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Veröffentlicht am 15.09.2016

Zwölf Jahre Hölle

Twelve Years a Slave
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Solomon Northup wurde als freier Mann geboren, führte ein gut situiertes Leben in New York. Doch eines Tages gerät er an die Falschen und er erleidet ein grausames Schicksal. Denn Solomon ist schwarzer ...

Solomon Northup wurde als freier Mann geboren, führte ein gut situiertes Leben in New York. Doch eines Tages gerät er an die Falschen und er erleidet ein grausames Schicksal. Denn Solomon ist schwarzer Hautfarbe und somit mitnichten in allen Staaten der USA ein freier Mensch. Eine wahre Odyssee beginnt…

Ein beeindruckender Erlebnisbericht. Obwohl Solomon nicht unnötig auf Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten herumreitet (es gibt derer trotzdem genug), ist man beim Lesen oft fassungslos. Natürlich haben wir heute vielleicht ein etwas anderes Verständnis von Freiheit, aber mit welcher Selbstverständlichkeit hier über die Leben anderer entschieden wird, ist wirklich erschreckend. Northups Schicksal steht als Beispiel für viele andere, die dasselbe erlitten haben. Man erhält einen guten Einblick was es bedeutete Sklave zu sein, abhängig von der Willkür des Besitzers, ausgeliefert und rechtslos. Sprachlich kommt immer ein erzählerischer Charakter durch, auch wenn sich Northup mal in detailreichen Erklärungen zum Baumwollanbau verliert. Er bleibt dabei aber immer etwas distanziert, das mag dem damaligen Zeitgeist entsprechen, vielleicht wollte er damit aber auch eine gewisse Sachlichkeit in die Thematik bringen und sich nicht in Wehklagen verlieren.

Fazit: gibt der abstrakten Geschichte zur Sklaverei ein Gesicht. Ein Bericht, der aufrüttelt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Wildnis aus Spiegeln

Der katholische Bulle
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Nordirland, Mai 1981: „Alles ist hier Gegensatz, nichts ist Synthese. Protestant - Katholik; Grün – Orange; Beatles – Stones; Sclaverandventil – Schraderventil (…). Man musste schon verrückt sein, um hier ...

Nordirland, Mai 1981: „Alles ist hier Gegensatz, nichts ist Synthese. Protestant - Katholik; Grün – Orange; Beatles – Stones; Sclaverandventil – Schraderventil (…). Man musste schon verrückt sein, um hier zu bleiben. Oder träge. Oder masochistisch.“

Ständige Unruhen prägen den Alltag in Carrickfergus; öffentliche Anfeindungen, Anschläge im nahen Belfast, Straßensperren und der tägliche Check nach der Bombe unter dem eigenen Auto sind an der Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund geschieht nun ein Mord; die Leiche eines jungen Mannes wird mit abgehackter Hand aufgefunden.

Detective Sergeant Sean Duffy, 30 Jahre und brisanterweise katholischen Glaubens, wird mit diesem, seinem ersten Fall in Carrickfergus, betraut. Zu Seite stehen ihm zwei Kollegen, die sich nicht gerade durch übermäßige Kompetenz auszeichnen und schon mal gerne die Spuren am Tatort zertrampeln oder mit Terpentin vernichten. Zunächst scheint der Fall recht einfach zu lösen, doch dann taucht eine weitere Leiche auf. Hat es Duffy tatsächlich mit dem ersten Serienkillers Nordirlands zu tun? Oder führen die Spuren nicht doch in eine andere Richtung? Duffy kämpft sich durch; arbeitet sich durch widersprüchliche Beweise, gegen seinen widerstrebenden Chef und gegen Zeugen, die niemals einem Bullen die Wahrheit sagen würden. Denn „Wahrheit war etwas, worüber man im Grundkurs Philosophie sprach“…

Adrian McKinty erzählt in teils nüchternem, teils gefühlvollem Ton, bei dem auch eine Prise schwarzen Humors nicht zu kurz kommt. Die Figuren wirken authentisch und man kann sich schon nach wenigen Seiten mit Duffy identifizieren; ein Protagonist, der die nötige Tiefe und Entwicklungsfähigkeit zeigt und den Leser und sogar sich selbst überraschen kann. Die beklemmende Alltagsituation ist immer präsent und man kann erahnen, wie beängstigend das Leben in dieser Situation gewesen sein musste. Einen einzigen Kritikpunkt habe ich dann doch: manchmal hätte ich mir einfach etwas mehr Hintergrund-Informationen gewünscht. Natürlich kann man so etwas selbst nachschlagen, aber ein paar erklärende Sätze z.B. zu Gerry Adams oder der Sinn Fein im Allgemeinen hätten nicht geschadet.

