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Veröffentlicht am 05.10.2018

Highlight – nicht nur für Vogelliebhaber

Das Vogelhaus
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Die niederländische Autorin Eva Meijer stieß bei Recherchen für ein anderes Buch auf die Vogelforscherin Len Howard, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde. Über mehrere Jahrzehnte lebte diese bis ...

Die niederländische Autorin Eva Meijer stieß bei Recherchen für ein anderes Buch auf die Vogelforscherin Len Howard, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde. Über mehrere Jahrzehnte lebte diese bis zu ihrem Tod 1973 in ihrem 'Vogelhaus' in englischen Sussex. Dort beobachtete sie zahlreiche einheimische Vögel (vor allem Kohlmeisen), baute Vertrauen auf, lebte mit den Vögeln zusammen, richtete ihr Leben nach ihnen aus und veröffentlichte mehrere Artikel und zwei Bücher über ihre Beobachtungen. Obwohl sie nie ein wissenschaftliches Studium absolvierte und von der damaligen Wissenschaft nicht ernst genommen wurde, war sie bei den Forschungsmethoden ihrer Zeit voraus und beobachtete die Vögel in ihrem natürlichen Habitat und betrachtete sie als Individuen. Geprägt ist Len Howards Vorgehen von einer Empathie, die auch heute noch vorbildlich ist.
Im Roman vermischen sich Wahrheit und Fiktion, was mich zunächst vor allem in den Passagen über die Meise Sternchen irritierte, die Eva Meijer so schreibt, als würde es sich um von Len Howard geschriebene Zeitschriftenartikel handeln. Irgendwann warf ich diese Bedenken aber über Bord und ließ mich von der Geschichte einer ungewöhnlichen Frau unterhalten und bezaubern.
Eva Mejer beschreibt Len Howards Leben, ihre Gedanken und Gefühle und ihre Liebe zu Vögeln mit einer einfühlsamen, melodischen Sprache, die sich gut lesen lässt.
Für mich ein Highlight! Ein Muss für alle Vogelliebhaber!

Veröffentlicht am 09.07.2018

Spannend und mysteriös

Hyde
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Antje Wagners Jugendbuch "Hyde" ist eine spannende, mysteriöse Geschichte, die von der 18-jährigen Ich-Erzählerin Katrina handelt. Katrinas Person und ihre Vergangenheit sind lange Zeit von vielen Geheimnissen ...

Antje Wagners Jugendbuch "Hyde" ist eine spannende, mysteriöse Geschichte, die von der 18-jährigen Ich-Erzählerin Katrina handelt. Katrinas Person und ihre Vergangenheit sind lange Zeit von vielen Geheimnissen umgeben, wobei die Autorin nicht die Grenze überschreitet, an der zu viel Geheimniskrämerei anstrengend wird. Ich möchte garnicht mehr über den Inhalt verraten, da gerade dieses Ungewisse einen Reiz des Buches ausmacht. Katrina ist jedenfalls eine charismatische Protagonistin, die mir ans Herz gewachsen ist.

Die Spannung des Buches basiert meiner Meinung nach zu einem großen Teil auch auf der gelungenen Erzählweise. Die Autorin springt dabei immer wieder in der Zeit - manchmal wechselt die Zeitebene sogar schon nach ein oder zwei Absätzen. Trotzdem kann man der Handlung gut folgen. In Rückblicken wird so nach und nach Katrinas Vergangenheit aufgedröselt.
Das ist überaus spannend mit einer gruseligen Stimmung.

Auch als Erwachsene war das ein tolles Leseerlebnis - als Jugendliche hätte ich dieses Buch glaube ich geliebt und regelrecht verschlungen. Empfohlen wird das Buch ab 15 Jahren - der Empfehlung würde ich mich anschließen.

Veröffentlicht am 09.03.2018

Bewegende, vielfältige Geschichte

Fliegende Hunde
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Wlada Kolosowas Roman-Debüt hat mich positiv überrascht: ich hätte nie gedacht, dass mich die Geschichte zweier Teenager-Mädchen so mitreißen würde. Oksana und Lena sind ganz weit weg von meiner Lebensrealität ...

Wlada Kolosowas Roman-Debüt hat mich positiv überrascht: ich hätte nie gedacht, dass mich die Geschichte zweier Teenager-Mädchen so mitreißen würde. Oksana und Lena sind ganz weit weg von meiner Lebensrealität und das macht es für mich spannend, über sie zu lesen, auch wenn sie um einiges jünger sind als ich.
Dieses Buch bietet vieles: ein Sittenbild der russischen unteren Mittelschicht heute, eine Geschichtsstunde über die Leningrader Blockade im Zweiten Weltkrieg, eine Geschichte über Teenager-Mädchen. Das alles packt die Autorin auf nur 224 Seiten und schafft es dabei trotzdem, dass diese so unterschiedlichen Themen miteinander einher gehen und genau richtig umgesetzt werden: weder ist die Geschichte oberflächlich, noch wirkt sie langatmig. Stattdessen ergeben sie eine vielschichtige, fesselnde Lektüre.

Ich fühle mich durch die Schreibweise der Autorin gut in die Geschichte hinein versetzt. Die Autorin beschreibt die teils brutalen, teils schönen, manchmal auch absurden Momente im Leben der beiden Mädchen einfühlsam, ohne je rührselig zu werden. Man merkt, dass sie Russland kennt und weiß worüber sie schreibt.

Ich wollte das Buch am liebsten nicht mehr zur Seite legen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.11.2017

Intelligent und spannend!

