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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.07.2023

Gute Umsetzung

Die Neapolitanische Saga 1: Meine geniale Freundin
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Nichts für Kinder - eher für Erwachsene, ggf. für ältere Jugendliche.
Ich muss sagen, dass mir das fast schon brave Coverbild nicht zusagt. Mara Cerris Bilder haben dann im Buch aber einen anderen Charakter, ...

Nichts für Kinder - eher für Erwachsene, ggf. für ältere Jugendliche.
Ich muss sagen, dass mir das fast schon brave Coverbild nicht zusagt. Mara Cerris Bilder haben dann im Buch aber einen anderen Charakter, der mir viel besser gefällt. Ich finde sie sehr stimmungsvoll, sowohl was den Handlungsort als auch die Emotionen der Mädchen betrifft. Insgesamt sind sie düsterer als es das Cover vermuten lässt, was aber gut zur Geschichte und zum Handlungsort Rione (Wohnviertel Neapels, in dem die Handlung angesetzt ist) passt.
Die Geschichte von Elena Ferrante wird in der Graphic Novel von Chiara Lagani natürlich verkürzt dargestellt. Vor allem fehlen viele der zahlreichen wiederkehrenden Nebenpersonen, die im Roman den Charakter des Rione unterstreichen und für mich auch ein wichtiges Merkmal und Reiz der Romanreihe sind. Für die eigentliche Geschichte rund um Lenú und Lila sind sie aber verzichtbar, wie man in der Graphic Novel merkt. Der Rione nimmt dafür in anderer Form, nämlich in den Bildern Gestalt an. Diese Konzentration auf die beiden Mädchen und ihre ungewöhnliche Freundschaft finde ich sehr passend für die Form Graphic Novel.
Die Bilder sind vor allem halbseitig, kleinere Bilder sind die Ausnahme, wodurch die 254 Seiten schneller als gedacht gelesen sind.
Wie auch der Roman endet die Graphic Novel offen - hoffentlich wird die Tetralogie komplett als Graphic Novel veröffentlicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.07.2023

Tolles Buch

Eine Frage der Chemie
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Ein Buch über eine Außenseiterin, Feministin und nicht zuletzt Wissenschaftlerin. Elizabeth ist wirklich eine toll gezeichnete Protagonistin, die ihre Ecken und Kanten hat, der man nicht wirklich nahe ...

Ein Buch über eine Außenseiterin, Feministin und nicht zuletzt Wissenschaftlerin. Elizabeth ist wirklich eine toll gezeichnete Protagonistin, die ihre Ecken und Kanten hat, der man nicht wirklich nahe kommt, die einem aber unweigerlich ans Herz wächst. Viele der Kämpfe, die sie als Frau der 1950'er Jahre in einer männerdominierten Welt ausfechten muss, werden auch heute in nur leicht abgeschwächter Form gekämpft. Das Buch hat sowohl Drama als auch Witz - eine gelungene Mischung.

Ein Buch mit außergewöhnlichen Menschen und einem außergewöhnlichen Hund. Da muss man etwas großzügig sein, was die Realistik betrifft. Aber es lohnt sich das zu tun, denn dann wird man sehr kurzweilig und intelligent unterhalten.

Veröffentlicht am 30.06.2023

Familiäre Abgründe

Schönwald
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Zu Anfang wirkt die Familie Schönwald bürgerlich langweilig, aber das währt nur kurz. Schnell ergeben sich die ersten Abgründe und die Konflikte, Kontroversen und schwelenden Geheimnisse hören bis zum ...

Zu Anfang wirkt die Familie Schönwald bürgerlich langweilig, aber das währt nur kurz. Schnell ergeben sich die ersten Abgründe und die Konflikte, Kontroversen und schwelenden Geheimnisse hören bis zum Schluss nicht wieder auf. Die Familienmitglieder sind allesamt herrlich absurd wohlstandsverwahrlost doppelmoralisch. Alle fühlen sich auf selbstgefällige Art und Weise im Recht und sind dabei alle auf ihre eigene Art unerträglich. Das ist sicher überzeichnet, aber jede*r Lesende kann sich wohl irgendwo in oder zwischen den Charakteren wieder finden. Damit kann das Buch zur Selbstreflexion anregen, muss es aber nicht, denn der Autor wertet und verurteilt nicht.
Dabei werden Themen der Zeit wie Queerness, städtische Hipster in Brandenburg, Shitstorms, amerikanische Alt Rights abgehandelt. Und über allem steht das Geld: der Wohlstand, die Selbstverständlichkeit von finanzieller Sorglosigkeit und das (teils unbewusste bzw selbst negierte) Streben nach immer noch mehr Reichtum.
Zwischendurch hat das Roman-Debut des Journalisten Philipp Oehmke schon mal leichte Längen, aber insgesamt fühlte ich mich bitterböse intelligent unterhalten. Ein Spiegel unserer Zeit ohne erhobenen Zeigefinger.