Alles in Allem fand ich „Der katholische Bulle“ aber wirklich gelungen und freue mich schon sehr auf Teil zwei dieser neuen Reihe von McKinty.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Und immer wieder: Zwanzig nach drei

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa
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Der Hobbyschriftsteller Ben Constable führt ein ganz normales Leben, sieht man mal davon ab, dass er an Prosopagnosie leidet und eine imaginäre Riesenkatze namens Cat hat. Seine tiefgründige und ehrliche ...

Der Hobbyschriftsteller Ben Constable führt ein ganz normales Leben, sieht man mal davon ab, dass er an Prosopagnosie leidet und eine imaginäre Riesenkatze namens Cat hat. Seine tiefgründige und ehrliche Freundschaft zu Tomomi Ishikawa scheint ein plötzliches, trauriges Ende zu finden, denn sie begeht Selbstmord. Zumindest steht das so in ihrem Abschiedsbrief an Ben. Und der begibt sich auf Spurensuche, denn Tomomi hat ihm in Briefen und emails Hinweise hinterlassen, die ihn auf eine Schnitzeljagd quer durch Paris und New York führen. Ben erfährt Dinge über seine Freundin, die er sich nie erträumt hätte und bei dem er immer ein großes Fragezeichen im Hinterkopf behalten muss: Realität oder Fiktion? Denn nichts ist so, wie es zuerst scheint und bald weiß Ben überhaupt nicht mehr was oder wem er glauben und vertrauen soll…

Mir hat Constables Buch wirklich gut gefallen, auch wenn (ohne hier zu spoilern) ich das Ende etwas schwach fand. Eine herrlich skurrile, spannende, manchmal auch verwirrende Reise durch Paris und New York, bei der so mancher Leser ins Schwärmen geraten wird. Der Stil ist gut zu lesen, Briefe, Hinweise etc. sind optisch hervorgehoben, sodass keine Missverständnisse aufkommen können. So manch kleines Detail aus Tomomis Leben (wie z.B. die Uhrzeit Zwanzig nach drei) erscheint plötzlich durch ihre Vergangenheit in einem völlig neuen Licht und auch sonst hält das Buch allerlei Überraschungen und Twists bereit. Cat, als imaginäre Verkörperung von Bens Gewissen und sein Partner in kniffeligen Situationen hat mir ausgesprochen gut gefallen; allerdings hätte der Autor dieses Mittel meiner Meinung nach etwas mehr ausschöpfen können.

Alles in allem ein besonderes Buch, bei dem der Autor mit dem Leser spielt und man auch nach der Lektüre noch rätselt: Realität oder Fiktion?

Veröffentlicht am 15.09.2016

Irre Schnitzeljagd auf den Spuren des Blues

Roadkill
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Der 47jährige Daniel Erikson hat ein kleines finanzielles Problem: für die Verwirklichung seines musikalischen Projekts Rock-&-Roll-Revival hat er sich ordentlich Kohle bei dem russischen Gauner Prisratjewitsch ...

Der 47jährige Daniel Erikson hat ein kleines finanzielles Problem: für die Verwirklichung seines musikalischen Projekts Rock-&-Roll-Revival hat er sich ordentlich Kohle bei dem russischen Gauner Prisratjewitsch geliehen. Dieser will das Geld aber blöderweise zurück und macht Daniel auf brutale Weise klar, dass er dafür auch über Leichen gehen würde. Doch Daniel hat erfreulicherweise einen Notgroschen daheim im Safe liegen. Dachte er zumindest. Der Safe ist leer; bis auf eine CD, die ihm in einem Song Hinweise auf den Verbleib des Geldes liefert. Ein irrer Roadtrip auf der Spur der Geldes beginnt, immer entlang des berühmten Blues Highway; und immer auf der Flucht vor den Schergen des Russen: dem Profikiller Moog und dem unkontrollierbaren Irren Rabidoso...

