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Veröffentlicht am 31.03.2019

Weltuntergang?

Der Wal und das Ende der Welt
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In St. Piran, einem kleinen, abgeschiedenen Dorf in Cornwall, ist es schon eine Sensation, dass sich die Einwohnerzahl auf 308 vergrößert hat. Es gab jedoch nicht etwa Nachwuchs, sondern Joe Haak, ein ...

In St. Piran, einem kleinen, abgeschiedenen Dorf in Cornwall, ist es schon eine Sensation, dass sich die Einwohnerzahl auf 308 vergrößert hat. Es gab jedoch nicht etwa Nachwuchs, sondern Joe Haak, ein Analyst aus London, wird nackt am Strand angespült. Doch wie kam er hierher? Noch bevor diese Frage abschließend geklärt werden kann, strandet noch jemand am Strand: ein Wal.

John Ironmongers Roman wird mit dem Satz „Dieses Buch gibt einem den Glauben an die Menschheit zurück“ beworben. Das halte ich dann doch für etwas sehr plakativ ausgedrückt, auch wenn die Geschichte sicherlich Werte wie Solidarität, Selbstlosigkeit und Menschlichkeit vermitteln soll. Der Zusammenhalt in diesem kleinen Dorf wird für meinen Geschmack eine Spur zu ideal dargestellt, gerade so, dass es eben nicht mehr realistisch, sondern wie ein großes Märchen anmutet. Nicht einmal ein Quotengriesgram wird uns gegönnt, nahtlos alle ziehen im Endeffekt an einem Strang. Joe als Außenseiter wird sofort akzeptiert, was ich bei einer so kleinen Gemeinschaft auch eher ungewöhnlich finde. Die Figur Joe fand ich gut gemacht, ihn lernt man sehr gut kennen, sein Beruf als Analyst macht ihn sehr interessant, und seine Handlungen fand ich nachvollziehbar. Das entworfene Weltuntergangsszenario wirft viele kritische Fragen auf, hinterfragt unsere heutige Gesellschaft und wirkt alles in allem erschreckend authentisch. Hier hat der Autor sicherlich einen wunden Punkt unserer Welt getroffen, gleichzeitig gibt er auch Hilfestellung wo ein Umdenken hilfreich sein könnte. Bei allem realistischen oder auch unrealistischen Katastrophenszenario schafft es der Autor trotzdem, nie belehrend zu schreiben; kritische Töne werden eher leise geäußert, und hallen dafür umso lauter. Ich mochte den Erzählstil sehr, auch wenn ich ihn manchmal zu märchenhaft fand. Unterm Strich ist Ironmongers Roman recht gut gelungen, wichtige Themen werden manchmal allerdings zu plakativ angesprochen.

Veröffentlicht am 24.03.2019

Der Fall des unendlichen Asphalts

Das Ende der Lügen
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Obwohl bei einem Autounfall schwer verletzt, gibt Detektivin Claire DeWitt nicht auf, ja macht sich sogar auf um den Unfallverursacher aufzuspüren. Denn es handelte sich nicht um eine zufällige Kollision, ...

