nicht erneut eingeführt, sodass es schon sinnvoll ist zumindest eine grobe Kenntnis dieser Bände zu haben. Mir hat der erneute Ausflug in diese Welt jedenfalls sehr gut gefallen. Das viktorianische London gibt dem Ganzen einen schönen Rahmen und auch Mercy als Hauptfigur passt sehr gut in diese Welt. Sie will eigentlich nichts mehr mit der Buchmagie zu tun haben, kann aber von Büchern nicht die Finger lassen. Ihr Charakter ist sympathisch und kommt authentisch rüber. Ihre zwei Sidekicks wären für die Handlung nicht zwingend notwendig gewesen, geben ihrer Figur aber etwas mehr Tiefe. Zu dritt erleben sie spannende Abenteuer, die der Autor sehr ansprechend präsentiert. Der Erzählstil ist sehr flüssig, gewürzt mit allerlei Wendungen und Geheimnissen entsteht ein rechter Sog und so ist man recht schnell am Ende angekommen; wo den Leser erfreulicherweise schon die Ankündigung für den nächsten Band erwartet, sodass die Wartezeit nicht allzu lang werden dürfte. Bis auf kleine Unstimmigkeiten hat mir die Geschichte gut gefallen und so freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Mercy & Co.

Veröffentlicht am 10.09.2017

Harter Tobak

Kukolka
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Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: ...

Samira wächst in den 90ern in einem ukrainischen Waisenhaus auf. Doch mit 7 Jahren flüchtet sie vor den herzlosen Erziehern, vor den grausamen anderen Kindern und versucht sich ins Land ihrer Träume durchzuschlagen: Deutschland. Weiter als bis zum örtlichen Bahnhof kommt sie allerdings nicht, wo sie von Rocky aufgesammelt wird. Der betreibt ein lukratives „Business“: einen Kindertrupp zum Betteln und Stehlen schicken. Samira wird in die Truppe aufgenommen.

Lana Lux hat sich eine sehr ernste Thematik ausgesucht und verschont den Leser nicht: jede harte Grausamkeit, jede realistische Gewalttat, die ganze Härte, die Samiras Alltag bestimmt, werden schonungslos aufgezeigt. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund, entsprechend derb ist die Sprache, obwohl insgesamt recht einfach gehalten. Immer wieder muss man sich Samiras Alter vor Augen führen, sie wird (muss) verdammt schnell erwachsen werden. Es ist erstaunlich wie stark sie doch ist, was sie alles erträgt; und trotzdem schleicht sich irgendwann der Gedanke ein, warum sie als Kind ausbrechen konnte, als Teenager aber nicht mehr. Die psychische Abhängigkeit wird sehr glaubhaft dargestellt und gibt (wie eigentlich alle Aspekte des Buches) viel Stoff zum Nachdenken. An manchen Stellen hat mir die Autorin zu dick aufgetragen, insgesamt fand ich ihre Geschichte jedoch sehr überzeugend. Harter Tobak, gekonnt erzählt; der Leser wird gefordert und zumindest mit einem kleinen Hoffnungsschimmer belohnt. Ein toller Erstling!