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Veröffentlicht am 04.09.2019

Messer

Messer (Ein Harry-Hole-Krimi 12)
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Vor Jahren hat Harry Hole den Vergewaltiger und Mörder Svein Finne ins Gefängnis gebracht. Jetzt ist dieser wieder auf freiem Fuß, und natürlich bleibt Harry misstrauisch. Eigentlich darf er gar nicht ...

Vor Jahren hat Harry Hole den Vergewaltiger und Mörder Svein Finne ins Gefängnis gebracht. Jetzt ist dieser wieder auf freiem Fuß, und natürlich bleibt Harry misstrauisch. Eigentlich darf er gar nicht eigenständig ermitteln, hängt doch wieder an der Flasche und ist beruflich kalt gestellt. Aber wann hätte Harry sich schon mal an Regeln gehalten?
Es ist ein bisschen schwierig zu beschreiben, was mir an Messer nicht ganz so gut gefallen hat ohne zu spoilern, deshalb lieber etwas schwammig: Harry Hole erlebt mit die extremste Situation der ganzen Reihe (absolut unerwartet. Dramatisch. Ich war geschockt!), und trotzdem bleibt er seltsam distanziert. Natürlich hat er noch nie durch überemotionale Momente geglänzt, aber trotzdem hat man ihm Druck und psychischen Stress immer glaubhaft angemerkt. Das war mir in diesem Thriller schlicht und ergreifend nicht realistisch ausgearbeitet. Hier wird großes Potential verschenkt, man ist von Nesbo einfach Besseres gewohnt. Die Story drumrum ist gewohnt spannend, mit Finne hat man einen perfiden, ekelerregenden Bösewicht, den es erneut zu fangen gilt. Hier glänzt Nesbo mit erwarteter Qualität, die Jagd ist abwechslungsreich und reißt mit. Die Atmosphäre stimmt, düster und dunkel wirkt das Oslo, das dem Leser präsentiert wird. Ich mochte „Messer“ unterm Strich schon; aber ich trauere ein bisschen den verpassten Möglichkeiten hinterher.

Veröffentlicht am 01.09.2019

Bedrückend

Nacht in Caracas
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Die Straßen von Caracas sind wie in ganz Venezuela ein gefährliches Pflaster geworden. Die junge Adelaida kann noch nicht einmal ihre Mutter in Würde begraben, zu gefährlich ist das Verweilen am Grab geworden. ...

Die Straßen von Caracas sind wie in ganz Venezuela ein gefährliches Pflaster geworden. Die junge Adelaida kann noch nicht einmal ihre Mutter in Würde begraben, zu gefährlich ist das Verweilen am Grab geworden. Auch die heimische Wohnung ist nicht mehr die Zufluchtsstätte, die sie einmal war. Und so treibt die junge Frau durch die Stadt, die immer mehr von den Rebellen beherrscht wird.
Borgos Roman ist eine sehr intensive Lektüre. Angst, Verzweiflung und Gewalt beherrschen die Seiten, immer wieder verbinden sich die gezeichneten Bilder mit denen, die man aus den Nachrichten kennt. Die Autorin zeigt nicht nur das ergreifende Schicksal ihrer Protagonistin, sondern eben auch den Untergang von Recht und Ordnung. Immer wieder springt die Erzählung zu früheren, besseren Zeiten, sodass der Bruch zwischen Normalität und Chaos besonders hart wird. Mich hat dieser Roman sehr berührt, auch wenn ich mir ab und an etwas mehr Einsicht in Adelaidas Kopf gewünscht hätte. Auch mit dem Ende habe ich etwas gehadert, was aber den Lesegenuss nur unmerklich gedämpft hat. „Nacht in Caracas“ ist ein kurzer, aber sehr intensiver Roman über ein Land, das droht im Chaos zu versinken.

Veröffentlicht am 14.08.2019

The Bookshop

Tagebuch eines Buchhändlers
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Shaun Bythell ist Inhaber von Schottlands größtem Antiquariat. In seinem Heimatstädtchen Wigtown dreht sich alles ums Buch, hat es sich doch zum Buchdorf gemausert. In willkürlichen Tagebucheinträgen erzählt ...

Shaun Bythell ist Inhaber von Schottlands größtem Antiquariat. In seinem Heimatstädtchen Wigtown dreht sich alles ums Buch, hat es sich doch zum Buchdorf gemausert. In willkürlichen Tagebucheinträgen erzählt Bythell von seinem Alltag.
Bythells Art ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Mit oftmals spitzer Feder erzählt er von seinen Angestellten und seinen Kunden. Die Netten lässt er in dieser Schilderung oft aus, die besonders Verschrobenen oder eben auch Unfreundlichen karikiert er in seinen täglichen Tagebucheintragungen. Es kann sicherlich jeder, der täglich mit viel Laufkundschaft arbeitet, ein wenig von dem eigenen Alltag in Bythells Schilderungen wiederfinden, auch dessen Unwille Fragen wie „Verkaufen Sie hier Bücher?“ mit dem nötigen Ernst zu beantworten ; ) Doch Bythell erzählt nicht nur von seiner Buchhandlung im Speziellen, sondern streut auch immer wieder allerlei Informatives zum Buchhandelswesen in Großbritannien bei. Gerade die fehlende Buchpreisbindung unterscheidet diesen doch sehr vom hiesigen, die Konkurrenz durch amazon & co sicherlich nicht. Auch über Wigtown und Umgebung erfährt man viel, ob zur Geschichte oder Sehenswürdigkeiten. Ich fand das Tagebuch ganz nett zu lesen; es ist sicherlich nichts, um es in einem Happs wegzulesen, denn natürlich wiederholen sich einige Dinge im Tagesgeschäft oder auch im Leben des Erzählers. Mir hat es mit kleinen Abstrichen trotzdem gut gefallen.