Veröffentlicht am 04.05.2023

Dystopie der eher ruhigen Töne

Und dann verschwand die Zeit
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"Und dann verschwand die Zeit" von Jessie Greengrass ist eine Dystopie der eher ruhigen Töne und hat mir gut gefallen. Pauly, Caro und Sally sind Überlebende einer verheerenden Flutkatastrophe, die im ...

"Und dann verschwand die Zeit" von Jessie Greengrass ist eine Dystopie der eher ruhigen Töne und hat mir gut gefallen. Pauly, Caro und Sally sind Überlebende einer verheerenden Flutkatastrophe, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht und die auf der ganzen Welt dramatische Auswirkungen hatte. Die Zivilisation ist wohl in Teilen zusammengebrochen, allerdings bleibt das genaue Ausmaß unklar. Zusammen leben die drei auf High House an der Küste Englands und berichten im Wechsel davon, wie sie dorthin gekommen sind, was vor der Katastrophe passiert ist und (eher andeutungsweise) wie ihr Leben nun aussieht. Dabei gibt es wenig Spannung oder Wendungen – keine Gewalt, Action oder Machtkämpfe. Die Erzählung konzentriert sich eher auf die drei Charaktere, die unterschiedlich mit den Aspekten Schuld, Verantwortung, Überlebenskampf umgehen, und sich doch irgendwie zusammenraufen müssen, um das Überleben gemeinsam zu meistern. Dabei verzichtet Jessie Greengrass aber auf extreme Kontraste zwischen den Charakteren, was zu dieser eher ruhigen Geschichte gut passt. Diese Dystopie ist anders, aber wenn man sich darauf einlässt, ist sie durchaus lohnend.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Rastloser Aufstieg

Anleitung ein anderer zu werden
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Nach "Abschied von Eddy" blieb bei mir die Frage, wie Édouard Louis den Ausbruch aus den dort beschriebenen hoffnungslosen Verhältnissen eigentlich genau geschafft hat. Diese Frage wird nun in "Anleitung ...

Nach "Abschied von Eddy" blieb bei mir die Frage, wie Édouard Louis den Ausbruch aus den dort beschriebenen hoffnungslosen Verhältnissen eigentlich genau geschafft hat. Diese Frage wird nun in "Anleitung ein anderer zu werden" beantwortet. Zeitlich schließt es an "Eddy" an und beschreibt, durch welche Begegnungen und Zufälle er, nachdem er als Teenager das Dorf und seine Familie verlässt, seinen Weg bishin in teils absurd elitäre Verhältnisse gefunden hat. Damit hat das Buch eine andere Stimmung als "Eddy". Gegenüber seinen Eltern schlägt er versöhnlichere, verständnisvollere Töne an, das Dorf kommt nur am Rande vor – nicht mehr als Mittelpunkt des Lebens, sondern als Gegenpol zum neuen bzw. zukünftigen Leben, als Anreiz, aufzusteigen und dort nie wieder leben zu müssen. Insgesamt ist "Anleitung ein anderer zu werden" weniger düster als der Vorgänger, die Aussicht auf eine positive Zukunft ist immer spürbar. Aber auch ein rastloses Streben nach weiterem sozialen Aufstieg und materieller Sicherheit ist immer da – so zieht es ihn dann, nachdem er auf dem Gymnasium und an der Uni in Amiens schon mehr erreicht hat, als die meisten erwartet hätten, nach Paris auf eine Elite-Universität. Nur so scheint es ihm sicher, das Dorf endgültig hinter sich lassen zu können. Der Weg, den Édouard Louis durchläuft, ist eindrucksvoll, auch wenn ich mich bei allem Respekt vor so viel Mut, Kraft und Ehrgeiz manchmal frage, ob er sich dabei nicht etwas zu sehr von anderen beeinflussen lässt – ein Dilemma, das ihm aber auch selbst bewusst zu sein scheint. Bleibt zu hoffen, dass er irgendwann ankommt.