Obwohl bei einem Autounfall schwer verletzt, gibt Detektivin Claire DeWitt nicht auf, ja macht sich sogar auf um den Unfallverursacher aufzuspüren. Denn es handelte sich nicht um eine zufällige Kollision, sondern um einen gezielten Mordanschlag.
Sara Gran wirft den Leser mitten hinein ins Geschehen, lässt gerade zu Beginn kaum Zeit zum Luftholen. Da sich die Handlung auf mehreren Zeitebenen abspielt, bleibt das Tempo auch im weiteren Verlauf sehr zügig, und dem Leser wird kaum eine Pause gegönnt. Ich kenne die vorherigen Bände mit Claire nicht, hatte aber nie das Gefühl, dass mir essentielles Vorwissen fehlt. Man erfährt in diesem Band hier viel aus Claires Vergangenheit, auch über ihre frühere Mentorin, die sie für die okkult anmutenden Methoden von Silette öffnete. Das Konzept dieser Methode bleibt etwas schleierhaft, macht aber neugierig und die Ermittlungen natürlich besonders spannend. Ebenso der Fall aus Claires Teenagerzeit, als eine ihrer wenigen Freundinnen spurlos verschwand. Drei große Kriminalfälle bestimmen die Handlung, viele kleine werden gestreift. Ich mochte die kleine, versteckte Hommage an Sherlock Holmes, denn wie der große Detektiv bezeichnet DeWitt ihre Fälle recht eigenwillig: der Fall des unendlichen Asphalts, der Fall der gebrochenen Lilie etc.
Claire ist eine Frau, die bei vielen aneckt, doch genau diese Ecken und Kanten haben mir an ihr so gut gefallen. Sie nimmt es mit dem Gesetz nicht immer ganz so genau, einfach aber auch deswegen, weil sie sich eher für Gerechtigkeit denn für geltendes Recht einsetzt. Ich mochte sie gerne. Grans Erzählstil passt wunderbar zur temporeichen Handlung und so war „Das Ende der Lügen“ schnell ausgelesen. Ein etwas anderer Krimi, der mich sehr gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Vier Tage in Kabul

Vier Tage in Kabul
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Amanda Lund hat sich den Staub von ihrem letzten Einsatz noch nicht einmal von der Hose geklopft, da soll die Unterhändlerin sich schon um einen neuen Auftrag kümmern. Ein Diplomatenpaar ist verschwunden, ...

Amanda Lund hat sich den Staub von ihrem letzten Einsatz noch nicht einmal von der Hose geklopft, da soll die Unterhändlerin sich schon um einen neuen Auftrag kümmern. Ein Diplomatenpaar ist verschwunden, wahrscheinlich entführt, vielleicht sogar ermordet. In Kabul muss sich Amanda alleine durchschlagen, Unterstützung erhält sie nur aus dem fernen Schweden.

„Vier Tage in Kabul“ ist der erste Band mit Amanda Lund, und ich denke schon, dass die Reihe Potential hat. Die Lage in Kabul ist immer noch mehr als heikel, das Setting bringt seine ganz besonderen Eigenheiten mit. Die Autorin weiß wovon sie schreibt, und das merkt man der Handlung auch an. Lund als Hauptfigur finde ich sehr spannend, auch wenn mir eine Entwicklung in Bezug auf die nächsten Bände nicht ganz so gut gefällt. Trotzdem steckt in dieser Figur noch viel Entwicklungspotential. Der Schreibstil hat mir gut gefallen, ich mag die etwas nordisch nüchterne Art sehr gerne. Leider findet dann doch mehr Handlung als erwartet in Schweden statt, mich haben die Entwicklungen in Kabul einfach mehr interessiert, und so hätten die schwedischen Ermittler dann für meinen Geschmack gerne schneller arbeiten können. Trotzdem hat mir der Thriller gut gefallen und ich bin auf den nächsten Band gespannt.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Bleib doch, wo ich bin

Bleib doch, wo ich bin
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Kaya scheint angekommen: nach einem abgebrochenen Studium verschlägt es sie wieder in ihren kleinen Heimatort, zurück zu ihrem Pony Achterbahn, ihren Jugendfreundinnen und zu ihrem bestem Freund Rob. Sie ...

Kaya scheint angekommen: nach einem abgebrochenen Studium verschlägt es sie wieder in ihren kleinen Heimatort, zurück zu ihrem Pony Achterbahn, ihren Jugendfreundinnen und zu ihrem bestem Freund Rob. Sie baut sich eine Existenz als Buchhändlerin auf, und ist mit ihrer Unabhängigkeit mehr als glücklich, einen Mann im Leben braucht sie nicht. Dachte sie immer. Bis es Lasse in ihren Heimatort verschlägt, den Kaya eigentlich nur aufgrund einer Wette anspricht. Mit ungeahnten Folgen…