Veröffentlicht am 18.07.2019

Eine etwas andere Lovestory

Die einzige Geschichte
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Jeder Mensch erlebt in seinem Leben DIE eine Lovestory, DIE eine Liebe, die alles bedeutet. Paul trifft seine große Liebe mit 19 im Tennisclub. Er ist gerade mit der Schule fertig, sie ist Ende 40 und ...

Jeder Mensch erlebt in seinem Leben DIE eine Lovestory, DIE eine Liebe, die alles bedeutet. Paul trifft seine große Liebe mit 19 im Tennisclub. Er ist gerade mit der Schule fertig, sie ist Ende 40 und verheiratet. Trotzdem brechen sie mit allen Konventionen, und bleiben jahrelang ein Paar.
Barnes‘ Roman klingt auf den ersten Blick äußerst kitschig, wenn, ja wenn es eben nicht ein Roman aus seiner Feder wäre. Es folgen keine süßlichen Schmachtszenen, sondern zarte und z.T. sehr witzige Situationen aus der Beziehung zwischen Paul und Susan. Auch auf die Probleme, auf die ein so ungleiches Paar trifft, wirft der Autor ein Auge, mal verständnisvoll, mal kritisch. Ich mochte seine Betrachtungen sehr, immer wieder bringt einen der Autor zum Nachgrübeln. Sein Stil war wie bei seinen bisherigen Romanen ein ganz besonderer, ich konnte mich aber diesmal nicht völlig in seinen Formulierungen verlieren. Die beiden Hauptfiguren Paul und Susan sind sehr gut gelungen, gerade Paul lernt man sehr gut kennen, wird doch aus seiner Perspektive erzählt. Er wird im Laufe der Handlung immer erwachsener, sodass die Entwicklung dieser Figur besonders interessant zu verfolgen ist. Ich hätte mir etwas mehr Einsicht in Susans Kopf gewünscht, ebenso einen etwas weniger klischeehaften Ehemann, der mir doch viel zu stereotyp geraten ist. Trotzdem tragen die vorhandenen Figuren sehr gut durch die Handlung, und ich habe v.a. Pauls Gedanken gerne verfolgt. Insgesamt war die einzige Geschichte vielleicht nicht Barnes‘ allerbestes Buch, aber trotzdem ein sehr gutes, das zum Nachgrübeln und Versinken einlädt.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Panah

Die Geschichte der schweigenden Frauen
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„Man kann sich niemals den Regeln von Green City beugen, wenn man im Herzen rebelliert.“
Sabine ist so eine Rebellin. Sie lebt mit anderen Frauen in der Panah, einem sicheren Refugium unter der Wüste vor ...

„Man kann sich niemals den Regeln von Green City beugen, wenn man im Herzen rebelliert.“
Sabine ist so eine Rebellin. Sie lebt mit anderen Frauen in der Panah, einem sicheren Refugium unter der Wüste vor Green City. So entgeht sie dem Schicksal aller Bürgerinnen der Stadt, die gleich mit mehreren Männern verheiratet werden, um möglichst viele Kinder in den Welt zu setzen.

Bina Shah zeigt in ihrer feministischen Dystopie ein düsteres Bild, in dem die Beziehung zwischen Mann und Frau auf das Nötigste reduziert wird: den Fortbestand der eigenen Art zu sichern. Staatlich organisiert, gefühllos und ohne den Frauen überhaupt einen eigenen Willen zuzugestehen. Die werden zwar in Watte gepackt, gehegt und gepflegt, aber natürlich nur, wenn sie sich dem System unterwerfen. Diese Situation birgt natürlich viel Konfliktpotential und Stoff zum Nachdenken. Die wenigsten Leser können sich wahrscheinlich mit den Frauen in der Brutmaschinerie identifizieren, sondern fühlen eher mit den Rebellen mit. Genau das fand ich dann viel zu einseitig dargestellt, gerade Einblicke in die „normale“ Welt von Green City hätten gewiss noch Potential gehabt. So erlebt man einfach zu wenig vom Alltag, wodurch die Botschaft der Autorin etwas untergeht. Auch ist mir die Entstehung dieser Gesellschaft nicht recht klar geworden, die Männer waren und sind die Tonangebenden. Warum das auch in den Zeiten vor Konflikten, Kriegen und Epidemien schon der Fall war, warum es keine Aufstände der Frauen gegen die gesellschaftlichen Entwicklungen gab, all das bleibt irgendwie im Dunkeln und zumindest für die westliche Welt doch etwas unlogisch. Nichtsdestotrotz hat mir Shahs Roman gut gefallen, denn er liefert nicht nur einige Denkanstöße, sondern kann mit glaubhaften Charakteren eine spannende und gleichzeitig düstere Geschichte erzählen. Den Stil der Autorin mochte ich sehr, sie entwirft sehr lebendige Bilder, die man sofort vor Augen hat, egal ob es sich dabei um den Unterschlupf der Rebellen oder einen ausgewachsenen Sandsturm handelt.
Unterm Strich also ein lesenswerter Roman mit kleinen Schwächen.