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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2021

Ungebremster und skurriler Lesespaß!

Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht
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Meine Meinung

Als ich entdeckte, dass der Festa Verlag wieder etwas Neues von Carlton Mellick III, dem Begründer und Meister des Nischen-Genres »Bizarro Fiction«, gibt, war ich gleich Feuer und Flamme! ...

Meine Meinung

Als ich entdeckte, dass der Festa Verlag wieder etwas Neues von Carlton Mellick III, dem Begründer und Meister des Nischen-Genres »Bizarro Fiction«, gibt, war ich gleich Feuer und Flamme! Der »Bizarro Fiction« gehören Laut Beschreibung zumeist zeitgenössische Erzählungen an: die sich häufig der Elemente des Absurdismus, der Satire und des Grotesken sowie Pop-Surrealismus und Genre-Fiktion bedienen, um subversive, seltsame und unterhaltsame Werke zu schaffen.

Seine bisher im deutschen (ebenfalls bei Festa) erschienenen Titel »Die Kannibalen von Candyland«, »Ultra Fuckers«, »Der Baby-Jesus-Anal-Plug« und »Adolf im Wunderland« lassen bereits erahnen, dass die Geschichten grenzenlos durchgeknallt sind. So überrascht es kaum, dass sich auch die neuste Veröffentlichung mit dem wohlgemerkt gekürzten Titel »Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht« in diese Riege der Absonderlichkeiten einreiht.

Die zuckersüße Aufmachung des Büchleins ist fast perfekt gelungen und lässt im Ansatz erahnen, welch erwärmend groteske Lovestory sich zwischen den türkis-gelben Buchdeckeln versteckt. Jedoch ist es ein wenig Schade darum, dass das abgebildete Mädchen überhaupt nicht zu Carlton Mellicks expliziter Beschreibung seiner Protagonistin (rote Zöpfe, grüner Lippenstift etc.) passt. Der grandiosen Story über die erste tief empfundene Liebe, die das gesamte Leben eines Teenagers auf den Kopf stellt und zu den ersten stark empfundenen Gefühlen führt, ist eigentlich harmlos – oder doch nicht?

Bei Carlton Mellick III wird nämlich genau jene Situation zu einem schwierigen Unterfangen. Ethan verliebt sich unsterblich in die Außenseiterin Jill, die durch ihre Spinnenfreunde zu dem Spitznamen »Spiderweb« kam. Obwohl sich alle Mitschüler vor »Spiderweb« gruseln und sie sonderbar finden, ist sie für Ethan das süßeste Mädchen an der Schule und er liebt sie mit all ihren Eigentümlichkeiten. Doch richtig gefährlich wird es erst, sobald »Spiderweb« starke Emotionen verspürt, wie etwa bei einem ersten Date oder vor dem ersten Kuss – dann explodiert ihr ganzes verdammtes Gesicht, sodass die Fetzen fliegen.

Ich liebe diese verdammt abgefuckte Geschichte, in der eine hinreißende Mischung aus Humor und Horror dargeboten wird, mit all ihren kuriosen Facetten! Aber am meisten liebe ich Mellicks unvergleichlich bildlichen Erzählstil, der die Gehirnwindungen ordentlich durchdreht. Außerdem bricht der Autor eine Lanze für alle Außenseiter, denn durch Ethan vermittelt er, dass diese genauso, oder sogar aufgrund ihrer Besonderheit, umso liebenswerter sind.

Die bizarre Geschichte bietet auf jeden Fall einen extrem guten Unterhaltungswert, auch wenn sie garantiert nichts für die Otto-Normal-Leser*innen ist. Aber alle, die gerne ihren literarischen Horizont erweitern möchten und nicht vor einer experimentellen Mischung zurückschrecken, sind bei Mellick und seinen surrealen Kombinationen hervorragend aufgehoben.

Fazit:

Carlton Mellick III bedient sich in »Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht« einem Mix aus Teenie-Romanze, Horror und skurriler Zutaten aus dem Absurditäten-Kabinett und sorgt damit für ungebremsten Lesespaß.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 15.07.2020

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.03.2021

Von der ersten bis zur letzten Seite Spannung und grandiose Illustrationen garantiert!

Schloss der Tiere. Band 1
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Meine Meinung:

Weltbekannt ist George Orwells gesellschaftskritische und dystopische Fabel »Farm der Tiere«, und auch wenn ich die literarische Vorlage bisher noch nicht gelesen habe, ist mir die Geschichte ...

