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Veröffentlicht am 08.08.2021

Verloren im Osten

Raumfahrer
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Jan lebt mit seinem Vater am Rande von Kamenz, einer Stadt in Ostdeutschland, die schon bessere Tage gesehen hat. Immer mehr Häuser und Geschäfte stehen leer, das Krankenhaus in dem Jan arbeitet, wird ...

Jan lebt mit seinem Vater am Rande von Kamenz, einer Stadt in Ostdeutschland, die schon bessere Tage gesehen hat. Immer mehr Häuser und Geschäfte stehen leer, das Krankenhaus in dem Jan arbeitet, wird demnächst geschlossen. Einer der letzten Patienten dort, Herr Kern, scheint mehr über Jans Familie zu wissen als dieser selbst, sodass Jan selbst nun auch immer mehr unbequeme Fragen zu stellen beginnt.
Mit Rietzschels Debütroman hatte ich so meine Schwierigkeiten, doch Raumfahrer hat mich sehr positiv überrascht. Um den Künstler George Baselitz und dessen Familie entspinnt der Autor eine fiktive Handlung, die den Leser schnell fesselt. Auf zwei Zeitachsen werden langsam Zusammenhänge sichtbar, die sich gut zu einem Ganzen zusammenführen lassen. Die Nachwendezeit, das Gefühl vieler nicht mehr so richtig dazuzugehören, die Spuren der gesellschaftlichen Umbrüche, all das nimmt großen Raum im Roman ein und wird so greifbar für alle Leser. Die Handlung kommt ohne große Gefühle, ohne große Dramatik aus, und sagt doch mit ganz leisen Tönen so viel aus. Raumfahrer ist kein ganz leichter Roman, aber einer der einiges zum Grübeln beim Leser hinterlässt.

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Veröffentlicht am 08.08.2021

Berührend

Von hier bis zum Anfang
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Mit 13 Jahren sollte man eigentlich ein unvernünftiger Teenie sein dürfen, doch Duchess muss stattdessen ihre Familie zusammenhalten. Den kleinen Bruder versorgen, die ständig betrunkene Mutter bewachen, ...

Mit 13 Jahren sollte man eigentlich ein unvernünftiger Teenie sein dürfen, doch Duchess muss stattdessen ihre Familie zusammenhalten. Den kleinen Bruder versorgen, die ständig betrunkene Mutter bewachen, den Haushalt besorgen. Etwas Unterstützung erhält sie von Cop Walk, der in ihrem beschaulichen Heimatstädtchen sonst nicht wirklich viel zu tun hat. Bis sein Jugendfreund nach langen Jahren im Gefängnis entlassen wird, und der Alltag der Bewohner von Cape Haven nicht mehr ist wie zuvor.
Duchess‘ Geschichte ist eine sehr tragische, die dem Leser schnell nahe geht. Eigentlich kann sie nur verlieren, denn wie soll ein so junger Mensch sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen. Doch Duchess wäre nicht die Nachfahrin eines echten Outlaws, wenn sie sich nicht mit markigen Sprüchen, einem klugen Kopf und der ein oder anderen nicht ganz sauberen Aktion durchsetzen würde. Ihre Figur ist dem Autor ganz wunderbar gelungen, und man begleitet sie gerne durch die vielen Tiefen und wenigen Höhen. Auch Walk mochte ich sehr, er ist ein eher weicher Charakter und zeigt viele allzu menschliche Schwächen auf, was natürlich um einiges authentischer wirkt. Die Handlung erstreckt sich über circa ein Jahr, mit gelegentlichen Rückblenden. Dieser lange Zeitraum passt gut zum gemächlicheren Tempo, man hat Zeit die vielschichtigen Verbindungen zu verstehen, gleichzeitig verdeutlicht es aber auch immer wieder wie lange Duchess‘ kämpft. Whitaker erzählt sehr einfühlsam, dennoch sehr kraftvoll. Ich mochte seinen Stil unglaublich gerne, er schreibt literarisch ansprechend, aber nicht abgehoben. Einzig und allein mit einigen Facetten des Endes bin ich nicht so ganz glücklich, hier verliert für mich die Geschichte etwas. Trotzdem ist Von Hier bis zum Anfang ein toller und sehr lesenswerter Roman.

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Veröffentlicht am 04.08.2021

Kein klassischer Krimi, trotzdem sehr lesenswert

1981
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Vor 20 Jahren hat Polizeikommissar Joaquin schon bange Tage ausstehen müssen, als sein Bruder bei den Unruhen ins Visier der Militärdiktatur geriet. Jetzt herrscht wieder Unsicherheit im Land, erneut droht ...

Vor 20 Jahren hat Polizeikommissar Joaquin schon bange Tage ausstehen müssen, als sein Bruder bei den Unruhen ins Visier der Militärdiktatur geriet. Jetzt herrscht wieder Unsicherheit im Land, erneut droht ein Ende der Demokratie. In diesen schwierigen Zeiten soll Joaquin, eigentlich schon reif für die Rente, den Mord einer Frau klären. Naja, oder zumindest so tun als ob er ermittelt, denn auch seine Vorgesetzten schieben lieber eine ruhige Kugel als sich ins Rampenlicht zu bringen und vielleicht den Falschen auf die Füße zu treten. Als die Stimmung im Land endgültig überzukochen droht, überdenkt auch Joaquin die eine oder andere Entscheidung.
Der Klappentext hat eine etwas andere Handlung vermuten lassen, trotzdem hat mir die Geschichte ganz gut gefallen. Die Geschehnisse von 1981 und der Gegenwart in 2001 nehmen etwa gleich viel Raum ein, spielen aber gut zusammen, sodass der rote Faden erhalten bleibt. Joaquin ist ein interessanter Charakter, sein unterschiedliches Denken und Handeln gestern und heute wird wertungsfrei gegenüber gestellt. Er versucht immer unterm Radar zu fliegen und konzentriert sich v.a. darauf dem eigenen Wertekodex gerecht zu werden, ohne zu sehr aufzufallen. Ein verständliches Handeln, das einen nachdenklich werden lässt. Immer wieder treten die Ermittlungen hinter dem aktuellen Geschehen oder Joaquins Vergangenheit zurück, es handelt sich also nicht um einen klassischen Krimi im eigentlichen Sinne. Ich fand diesen Ausflug in die jüngere argentinische Geschichte trotzdem sehr lesenswert, denn die Autorin baut eine eindrückliche, dabei oft bedrückende Atmosphäre auf, die einen ebenso wie die fesselnde Handlung wirklich gefangen nimmt.