Leere Herzen
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Wer denkt "Juli Zeh - ihre Bücher fand ich ja bisher immer gut" oder auch "Juli Zeh - bisher nur Gutes über sie gehört, vielleicht lese ich mal ihren neuen Roman", dem empfehle ich, "Leere Herzen" zu lesen ...

Wer denkt "Juli Zeh - ihre Bücher fand ich ja bisher immer gut" oder auch "Juli Zeh - bisher nur Gutes über sie gehört, vielleicht lese ich mal ihren neuen Roman", dem empfehle ich, "Leere Herzen" zu lesen ohne weiter nach Inhaltsangaben, Rezensionen oder Interviews von Denis Scheck zu suchen. Diese enthalten nämlich alle unweigerlich Spoiler und "Leere Herzen" ist ein Buch, das man meiner Meinung nach auch sehr lohnend lesen kann, ohne vorher viel darüber zu wissen. So viel sei gesagt: Juli Zeh ist die selten glückende Kombination eines spannenden und(!) intelligenten Buches gelungen. Absolute Leseempfehlung!
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Sie sind ja immer noch hier und wollen offenbar doch noch mehr über das Buch wissen. Das ist okay! Los geht's! Auf Spoiler kann ich ab hier aber leider nicht verzichten.

Juli Zeh setzt die Handlung von "Leere Herzen" in der näheren Zukunft (ca. zweites Viertel des 21. Jahrhunderts) in Deutschland an. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich die Schattenseiten einer oberflächlich friedlich lebenden Gesellschaft. Politikverdrossenheit hat weiter um sich gegriffen und Populisten sind in Deutschland an der Macht. Britta Söldner (in die Namen der Protagonisten kann man so einiges interpretieren) hat mit ihrem Geschäftspartner und guten Freund Babak die "Brücke" gegründet, eine Agentur die Selbstmordkandidaten und radikale Gruppierungen zusammen bringt, sodass der Selbstmord einen Sinn bekommen soll. Britta kann dieses Konzept sich selbst gegenüber als saubere Sache und win-win-Situation verkaufen - unbeteiligte Tote gibt es aber auch hierbei weiterhin und vielleicht auch deshalb arbeitet sie in einer Grauzone und selbst der Ehemann und die beste Freundin wissen nicht, was sie genau macht. Während im Leser die Frage aufkommt, wie Britta und Babak vom Staat und anderen Institutionen unbemerkt agieren können, passiert es auch schon: die Brücke gerät unter Druck. Erst langsam klärt sich, wer hier eigentlich was und warum beabsichtigt.

Britta und ihre Freundin spielen im Buch mehrmals das "was wäre wenn"-Spiel. Auch der Leser kommt nicht umhin hier mitspielen und sich selbst Fragen zu stellen - über die eigene Moral und das eigene Handeln. Wohin steuern Deutschland und die Welt? Welche Rolle spiele ich dabei? Würde ich mich am Ende so entscheiden wie Britta? Meine liebste Frage: Wenn du auf deine Waschmaschine oder dein Wahlrecht verzichten müsstest- wie entscheidest du dich?

Ein wichtiges, aktuelles, hochpolitisches Buch, das gleichzeitig auch spannend ist - ich wollte es garnicht mehr aus der Hand legen.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Band 3 der Neapolitanischen Saga

Die Geschichte der getrennten Wege
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Weiter geht es mit der Neapolitanischen Saga! Endlich liegt der dritte von vier Bänden in deutscher Übersetzung vor. Ich empfehle dringend, die Reihe von Anfang an zu lesen und mit 'Meine geniale Freundin' ...

Weiter geht es mit der Neapolitanischen Saga! Endlich liegt der dritte von vier Bänden in deutscher Übersetzung vor. Ich empfehle dringend, die Reihe von Anfang an zu lesen und mit 'Meine geniale Freundin' zu beginnen! 'Die Geschichte der getrennten Wege' ist allerdings wohl auch ohne Vorkenntnisse zu verstehen.
Auf den ersten Seiten gibt es wieder eine Zusammenfassung der wichtigsten bisherigen Ereignisse und der handelnden Personen. Das reichhaltigen Personal mit (sich manchmal ähnelnden) Namen und Spitznamen erfordert eine gewisse Konzentration des Lesers, macht für mich aber auch mit den Reiz der Reihe aus.

Italien, Ende der 1960'er Jahre. Die Ich-Erzählerin Elena und ihre Freundin Lila sind Mitte zwanzig, Elena hat ihr Studium beendet und Lila ist Mutter und Arbeiterin in einer Wurstfabrik. So unterschiedlich beider Leben bisher verlaufen sind, so zeigen sich doch auch immer wieder Gemeinsamkeiten. Beide engagieren sich politisch links und für die Gewerkschaft, obwohl sie beide eher zufällig in diese Strömung hineingerutscht zu sein scheinen.
Wie schon im vorangegangenen Band fragt man sich, warum beide an der Freundschaft festhalten, wo doch die Konflikte, Neid und Missgunst die innigen, freundschaftlichen Momente oftmals überdecken. Aber das macht wohl eine Freundschaft fürs Leben aus.

Die Neapolitanische Saga ist nicht nur die Geschichte einer Freundschaft, sondern auch italienische Geschichte. Anhand der Leben von Elena, Lila und der anderen Bewohner des Rione in Neapel wird das Leben im Italien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit vielen Facetten beschrieben. Im vorliegenden Band sind das die 1960'er und 1970'er Jahre, geprägt von politischen Kämpfen zwischen links und rechts.

Die Geschichte wird von Elena Ferrante im gewohnt ruhigen Ton erzählt, der sehr angenehm zu lesen ist.