Meine Meinung:

Weltbekannt ist George Orwells gesellschaftskritische und dystopische Fabel »Farm der Tiere«, und auch wenn ich die literarische Vorlage bisher noch nicht gelesen habe, ist mir die Geschichte durch den Zeichentrickfilm noch vage im Kopf.

Xavier Dorison hat sich mit seiner auf vier Bände ausgelegten Comic-Reihe »Schloss der Tiere« dem Thema angenommen und mit der küstlerischen Unterstützung von Félix Delep, der mit »Miss Bengalore« sein Erstlingswerk vorlegt, eine wahrhaftige Hommage zu Orwells Klassiker aufs Papier gezaubert.

»Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.«
Farm der Tiere, George Orwell

Gleich zu Beginn erlebt man hautnah die Auswirkungen der gnadenlosen Herrschaft auf dem von Menschen verlassenen und von Tieren regierten Bauernhof mit. Das Huhn Adelaide behält eines ihrer Eier für sich und verweigert die Abgabe an den Präsidenten und seine Hundemiliz.

Die repressive Gewalt der Republik, bei der die schwächeren Tiere von Stier Sivlio und seinen Hunden unterdrückt werden, bringen das Huhn ohne Umwege an den Pfahl, um dort von der Miliz zerfleischt zu werden.

Die Härte des Regimes, zu hohe Abgaben und der eigene Hunger sorgen bei einigen der Zwei- und Vierbeinigen Untertanen für immer größeren Unmut. Miss Bengalore ist alleinerziehende Katzenmutter und arbeitet für den Lebensunterhalt ihrer Familie bis zur Erschöpfung. Doch so kann es nicht weitergehen, das sieht auch ihre gute Gänsefreundin Magerite so.

Der Duft von Rebellion liegt in der Luft. Als die kleine Ratte Azelar an den Hof kommt und die Tiere mit einer Schattenspiel-Geschichte unterhält, die erst so richtig bewusst macht, in welcher Lage sie sich befinden, zettelt Miss Bengalore eine friedliche Revolution an. Zusammen mit dem Hasen-Gigolo Cäsar und unter der Anleitung Azelars sagt Miss Bengalore dem brutalen Regime, mit Köpfchen und Humor, den Krieg an.

Xavier Dorison hat seine Fabel mit prägnanten Tier-Charakteren bevölkert, die besonders durch das ausgezeichnete Minenspiel mit grotesker Menschlichkeit erfüllt werden. Im Kontrast dazu steht die Unmenschlichkeit der Diktatur durch Stier Silvio. Die Zeichnungen von Félix Delep sind unglaublich eindrucksvoll, denn er erzählt mit seinen Bildern fast mehr, als es der Text vermag. Von diesem Künstler werden wir bestimmt noch hören bzw. lesen. Ich freue mich schon sehr darauf, zu erfahren, wie es mit Miss Bengalore und ihrem Kampf für Gerechtigkeit weitergehen wird.

Die Geschichte ist leicht verständlich aufgebaut und den Panels lässt sich intuitiv folgen, sodass sich »Schloss der Tiere – Miss Bengalore« auch wunderbar für alle die den Einstieg in die Comic-Welt wagen wollen eignet.

Fazit:

Eine Fabel die geschickt mit den Emotionen der Leser*innen spielt und dabei einer Diktatur der Ausbeutung und Unterdrückung den Spiegel unter die Nase hält. Von der ersten bis zur letzten Seite Spannung und grandiose Illustrationen garantiert!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 13.07.2020

Veröffentlicht am 18.03.2021

Ausdrucksstarke Bilder über den Holocaust aus Kindersicht

Bald sind wir wieder zu Hause
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Meine Meinung:

Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emmerich und Elisabeth haben eines gemeinsam: Sie sind geprägt durch die schrecklichen Erfahrungen in ihrer Kindheit, die das Nazi-Regime und dessen Rassenwahn ...

Meine Meinung:

Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emmerich und Elisabeth haben eines gemeinsam: Sie sind geprägt durch die schrecklichen Erfahrungen in ihrer Kindheit, die das Nazi-Regime und dessen Rassenwahn zu Verantworten haben. Die sechs Zeitzeugen werden nicht müde, an diese geschichtsträchtige Epoche mit all ihren Gräuel zu erinnern und ihre Geschichte zu erzählen.