Ich bin eigentlich kein Liebesromanleser; wenn ich doch einen zur Hand nehme, lege ich ihn am Ende meist mit dem Gefühl weg definitiv zu viel Zuckerguss und rosaroten Sahnebaiser abbekommen zu haben. Hier war das nicht so. „Bleib doch, wo ich bin“ ist ein Roman rund um eine Liebesgeschichte, aber das artet nie in zu viel Kitsch aus. Auch pikantere Details, die bei manchem Autor eher zum Fremdschämen sind, werden frei von abgedroschenen Phrasen stimmig in Szene gesetzt. Lisa Keil erzählt außerdem mit einer gehörigen Portion Humor nicht nur von Kayas Liebesleben, sondern auch von dem Leben auf dem Land. Da, wo es zwar ein Minikino und einen Supermarkt gibt, wo aber das örtliche Schützenfest quasi der Höhepunkt des kulturellen Lebens und nichts vor dem Dorfklatsch sicher ist. Die Darstellung hat mir sehr gut gefallen, sie trifft den Kern und zeigt, dass das Leben auf dem Land neben vielen guten, eben auch seine weniger schönen Seiten hat. Die Figuren sind jung und frisch, die etwas flippige Kaya wirkt ebenso authentisch wie z.B. ihr bester Freund Rob. Der teilt sich den Beruf mit der Autorin, sein Berufsalltag wird mit allen Sonnen- und Schattenseiten dargestellt, ohne, dass der Roman mit Anekdoten aus dem eigenen Praxisalltag vollgestopft wirkt. Mir hat dieser Roman abgesehen von Kleinigkeiten wirklich sehr gut gefallen, gut geschrieben und konstruiert; eine kurzweilige Geschichte mit Herz, aber ohne Kitsch.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Viel Historie, wenig Krimi

1793
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Aus der stinkenden Kloake Stockholms wird das gezogen, was einmal ein Mensch gewesen ist. Grausam zugerichtet, verstümmelt, zum Krüppel gemacht und letztendlich einfach entsorgt. Der Häscher Mikkel, selbst ...

Aus der stinkenden Kloake Stockholms wird das gezogen, was einmal ein Mensch gewesen ist. Grausam zugerichtet, verstümmelt, zum Krüppel gemacht und letztendlich einfach entsorgt. Der Häscher Mikkel, selbst als Krüppel aus dem Krieg heimgekehrt, soll zusammen mit dem tödlich erkrankten Cecil die Herkunft der Leiche klären. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, denn den beiden läuft die Zeit davon.

Niklas Natt och Dag reißt den Leser von seiner gemütlichen Couch direkt mit ins Stockholm von 1793. Düster, dreckig, hässlich und unmenschlich geht es zu, das spürt man sofort. Man hat direkt lebendige Bilder vor Augen, riecht den Gestank, hört wie sich die Armen die Seele aus dem Leib husten; der Autor beschönigt nichts. Ein authentisches Bild jener Zeit zu schaffen, das gelingt dem Autor also scheinbar mühelos, obwohl sicherlich massig Recherchearbeit in der Geschichte steckt. Der historische Anteil dieses Buches hat mich somit schon mal vollständig überzeugt. Auch die beiden Hauptfiguren sind sehr gut gelungen, jeder hat so seine Eigenheiten und Geheimnisse, beide sind clever und wirklich daran interessiert dem Mordopfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen (wie einem schnell klar wird, keine Selbstverständlichkeit in jenen Zeiten). Mir kam der kriminalistische Anteil dann doch etwas zu kurz, ich hätte Mikkel und Cecil gerne in Höchstform erlebt; die Ermittlungen laufen oft gefühlt nur mit halber Kraft, dem Spannungsbogen wird zwischenzeitlich so ein Dämpfer verpasst. Schade, denn die Story hätte das Zeug zu einem grandiosen historischen Krimi gehabt, der mich zwar so auch schon sehr gut unterhalten, aber eben nicht völlig mitgerissen hat.