Eyre Price hat hier den klassischen Roadtrip quer durch die USA mit vielen interessanten Fakten über den Blues gespickt; man erfährt Einiges zu den großen Könnern und wichtigen Stationen dieser Musikrichtung. Die Songs mit den Hinweisen kann man sich auf der Homepage des Verlags anhören, sodass man der Geschichte auch akustisch gut folgen kann. Ein echter Pluspunkt, wie ich finde. Die ersten Kapitel waren noch etwas holprig, doch dann findet Price seinen Rhythmus und erzählt seine Story in einem so flüssigen, witzigen Stil, dass sie einem Actionfilm gleich blitzschnell vorüberzieht.

Ein wenig Kritik will ich doch auch üben: Einige Wendungen haben für mich nicht so ganz zum Buch gepasst. Auch war die Story an mancher Stelle einfach zu gewollt, die Figur Rabidoso beispielsweise soll den durchgeknallten, irren Brutalo abgeben, wirkt aber leider oft einfach nur überzeichnet und lächerlich; man kauft sie dem Autor nicht wirklich ab.

Insgesamt ist Roadkill vielleicht nicht der klassische nervenaufreibende Thriller, sorgt aber trotz kleinerer Schwächen für gute Unterhaltung und bietet einen schönen musikalischen Background. Gerne mehr davon!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Frauen von Carcassonne

Die Frauen von Carcassonne
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Frankreich, 1942: der Kampf gegen die Deutschen ist verloren, Frankreich besiegt. In Carcassonne lebt die 18jährige Sandrine trotzdem relativ unbehelligt mit Schwester und Haushälterin ein recht behütetes ...

Frankreich, 1942: der Kampf gegen die Deutschen ist verloren, Frankreich besiegt. In Carcassonne lebt die 18jährige Sandrine trotzdem relativ unbehelligt mit Schwester und Haushälterin ein recht behütetes Leben. Eines Tages rettet sie einen Ertrinkenden aus dem Fluss, doch bevor sie mehr erfahren kann, wird sie selbst niedergeschlagen und muss nun ebenfalls aus dem Fluss gezogen werden. Zu Hilfe kommt ihr der smarte Raoul, Mitglied der örtlichen Résistance, in deren Arbeit Sandrine mehr und mehr eingebunden wird.

In einem zweiten Handlungsstrang begleitet der Leser den Mönch Arinius auf seiner gefährlichen Mission im Jahre 340 n. Chr. Er versucht einen magischen Codex vor der Zerstörung zu bewahren.

Kate Mosse hat diese fiktive Geschichte um einige reale Ereignisse gesponnen und es geschafft, dass sich Wahrheit und Fiktion zu einem unterhaltsamen und informativem Ganzen verbinden. Die Angst und Beklemmung, die das Leben in dieser Zeit mit sich brachte, wird sehr gut herausgearbeitet. Diese ständige unterschwellige Bedrohung, die Bespitzelung durch die eigenen Nachbarn und die Willkür, mit der Juden und andere „unbequeme“ Mitbürger inhaftiert werden, schnüren dem Leser teilweise selbst die Kehle zu. Auch die Charaktere sind der Autorin sehr gut gelungen, die Figur der Sandrine beispielsweise ist zunächst noch das naive Mädchen, entwickelt sie sich im Laufe des Buches aber zu einer starken Persönlichkeit, die für ihre Überzeugung alles riskiert. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist der Versuch Übersinnliches mit in die Geschichte zu packen, denn gerade die Arbeit der Menschen, die damals täglich ihr Leben im Kampf gegen die Deutschen riskiert haben, werden hier durch Hexerei & Zauberei etwas ins Lächerliche gezogen.

Mir hat „Die Frauen Carcassonne“ insgesamt recht gut gefallen, allerdings hat für mich der übersinnliche Part so überhaupt nicht in die Geschichte gepasst und deswegen bekommt das Buch von mir 4 von 5 Punkten.