Die Schriftstellerin Jessica Bab Bonde und der schwedische Illustrator Peter Bergting haben die Kindheitserinnerungen dieser Frauen und Männer nun in einen Comic mit dem Titel »Bald sind wir wieder zu Hause« zusammengefasst und machen die Erzählungen bildhaft für Kinder und Erwachsene gleichermaßen zugänglich.

Die Erzählungen von Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emmerich und Elisabeth werden nacheinander wiedergegeben und wirken durch die unterschiedlich gefärbten Eindrücke der Kindheitserinnerungen, die sich jedoch im Leiden, quälenden Hunger und den Transporten zu Arbeitslagern, Vernichtungslagern und Konzentrationslagern sowie den fürchterlichen Erlebnissen dort, auf erschreckende Weise gleichen.

Besonders gut gefallen hat mir, dass zum Abschluss jeder Erinnerung ein paar hoffnungsvolle Worte über das weitere Schicksal der Überlebenden einen Lichtschimmer in all der Finsternis verleihen. Keiner von ihnen hat sich von der Dunkelheit gefangen nehmen lassen, sondern sie haben einen lieben Menschen gefunden, geheiratet, Kinder und Enkelkinder bekommen und tragen mit der Wachhaltung und Verbreitung ihrer Erinnerungen dazu bei, dass die Schrecken des Holocaust niemals vergessen werden.

Peter Bergtings Zeichnungen entfalten durch ihre Schlichtheit sowie die triste graubraune und graublaue Farbgebung eine ganz besondere Stimmung. Die Hauptakteure sind stilistisch so dargestellt, dass sie auch ohne die Maßnahmen der Nationalsozialisten (Entfernung der Haare, Enteignung aller Habseligkeiten inklusive Kleidung und Schuhe) kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dies schlägt auch eine visuelle Brücke zu den ähnlichen Erfahrungen der Holocaust-Überlebenden. Text und Zeichnungen geben die Geschichten der sechs jüdischen Kinder wieder, ohne dabei etwas zu beschönigen, zu bewerten oder zu erklären – es sind authentisch und nüchtern geschilderte Erlebnisse vom Leben im Ghetto, den menschenunwürdigen Gefangenentransporten zu den Vernichtungslagern sowie den entsetzlichen Todesmärschen.

Leserinnen die sich nicht davor scheuen, in die bedrückende Geschichte des Zweiten Weltkrieges einzutauchen, werden hier mit beklemmenden und erschreckenden Kindheitserinnerungen daran erinnert, wie kostbar Freiheit und Menschenrechte sind und wie wichtig es ist mit Geschichten von Zeitzeugen »Gegen das Vergessen« vorzugehen. Bab Bonde und Bergting ist mit »Bald sind wir wieder zu Hause« ein eindrucksvolles Werk gelungen, dass sich an kleine und große Leserinnen richtet und sich durch die puristische Machart bestens für Comic-Einsteiger eignet.

Fazit:

In »Bald sind wir wieder zu Hause« haben Jessica Bab Bonde und Peter Bergting das düstere Kapitel »Holocaust« für Kinder- und Jugendliche im modernen Comic-Format, ausdrucksstark aufbereitet, sodass diese auch für Erwachsene sehr lesenswert ist!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 10.07.2020

Veröffentlicht am 18.03.2021

Emanzipation auf einer abgeschiedenen norwegischen Insel

Vardo – Nach dem Sturm
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Beschreibung:

Ein gewaltiger Sturm zieht am Weihnachtsabend 1617 an der Küste von Vardø auf und reißt die Männer der Insel, die gerade zum Fischen aufgebrochen sind in die Tiefe. Die Frauen des abgeschiedenen ...

Beschreibung:

Ein gewaltiger Sturm zieht am Weihnachtsabend 1617 an der Küste von Vardø auf und reißt die Männer der Insel, die gerade zum Fischen aufgebrochen sind in die Tiefe. Die Frauen des abgeschiedenen Ortes bleiben auf sich alleine gestellt zurück. Maren hat im Sturm Vater, Bruder und Verlobten verloren und muss nun zusammen mit ihrer Mutter und der schwangeren Schwägerin ums Überleben kämpfen.