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Willkommen in Ede City

Wild Card
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Vor 15 Jahren ist Weston mit Hilfe seiner Tante aus Ede City, Alcacia nach London geflohen. Jetzt ist sie verstorben, und eigentlich wollte Weston nur zur Beerdigung für wenige Tage heimkehren. Doch ehe ...

Vor 15 Jahren ist Weston mit Hilfe seiner Tante aus Ede City, Alcacia nach London geflohen. Jetzt ist sie verstorben, und eigentlich wollte Weston nur zur Beerdigung für wenige Tage heimkehren. Doch ehe er es sich versieht, wird er von einem alten Peiniger für dessen Zwecke eingespannt. Schon in der Schule war Church ein echter Rowdy, und so ist es nicht verwunderlich, dass er auch als Erwachsener genau weiß wie er Weston nach seiner Pfeife tanzen lassen kann.
Thompsons Thriller spielt in dem fiktiven Staat Alcacia, der in Westafrika liegen soll. Willkür ist an der Tagesordnung, Korruption sowieso. Der Autor skizziert das alles ungeschönt und wie selbstverständlich; schnell wird dem Leser klar wie das Leben und das Miteinander dort funktionieren. Der Blick wirkt etwas einseitig, trotzdem glaube ich, dass mehr Wahrheit hinter dieser Darstellung steckt als man als Außenstehender wahrhaben möchte. Dementsprechend ist auch der Ton rauer, brutal wird es auch öfter mal, was vielleicht nicht jedem Leser gefällt, aber sehr authentisch wirkt. Weston mochte ich ganz gerne, er steckt in einer prekären Lage, die er mit Grips und Gewitztheit nicht lösen können wird. Er kann einem eigentlich nur Leid tun, trotzdem legt er noch einen gewissen Sinn für Galgenhumor an den Tag und einen starken Willen nicht aufzugeben. Die Zusammenhänge waren mir zwischenzeitlich etwas undurchsichtig, sodass ich irgendwo in der Mitte kurzzeitig den roten Faden verloren habe. Auch finde ich Westons Entscheidungen zum Ende hin nicht mehr ganz nachvollziehbar, selbst wenn sie den Grundstein für weitere Bände legen. Im Großen und Ganzen hat mir Wild Card gut gefallen, der sympathische Hauptdarsteller, der authentische Blick und ein toller Schreibstil haben über inhaltliche Ungereimtheiten hinweg getröstet. Den nächsten Band werde ich mir sicherlich vornehmen.

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Veröffentlicht am 26.05.2021

Fall 7 für Leon Ritter

Verhängnisvolles Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 7)
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Heftige Regenfälle haben in Le Lavandou nicht nur das Frühsommerfeeling ruiniert, sondern auch die Leiche eines kleinen Jungen an den Strand gespült. Leon Ritter übernimmt nicht nur die Obduktion, sondern ...

Heftige Regenfälle haben in Le Lavandou nicht nur das Frühsommerfeeling ruiniert, sondern auch die Leiche eines kleinen Jungen an den Strand gespült. Leon Ritter übernimmt nicht nur die Obduktion, sondern klinkt sich auch in die Ermittlungen ein, die ihn weiter zurück in die Vergangenheit führen als erwartet.
Vorliegender Krimi ist schon Teil 7 der erfolgreichen Reihe, aber er lässt sich auch problemlos ohne Vorwissen lesen. Sowohl Ritter als auch das Ermittlerteam werden ausreichend eingeführt, sodass man persönliche Beziehungen und Spannungen auch als Neuleser schnell durchschaut hat. Ich mochte Leon wieder sehr, er benutzt seinen eigenen Kopf und setzt sich im richtigen Moment auch mal über lästige Vorschriften hinweg. Auch sein Handeln im Privaten ist immer besonnen, gerade der Umgang mit seiner Ziehtochter hat mir sehr gut gefallen. Nicht ganz so gepackt hat mich wie sonst das Provencefieber; zwar spielen Land und Leute wieder eine große Nebenrolle, aber irgendwie waren für mich Farben, Gerüche u.ä. nicht ganz so greifbar wie in vorherigen Bänden. Der Kriminalfall hingegen überzeugt auf ganzer Linie, Eyssen zeichnet hier ein grausiges Szenario, das verdeutlicht, dass trotz Sonne, Sommer und Meer menschliche Abgründe nie weit entfernt sind. Trotz abartigen Hintergründen werden die Schilderungen nie reißerisch, sondern lassen den Opfern einen Rest Würde. Der Erzählstil des Autors kann ebenfalls wieder punkten, sodass der Krimi wieder viel zu schnell ausgelesen war. Teil 8 darf gerne kommen.

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