Drei Jahre nach der Katastrophe wird auf Geheiß des norwegischen Königs ein Kommissar nach Vardø gesandt, der schon in Schottland Hexen verbrannte und nun auf der abgelegenen Insel für Ordnung sorgen soll. Ursa, die frisch angetraute Frau des Hexenjägers, begegnet auf Vardø zum ersten Mal in ihrem Leben unabhängigen Frauen und lernt unter welch harten Bedingungen diese ihre Leben meistern. Ihr Mann sieht jedoch nur eines – die Sünde der indigenen Völker und die Hexerei, die es auszumerzen gilt.

Meine Meinung:

Die britische Schriftstellerin Kiran Millwood Hargrave legt mit »Vardø – Nach dem Sturm« einen historischen Roman vor, der mir tief unter die Haut gegangen ist.

Schauplatz ist die titelgebende Insel Vardø in der Finnmark, vor deren Küste es am 24. Dezember des Jahres 1617 tatsächlich einen heftigen Sturm gab. Noch im selben Jahr erließ König Christian IV. ein Dekret gegen Hexerei und schwarze Magie, welches verstärkt Hexenverfolgungen in Dänemark, Schleswig-Holstein und Norwegen nach sich zog. Auch die Bestimmung des Lensmanns John Cunningham und die Aussendung des schottischen Kommissars Absalom Cornet, um den Klerus in die Finnmark und nach Vardø zu bringen, vor allem um dort gegen das indigene Volk der Sámi vorzugehen, die mit ihren Runen und Trommeln als Windzauberer verunglimpft wurden, beruht auf einer wahren Begebenheit.

Doch bevor die Schrecken der Inquisition auf Vardø um sich greifen und die Spaltung der Frauen-Gemeinschaft für gegenseitige Denunziation aus Missgunst, Neid und Rachsucht sorgt, wird den Leser*innen zunächst die Frauengemeinschaft, insbesondere die zwanzigjährige Maren und deren harte Lebensbedingungen näher vorgestellt.

Im kontrastreichen Gegensatz dazu steht die junge Frau Ursa, die mit ihrer kranken Schwester bei ihrem liebenden Vater in Bergen zu einer feinen Dame heranwächst, und in der Hoffnung auf ein besseres Leben mit dem angehenden Kommissar Absalom Cornet verheiratet wird. Schonungslos bekommt sie ihre untergeordnete Stellung als Frau zu spüren, und erträgt die ehelichen Pflichten, denen es an Zärtlichkeiten und Liebe fehlt.

Auf Vardø treffen die grundverschiedenen Frauen Maren und Ursa aufeinander. Da die bergische Schönheit in keinster Weise auf das entbehrungsreiche Leben vorbereitet ist und nicht die nötigen Fertigkeiten mit sich bringt, um den Haushalt führen zu können, holt sich diese Hilfe bei Maren. Zwischen den Frauen entsteht eine feste Freundschaft, die ihnen Halt gibt und den Nährboden für tiefere Gefühle bereitet.

Kiran Millwood Hargrave hat mich mit der einnehmenden Geschichte über die starken Frauen von Vardø und die Gräuel der Hexenverfolgung durchweg gefesselt. Erschreckend und tief berührend fasst die Autorin die Angst vor dem Klerus in ihren Zeilen ein und sorgt für pure Gänsehaut.

Fazit:

Dieser Roman ist so stürmisch und aufwühlend wie die raue See. Kiran Millwood Hargrave veranschaulicht in »Vardø« wie die frühzeitige Emanzipation auf einer abgeschiedenen norwegischen Insel mit der Hexenverbrennung zusammenhängt und wie Freundschaft und Liebe gegen alle Gräuel bestehen.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Pure Buchmagie!

Das sternenlose Meer
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Beschreibung:

Zachary Ezra Rawlins studiert neue Medien und sollte eigentlich mit Videospielen für seine Promotion beschäftigt sein. Doch als er in der Uni-Bibliothek auf ein geheimnisvolles Buch eines ...

Beschreibung:

Zachary Ezra Rawlins studiert neue Medien und sollte eigentlich mit Videospielen für seine Promotion beschäftigt sein. Doch als er in der Uni-Bibliothek auf ein geheimnisvolles Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel »Süßes Leid« stößt, kann er sich auf nichts anderes als die darin enthaltenen Geschichten konzentrieren.

Das in rote Leder gebundene Buch, dem schon einige Seiten fehlen, enthält märchenhafte Kurzgeschichten – und eine dieser Geschichten beschreibt haargenau ein Ereignis aus seiner eigenen Kindheit. Auf der Suche nach Antworten folgt der Sohn der Wahrsagerin den immer wiederkehrenden Symbolen Biene, Schlüssel und Schwert bis er an einen unterirdischen Ort der Geschichte gelangt, der sich das sternenlose Meer nennt.

Meine Meinung:

Die US-amerikanische Schriftstellerin Erin Morgenstern konnte mich bereits vor acht Jahren mit ihrem Debütroman »Der Nachtzirkus« und ihrer absolut traumhaften Geschichte verzaubern – in ihrem neuen Roman, »Das sternenlose Meer«, wirkt sie wahre Wort-Magie!

Zachary Ezra Rawlins ist ein Buchliebhaber durch und durch, liebt Geschichten über alles und findet, dass Videospiele in vielerlei Hinsicht dem Lesen eines Romans ähneln, nur dass bei einem Buch vorab jemand sämtliche Entscheidungen abgenommen hat. Da ahnt Ezra jedoch noch nichts davon, dass er sich selbst bald mitten in einem Buch findet und seine eigene Geschichte schreibt.

Alles beginnt mit einem in rotes Leder gebundenes Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel »Süßes Leid«, das Ezra in der Bibliothek findet und für ihn die Tür zu einer unbegreiflichen Welt von in sich verschachtelten Geschichten des Suchens und Findens, der Bienen, der Wächter und der Hüter aufstößt, von denen er selbst ein Teil ist.

Mit ihrem unglaublich poetischen Schreibstil kreiert Erin Morgenstern Wort für Wort, Satz für Satz und Seite für Seite eine meisterhafte Geschichte, deren winzige Zahnräder nach und nach ineinandergreifen und ein fantasievolles Kopfkino in Gang setzen, dass für pure Gänsehaut sorgt.

Das komplexe Fadenspiel der zahlreichen Märchen und Mythen die sich hier zu einer dimensionreichen Geschichte verflechten ist gespickt von Metaphern, Symbolen und es gibt klitzekleine Einflüsse/Anspielungen auf andere Romane (was mir ausgesprochen gut gefällt). Geht man dem Faden der einzelnen Geschichten nach, fühlt man sich wie Alice die ins Bodenlose fällt und schließlich dem Kaninchen ins Wunderland folgt, um dort kuriose Abenteuer zu bestehen. Aufmerksame Leser*innen die sich fallen lassen, eröffnen sich zahlreiche Deutungsmöglichkeiten der Metaphern und Symbolik, die sich durch das ganze Buch ziehen und zu einem paradoxen, nicht greifbaren und traumartigen Leseerlebnis führen.

Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass so starke Gefühle in mir geweckt hat, wie das Rauschen des sternenlosen Meeres unter der Erdoberfläche. In diesem kunstvoll gewebten Werk fügen sich die authentisch gezeichneten Charaktere, deren wohlklingende Namen sich bereits in mein Gedächtnis gebrannt haben, perfekt in einem, so scheint es, eigens für Bücherwürmer erträumten Setting ein.

Die Hauptgeschichte über Zachary Ezra Rawlins wird durch märchenhaften Episoden aus den Büchern in dem Buch durchbrochen, sodass es zu einer spannenden »Geschichte in der Geschichte in der Gesichte« Konstellation kommt. Diese mystischen Erzählungen handeln unter anderem von der Liebe zwischen dem Schicksal und der Zeit, dem Eulenkönig, Schlüssel die Türen zu Geschichten öffnen und verschließen, Bienen die Geschichten lauschen und Wächter die den Heimathafen der Geschichten beschützen. Damit sich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Geschichtsfäden ergibt, lässt sich diese nicht auf die Schnelle verschlingen. Die Geschichte benötigt auf jeden Fall etwas mehr Zeit, um ihre gesamte Sogkraft zu entfalten – aber für diese perfekte Komposition lohnt sich allemal!

Besonders schön an diesem Buch ist, dass die Geschichten jede Menge Raum für eigene Interpretationen offen lassen (was natürlich auch beinhaltet, dass nicht alle aufgeworfenen Enden eine Antwort erhalten).

Fazit:

Erin Morgensterns Wörter die in »Das sternenlose Meer« zu Geschichten in Geschichten werden, wirken pure Magie!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 22.06.2020

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